Museum für Angewandte Kunst Köln: Isn’t it romantic? Zeitgenössisches Design zwischen Poesie und Provokation

Das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) öffnete 1888, und so passt es irgendwie, dass es die Festlichkeiten zum 125. Jubiläum mit einer Ausstellung über Romantik im zeitgenössischen Design beginnt.

Nicht nur weil eine museale Diskussion über Romantik nahtlos an die Atmosphäre anknüpft, als das Museum gegründet wurde, sondern auch weil es ein Fenster zu unserer modernen Gesellschaft öffnet und so einen Hinweis darauf bietet, was uns wohl in den nächsten 125 Jahren erwarten wird.

IMM Cologne 2013 Museum für Angewandte Kunst Köln Isn’t it romantic Contemporary Design balancing between Poetry and Provocation

Museum für Angewandte Kunst Köln: Isn’t it romantic? Zeitgenössisches Design zwischen Poesie und Provokation

Mit ungefähr 40 Arbeiten von internationalen Designstudios ist die von Vienna Design Week Direktorin Tulga Beyerle kuratierte Ausstellung in zwei Teile aufgeteilt.

Der erste Ausstellungsteil widmet sich der zeitgenössischen Romantik im Kontext von Produkten, die auf dem Markt erhältlich sind. Der zweite Teil blickt auf experimentellere, konzeptuelle Arbeiten. Eine Unterteilung, die augenscheinlich die derzeitige Designwelt reflektiert – unterteilt in Produkte für die Produktion und Projekte für Galerien.

Für uns ist der schwächere von beiden Teilen der, der sich mit den kommerziellen Produkten beschäftigt. Der Fokus liegt hier für unseren Geschmack zu sehr auf Romantik im Sinne von Kitsch; oder um es anders auszudrücken, die Ausstellung konzentriert sich hier zu sehr auf ein Verständnis von Romantik aus einem heutigen Blickwinkel und nicht darauf, was Romantik für die bedeutete, die zu der Zeit gelebt haben.

Die industrielle Revolution brachte nicht nur Umbruch und Leiden zu den Menschen in Europa, sondern auch Wohlstand und Freiheit. Und während einige gezwungen waren ihr armes, aber freies Bauernleben für das versklavte Arbeiten in einer Fabrik aufzugeben; schwammen die Gewinner in Geld. Und hatten den ganzen Tag nichts zu tun. Romantik war Teil ihrer Therapie.

Sie fingen an Gedichte zu schreiben oder haben andere bezahlt für sie zu schreiben, sie wanderten durch die Alpen, sie starben an Gehirnfieber oder gebrochenem Herzen und haben ständig versucht vor der schwierigen modernen Welt in konstruierte Realitäten zu fliehen.

Die kulturellen Werte, die zu dieser Zeit entstanden, waren die Antwort ihrer Protagonisten auf das vorherrschende Klima. Und so sehr wir es auch glauben wollen, Caspar David Friedrich war nie ironisch. Er meinte es wirklich so.

Was wir heute als Kitsch verstehen, wurde ehrlich und ernsthaft geschaffen, das meiste von dem, was aber im MAKK zu sehen ist, ist als Kitsch entstanden. Ironischer Kitsch. Was nichts mehr mit einer zeitgenössischen Interpretation von Romantik zu tun haben kann. Es ist nichts mehr als eine individuelle Interpretation von „romantischem Kitsch“.

Ergibt das einen Sinn?

Es gibt dennoch einige exzellente Stücke in der Ausstellung – Objekte, die für uns das Wesentliche des romantischen Zeitalters zusammenfassen. Patricia Urquiolas Re-Trouvé Stühle und Tische z.B. flüstern einem zu, dass sie einen Ort der Kindheit und der Sicherheit schaffen, insbesondere durch die clevere Gegenüberstellung mit Bertjam Pots Led Zeppelin Lampe – ein Objekt, das verspricht einen vor den Ärgernissen des Lebens zu schützen. Und Louis von Anne Lorenz für maigrau ist eine der schönsten Studien, die sich darin versucht Komfort und Zugehörigkeit in banalen, seelenlosen Haushaltsgegenständen zu finden.

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Home Traveller / Louis von Anne Lorenz. So gesehen bei „Isn’t it romantic? Zeitgenössisches Design zwischen Poesie und Provokation“ im Museum für Angewandte Kunst Köln

Die aktuelle Situation im postindustriellen Europa ist natürlich nicht so anders als die erlebte Wirklichkeit Mitte des 19. Jahrhunderts.

Digitalisierung, der Rückgang von Produktion und der Anstieg von Dienstleistungsanbietern hat Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Dann sind da noch die Herausforderungen, die uns das wachsende Bewusstsein über unsere persönliche Verantwortung für die Umwelt und die sozialen Bedingungen unserer Zeit stellt.

Eine Menge Leute sind demzufolge unsicher, wissen nicht, was sie tun sollen und suchen nach einem sicheren Hafen. Einer konstruierten Realität.

Letztes Jahr, im Kontext seines Buchs „21 Designers for 21st Century Britain“, fragten wir den Royal College of Art Senior Tutor Gareth Williams, wie er die Zukunft für Designer sieht, und er antwortete „…viele Designer sind sich des sozialen und kulturellen Kontextes ihrer Taten durchaus bewusst. Und ich glaube, dass Designer eine wichtige Rolle dabei spielen werden, wie wir im 21. Jahrhundert leben.

Beispiele für Projekte, wie sie Gareth im Kopf hatte, findet man in dem exzellenten zweiten Teil der Ausstellung; der im Gegensatz zu dem mit den kommerziellen Produkten eine nahezu wortwörtliche Interpretation dessen liefert, was wir unter dem romantischen Geist im zeitgenössischen Design verstehen. Objekte, die im Wesentlichen niemand braucht oder will, aber die uns alle auf eine Weise ansprechen, die sich privat, bequem und hilfreich anfühlt.

In Situ von Julien Carretero z.B. war als Teil der 2010 Dutch Invertuals Ausstellung „Matter of Time“ konzipiert und fordert uns heraus entweder zu fliehen oder zu bleiben und der Realität ins Gesicht zu blicken. Pieke Bergmans Glühbirnen schreien „Hab ich dir doch gesagt“ und verstärken unsere Unsicherheit. Was in sich wieder Sicherheit erzeugt. Eine primitivere Form von Sicherheit wird währenddessen von Hana Kurkovás „Fine Brushes“ erzeugt. Als wir die in Wien sahen, schrieben wir, „Die Borsten sind Kiefernnadeln. Die Bürste riecht wie Weihnachten. Genial.“ Worte, bei denen wir bleiben. Und so ist es eine wahre Schande, dass sie in Köln hinter Glas ausgestellt werden. Ähnlich die Entscheidung Frédéric Dedellys Objects Mélancoliques hinter Glas zu platzieren. Das beraubt sie ihres Heroismus. Oder vielleicht hängen wir nur zu sehr an dem starken Eindruck, den sie bei der Grassimesse 2012 in Leipzig hinterlassen haben.

IMM Cologne 2013 Museum für Angewandte Kunst Köln Isn’t it romantic Contemporary Design balancing between Poetry and Provocation Frederic Dedelley Objets Melancoliques

Arbeiten von Frederic Dedelley. So ausgestellt bei „Isn’t it romantic? Zeitgenössisches Design zwischen Poesie und Provokation“ im Museum für Angewandte Kunst Köln

Die Frage, ob man überhaupt von einer Rückkehr der Romantik im zeitgenössischen Design sprechen kann, ist jedenfalls eine, die jeder Besucher für sich beantworten muss.

Wir denken zwar nicht, dass man das wirklich beantworten kann, aber ihr habt wahrscheinlich erwartet, dass wir so etwas sagen…

Auf der einen Seite ist unsere moderne Welt viel komplexer als die im 19. Jahrhundert, Ursache und Wirkung sind nicht mehr so eindeutig miteinander verbunden wie einst. Aber auf der anderen Seite entstanden die ausgestellten Objekte oft über viele Jahre und aus einer Vielzahl von Gründen: nicht alle hatten oder haben mit dem Kontext zu tun, in dem sie heute ausgestellt werden.

Ja, die Objekte können alle mit Romantik verbunden werden – „Wer suchet, der findet“ – aber für uns repräsentieren sie in keiner Form einen Beweis für eine neue, generelle Bewegung unter Designern hin zu dem Geist und den Motiven der Romantik.

Und tatsächlich kann man auf Grundlage einiger Objekte argumentieren, dass die Postmoderne eine Rückkehr zur Romantik war. Aber wenn man immer zurückkehrt, was ist so neu oder interessant daran? Während andere Objekte implizieren, dass sie ihre Lektion in der Moderne gelernt haben, kehren wir jetzt zum Handwerk zurück und geben historischen Fehlern gewissermaßen ein neues Gewand? Wenn das der Fall ist, dann ist Romantik nur eine historische Referenz.

Wir glauben auch nicht, dass eines der Objekte zu mehr als einer Fußnote in der Designgeschichte taugen wird. Geschweige denn ein Signal für eine neue Richtung im Design oder in der Gesellschaft bilden wird. Nicht dass wir stänkern wollen – ganz und gar nicht. Es kann einfach nur nicht alles immer Revolution sein.

Einige der Ideen, die in manchen Projekten aus der Ausstellung entwickelt wurden, werden zweifelsohne Mainstream werden und wir haben große Hoffnungen für das ein oder andere. Aber sie werden das nicht in einem Kontext zeitgenössischer Romantik.

Und schließlich lässt sich festhalten, dass, genau wie im 19. Jahrhundert nicht alle Menschen voller Ehrfurcht vor Gebirgszügen standen, bevor sie heim gingen und ein tausendseitiges Gedicht über gute und schlechte Ritter lasen oder sich vor lauter Verzweiflung mit Arsen vergifteten, auch die Mehrheit der Menschen heute nicht nach einem Ausweg aus der Realität sucht. Nach einem Bier, eventuell. Bestimmt auch nach einer Umarmung, hin uns wieder. Aber darüber hinaus?

Davon mal abgesehen ist „Isn’t it romantic? Zeitgenössisches Design zwischen Poesie und Provokation“ sehr zu empfehlen – nicht zuletzt, weil es uns einen Einblick in einen faszinierenden neuen Weg gibt, die Dinge, die uns umgeben, zu betrachten und zu fragen, warum sie uns umgeben. Die exzellent konzipierte und realisierte Ausstellung lässt Raum zwischen den Exponaten, Raum sich zu bewegen und weiter zu denken.

Neben der Ausstellung können wir auch den Ausstellungskatalog sehr empfehlen, der intelligente Beiträge von internationalen Experten wie Design Museum London Direktor Deyan Sudjic, Gerrit Terstiege vom GRID Magazine und natürlich Ausstellungskuratorin Tulga Beyerle enthält.

„Isn’t it romantic? Zeitgenössisches Design zwischen Poesie und Provokation“ ist bis 21. April 2013 im Museum für Angewandte Kunst Köln zu sehen. Weitere Informationen unter www.makk.de

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