Konstantin Grcic – Panorama @ Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig

Auf dem Leipziger Augustusplatz kann man zurzeit die Wunder des Leipziger Märchenlands bestaunen.

Alternativ kann man 500 m östlich des Augustusplatzes im Art-Déco-Glanz des Grassi Museums für Angewandte Kunst die Wunder des Konstantin-Grcic-Märchenlands auf sich wirken lassen, das ebenso narrativ, aber zum Glück weniger moralisierend ist. Genauer gesagt, handelt es sich dabei um die Ausstellung „Konstantin Grcic – Panorama“.

The Work Space, as seen at Konstantin Grcic – Panorama, Grassi Museum for Applied Arts Leipzig

Work Space, gesehen in der Ausstellung Konstantin Grcic – Panorama, Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig

Die Ausstellung „Konstantin Grcic – Panorama“ wurde erstmals 2014 im Vitra Design Museum präsentiert und zeigt eine Reihe szenografischer Installationen, mit denen der deutsche Designer Konstantin Grcic zu Diskussionen, Debatten und der Auseinandersetzung mit Aspekten unserer Gesellschaft in (naher) Zukunft auffordert.

Die Ausstellung soll aber nicht als Blick in die Zukunft missverstanden werden. „Niemand kann die Zukunft vorhersagen und ich möchte ganz bestimmt nicht die Rolle eines Propheten, Wahrsagers oder desjenigen, der die Zukunft definiert, einnehmen“, so Grcic. „Zurzeit passiert so viel in der Welt, das schon Teil der Zukunft ist, aber wir können es nicht immer verstehen und begreifen, weil uns die Informationen fehlen oder die Erfahrung, mit den Informationen umzugehen. Die Texte und Sounds, die wir zusammengetragen haben, ermutigen die Besucher hoffentlich dazu, eigene Fragen zu dem Gezeigten zu stellen, weiterzuschauen, offen für neue Ideen zu sein und neu zu denken.“

Zu diesem Zweck ist „Panorama“ in vier Bereiche aufgeteilt, die sich über zwei miteinander verbundene, aber im Grunde genommen getrennte Ausstellungen erstrecken.

Die ersten drei Bereiche widmen sich jeweils einem anderen Thema. Life Space befasst sich mit dem Wohnen, Work Space mit dem Designprozess und Public Space mit Stadtplanung im weitesten Sinne. Alle drei Bereiche beinhalten eine Mischung aus Objekten, Prototypen und Experimenten von Konstantin Grcic in Verbindung mit kurzen Texten und Artikeln zu den Themen. Dies bildet den Kern von „Panorama“ und fordert den Besucher dazu heraus, beim Gang durch die Ausstellung Fragen zu stellen, sich mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen und sich eine eigene Meinung über das Geäußerte und die ausgestellten Objekte zu bilden.

Der letzte Bereich der Ausstellung, Object Space, widmet sich der tieferen Auseinandersetzung mit Konstantin Grcics Werk und Motivation und beinhaltet eine Reihe von Objekten, die Grcic über die Jahre gesammelt hat und die ihn in gewisser Hinsicht inspiriert oder weitergebildet haben. Die Werke werden neben seinen eigenen Designs ausgestellt und der „Object Space„-Bereich ist sowohl physisch als auch konzeptuell von den ersten drei Bereichen getrennt.

Alles genau so, wie es auch im Vitra Design Museum war.

Und so verweisen wir, liebe Leserinnen und Leser, auf unseren Post über ebendiese Ausstellung in Weil am Rhein, denn es ist im Grunde genommen der Text, den wir heute geschrieben hätten. Und den wir tatsächlich heute schreiben werden, wenn wir ihn in dem Maße zitieren, wie wir es gerade vorhaben.

The Public Space, as seen at Konstantin Grcic – Panorama, Grassi Museum for Applied Arts Leipzig

Public Space, gesehen bei der Ausstellung Konstantin Grcic – Panorama, Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig

Obwohl die gleiche Ausstellung wie in Weil am Rhein gezeigt wird, handelt es sich bei Panorama im Grassi Museum Leipzig doch nicht ganz um dieselbe Ausstellung. Schließlich kann auch eine Band dasselbe Set an zwei verschiedenen Orten spielen und so zwei verschiedene Konzerte geben und ein Theaterstück kann identisch an zwei Orten aufgeführt werden und für den Zuschauer doch jeweils ein anderes Erlebnis darstellen. So ist auch „Panorama“ im Grassi Museum etwas anderes als „Panorama“ in Weil am Rhein.

Natürlich nicht ganz anders, da viele Ähnlichkeiten bestehen – insbesondere die Schwächen.

Für uns ist es nach wie vor nicht nachvollziehbar, dass es Besuchern nicht erlaubt ist, den Living Space zu betreten. Die Werkstatt im Work Space sieht immer noch mehr aus wie ein Kaufhaus als eine Werkstatt und der Zaun im Public Space ist und bleibt ein bisschen zu offensichtlich und daher unnötig.

Aber diese Dinge sind eher kosmetisch als ausschlaggebend. Was den Zaun angeht, glauben wir, dass wir die Einzigen sind, die ein Problem damit haben.

Wolken haben bekanntlich und glücklicherweise einen silbernen Rand und die Grassi-Ausstellung ist auch in vielerlei Hinsicht eine bereicherndere Erfahrung als die Ausstellung im Vitra Design Museum.

In unserem ursprünglichen Post haben wir uns zum Beispiel besonders kritisch zu den Problemen, die aus dem im Vitra Design Museum herrschenden Platzmangel resultierten, geäußert. Wir sind sogar so weit gegangen zu sagen, man hatte „ein explizit eingeengtes und unwillkommenes Gefühl. Als wünschten sich alle, man würde doch nur einen Text über die Ausstellung lesen, anstatt den Raum mit seiner Anwesenheit zu überfüllen.“

Das Grassi Museum bietet viel mehr Platz und somit eine entspanntere, einladendere Umgebung, die Ausstellung anzusehen. So hat der Besucher mehr Zeit, sich mit den präsentierten Informationen und Argumenten zu befassen und sich seine eigene Meinung zu bilden. Oder einfach, um die ausgestellten Objekte zu genießen.  Auch wenn Konstantin Grcic argumentiert, dass „die Ausstellung erst wirklich beginnt, wenn der Besucher anfängt, Fragen zu stellen“, funktioniert „Panorama“ auch auf einem einfacheren Level, als Ausstellung von Objekten von Konstantin Grcic.

Was in dieser Hinsicht in Leipzig besonders gut funktioniert, ist das gefilmte Interview mit Konstantin Grcic. Wenn wir ehrlich sind, haben wir es in Weil am Rhein vollkommen verpasst. Leider, denn es bietet nicht nur einen exzellenten Übergang von den Herausforderungen der ersten drei Bereiche zu der verhältnismäßigen Leichtigkeit des Object Space, sondern widerlegt auch unsere vorherige Behauptung, „Panorama“ sei „keine Ausstellung, die Konstantin Grcics Arbeit grundsätzlich erklärt. Grcic selbst vielleicht schon, aber nicht seine Arbeit.“ Die Ausstellung „Panorama“ bringt dem Besucher Grcics Werke sehr wohl näher, selbst, wenn sie in einer Ausstellung, die sich überwiegend mit zeitgenössischem Design, dem zeitgenössischen Designer und unserer zukünftigen Gesellschaft beschäftigt, zweitrangig bleiben.

Der Object Space befindet sich in der Orangerie des Grassi Museums, einem Teil des Gebäudes, von dem wir dachten/hofften, dass dort der Public Space einziehen würde. Doch auch der Object Space passt hervorragend in die Orangerie. Hauptsächlich, wie wir denken, weil er dort nicht ganz so ironisch aussieht, wie in Weil am Rhein. Es könnte daran liegen, dass  es sich um die Nachempfindung eines Ausstellungskonzepts eines klassischen Museums in einer klassischen Museumsumgebung handelt. Und das in einem Museum, das größtenteils auf Ausstellungskonzepte des klassischen Museums vertraut. Vielleicht nicht unbedingt meta-, aber doch ein wenig selbstreferentiell, ohne selbstabwertend zu sein.

Mayday lamp for flos and the Miura bar stool for Plank by Konstantin Grcic, as seen at Konstantin Grcic – Panorama, Grassi Museum for Applied Arts Leipzig

Die Mayday Leuchte für flos und der Miura Barhocker für Plank von Konstantin Grcic, gesehen in der Ausstellung Konstantin Grcic – Panorama, Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig

Bei der Eröffnung von „Panorama“ im Vitra Design Museum erklärte Konstantin Grcic, die Ausstellung solle nichts Statisches, sondern eher etwas Dynamisches sein. In gewisser Hinsicht ist die Ausstellung sehr „statisch“ geblieben, da der Inhalt derselbe ist, der Sound und die Texte an der Wand dieselben sind und es sich bei den ausgestellten Objekten größtenteils um dieselben handelt, die 2013 ausgesucht und 2014 präsentiert wurden. Dennoch ist sie zugleich dynamisch, denn Erfahrung, Reaktion und Wahrnehmung sind bei jedem einzelnen Besucher einzigartig. Außerdem sind zwar die gestellten Fragen dieselben, aber der Kontext, in dem man nach Antworten sucht, ist ein anderer. Und wird sich nach Verlassen der Ausstellung weiterentwickeln. In der heutigen, multimedialen Gesellschaft wird es immer wichtiger zu lernen, regelmäßig Fragen zu stellen, die Informationen um einen herum zu verarbeiten und die Relevanz scheinbar irrelevanter Details zu verstehen. „Panorama“ ist ein hervorragender Ort, um seine Sinne zu schärfen.

Wir wir schon 2014 erwähnt haben, ist es nicht ratsam, „Panorama“ verkatert zu besuchen oder mit kleinen Kindern oder anderen, die kein Interesse und/oder keine Geduld haben, die nötige Zeit und die notwendigen Gedanken zu investieren. „Panorama“ braucht deinen Input, um zu funktionieren, kann aber eine sehr bereichernde Erfahrung sein, wenn man die Ausstellung gewissenhaft wahrnimmt.

Und Konstantin Grcic? Welche Erfahrungen hat er aus der Gestaltung der Ausstellung gezogen? „Als wir damit begannen, uns vollends auf die Ausstellung zu konzentrieren, fand ich es wirklich aufregend, mir so hohe Ziele zu setzen, mich herauszufordern und vor allem etwas zu tun, das ich normalerweise nicht tue und bei dem ich auch nicht sicher war, ob ich es überhaupt kann. Wir haben vieles erreicht, furchtbar viel wiederum aber auch nicht und das ist eine bemerkenswerte Erfahrung. Manchmal war es schmerzvoll zu realisieren, dass wir manches nicht umsetzen konnten, obwohl wir es wollten. Aber es ist dennoch eine sehr wertvolle, positive Erfahrung und wir haben aus dieser Ausstellung viel gelernt. Auch, wenn ich mit ihr immer noch nicht komplett zufrieden bin, denn ich weiß, wo noch etwas sein könnte, was aber nicht da ist!“

Bedeutet das, dass wir „Panorama 2“ erwarten dürfen?

„Möglicherweise“, lacht er, „aber nicht sehr lange….“

Die Ausstellung in Leipzig ist die vierte Präsentation von „Panorama“ und vor der Eröffnung sagte Konstantin Grcic über sich, dass er „nervös“ sei, alles ist neu, anders, ein Sprung ins Ungewisse.

Er hätte sich keine Sorgen machen müssen.

Im Gegensatz zu den Räubern aus dem Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“, die gerade in ihrem Waldunterschlupf im Leipziger Märchenland sitzen und sich wirklich sorgen sollten.

„Konstantin Grcic – Panorama“ läuft bis Sonntag, den 1. Mai im Grassi Museum für Angewandte Kunst, Johannisplatz 5-11, 04103 Leipzig.

Alle Details, inklusive Informationen zum begeleitenden Rahmenprogramm gibt es auf www.grassimuseum.de.

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