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#campustour 2017: Rundgang @ Universität der Künste Berlin, Deutschland

Aufgrund der einzigartigen Gesichte sowi weltpolitischen Relevanz sind die Geschichten der kulturellen Institutionen der Stadt Berlin unfassbar komplex. Und die Anzahl dieser kulturellen Institutionen ist weitaus höher als in so manch anderer Metropole. Nur wenig Städte können von sich behaupten zwei öffentliche Zoos, drei Opernhäuser und 4 staatliche Universitäten zu haben. Während drei dieser Universitäten individuelle Kurse in Fächern wie Architektur, Theaterwissenschaften oder Musik anbieten, so gibt es nur eine unter ihnen an der man all das – neben Design – studieren kann: Die Universität der Künste Berlin.

Universität der Künste Berlin, Designfakultät

Universität der Künste Berlin

Als Platz für die künstlerische Ausbildung kann die Universität der Künste, kurz UdK, auf eine Geschichte zurückblicken, die bis 1696 zurückreicht. Die ehemalige Kunstakademie entstand unter der Stiftung von Friedrich lll. und war bereits damals ein Etablissement, dass Kurse in den Fächern Malerei, Bildhauerei und Architektur anbot. Neben zwei weiteren Institutionen, der Königlichen Bibliothek in Berlin und der Universität in Halle, war die Akademie einer von Friedrichs Versuchen das Profil, den Stellenwert und die Qualität von Kunst und Erziehung zu steigern – seinerzeit wichtige „wirtschaftliche“ und politische Faktoren. Die darauffolgenden Jahrzehnte brachten dann zunächst die Zusammenführung mit angewandten und bildenden Künsten sowie anderen verwandten Einrichtungen bevor sich im Jahr 1975 die Staatliche Hochschule für Bildende Künste mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst zusammenschloss, um die Hochschule der Künste als zentrale Anlaufstelle für Kunststudenten in Westberlin zu bilden. Fortan war die Schule ein Magnet für all die Kreativen Westdeutschlands, die den Militärdienst umgehen wollten, denn, und das war ein äußerst kostbarer Vorteil, Westberliner Bürger wurden von diesem verschont. In vielerlei Hinsicht halt diese Anziehungskraft bis heute an. 2001 wurde dann aus der HdK die UdK, die heute mit etwa 3500 Studenten die größte Kunsthochschule Europas ist. Mal ganz von ihrem Status und ihrer Bedeutung als Kunsthochschule abgesehen, kann der Großteil der Studierenden in der Design Fakultät gefunden werden. Hier absolvieren circa ein Drittel aller Studenten das erste Semester gemeinsam bevor sie sich dann in Produkt- oder Modedesign spezialisieren.

 

Der Pavillon der Universität der Künste Berlin

Universität der Künste Berlin Rundgang 2017

Der Rundgang an der Universität der Künste Berlin hat irgendwie etwas familiäres an sich: Es ist zwar nie genau das Gleiche, aber wir könnten wahrscheinlich trotzdem blind unseren Weg finden. Was ganz offenkundig dumm wäre. Wenn nicht sogar gänzlich unproduktiv. Außerdem ist es gefährlich. So kann man sich wenigstens sicher sein, dass man im 4. Stock die Ausstellung der „Technology & Construction“-Kurse finden wird, wo in diesem Jahr unter anderem „Mutabor“ zu sehen war, das sich rund um eine neugeformte PET Flasche dreht, die in ihrer Funktion durch eine per 3D-Drucker hergestellte Komponente erweitert wurde. Oder auch der Kurs „Sandguss“, der die Studierenden dazu herausforderte mittels des Sandgussverfahrens ein Objekt zu kreieren. Außerdem, der ewige Favorit, „Abgewickelt & Aufgerollt“, in dem ein Design aus einem Quadratmeter Stahl heraus entwickelt werden sollte. Im 4. Stock befindet sich zudem die Aula, in der in diesem Jahr eine etwas enttäuschende Präsentation des Projekts „Between on and off“ stattfand, das Objekte ausstellte, die im Rahmen des OSRAM Light Award entstanden sind. Enttäuschend war diese zum einen aufgrund seiner leblosen Art der Vorführung und zum anderen weil alle Arbeiten, obwohl konzeptionell vorhanden, ohne nähere Erläuterung bezüglich ihrer Eigenschaften oder Funktionen ausgestellt wurden. Nicht mal der Name des Studierenden war zu sehen. Einfach ein Objekt, das vielleicht oder vielleicht auch nicht etwas tut, wenn man selbst etwas tut oder es eben bleiben lässt. All das in fast kompletter Dunkelheit. Wir können nicht behaupten, dass diese Präsentation ein befriedigendes Erlebnis gewesen ist.

Natürlich kann man nachfragen und sich die Funktion der diversen Arbeiten erklären lassen. Aber das für jede einzelne Lampe zu tun ist ein Aufwand, der nicht unterschätzt werden solle. Und man stelle sich mal vor, jeder einzelne Besucher würde das tun – Chaos wäre unvermeidbar. Eine kurze Beschreibung und die Sache wäre erledigt. Normalerweise kann man sich was die Präsentationen angeht auch immer auf die UdK verlassen. Während sich im zweiten und dritten Stockwerk alles um Mode dreht, widmet sich der erste Stock aktuellen Kooperationen und das Erdgeschoss dem Einführungskurs Kunst + Design BA/MA. Außerdem befindet sich hier, nicht zu vergessen, das Café. In diesem Jahr haben wir uns sogar Kaffee und Kuchen gegönnt. Der Kaffee ist dabei nicht nur für unsere Ausdauer von entscheidender Bedeutung, sondern auch um einen ruhigen, ungestörten Moment in all dem Trubel zu finden und darüber nachzudenken, was wir in diesem Jahr schon alles gesehen haben, nämlich unter anderem…

Die Ergebnisse des „Sandguss“-Kurses, gesehen beim Rundgang der Universität der Künste Berlin

„Alles für die Tonne“ von Tom Schneider

Oft sind es die kleinen Dinge, die fast unsichtbaren, die das stärkste, kraftvollste Signal senden. Der Trick liegt darin sie zu entdecken. Das ist genau was Tom Schneider gelungen ist. Gibt es etwas, das unsere Moderne Gesellschaft besser symbolisiert als ein überquellender Mülleimer? Damals, als die ersten öffentlichen Mülleimer installiert wurden, hatte kaum jemand Müll. Oder zumindest nicht ansatzweise so viel Müll wie in unserer derzeitigen nach-sofortiger-Befriedigung-werfe-ich-es-gleich-wieder-weg-und-kauf-es-dann-wieder-neu-einfach-weil-ich-es-kann-Gesellschaft. Welcher Mülleimer kann es schon mit dem Massen an Müll aufnehmen? Man überlege nur mal, wie viel Platz allein die Coffee-to-go-Becher wegnehmen. Zurück bleiben vollkommen überfüllte Mülleimer. Mit „Alles für die Tonne“ stellt Tom eine sehr intelligente Lösung vor. Mal angenommen das Problem liegt am Volumen des Mülleimers und nicht an der Quantität oder dem Gewicht des Mülls und dass das Volumen vor allem durch verdichtungsfähige Materialien – Kaffeebecher, Verpackungen, kostenlose Zeitungen, Zigarettenschachteln etc. – entsteht, warum verdichtet man diese dann nicht in situ? Immerhin passiert genau das auch mit Industriemüll.

„Alles für die Tonne“ schlägt vor, dass man durch die Betätigung eines Pedals die Inhalte des Eimers komprimieren kann und dadurch Platz für den eigenen Kaffeebecher schafft. Außerdem können wir uns gut vorstellen – ohne explizite Kenntnisse darüber zu haben -, dass diese Methode die Müllentsorgung um einiges leichter und effizienter macht, denn der Müll kommt bereits als verdichtete Masse aus dem Eimer. Natürlich gibt es bereits solarbetriebene, selbstverdichtende Mülleimer, aber wir sind nicht nur begeistert von der einfachen Technologie, die Tom vorschlägt, sondern auch von der Tatsache, dass sie uns vor Augen hält, dass wir gezwungen sind zu komprimieren. Es entsteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Wegwerfen und seinen Konsequenzen. Im Gegensatz zu dem immer-leeren solarbetriebenen Mülleimer, erinnert uns „Alles für die Tonne“ daran, dass Mülleimer sich füllen. Was eigentlich nicht Sinn der Sache ist. Ganz offensichtlich involviert das System Mülleimer sowie deren Befestigung. Diese wiederum müssen den Kräften durch das Treten der Pedale standhalten. Außerdem darf nichts weggeworfen werden, was nicht auch wirklich komprimierbar ist. Aber mal abgesehen davon scheint das Projekt eine Idee zu sein, in die man investieren sollte. Genauso wie man in die allgemeine Reduzierung von Müll investieren sollte. Und ja, dieses Problem betrifft uns alle.

„Alles für die Tonne“ von Tom Schneider, gesehen beim Rundgang der Universität der Künste Berlin

„Entomophagy“ von Lillian Hyebin Yoon

Es lässt sich nicht leugnen, dass uns während der #campustour ständig der Mehlwurm und sämtliche anderen wirbellosen Tiere über den Weg gekrochen sind, die eigentlich für den menschlichen Verzehr geeignet sind.  Und wenn es nicht die Tierchen selbst waren, dann waren es Systeme für ihre Züchtung. „Entomophagy“ ist ein System, das speziell für den Hausgebrauch entworfen wurde und auf jeder Küchenzeile Platz findet. Basierend auf einer sehr einfachen Konstruktion und augenfällig durch seine zugängliche und unkomplizierte Form, die in vielerlei Hinsicht Gedanken an ein DIY-Projekt aufkommen lässt, ist das Projekt nicht so wie viele seiner High-Tech-Verwandten. „Entomophagy“ zielt auf den Durchschnittshaushalt ab und, so meinen wir, ist dafür bestens geeignet. Die Frage ist nur: Wird sich der Durchschnittshaushalt jemals dazu entschließen, seine eigene kleine Insektenzucht zu betreiben? Denn, seien wir mal ehrlich zu uns selbst, sehen wir uns wirklich als Insektenfarmer? Nicht wirklich. Nicht heute und auch nicht zukünftig. Da können die Argumente für eine Insekten-basierte Ernährung noch so gut sein, die Alternativen sind einfach zu leicht erhältlich. Und auch der kulturelle Faktor lässt sich nicht leugnen, denn noch bestimmt unser Umfeld, was wir essen. Was nicht bedeutet, dass wir keine Wahl hätten, sondern nur, dass wir uns nie zu weit aus unserer Komfortzone heraus bewegen.* Außerdem bewegen sich die Dinge für uns gerade in eine etwas andere Richtung.

Wie bereits in unserem Kommentar zur Food Revolution 5.0. Gestaltung für die Gesellschaft von Morgen im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zu lesen war, sind unsere derzeitigen Landwirtschaftssysteme nicht nachhaltig, ebenso wenig wie unser Essensverhalten. Zum Glück gibt es immer mehr Leute denen genau das bewusst wird, die Bewusstsein darüber entwickeln, dass sich etwas verändern muss. Der erste Schritt in Richtung langfristige Veränderung muss es sein ein Verständnis für Nachhaltigkeit zu entwickeln. Wir müssen uns wieder darüber im Klaren sein, warum wir Landwirtschaft betreiben und warum wir essen, und dann unter diesem Ansatz eine gesunde Beziehung zu unserem Essen aufbauen.

Wenn wir das erreicht haben, dann kann eine Insekten-basierte Diät in einem vollkommen anderen Kontext betrachtet werden, denn dann ist es nicht mehr nur eine Alternative zu unserem aktuellen System sondern vielmehr eine Weiterentwicklung dessen. Und gleichzeitig viel ansprechender als es jetzt ist. Dann werden wir solche Systeme wie „Entomophagy“ brauchen. Aber zuerst die Veränderung. Oder die Apokalypse. Derzeit ist die zweite Option wohl sehr viel wahrscheinlicher…

„Entomophagy“ von Lillian Hyebin Yoon, gesehen beim Rundgang der Universität der Künste Berlin

„Tequipanoa Community System“ von Louis Bindernagel & Julius Führer

Angefangen mit einer Untersuchung nach Möglichkeiten Hydrokulturen mit Landwirtschaft zu verbinden, haben Louis Bindernagel und Julius Führer „Tequipanoa“ entwickelt – ein in sich geschlossenes System der Gemüseproduktion, das Bioabfall als Rohstoffbasis nutzt. Nachdem sie damit nicht ganz zufrieden waren, haben Louis und Julius weiter an ihrem Projekt gefeilt und „Tequipanoa Community Sytem“ entwickelt: Ein Sozialunternehmen, das kostengünstig und low-tech die lokale Gemüseproduktion in Gegenden ermöglichen soll, in denen das sonst nicht möglich wäre. Oder ratsam. Gehen wir nur mal von möglichen Bodenverschmutzungen aus. Die Basis für das „Tequipanoa Community System“ sind einfache IBC Container – große Plastikcontainer auf Paletten, die für den Transport von Flüssigkeiten vorgesehen sind und universell verwendet und demnach auch universell verfügbar sind und die von Louis und Julius so umgestaltet worden sind, dass sie das „Tequipanoa“-Konzept einfach integrieren können. Außerdem sollen sie eine stabile Einkommensquelle für lokale Unternehmen und Händler sein was die Konstruktion und die Erhaltung der Systeme betrifft. Das erste „Tequipanoa Community System“ ist für Nairobi, Kenia, geplant, denn probieren geht über studieren. Wir sind gespannt auf erste Resultate…

Alle Details zu Universität der Künste Berlin unter:  http://design.udk-berlin.de

* Ja, das ist eine sehr nord-west-euro-amerikanische Perspektive, und das ganz bewusst…

„Tequipanoa Community System“ von Louis Bindernagel & Julius Führer, gesehen beim Rundgang der Universität der Künste Berlin. Das Basissystem…

… und eine Abbildung des IBC Container-Systems…