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Bauhaus Dessau: Marcel Breuer – Design und Architektur

So wie Gerrit Rietvelds Karriere in der öffentlichen Wahrnehmung fälschlicherweise oft auf den Rood-blauwe stoel reduziert wird, so macht man es sich auch zu einfach, wenn man meint, Marcel Breuer habe seine Zeit mit nichts als dem Entwerfen von gebogenen Stahlrohrstühlen und -tischen verbracht.

Zugegebenermaßen schlägt einem der allwissende Google-Algorithmus neben der Marcel Breuer Schule auch gerade einmal  „Marcel Breuer Stuhl“ und „Marcel Breuer Biografie“ vor. Dass die öffentliche Wahrnehmung von Marcel Breuer so einseitig scheint, ist aber besonders insofern überraschend, als die Breuer Biografie noch eine der bekannteren Bauhaus-Biografien ist. Er ist wohl einer der wenigen Bauhäusler, über den bei einer Fernsehquizshow eine Frage gestellt werden würde.

Die Ausstellung „Marcel Breuer – Design und Architektur“, die zurzeit am Bauhaus Dessau gezeigt wird, führt den Besucher in die weniger bekannten Bereiche der Breuer’schen Arbeit ein und präsentiert auch das ein oder andere kaum bekannte Objekt aus Breuers Oeuvre. Vor allem macht die Ausstellung aber deutlich, dass so wichtig die Stahlrohrarbeiten auch für das europäische Design im 20. Jahrhundert gewesen sein mögen, sie für Breuer selbst nur eine frühe und kurze Phase seines kreativen Schaffens ausmachen.

 

Der B3  Clubstuhl (Wassily Sessel) von Marcel Breuer @ Bauhaus Dessau

Der Ausstellungstitel verspricht nichts, was er nicht halten kann und so werden in der Ausstellung zum einen Breuers Wirken im Design und zum anderen sein architektonisches Schaffen betrachtet.

Der Designteil ist in der Ausstellung chronologisch angeordnet und beginnt daher mit Breuers frühen Holzobjekten, einschließlich des eindeutig vom de Stijl beeinflussten – und dementsprechend farbigen – Lattenstuhl sowie einer gewaltigen, fast steampunkartigen Frisierkommode mit Stuhl, die er 1923 für das Haus am Horn in Weimar entworfen hat.

Mitte der 1920er Jahre begann Marcel Breuer dann seine bahnbrechenden Experimente mit Stahlrohr. Natürlich ist dieses Genre umfassend in der Ausstellung vertreten – sei es in Form des „Wassily“ B3 Clubstuhls in all seinen Variationen, Breuers zahlreichen und verschiedenen Kooperationen mit Thonet oder seine Freischwinger-Stuhldesigns.

Was besonders interessant in der Ausstellung zu beobachten ist, ist die Spannweite, die in manchen von Breuers Entwürfen steckt. Sein B 35 Stuhl für Thonet zum Beispiel wird als verschweißte und verschraubte Version gezeigt; die eine offensichtlich für das Versenden in flachen Paketen und als modulare Möbelserie gedacht, die andere ästhetisch ansprechender.

Das Stahlrohr stellt zwar ohne Zweifel die bekannteste und wichtigste Epoche für Breuer dar, wir finden den Sperrholzbereich allerdings viel interessanter. Auf der einen Seite weil Sperrholz ein Material ist zu dessen Gebrauch Breuer mehr oder weniger gezwungen wurde – das Unternehmen Isokon war wenig an Stahlrohrmöbeln interessiert und wollte stattdessen das kommerziell relevantere Holz – und auf der anderen Seite weil es ein Material ist, mit dem er einige wirklich schöne Möbel geschaffen hat, die mit ihrer organischen Formensprache jedoch in deutlichem Kontrast zu dem stehen, was man normalerweise mit Marcel Breuer assoziiert. Zugegebenermaßen hat man begrenzte Möglichkeiten mit gebogenem Sperrholz, aber was Breuer damit geschaffen hat, ist ein wirklich wunderbarer Anblick.

Dieser Teil seines Schaffens ist aber auch so bemerkenswert, weil er zeigt, dass Breuer ein Verständnis von der kommerziellen Möbelindustrie hatte, von dem sich einige seiner Zeitgenossen eine Scheibe hätten abschneiden können. Sein Stapelstuhl aus dem Jahr 1936 ist ein wunderbares Beispiel dafür.

 

Beispiele für Marcel Breuers gebogene Sperrholzarbeiten für Isokon. Im Vordergrund der Stapelstuhl

Im Gegensatz zum chronologischen Designteil gliedert sich der Architekturteil thematisch und zwar in die Bereiche „Räume“, „Häuser“ und was die Kuratoren als „Volumen“ bezeichnen, also gigantische, fast brutalistische Konstruktionen, die ihre Existenzberechtigung allein dadurch zu behaupten scheinen, dass sie so präsent sind.

Jeder der Bereiche wird durch Modelle, Fotos und Zeichnungen repräsentativer Gebäude erklärt, wobei die interessanteste Darstellung für uns die des BAMBOS Projektes ist.

Wie eintausend japanische Touristen täglich bestätigen können, gehören die Meisterhäuser – eine Reihe Villen, extra gebaut für die Bauhausmeister – zu den wichtigsten Aspekten vom Bauhaus Dessau. Der Bau der Meisterhäuser trug allerdings damals sehr zur Verärgerung der „jungen Meister“, wie Breuer, Josef Albers oder Herbert Bayer, bei. Sie empfanden es als „unsozial“, dass die Meister strahlend neue Villen erhielten, und sie selber (die schließlich den Löwenanteil des Unterrichts übernahmen) nichts vergleichbares bekamen.

In einem Akt, der im krassen Kontrast zu den gutgelaunten, feierwütigen Bauhäuslern steht, wie sie derzeit in der Barbican Art Gallery dargestellt werden, rebellierten die jungen Meister gegen diese vermeintliche Ungerechtigkeit und schlugen eine eigene Serie experimenteller, vorgefertigter Häuser vor, die umgangssprachlich BAMBOS nach ihren Urhebern Breuer, Albers, Meyer, Bayer, Meyer-Ottens und Schmidt genannt werden.

Anfänglich wurde das Vorhaben abgelehnt, aber als Breuer damit drohte Dessau zu verlassen, stimmte Walter Gropius dem Projekt schließlich zu. Allerdings wurde das Projekt letztlich niemals realisiert und große Teile der originalen Dokumentation sind seit langem verschwunden. Folglich beschränkt sich die Präsentation von BAMBOS auf einen kurzen Text und ein Modell des BAMBOS Hauses Typ 1.

Der Einbezug von BAMBOS ist insofern wichtig, als er bestätigt, dass das Bauhaus nicht mit Lichtgeschwindigkeit einem gemeinsamen Ziel entgegen raste und dabei niemals von der Spur der gemeinsamen Ideologie abkam, sondern dass auch das Bauhaus in erster Linie ein Sammelbecken für Individuen mit eigenen Meinungen, die verteidigt werden wollten, war. Auch wenn das den ein oder anderen auch mal aus der Bahn warf.

Auf ähnliche Weise würde die Ausstellung von ein wenig mehr Informationen über die Verärgerung profitieren, die hervorgerufen wurde, als Breuer seine Stahlrohrmöbel über sein eigenes Label „Standard-Möbel“ verkaufte, ohne das Bauhaus darüber zu informieren. Oder über einen der vielen anderen Momente, als sich Breuer und das Bauhaus überwarfen. Trotz des Erfolges für alle Parteien war nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen.

Unabhängig von dieser, in unseren Augen, Auslassung präsentiert „Marcel Breuer – Design und Architektur“ einen wunderbaren, sehr zugänglichen Überblick über einen Mann, sein Vermächtnis und seinen Platz in der Design- und Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Geht man durch die Ausstellung, bekommt man ein gutes Gefühl für die Entwicklungen in Breuers Karriere.

Aber noch wichtiger ist, ähnlich wie bei „Gerrit Rietveld – Die Revolution des Raums„, dass man versteht, dass die öffentliche Person nur die Schale für einen komplexen und kreativen Charakter ist. Wenn man so will, eine Einladung mehr zu entdecken.

Marcel Breuer – Design und Architektur ist die perfekte Gelegenheit genau das zu tun und kann noch bis zum 31. Oktober 2012 im Bauhaus Dessau besucht werden.

Ein Modell für das „BAMBOS Haus Typ 1“
Bauhaus Dessau: Marcel Breuer – Design und Architektur
Die Aula im Bauhaus Dessau, ausgestattet mit Stühlen designt von Marcel Breuer