Gareth Williams: 21 Designers for twenty-first century Britain

Gareth Williams 21 Designers for twenty-first century BritainDie Ausstellung des V&A Museum London British Design 1948-2012 tut so ziemlich genau das, was der Titel verspricht: Sie beleuchtet das britische Design von 1948 bis 2012. Und fragt dabei: Wie sieht die Zukunft aus? Wo will britisches Design hin? Welche Themen sind besonders wichtig? Wie sehen heranwachsende Generationen von Designern ihre Zukunft? Antworten auf diese und andere Fragen liefert das frisch veröffentlichte Buch 21 Designers for twenty-first century Britain von Gareth Williams.

Das Buch portraitiert Designer und Designstudios wie Raw Edges, Doshi Levien, Peter Marigold oder Martino Gamper und stellt nicht nur eine Momentaufnahme der aktuellen britischen Produkt- und Möbeldesignszene dar, sondern erforscht auch die Beweggründe und Ambitionen der Protagonisten im Kontext der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rolle von Design im Großbritannien des 21. Jahrhunderts – also etwas, für das Gareth Williams ganz besonders gut qualifiziert ist.

Neben seiner Tätigkeit als Senior-Tutor für das Design Products Programme am Royal College of Art London – einer Institution, zu der die meisten bekannten Designer irgendeine Verbindung haben – war Gareth Williams nämlich 18 Jahre lang Kurator der Möbelabteilung am V&A Museum. Dort organisierte er zahlreiche Ausstellungen, darunter auch 2000 Ron Arad, Before and After Now, die erste große Ron Arad gewidmete Ausstellung in Großbritannien, und 2009 Telling Tales: Fantasy and Fear in Contemporary Design, bei der Unikate und Autorendesign in limitierten Editionen ausgestellt wurden. Er gehörte außerdem zum Auswahlkomitee für 100% Design London und SaloneSatellite Mailand.

Wir haben uns mit Gareth Williams getroffen, um über sein Buch zu sprechen und stiegen mit der Frage nach der Entstehung des Buches ein…

Gareth Williams: Das V&A kam auf mich zu, weil sie ihren Publikationsbereich um die British Design-Ausstellung erweitern wollten. Insbesondere wollten sie etwas über Designer des 21. Jahrhunderts haben…

(smow)blog: …“Designer des 21. Jahrhunderts“ ist ja ein ziemlich weites Feld. Wie hast du das denn eingegrenzt?

Gareth Williams: Mein Fachgebiet ist Produkt- und Möbeldesign, also habe ich mich dafür entschieden, mich auf Designer zu konzentrieren, die auch in diesen Bereichen tätig sind. Außerdem habe ich mich auf die Designer beschränkt, die bereits eine gewisse Popularität erreicht haben und seit der Jahrtausendwende in Großbritannien den Diskurs anführen.

(smow)blog: Welches Ziel hast du damit verfolgt?

Gareth Williams: Ich interessiere mich sehr dafür, wie Design in Großbritannien angewandt und dargestellt wird, insbesondere Design als Kulturdiplomatie. Seit Mitte der 90er Jahre oder so wurden zeitgenössisches Design und Designer von Politikern dazu genutzt, ein neues, kreatives, offenes, liberales Großbritannien zu repräsentieren. In den 80ern waren es dagegen eher das Haus Windsor, der National Trust und das „Heritage Britain“. Ingendwann Mitte der 90er kam dann „Cool Britannia“ auf und Design wurde als politisches Werkzeug eingesetzt. Zu dieser Zeit begann auch der British Council und andere britische Institutionen damit, Großbritannien in anderen Ländern mithilfe von Design zu promoten. Jetzt haben wir die Olympischen Spiele, bei denen auch jede Menge Designer und zeitgenössisches Design involviert sein werden, um das Bild eines total modernen und kreativen Großbritannien zu kreieren. Das ist der größere Kontext, den ich mit meinem Buch erforschen möchte.

(smow)blog: Wir vermuten mal, das heißt, dass du zuversichtlich bist, dass britisches Design und britische Designer ernst genommen werden und ihnen damit eine faire Chance gegeben wird und sie nicht nur vom System ausgebeutet werden?

Gareth Williams: Einige von ihnen werden sogar sehr ernst genommen und es gibt auch ein paar Designer, die von solchen institutionellen Projekten stark profitiert haben. Einige Designer sehen das was sie tun als Werbung, das stimmt schon, ja. Aber ich denke, dass die Designer, über die ich in dem Buch schreibe, keine strikten Industriedesigner der alten Schule sind, die Hersteller suchen, die ihre Leuchten, Möbel, Radios oder was auch immer fertigen, sondern die eher die autonome Rolle von Designern als Produzenten kultureller Arbeiten darstellen wollen. Das macht sie in diesem Sinne eher zu Künstlern.

(smow)blog: Ungefähr 80% der Designer, die im Buch erwähnt werden, kommen ursprünglich nicht aus Großbritannien, leben aber dort. Auch die V&A Ausstellung umfasst viele Arbeiten von Designern und Architekten, die nicht aus Großbritannien stammen. Kann man da noch vom „British Design“ sprechen?

Gareth Williams: Ich glaube, das kann man schon. Denn ich denke, man kann vom Geist des britischen Designs sprechen, der etwas mit Ikonoklasmus und Nonkonformität zu tun hat: Wenn man also Respekt vor Geschichte und Tradition hat, aber trotzdem den Wunsch hegt, sie zu untergraben – und zwar mit einem starken individualistischen Anstrich. Das ist im Produktdesign vielleicht nicht ganz so offensichtlich…, aber Vivienne Westwood ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie jemand die britische Tradition untergräbt, es dann aber so dreht, dass die Tradition modern und individuell wirkt. Und ich glaube, dass dieses freie Denken – und Großbritannien sieht sich selbst sehr gerne als eine faire, freidenkende, liberale Demokratie – der Faden ist, der das britische Design verknüpft.

(smow)blog: …gilt das auch für die Designstudios, die im Buch erwähnt werden?

Gareth Williams: Ja, das glaube ich schon. Ich denke, das sind alles Leute, die sehr ehrgeizig und motiviert sind und die alle eine sehr deutliche Stimme haben. Und deshalb sage ich, ja, diese freidenkende Art ist definitiv auch da präsent.

(smow)blog: Kurz zum Schluss… Du hast vorher ein Buch geschrieben, das Furniture since 1990 heißt, jetzt bist zu bei Designern des 21. Jahrhunderts. Deshalb müssen wir einfach fragen: Was charakterisiert Möbel im 21. Jahrhundert? Wo geht Möbeldesign hin?

Gareth Williams: Ich glaube, da werden verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Als erstes müssen wir uns der Wirtschafts- bzw. Umweltkrise stellen, der wir aktuell gegenüberstehen. Nachhaltigkeit in all ihren Erscheinungsformen wird vieles, was so passiert, abrupt stoppen. Die größte Herausforderung für Designer dabei ist, sich all dem zu stellen und trotzdem Designer zu bleiben. Eine mögliche Antwort wäre natürlich, mit dem Designen aufzuhören. Aber das kann einfach nicht die Lösung sein, da dann die Wirtschaft einbrechen würde. Es gibt also mehrere mögliche Antworten; eine davon ist Technologie und die Suche nach länger haltbaren, nachhaltigen Materialien. Meiner Meinung nach spielen Designer da eine sehr wichtige Rolle: Sie können Materialien zwar nicht erfinden, aber kreative Verwendungsformen suchen. Einige Designer im Buch, die einen etwas künstlerischen Hintergrund haben, umgehen solche Themen auch, indem sie einfach nur in kleinen Serien produzieren.
Dann gibt es auch ein großes Interesse für neue Wirtschaftszweige und neue soziale Systeme. Zwar keine radikale Mehrheit – immerhin haben wir nicht mehr 1968 -, aber viele Designer sind sich des sozialen und kulturellen Kontextes ihrer Taten durchaus bewusst. Und ich glaube, dass Designer eine wichtige Rolle dabei spielen werden, wie wir im 21. Jahrhundert leben.

21 Designers for twenty-first century Britain von Gareth Williams wurde von V&A Publishing publiziert und ist bei allen gut sortierten Buchhändlern erhältlich.

Paul Cocksedge Styrene Light V and A Museum London British Design

Styrene Light von Paul Cocksedge. Die Leuchte kann bei "British Design 1948-2012" im V&A Museum London gesehen werden. Paul Cocksedge gehört zu den Designern, die in "21 Designers for twenty-first century Britain" eine Rolle spielen.

 

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