IMM Cologne 2013: Wilde+Spieth. Interview mit CEO Thomas Gerber

Treue Leser unseres Blogs wissen bereits, dass wir die Abwesenheit einiger der wichtigsten deutschen Designermöbelhersteller immer als ein Zeichen der Schwäche der IMM Cologne gesehen haben. Diese Leser werden daher unsere Verwirrung verstehen, als wir gehört haben, dass Wilde+Spieth – endlich – bei der IMM Cologne dabei sind.

Wir haben uns gefreut, dass sie teilnehmen. Aber jetzt haben wir leider einen Beweis für die Schwäche der IMM weniger.

Wilde+Spieth hat seinen Sitz in Esslingen, einem Ort in der Nähe von Stuttgart, und stellte ursprünglich Fensterrollläden her, bis 1948 Egon Eiermann mit einer einfachen Anfrage auf das Unternehmen zukam. Er brauchte extra weite Fensterläden für die Ciba Ag Fabrik, die er gerade in Wehr, Baden baute. Daran knüpfte Eiermann noch eine weiter Anfrage an, die er kurz mit „Kinderchen könnt ihr auch Stühle bauen?“ formulierte.

Und sie konnten.

Egon Eiermanns hoffnungsvolle Frage sollte sich zu einer der produktivsten, erfolgreichsten, aber vor allem innovativsten Zusammenarbeiten in der Geschichte des deutschen Möbeldesigns entwickeln.

Zusammen brachten Wilde+Spieth und Egon Eiermann über 30 Produktpaletten auf den Markt und sogar heute, ungefähr 43 Jahre nach Eiermanns Tod, bleiben die beiden unzertrennbar, indem Stühle wie der SE 18, der SE 42 oder der SE 68 ihren verdienten Platz im Olymp des europäischen Designs eingenommen haben.

Viele von Eiermanns frühen Kooperationen mit Wilde+Spieth wurden auf der Internationalen Möbel Messe Köln, dem zweijährig stattfindenden Vorgänger der jetzigen IMM, lanciert und so war es irgendwie mehr als passend, dass bei dem Debut des Herstellers auf der modernen IMM vier Eiermann-Klassiker in neuen Farben aus der Le Corbusier „Les Couleurs“ Kollektion präsentiert wurden.

Daneben, und in vielerlei Weise bedeutungsvoller, nutze Wilde+Spieth die IMM Cologne 2013 außerdem, um neue Produkte zu lancieren: CU! von Avinash Shende, TG1 von Thore Garbers und Typus von Edelhoff & Nettesheim.

Es schien daher naheliegend, die Möglichkeit zu ergreifen und mit dem Wilde+Spieth CEO Thomas Gerber über die neuen Produkte und das Leben mit Egon Eiermanns Erbe zu sprechen. Aber zunächst  haben wir ihn gefragt, warum sie sich nach all den Jahren doch dafür entschieden haben, auf der IMM Cologne auszustellen…

Thomas Gerber: Wir haben zwar z.B. oft auf der Orgatec ausgestellt, mit unseren Eiermann Stühlen hatten wir aber nie das Gefühl ausreichend Objekte zu haben, die man als „Wohnmöbel“ bezeichnen könnte. Dieses Jahr bringen wir aber drei neue Produkte raus, Produkte, die sehr gut in den Wohnmöbelsektor passen und wir dachten, die IMM sei ein passender Ort, um sie zu lancieren. Auf der einen Seite wegen des internationalen Profils der Messe und auf der anderen Seite wegen des heterogenen Publikums – Architekten, große Ketten, aber auch kleine Läden repräsentieren sehr gut unsere Zielgruppe.

(smow)blog: Bevor wir zu den neuen Produkten kommen, erst einmal zu Ihrem bisherigen Produkt-Portfolio: Bis jetzt hat sich Wilde+Spieth mehr oder weniger nur auf die klassischen Egon Eiermann Stuhldesigns konzentriert. Auch wenn das wahrscheinlich ein Vorteil ist, inwiefern kann so eine enge Verbindung zu so einem berühmten Möbelarchitekten auch ein Fluch sein?

Thomas Gerber: Nun, der Geschmack der Kunden ändert sich zum Glück nur sehr langsam. Die Popularität von Designklassikern verläuft zyklisch und so kommt es, dass es Phasen gibt, in denen die Eiermann Stühle in sind, aber auch solche, in denen Eiermann Möbel out sind. Solche Phasen sind natürlich sehr schwer für uns. Einen großen Teil unseres Geschäftes machen die Aufträge aus dem Projektgeschäft aus und wenn ein Projektmanager keine Designklassiker für sein Projekt will, dann haben wir ein Problem. Was schließlich auch ein Grund für die Einführung neuer Produkte ist.

Und da fängt dann der Fluch erst richtig an. Denn, wenn wir bekannt geben, wir bringen etwas Neues auf den Markt, dann sind die Erwartungen sehr hoch. Es wird erwartet, dass wir etwas herausbringen, das genauso gut ist wie das, was wir zurzeit haben, das aber gleichzeitig billiger ist und das zum nächsten Klassiker wird. Das macht es sehr schwierig. Über die Jahre hatten wir mit zahlreichen Designern und Architekten zusammengearbeitet, aber bis jetzt nichts als wirklich passend empfunden …

(smow)blog: Bis jetzt! Dieses Jahr stellen Sie drei neue Produkte vor. Was haben die, was die anderen nicht hatten?

Thomas Gerber: Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir die Suche von einer anderen Perspektive angegangen sind. Dieses Mal haben wir die Designer eher uns suchen lassen als jemanden zu beauftragen, der etwas für uns entwirft. Den CU! Stuhl von Avinash Shende z.B. haben wir auf der Salone Satellite in Mailand entdeckt, waren sofort begeistert und haben überlegt, ihn – insofern es wirklich passt – in unser Sortiment aufzunehmen. Als die Entscheidung einmal getroffen war, mussten wir das Design nur noch etwas optimieren, sodass der Stuhl seriell hergestellt werden konnte.

(smow)blog: Wir vermuten, das bedeutet, Sie sind zuversichtlich die Erwartungen zu erfüllen?

Thomas Gerber: Wir würden ihn nicht vorstellen, wenn wir es nicht wären! Bevor wir uns endgültig für das Projekt entschieden haben, haben wir den Stuhl z.B. mehreren Architekten gezeigt und bekamen 100% positives Feedback, was für uns dann einer der Gründe war, Ja zu sagen.

(smow)blog: Eine Sache, die uns bei CU! sofort aufgefallen ist, sind die Farben. War die Entscheidung für so eine helle Farbpalette auch ein Resultat aus den Reaktionen der Architekten?

Thomas Gerber: Zum Teil. Aber noch mehr ist CU! ein freches, frisches Produkt, das geradezu danach schreit bunt zu sein. Es kann auch für den Outdoorbereich genutzt werden, und wer sagt, dass Caféstühle immer schwarz oder weiß sein müssen?

(smow)blog: Unsere letzte Frage – bleiben wir bei den Farben: Sie lancieren außerdem vier Eiermann Klassiker in Tönen der Le Corbusier „Les Couleurs“-Kollektion. Warum die Le Corbusier Farben?

Thomas Gerber: Weil es alles gut zusammenpasst. Wenn man sich Le Corbusier und Egon Eiermann ansieht, findet man einige Parallelen. Beide lebten ungefähr zur gleichen Zeit, hatten ähnliche Leidenschaften und schließlich passen die Farben einfach sehr gut zu den Möbeln und man kann sagen, es kommt zusammen, was zusammengehört. Und natürlich ist ein Stuhl nur ein Teil eines Raumdesigns, zu dem unweigerlich auch andere Möbel, Tapeten, Teppiche usw. gehören – und die sind über andere Hersteller auch in den Le Corbusier Farben erhältlich. Weil die Farbtöne alle auf natürlichen Tönen basieren und aufeinander abgestimmt sind, kann man entweder eine einzige Farbe für ein Projekt nehmen oder die Farben mühelos miteinander kombinieren. Wir halten die polychrome Farbharmonie bei Les Couleurs für ein faszinierendes Konzept.

IMM Cologne 2013  Wilde+Spieth Egon Eiermann Le Corbusier Les Couleurs

IMM Cologne 2013: Wilde+Spieth Egon Eiermann Stühle in neuen Farbtönen aus der Le Corbusier "Les Couleurs" Kollektion

IMM Cologne 2013  Wilde+Spieth Egon Eiermann SE 68 SE 42 Le Corbusier Les Couleurs

SE 68 und SE 42 in Le Corbusier "Les Couleurs"

IMM Cologne 2013  Wilde+Spieth CU! by Avinash Shende

IMM Cologne 2013: CU! von Avinash Shende für Wilde+Spieth

IMM Cologne 2013  Wilde+Spieth Typus by Edelhoff & Nettesheim

Der Tisch Typus von Edelhoff & Nettesheim für Wilde+Spieth. Hier mit zwei SE 68ern. (Foto Wilde+Spieth)

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