Werkbund Berlin: Vortragsreihe zum Jahresthema „Die gute Form“

Als im Nachkriegsdeutschland vorherrschende Designtheorie begründete die gute Form im Alleingang eine moderne, deutsche Designtradition, und war so auch dafür verantwortlich, was man gemeinhin unter deutschem Design versteht.

Die gute Form lässt sich sehr verkürzt als eine Reduktion eines Objektes auf seine wesentlichsten Bestandteile verstehen. Es ging darum, „ein Produkt zu kreieren, das in Beziehung zu seiner Funktion und den technischen Voraussetzungen der Produktion entwickelt werden sollte. Das Objekt sollte seinen Zweck repräsentieren und gleichzeitig attraktiv sein.“1

Die extremste Forderung der guten Form war, dass es für eine Produktgruppe nur ein Produkt geben sollte – ein Produkt, das seinen Zweck so perfekt und unaufgeregt erfüllt, dass alle anderen Objekte dieses Typs überflüssig würden. Oder, wie Louis H. Sullivan in seiner Erläuterung zu „Form folgt Funktion“ schrieb: „Dort, wo sich die Funktion nicht ändert, ändert sich auch die Form nicht.

Erstmalig wurde die Formulierung vollständig und öffentlich für die Fotografieausstellung „Die gute Form“ benutzt, die der Architekt und Designer Max Bill im Kontext der Schweizer Werkbund Ausstellung 1949 organisierte. Die Ausstellung zeigte exemplarisch Schweizer Produktdesigns, die Bills Kriterien erfüllten. Darunter ein Cabriolet von der Carosserie Graber, ein Schiffspropeller der Escher Wyss Maschinenfabriken AG, Keramiken von Fritz und Helen Haussmann und sogar ein Servierwagen von Alvar Aalto. Dem Schweizer Werkbund zufolge war die Idee der Ausstellung „Beispiele purer, funktionaler, zweckmäßiger Form zu präsentieren…“– was sich, so könnte man meinen, wie eine Marketingbeschreibung des Schweizer Taschenmessers oder der Schokolade Toblerone anhört.

Nach der Ausstellungspremiere in Basel ging „Die gute Form“ auf eine Tour durch die Schweiz, Österreich und Deutschland. In der brutalen Wirklichkeit des Nachkriegsdeutschlands, in der man versuchte den Wiederaufbau schnell voranzutreiben, stießen die Ideen der Ausstellung dabei auf besonders fruchtbaren Boden.

1953 eröffnete Max Bill dann mit Otl Aicher und Inge-Aicher Scholl die Hochschule für Gestaltung in Ulm. Eine Designschule, die auf den Lehrgrundsätzen des Bauhauses basierte und die auf die Verbreitung und Lehre der guten Form ausgerichtet war.

Auch wenn die HfG Ulm nur ungefähr 15 Jahre existierte, schuf sie Grundlagen für die deutsche industrielle Produktion und inspirierte Generationen von deutschen Designern. Zudem brachte sie eines der besten Beispiele für Max Bills Verständnis der guten Form zutage – den Ulmer Hocker. Ein Objekt, derart eingängig und aufreizend schlicht, dass es noch heute so manchen verärgert, der nicht versteht, dass die Einzigartigkeit dieses Hockers gerade in dieser augenscheinlichen Einfachheit liegt.

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Ulmer Hocker von Max Bill

Die Prinzipien der guten Form wurden möglicherweise aber am konsequentesten in den Arbeiten von Dieter Rams für Braun umgesetzt. Auch wenn Rams kein Absolvent der Ulmer Designschule war, arbeitete er in seinen frühen Jahren eng mit Leuten wie Otl Aicher, Hans G. Conrad und vpr allem Hans Gugelot zusammen und brachte das, was er dort gelernt hatte später auf eine höhere Stufe.

In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren signalisierten die Postmoderne und vor allem in Deutschland das „Neue deutsche Design“ ein Ende der guten Form, als eine der prägendsten Strömungen für das deutsche Design und so ist die gute Form heute einfach eine Designtheorie unter vielen anderen.

Allerdings sind viele Grundsätze der guten Form nach wie vor wichtige für Architektur und Design, auch wenn das Konzept selbst in letzter Zeit etwas aus der Mode geraten ist. Die Aktualität dieser Grundsätze zeigt sich beispielsweise sehr deutlich an der Designarbeit Jonathan Ives für Apple. Wir sind uns sicher, Max Bill hätte jedenfalls hinsichtlich der Form großes Gefallen an den Apple Produkten gefunden.

Der Werkbund Berlin hat jetzt „das Erbe“ der guten Form zum Thema eines Programmes für das Jahr 2014 gemacht. Die themenbezogenen Veranstaltungen umfassen eine Serie von Vorträgen und Diskussionen. Kuratiert im Auftrag des Werkbundes Berlin vom Berliner Journalisten Gerwin Zohlen, wurden für das Programm vier Experten eingeladen, die Aspekte des Konzepts vorstellen und diskutieren werden. Wie allerdings in den Pressemitteilungen des Werkbundes Berlin deutlich wird, soll es nicht Ziel sein, die Theorie und Geschichte der guten Form zu diskutieren – vielmehr wird es darum gehen, den aktuellen Charakter der guten Form und die vielseitigen Ideale, auf denen das Konzept beruht, zu thematisieren.

Das Programm beginnt am Donnerstag, den 27. März, mit Prof. Christian Demand und seinen „Anmerkungen zur Ästhetik des Glatten“. In weiteren Vorträgen wird Detlev Schöttker die Geschichte und die Eigenschaften des „Simplen“ erkunden und Michael Mönninger wird sich mit der Faszination der Gesellschaft für das Hässliche auseinandersetzen. Das Programm endet am 19. Juni mit einem Gespräch von Prof. Karin Wilhelm über Luxus, modernen Lifestyle und Produktfetischismus.

Alle Vorträge beginnen um 19 Uhr in der Werkbund Galerie, Goethestraße 13, 10623 Berlin.

Alle Details sind unter www.werkbund-berlin.de zu finden.

1. „Die gute Form“, Ausstellung des SWB an der Mustermesse 1949 in Basel: Ausstellungsarchitekt Max Bill, Zürich, Schweizerische Bauzeitung Vol 67 Nr 30, 1949

2.  SWB-Geschäftsbericht 1949, zitiert in Irma Noseda „Der Schweizerische Werkbund als „Sachverwalter des Werkbundgedankens““ http://werkbund.ch/web/de/content/%C2%ABvon-der-guten-form-zum-unsichtbaren-design%C2%BB Accessed 17.03.2014

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