Playboy Architektur, 1953-1979 im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt am Main

Wie allgemein bekannt, kaufen Männer den Playboy nur, um die Artikel darin zu lesen.

Und wir waren in der Ausstellung „Playboy Architektur, 1953-1979“ nur, um die Möbel zu sehen. Schließlich gab es dort so Raritäten wie den ääh… Eames DCW oder hm… Bertoia Diamond Chair zu sehen.

Aber im Ernst.

Die aus einem Projekt von Studenten der Princeton University unter Leitung der Architekturhistorikerin Beatriz Colomina entstandene Ausstellung „Playboy Architektur, 1953-1979“ hat tatsächlich wenig Schmuddeliges an sich, denn sie untersucht die Rolle des Magazins Playboy bei der Verbreitung zeitgenössischer Architektur und zeitgenössischen Designs.

Seit seiner Entstehung im Jahr 1953 hat der Playboy in regelmäßigen Abständen aktuelle Architektur- und Designthemen aufgegriffen und so, der Theorie der Studenten zufolge, dabei mitgewirkt, die neuen Ideen der 1950er, 60er und 70er Jahre aus Architektur und Design einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Im Besonderen einem Publikum, das über ausreichend Geld und Einfluss verfügt, um die Nachrichten zu verbreiten und so amerikanische Architektur und amerikanisches Design von den starren „Vorkriegs“-Konzepten weg zu einem helleren und moderneren Stil zu führen.

Playboy Architecture 1953 1979 Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main Designs for Living

Playboy Architektur 1953-1979 im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main

„Playboy Architektur, 1953-1979“ präsentiert die Forschungsresultate der Studenten in Form von Fotografien, Architekturmodellen, Magazinen und ausgewählten Möbelstücken und ist in sechs thematisch breite Kategorien unterteilt.

Gleich mal zu Beginn: Der Besucher entkommt weder der Nacktheit noch dem allseits bekannten und akzeptierten Playboy-Frauenbild. Vor allem weil der zentrale Bereich des Ausstellungsraumes in eine Art Bibliothek mit einer Sammlung sämtlicher Playboy Magazine aus den Jahren 1954 bis 1979 umgewandelt wurde, in denen die Besucher zu ihrem Vergnügen blättern können.

Ist es denn aber überhaupt möglich von der Nacktheit und den unpassenden Bildern Abstand zu nehmen und sich auf Architektur und Design zu konzentrieren? Sich von der Objektivierung zu distanzieren? – Natürlich ist das völlig unmöglich.

Doch wird einem während des Besuchs durchaus klar, dass die akademische Position, von der aus das Projekt entwickelt wurde, seine Berechtigung hat und so auch das Projekt und die Ausstellung absolut legitim sind.

Uns hätte es aber besser gefallen, hätten die Kuratoren die Ausstellung in zwei Bereiche unterteilt, anstatt den weiteren Kontext des Magazins zu ignorieren. Hätte es einen Bereich, der auf die seriöse, sensible Berichterstattung des Magazins zu Design und Architektur eingeht, und einen, der sich ganz den auf Stühlen räkelnden nackten Frauen widmet, gegeben, hätte man auf Grundlage des Vergleichs seine Schlussfolgerungen ziehen können.

Wir wollen nicht allzu soziologisch werden – es wäre nur besser gewesen.

Playboy Architecture 1953 1979 Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main

Playboy Architektur, 1953-1979 im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt am Main

Trotz aller Bedenken und Einwände zur Art der Frauendarstellung hält die Ausstellung, was sie verspricht, und zeigt gekonnt, dass sich der Playboy in besagtem Zeitraum mit einem gewissen Grad an Ernsthaftigkeit den Themen Design und Architektur gewidmet hat. Wenn auch in einem geringeren Grad an Regelmäßigkeit…

Es wurde beispielsweise nur ein langer Artikel veröffentlicht, der sich direkt mit aktuellem amerikanischen Möbeldesign beschäftigte. Das war im Juli 1961 mit dem Artikel „Designs for Living“ von John Anderson, der von einem doppelseitigen Foto begleitet wurde, das George Nelson, Charles Eames, Edward Wormley, Eero Saarinen, Harry Bertoia und Jens Risom jeweils auf einem ihrer Möbel sitzend bzw. daneben stehend zeigt. Allesamt in Anzügen, muss man hinzufügen. Und man muss auch sagen, dass es sich um einen sehr gut geschriebenen seriösen Artikel handelt und nicht nur um eine Sammlung von „was für prächtige Kurven“- und „Form folgt Funktion“-Anspielungen, sondern um einen gut geschriebenen Text, der das Thema des Möbeldesigns der 1960er Jahre klar und verständlich unter die Lupe nimmt.

Zusätzlich lieferte der Playboy während der 1950er, 60er und 70er Jahre regelmäßig Interviews mit Architekten wie Frank Lloyd Wright, Buckminster Fuller und Mies van der Rohe, präsentierte laufend Features zu Elektronik, Hi-Fi und anderen Lifestyle-Accessoires und zelebrierte eine fast schon kindische Faszination für die fantastische „UFO“-Architektur aus den 1970er Jahren. Am interessantesten und wirklich relevant waren aber vielleicht die regelmäßigen Veröffentlichungen der Playboy-Vision einer idealen Junggesellenbude für den weltmännischen, fortschrittlichen Lebemann. Die sind in vielerlei Hinsicht genauso ekelerregend wie die Heim- und Lifestyle-Features, mit denen die Magazine heute so voll sind, aber eben einfach sehr viel besser.

Angefangen mit einem idealisierten „Playboy Penthouse Apartment“ von 1956 über beispielsweise ein „Weekend Hideaway“ oder ein „Duplex Penthouse“ erreichte das Projekt seinen Höhepunkt zweifellos im Jahr 1962 mit der Veröffentlichung von Plänen für ein „Playboy Town House“. Die von R. Donald Jaye entwickelte Konstruktion wurde unter dem Aufhänger „Schicke Pläne für ein aufregendes Großstadtleben“ veröffentlicht und beinhaltete einen Swimmingpool in einem Lichthof mit Schiebedach. Neben Zeichnungen und Seiten aus dem originalen Artikel zeigt die Ausstellung auch ein Modell des Playboy-Hauses. Leider, leider wurde das Projekt nie realisiert.

Die Präsentation all dieser Projekte zeigt allerdings, wie kompetent und selbstverständlich der Playboy die Möbel dieser Zeit in einer hoch stilisierten Vision des perfekten, urbanen Lebens unterbrachte.

Eine Nelson Bench im Badezimmer, ein Eames DCW und ein Isamu Noguchi Coffee Table im Schlafzimmer oder ein Saarinen Womb Chair in der Penthouse-Lounge, während das Town Haus Modell unter anderem mit einem Eames Lounge Chair mit Ottomaneinem Paar Barcelona Chairs und einem vollständigen Tulip Dining Room Ensemble von Eero Saarinen ausgestattet ist.

Wem würde das nicht gefallen?

Wie gesagt, durchsetzt sind diese gut durchdachten und wirklich interessanten Features mit Fotografien von Frauen, die mal mehr mal weniger bekleidet und augenscheinlich nicht gerade bequem auf Stühlen posieren, aber ebenso kompetent und selbstverständlich präsentiert sind wie die Möbel in den Playboy-Häusern. Die Bilder zeigen die passende hoch stilisierte Vision der perfekten Begleiterin für den weltmännischen, fortschrittlichen Lebemann.

Diese Parallele erklärt vielleicht, woher heute unsere übersexualisierte Werbung rührt. Wahrscheinlich haben die heutigen Werber ihre halbe Jugend mit Daddys Playboy Ausgaben verschwendet.

Playboy Architecture 1953 1979 Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main Playboy Penthouse Interior

Playboy Architektur, 1953-1979 im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt am Main

Abgesehen von einigen exzellenten Argumenten schafft es „Playboy Architektur, 1953-1979″ allerdings nicht, uns einen wissenschaftlich belegten Beweis dafür zu liefern, dass der Playboy tatsächlich, wie behauptet, eine zentrale Rolle in der Verbreitung neuer Architektur- und Designansätze gespielt hat. Auch die Behauptung von Beatriz Colomina, der Playboy habe ein Interesse für moderne Architektur und Design des modernen Mannes überhaupt erst salonfähig gemacht, kann nicht weiter untermauert werden.

Die Ausstellung erklärt allerdings auf wunderbare Weise, dass der Playboy eine Rolle gespielt hat und fraglos dazu beitrug, die Ideen und Protagonisten dieser Periode einer Gruppe von Konsumenten vorzustellen, die sich für moderne Mode, heiße Autos, gediegene Cocktails, halsbrecherische Abenteuer und nackte Brüste interessierte.

Aber ohne Fakten, die uns vom Gegenteil überzeugen, bleiben wir bei unserer Ansicht, dass diese Gruppe relativ klein war und dass sie, wenn überhaupt, für den Erfolg von Charles Eames, George Nelson & Co. nur in ganz geringem Maße verantwortlich war. Nicht zuletzt – und das wiederum macht die Ausstellung schön deutlich -, weil die seriöse Berichterstattung zu Architektur- und Designthemen nur sporadisch im Playboy auftauchte. Dazu kommt natürlich, dass über unzählige Entwicklungen, Designer, Architekten und andere Themen aus dieser Zeit im Playboy sowieso niemals berichtet wurde und das Magazin in diesem Zusammenhang daher nicht als wirklich wichtig zu verstehen ist. Grundsätzlich präsentierte der Playboy eine ziemlich beschränkte, selektive Vorstellung von Design und Architektur, die wohl hauptsächlich auf die ziemlich übertriebene Vernarrtheit des Magazins in James Bond zurückzuführen ist.

Und die reizenden Fotos sind und waren schon immer nur dazu gedacht gängige Männerfantasien zu bedienen.

Genauer gesagt glauben wir, dass beispielsweise ein Großteil der Playboy-Leser dieser Zeit vielleicht noch in der Lage wäre, sich an das Bild des „Playmates of the Month“ vom November 1954 zu erinnern, das sich sorglos in einem Butterfly Chair rekelte. Allerdings werden wohl nur sehr wenige in der Lage sein, diesen Stuhl zu beschreiben, geschweige denn den Designer des Stuhls zu nennen. Und keiner wird den Stuhl auf die Empfehlung von Miss November hin gekauft haben. 

Wem Bilder über Bilder von nackten Frauen und Frauen in verschiedensten Unterwäschevariationen auf die Nerven gehen, wird keine Freude an der Ausstellung haben. Das gleiche gilt für jene, die Faux Jazz Loungemusik der 1960er Jahre nicht ertragen können. Mit der werden die Ausstellungsräume nämlich durchgehend beschallt.

Davon abgesehen war „Playboy Architektur, 1953-1979″ eine unterhaltsame und informative Ausstellung, die wie gesagt zwar nicht die These der Studenten belegen konnte, aber zeigt, dass sie mit ihrer Vermutung nicht komplett falsch lagen und dass der Playboy zumindest teilweise zum Durchbruch der amerikanischen Mid-Century Moderne beitrug.

„Playboy Architektur, 1953-1979“ war bis 20. April 2014 im Deutschen Architekturmuseum, Schaumainkai 43, 60596 Frankfurt am Main zu sehen.  

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