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Orgatec 2012 Interview: Antonio Citterio „Ich mag es an Produkten zu arbeiten, die sich mit der Zeit entwickeln. Ich arbeite nicht gern für den Moment“

In unserem Orgatec Interview mit Vitra CEO Eckart Maise sprachen wir über das Bürosystem als zentrale Komponente der Vitra Büromöbel Philosophie. Ein Designer, der mehr als jeder andere dazu beigetragen hat, Vitras guten Ruf im Büromöbelbereich zu stärken, ist ohne Frage Antonio Citterio. Seit seiner ersten Zusammenarbeit mit dem Unternehmen in den späten 1980er Jahren arbeitete Antonio Citterio mit Vitra an zahlreichen Schlüsselprojekten, darunter das Ad Hoc System, die AC sowie ID Bürostühle und zuletzt der Grand Repos Lounge Chair. Auf der Orgatec 2012 präsentierten Antonio Citterio und Vitra die jüngsten Früchte ihrer Arbeit und wir haben die Gelegenheit genutzt, um mit Antonio Citterio über seine Arbeit mit Vitra und seine Bewunderung für Charles und Ray Eames zu sprechen. Zuerst haben wir jedoch nach der Herangehensweise an seine Arbeit gefragt.

Antonio Citterio: Ich mag es an Produkten zu arbeiten, die sich mit der Zeit entwickeln. Ich arbeite nicht gern für den Moment, sondern über lange Zeiträume und an Langzeitkonzepten. Mein Ansatz ist es, bestehende Systeme weiterzuentwickeln und alle paar Jahre ein paar Änderungen durchzuführen. Zum Beispiel haben wir 2010 das ID Chair Concept vorgestellt und dieses Jahr präsentieren wir eine neue Rückenlehne für das System. Außerdem haben wir ein paar Änderungen für Ad Hoc und einen neuen Visavis. Das sind immer noch die gleichen Produkte, nur andere Optionen. Ich will nichts so weiterentwickeln, dass die vergangenen Versionen alt oder überholt wirken.

(smow)blog: Alt und überholt sind interessante Stichwörter. Ad Hoc ist nun über 20 Jahre alt, ist es noch relevant in modernen Büros oder hat sich die Büroumgebungen schneller entwickelt als Ad Hoc?

Antonio Citterio: Natürlich verändern sich mit der Zeit die Anforderungen an ein System oder Produkt. Die Büroumgebung verändert sich, aber ein System wie Ad hoc verändert sich mit. Zum Beispiel war das erste Ad Hoc sehr tief, weil damals noch diese riesigen Computermonitore auf die Tische passen mussten, aber jetzt brauchen wir wegen der Laptops und Tablets weniger Platz. Das System bleibt das gleiche, es entwickelt sich jedoch weiter und bleibt praktisch und relevant.

(smow)blog: Diese Weiterentwicklung oder Erweiterung des Systems, ist die immer nur eine technische oder spielt Ästhetik dabei auch eine Rolle?

Antonio Citterio: Es wäre langweilig, wenn es nur technische Entwicklungen wären. Das technische Element ist ein wichtiger Teil des Jobs, aber der ästhetische macht immer auch einen großen Teil aus. Es genügt nicht, wenn man sich nur der technischen Seite widmet. Beim ID Concept z.B. reicht es nicht aus eine neue Lehne zu entwickeln, alle Aspekte müssen in so eine Entwicklung einbezogen werden, alles muss passen. Nicht jedes Projekt führt dabei zum Ziel, manchmal muss man einfach aufhören, wenn man nicht das gewisse Etwas erreicht hat.

(smow)blog: Kann man daher sagen, dass Büromöbel interessanter für Sie sind als Wohnmöbel, wo man kürzere Produktzyklen hat?

Antonio Citterio: Nein, ich mag beides. Büromöbel mag ich wegen der anspruchsvollen Technologie, die in ihnen steckt. Mit Vitra konnte ich diese Technologie sogar in den Grand Repos stecken – ein Möbel für den Wohnbereich durch und durch. Vitra ist ein Unternehmen, das Bürosysteme versteht.

(smow)blog: Sie sind gelernter Architekt und arbeiten auch immer noch als solcher. Wenden Sie den Ansatz einer Langzeitentwicklung von Systemen auch in Ihrer architektonischen Arbeit an?

Antonio Citterio: Ja, es sind sehr ähnliche Prozesse. Zum Beispiel habe ich drei Produktionshallen für Vitra gebaut: die erste vor 15 Jahren, die zweite vor fünf Jahren und die dritte im letzten Jahr. Alle Hallen sind gleich, aber Entwicklungen innerhalb eines Systems. Die sind zwar immer schon fertig, werden aber jedes Mal verbessert. Die zweite wurde z.B. nah an der ersten  gebaut. Als junger Architekt würde man nun ein Zeichen setzen wollen, aber Vitra braucht keine Zeichen zu setzen. Vitra braucht einen produktiven Ort. In Weil am Rhein mit dem Vitra Campus sieht es etwas anders aus. Dort hat man viel Raum und eine Reihe ausdrucksstärkere Arbeiten von verschiedenen Architekten. Aber um einen kreativen Vitra Ort zu schaffen, muss man konsequent sein und so entwickelten wir für das zweite Werk  das Konzept des ersten weiter. Als wir dann die dritte Halle gebaut haben, hatte ich bereits ein gutes wettbewerbsfähiges System, das schnell gebaut werden kann und gut aussieht. Also ja, es ist ein ähnlicher Prozess.

(smow)blog: Um das Thema langsam zu wechseln, Sie werden als großer Bewunderer von Charles und Ray Eames zitiert. Was macht die Bewunderung aus?

Antonio Citterio:  Wenn man sich die Arbeiten der Eames ansieht, erkennt man, dass die Produkte nie fertig sind, sie wurden immer weiter verbessert und an den Designs gearbeitet. Und das ist etwas, womit ich mich identifizieren kann. Jedes Produkt kann noch besser sein und man sollte nie aufhören, sie zu verändern und versuchen besser zu machen. Und Charles Eames war ein unglaublicher Designer und Visionär und ohne Frage einer der besten des 20. Jahrhunderts.

(smow)blog: Ist das in Verbindung mit Ihrer eigenen Präferenz für die kontinuierliche Entwicklung von Projekten über einen langen Zeitraum ein Grund, warum Sie so zufrieden mit Vitra sind? Das Unternehmen bietet Ihnen schließlich die Freiheit Ihre Produkte kontinuierlich zu entwickeln.

Antonio Citterio: Bestimmt ja. Ich war immer sehr glücklich mit Vitra.

(smow)blog: Letzte Frage: Wir sind auf einer Büromöbel Messe. Wie sieht Ihr Büro aus?

Antonio Citterio: Ich habe einen Ad Hoc und werde bald den neuen ID Chair haben. Zurzeit haben wir noch den Axess und Visavis…

(smow)blog: ….also ist es ein Citterio Büro….

Antonio Citterio: Klar. Ein Citterio Büro in einem Citterio Haus.

Antonio Cittero (Foto: Bettina Matthiesen © Vitra)

Grand Repos von Antonio Citterio für Vitra

Der Stuhl Pivot von Antonio Citterio für Vitra

Das Bürosystem Ad Hoc und der ID Chair von Antonio Citterio für Vitra