smow Blog Designkalender: 18. Januar 1949 – Happy Birthday, Philippe Starck!

Vor einigen Jahren klingelte beim smow Blog das Telefon…

„Guten Morgen, wäre es möglich mit Phillippe Starck zu sprechen?“, erkundigte sich der Anrufer.

„Es tut mir leid, aber er ist im Moment nicht hier“, war unsere ehrliche, aber alles in allem nicht gerade hilfreiche Antwort.

Darauf folgte unvermeidlich: „Wann könnte ich ihn sprechen?“.

„Ich bin mir nicht sicher, er ist nicht gerade häufig in Leipzig“, unsere wieder ehrliche, wenn auch nicht hilfreiche Antwort. „Sie sollten vielleicht besser das Pariser Büro anrufen, dort müsste man besser informiert sein.“

Einige Monate später, auf der Mailänder Möbelmesse, gelang es uns nicht einen Interviewtermin mit Phillipe Starck zu bekommen. Keine Ahnung, ob es da irgendeinen Zusammenhang gab. Wer weiß, vielleicht war es das schlechte Karma!

philippe starck portrait Jean-Baptiste Mondino

Philippe Starck (Foto: Jean-Baptiste Mondino)

Philippe Starck wurde am 18. Januar 1949 als Sohn eines Erfinders bzw. Flugzeugmechanikers und einer Hausfrau im Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine geboren. Er wuchs zuerst in Neuilly und Garches Marne-la-Coquette auf und besuchte mal mehr, mal weniger die private École Camondo Designschule.

Nach seiner Anstellung beim Studio Pierre Cardin Paris machte sich Philippe Starck in den späten 1970er Jahren zunächst als Nachtclub-Designer einen Namen, bevor er 1983 im Rahmen eines kulturellen Förderprogramms beauftragt wurde, die Privaträume im Élysée Palast für den französischen Präsidenten Francois Mitterand und dessen Frau Danielle zu gestalten.

Der Élysée-Auftrag und das Design des Cafe Costes – „Die Zeit“ schrieb damals, „Kein Café in Paris ist momentan so en vogue und hat so viel Flair und Chic wie das Cafe Costes“1 – katapultierten Philippe Starck schnell in die aufstrebende Welt des Interior Designs und von dort in das noch viel schneller wachsende Universum des Möbeldesigns.

Mit einem grellen Mix aus Postmoderne und Art déco, ein Charakterzug, der Starcks Möbel bis heute erhalten blieb, trafen Philippe Starcks frühe Möbelentwürfe den Nerv der Zeit und zogen, was noch wichtiger ist, die Aufmerksamkeit der Hersteller auf sich.

Nach ersten Aufträgen für die italienischen Hersteller Driade und Baleri arbeitete Philippe Starck mit Firmen wie Vitra, Cassina, Alias und – wahrscheinlich ist das die berühmteste Kooperation – Kartell zusammen. Dort entwickelten sich Produkte wie La Marie, Louis Ghost oder das Bubble Club Sofa zu einzigartigen, modernen Designklassikern.

Philippe Starck ist allerdings mehr als nur ein Möbeldesigner. Er ist ein außerordentlicher Schöpfer. Sein unablässiges, vielfältiges Werk umfasst Gebäude, Hoteleinrichtungen, Springbrunnen, Lampen, Motorräder, Fernseher, Telefone, Zahnbürsten, Brillen, Windturbinen, Kleidung, Flaschen… und natürlich die berühmteste Zitronenpresse aller Zeiten. Diese Vielfältigkeit und die unausweichlichen Widersprüche und Konflikte, die sich aus dieser Bandbreite an Projekten ergeben, machen es schwer Phillipe Starck als Designer einzuordnen – oder machen es besser gesagt leicht ihn misszuverstehen. Dem wirkt wahrscheinlich auch nicht gerade entgegen, dass die meisten Philippe Starck Bücher massiv auf Abbildungen bauen und mit Texten ausgestattet sind, die im Grunde immer die gleichen Anekdoten wiederholen.

Es ist also nicht gerade leicht den echten Philippe Starck zu entdecken. Erst recht nicht, wenn man wie wir Späße treibt, die sich später negativ auf das Karma auswirken.

Zu seinem Geburtstag haben wir uns also gedacht, lassen wir Philippe Starck selbst zu Wort kommen. Und das mit einem Dutzend Zitaten, die, wie wir hoffen, ein ausgeglichenes und gerechtes Bild des Designers zeichnen, der mal sehr einprägsam vom Sydney Morning Herald als „der mondänste Möbel-, Nachtclub-, Jacht- und Pastadesigner Frankreichs“beschrieben wurde.

Happy Birthday, Philippe Starck!

Das Wort Design existiert im Französischen überhaupt nicht. Im Englischen bedeutet es Zeichnung, und da gibt es nichts zu interpretieren. Manche meinen, dass es heißt, etwas schöner zu machen, um es besser zu verkaufen. Wie der große Designer Raymond Lowey. Das ist richtig. Oder aber sie denken wie ich auch, dass sich das Ganze etwas komplexer darstellt: als die Arbeit eines Semiologen, der ein didaktisches Werkzeug benutzt, um das Leben der Leute – und damit die Qualität ihres Denkens – zu verbessern. Das ist natürlich mehr als anspruchsvoll, aber wenn es das nicht wäre, hätte es auch keinen Reiz.
The World/Peace according to Starck Extract of a conversation in April 1996 with Pierre Doze, Moscow. Reprinted in Starck Benedikt Taschen Verlag, Köln 1996.

Als ich jünger war, habe ich auf meinen ersten Wassily Chair gespart. Als ich ihn mir endlich leisten und nach Hause tragen konnte, war ich sehr stolz: Das war der Beweis, dass ich es als Designer geschafft hatte. Allerdings konnte ich nicht darin sitzen oder damit leben. Ich habe den Stuhl noch, aber ich glaube, er steht jetzt im Garten. Das Problem war, dass er nur Designsprache sprach, aber ich denke, dass man als Designer auch andere Sprachen sprechen muss.
The International Design Yearbook Volume 3, Abbeville Press, New York, NY 1987

Mich inspiriert nichts außer mir selbst und meine eigene Verrücktheit. Niemand hat mich je inspiriert, weder Gott noch Meister, Männer oder Frauen, Tiere oder Kultur, Film oder irgendetwas anderes.
Alison Culliford, „Style Profile: Philippe Starck“, Eurostar Metropolitan Magazine June 2013 http://www.ink-live.com/emagazines/eurostar-metropolitan/1378/june-2013/#23/z Accessed 17.01.2014

Ich bin kein Designer. Ich bin kein Architekt. Ich bin kein Fachmann. Ich bin auf nichts spezialisiert, was aber bedeutet, dass ich auf alles spezialisiert bin. Das trifft im übrigen auf die meisten Leute zu. Ich habe Hotels, Wohnungen, Bars, Zahnbürsten, Lampen, Sessel, Tische, jede Art von Objekten entworfen. Aber das Produkt an sich bedeutet nichts. Was mich angeht, ist dies nur ein Vorwand, um mich mit anderen Dingen beschäftigen zu können: etwa mit der Frage, was das Leben sein könnte… Im Grunde halte ich mich für einen politischen Agitator, der sich des Designs und der Architektur bedient… Das ist mein wahrer Beruf.
Interview by M di Forti with Philippe Strack in Il Messaggero 4/6/1993 in Franco Bertoni, The Architecture of Philippe Starck, Academy Editions 1994

Der Marketing-Gimmick Recycling hat dabei natürlich nichts zu suchen. Von den Ökologen erfunden, sorgt Recycling letzten Endes dafür, dass wir heute nutzlos weiter produzieren und konsumieren können. Ein gutes Produkt ist ein haltbares Produkt… Ich bin nicht gegen Recycling, aber gegen den Versuch, es zum Allheilmittel zu stilisieren. Recycling ist ein Notbehelf, das nachträgliche Ausbügeln eines Fehlers und sonst nichts.
Extract of a conversation with Elisabeth Laville (in August 1998) originally published in a special issue of La Lettre d’Utopies/“Responsible Design“ reprinted in Reprinted in Starck Benedikt Taschen Verlag, Köln 2000

Ich möchte klarstellen, dass mein kultureller Hintergrund nicht wirklich französisch ist. Er ist das Produkt einer Kindheit, das von Träumen von Amerika beeinflusst wurde. Auch mein Vater wurde so beeinflusst: Er hat sein ganzen Leben lang Flugzeuge designt und war amerikanisiert genug, einen Stetson zu tragen. Vielleicht hat dieser amerikanische Einfluss meine Arbeit geprägt, und zwar in dem Maß, dass ich instinktiv und vor allem schnell vorgehe.
The International Design Yearbook Volume 3, Abbeville Press, New York, NY 1987

Mit anderen Worten und um es einfacher auszudrücken: Das Design interessiert mich nicht. Denn wenn man vom Design spricht, spricht man vom Objekt. Und mich ödet so etwas wie ein Stuhl einfach an. Selbst meine Stühle. Ein Stuhl als Stuhl betrachtet oder eine Lampe als Lampe, das führt doch zu nichts. Die Materie als Materie – nein danke. Das einzig Interessante ist doch: Was bringt das dem Menschen, der diese Dinge benutzt? Das stellt so manches in Frage. Von einem traditionellen Design ausgehend – Bauhaus, Loewy, Leute die von dem Objekt als solchem fasziniert waren, was übrigens sehr schöne Ergebnisse gebracht hat – sind wir bei einer Explosion gelandet, so ähnlich wie das bei einer Glühbirne ist, die aufglüht, bevor sie durchbrennt. Damit meine ich die letzten 15 Jahre mit ihrem narzisstischen Design von Designern für Designer, eine reine Schau künstlerischer Selbstbefriedigung.
The World/Peace according to Starck Extract of a conversation in April 1996 with Pierre Doze, Moscow. Reprinted in Starck Benedikt Taschen Verlag, Köln 1996.

Kreative Tätigkeit ist für mich nie Selbstzweck. Dazu fehlt mir die Phantasie und es interessiert mich auch nicht. Ich befasse mich lieber mit dem Alltäglichen, mit Dingen, die uns alle angehen, wie Wäsche, waschen oder Regenschutz, und ich verleihe diesen Dingen eine fünfte Dimension, eine Tiefe, die dem gewöhnlichen Gebrauchsgegenstand Gelegenheit gibt, über sich selbst hinauszuwachsen. Ich versuche, etwas Glanz in den menschlichen Alltag zu bringen, den Menschen zu zeigen, dass auch der urbane Lebensalltag sinnvoll und interessant sein kann.
Conway Lloyd Morgan Philippe Starck Bangert Verlag Schopfhein 1999

Mein Vater war der Ansicht, dass Forschung in allen Bereichen beinahe eine Pflicht im Leben ist, eine Art Aufgabe. Wir müssen erfinden, es ist unser Ort, unsere Mission. Kultur, der Begriff des Geschmacks, war dieser Forschung untergeordnet. Eher einen kreativen Fehler machen, als im guten Geschmack zu stagnieren. Das hat mich teilweise beeinflusst; es ist Teil meines Erbes, immer etwas kreieren zu wollen, kreativ sein zu wollen…
Christine Colin Starck Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen 1989

Mein Arbeit ist die Transformation von „Pflichten“ in etwas anderes; eine Art Seelenersatz. Mit anderen Worten, wenn ich zum Konsumieren gezwungen bin, injiziere ich dem Konsum Seele, um ihm verzeihen zu können, bis das Objekt etwas anders wird, oder zu einer Poesie wird. Typisches Beispiel hierfür ist die Arbeit an der Zahnbürste. Wir müssen unsere Zähne putzen, einverstanden, und deshalb brauchen wir eine Zahnbürste, daran gibt es nichts zu rütteln. Aber mit etwas Arbeit, ganz unerwartet… voilà, wird daraus etwas anderes, eine Flamme, ein Lichtstrahl, ein Objekt.
The Architecture of Philippe Starck, Academy Editions 1994

Einer der Pioniere des Designs, Raymond Loewy, hat in den Fünfzigerjahren einen Slogan geprägt, der ihm persönlich und zum Teil auch der gesamten Designbewegung Erfolg gebracht hat: „Häßlichkeit verkauft sich schlecht“. Zu seiner Zeit hatte er damit vielleicht recht, doch lag im Kern der Aussage schon ein Fehler, den wir heute unbedingt abstellen müssen… „Häßlichkeit verkauft sich schlecht“ bedeutete ja im Grunde, dass das Design der Industrie und Produktion als bloßer Erfüllungsgehilfe dient, damit sich Waren besser verkaufen. Damit ist uns aber im Ansatz nicht mehr geholfen: Heute geht es nicht mehr darum, mehr zu produzieren, um mehr zu verkaufen. Vordringlich stellt sich vielmehr die grundsätzliche Frage, mit welchem Recht ein Produkt überhaupt existiert. Es ist das Recht und Aufgabe des Designers, nach der Legitimität des Produktes zu fragen, darauf ist seine wahre Existenz.
Extract of a conversation with Elisabeth Laville (in August 1998) originally published in a special issue of La Lettre d’Utopies/“Responsible Design“ reprinted in Reprinted in Starck Benedikt Taschen Verlag, Köln 2000

Wir dürfen zuallererst nicht vergessen, dass Kreativität eine politische Pflicht hat. Und nun haben wir das vergessen und junge Designer denken nur an Berühmtheit und Geld. Sie vergessen ihre Pflicht der Gesellschaft gegenüber. Alles, was du machst, muss in Verbindung mit deiner Zivilisation, deiner Gesellschaft, dir selbst, deinem Leben stehen: sonst sind die Objekte, die du kreierst, nur Objekte. Deswegen versuche ich, die Menschen ein wenig wachzurütteln und zu sagen, dass alles, was du machst, auch politisch ist.
Julie Taraska „Philippe Starck’s Politique“ www.metropolismag.com/December-1969/Philippe-Starck-rsquos-Politique/ Accessed 17.01.2014

Ich habe keinen Geschmack… ich habe wirklich überhaupt keinen Geschmack.
„The fabulous styles of the man with no taste“ Sydney Morning Herald, Thursday Oct 16th 1986 Style Section, page 1

1 „Bonbon aus Paris. Cafe der achtziger Jahre.“ Die Zeit 13. September 1985. http://www.zeit.de/1985/38/cafe-der-achtziger-jahre Accessed 17.01.2014

2 „The fabulous styles of the man with no taste“ Sydney Morning Herald, Donnerstag 16.Okt. 1986. Style Section, Seite 1

Kartell Victoria Ghost Autumn

Den Herbst genießen – mit einem Victoria Ghost von Philippe Starck für Kartell

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