Frank Gehry, Berlin und „The Master Builder“. Oder Bilbao an der Spree.

Vor ungefähr einer Woche wurde verkündet, dass das Architekturbüro Gehry Partners aus Los Angeles ein neues Hochhaus am Berliner Alexanderplatz bauen soll.

Normalerweise lesen wir solche Nachrichten und gehen anschließend zu wichtigeren Sachen über.

Allerdings twitterte der in Berlin ansässige dänische Architekt, Kurator und Kritiker Lucas Verweij als Reaktion auf einen Guardian-Artikel zu dem Projekt folgendes: „Oh Bitte, nicht diese übliche Gentrifizierungsmasche für Berlin.“ Daraufhin kamen uns die Worte des amerikanischen Kunstkritikers Hal Foster aus seinem Gehry-kritischen Essay „Master Builder“ wieder in Erinnerung und lassen uns seitdem keine Ruhe.

„Master Builder“ wurde 2002 in Fosters Buch „Design und Verbrechen (Und andere Schmähschriften)“ veröffentlicht. Der Artikel weist auf die Gefahren des gepriesenen „Stararchitekten“ hin und gibt einen kritischen Überblick über Frank Gehrys Werk. Dabei folgt Foster der Karriere Gehrys ab den ersten Wohngrundstücken in Los Angeles. Gehrys Entwicklung wird in Bezug auf seine Reaktionen auf wechselnde Trends, kommerzielle Rahmenbedingungen und neue Möglichkeiten der Technik skizziert.

Beispielsweise wird Gehrys Vitra Zentrale in Basel-Birsfelden, wenn auch nicht ohne Lob, als „täuschend“ beschrieben. Der Text weist auf das Problem von Architekten hin, denen es eher um ein persönliches Manifest geht, als um die Arbeit mit den Eigenheiten und der Umgebung des jeweiligen Projekts.

Eine Problematik, die sich im Zusammenhang mit dem Hochhaus für den Alexanderplatz geradezu aufdrängt!

Der Gehry-Turm besteht aus drei Elementen, die jeweils leicht um die Mittelachse gedreht sind, und erinnert so sehr an viele andere Hochhausprojekte Gehrys.

Wir haben nicht grundsätzlich etwas dagegen, wenn ein Architekt Elemente aus Gebäude A in Gebäude B, C, D… übernimmt. Jedes Gebäude sollte allerdings seinen eigenen Charakter haben und der sollte wiederum im Zusammenhang mit dem Zweck und der Umgebung des jeweiligen Gebäudes stehen.

Gehrys frühe Arbeiten beschreibt Foster folgendermaßen: „Der unvollendete Charakter seines frühen Stils schien genau richtig für L.A.: das Provisorische passte einfach zu den ruhelosen Veränderungen der Stadt. Zudem grenzten sich die draufgängerischen Entwürfe gegen die glattere Seite von Tinsel Town ab.“1

Berlin mag in seinem „arm, aber sexy“-Image schwelgen, der unvollendete Look des Alexanderplatz-Turms hat damit allerdings nichts zu tun. Er erscheint hier eher als eine Beleidigung. Und das liegt vor allem daran, dass jeder Bezug zum und jedes Gefühl für den Platz fehlt und es so einfach keine andere Rechtfertigung für die Existenz dieses Hochhauses gibt als jene, dass ein Investor dafür zahlt.

So ist das Hochhaus für den Alexanderplatz einfach nur eines der typischen Hochhausprojekte von Gehry Partners.

Um es mit Fosters Worten zu sagen, das Gebäude ist ein „losgelöster Teil eines extravaganten, künstlerischen Ausdrucks“, ein Objekt, das auf der Annahme beruht, die Arbeiten eines Architekten wie Franke Gehry „könnten unterschiedslos über LA, Bilbao, Seattle, Berlin, New York etc. abgeworfen werden.“2

Und natürlich ist diese Annahme falsch! Kein noch so einmaliger Ruf rechtfertigt eine solche Praxis.

Das Problem liegt dabei nicht allein bei Architekten wie Frank Gehry und Zaha Hadid oder allen anderen zeitgenössischen Architekten, die eher formelhaft als projektbezogen arbeiten. Grundsätzlich liegt das Problem bei den Auftraggebern solcher Projekte, bei Auftraggebern, die nach Arbeiten suchen, die ganz klar dem Architekten zuzuschreiben sind; denen es um den Markenwert geht, den der „Stararchitekt“ dem Projekt und in der Folge auch der Firma einbringt.

Die Architekten kann man nicht wirklich dafür verurteilen, dass sie das Geld der Bauträger nutzen, um ihre ersehnten, häufig fast gleichartigen Fortsetzungen früherer Arbeiten zu realisieren.

Gerechtfertigt werden solche Gebäude, die keinen Hehl aus den offensichtlichen Parallelen zu vorangegangenen Arbeiten machen, ausnahmslos durch den magischen, belebenden Effekt, den sie auf ihren Standort haben, und der hängt eben in erster Linie mit dem Ruf der „Stararchitekten“ zusammen.

Vor allem der Alexanderplatz, eine momentan eher bedrohliche, ungepflegte Gegend würde so in einen der elitären, kosmopolitischen Plätze globaler Metropolen verwandelt. Und das nur, weil Frank Gehry in eine seiner Ecken ein leicht verdrehtes Hochhaus gebaut hat. Der CEO der Bauträger ließ bei der Bekanntgabe der Entscheidung für den Bau verlauten: „Wir kreieren etwas Neues und Außergewöhnliches, um den Standort positiv zu verwandeln.“3

Die Absurdität solcher Argumente sollte jedem auffallen, der weiß, dass Stadterneuerung eine Mischung unterschiedlichster Prozesse ist. Zu diesen Prozessen gehört natürlich auch die Architektur. Allerdings nur eine solche, die geplante Prozesse der Veränderung unterstützt und belebt. Diesem Anspruch kann das Hochhaus von Gehry Partners gar nicht gerecht werden, da es weder in die existierende Umgebung noch in irgendwelche Zukunftspläne zur Stadterneuerung integriert ist. Es handelt sich um ein Hochhaus mit Privatwohnungen, die zu exorbitanten Preisen verkauft werden sollen – und sonst nichts!

Dass solchen Argumenten entgegen jeder Logik nicht nur geglaubt wird, sondern dass sie zudem durch die Medien propagiert und verbreitet werden, hängt wahrscheinlich zum Großteil mit der kurvigen Silhouette von Gehrys Guggenheim-Bau in Bilbao zusammen. Genauer gesagt mit dem unerschütterlichen Glauben an die verjüngende Kraft der Architektur – der Annahme, das Guggenheim Bilbao allein hätte das Schicksal der baskischen Hauptstadt positiv gelenkt. Ungeachtet aller anderen Pläne zur Erneuerung und Verjüngung der Stadt.

Hal Foster beendet seinen Artikel „Master Builder“ mit den Worten: „Der außergewöhnliche ökonomische und kulturelle Effekt wurde als Folge der Eröffnung im Oktober 1997 empfunden.“ Dieser sogenannte „Bilbao-Effekt“ habe „den erbitterten Anspruch ähnlicher Kunststücke von zeitgenössischen Architekten in aller Welt hervorgebracht.“4

Und wie rechtfertigen die Jünger von Hasso Plattners Palast Barberini in Potsdam das nicht zu rechtfertigende Objekt? Durch ein Museum würde nicht nur die Stadt, sondern die gesamte Umgebung erheblich profitieren, wie es das Guggenheim Museum in Bilbao bewiesen habe.5

Was erwartet Lens von der kürzlichen Eröffnung des Louvres in der Stadt? Dem Figaro zufolge den „l`effet Bilbao“6

Und wie überschrieb der Berliner Korrespondent des Guardians seinen Artikel, der Lucas Verweijs Ärger provozierte? „Berlin hofft Deutschlands größtes Hochhaus hat den „Bilbao-Effekt.“7

Ein wirklich angebrachter Aufschrei Lucas!

1. Hal Foster „Master Builder“ in Design and Crime (And Other Diatribes) Verson Books, 2002

2. ebd.

3. „Gehry Partners gewinnt Architekturwettbewerb für den Neubau des ersten Wohnhochhauses am Alexanderplatz in Berlin-Mitte“ Press Release, 27.01.2014 http://www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox/archiv_volltext.shtml?arch_1401/nachricht5155.html Zugriff am: 06.02.2014

4. Hal Foster „Master Builder“ in Design and Crime (And Other Diatribes) Verson Books, 2002

5. „Beschlossene Sache: Plattners Kunstmuseum ins Palast Barberini“, Potsdamer Neueste Nachrichten, 05.06.2013 http://www.pnn.de/potsdam/758345/ Zugriff am: 06.02.2014

6. „Louvre : Lens attend «l’effet Bilbao»“ Le Figaro 30.11.2012 http://www.lefigaro.fr/arts-expositions/2012/11/30/03015-20121130ARTFIG00275-louvre-lens-attend-l-effet-bilbao.php Zugriff am: 06.02.2014

7. „Berlin hopes Germany’s tallest residential tower has the ‚Bilbao effect'“ The Guardian 28.01.2014 http://www.theguardian.com/world/2014/jan/28/berlin-germany-tallest-residential-tower-frank-gehry-alexanderplatz Zugriff am: 06.02.2014

Bilbao am Spree Gehry Partners Tower Alexanderplatz Berlin

Gehry Partners' Vorschlag für ein neues Hochhaus am Alexanderplatz, Berlin

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