WerkBundStadt Berlin

Mit dem WerkBundStadt-Projekt will der Werkbund Berlin ein Industriegebiet im Norden Berlins in ein zukunftsorientiertes Stadtviertel verwandeln. Wie das genau aussehen soll, zeigt die neue Ausstellung.

WerkBundHaus Berlin

Als der Deutsche Werkbund 1907 als Zusammenschluss von Designern und Herstellern mit dem Ziel gegründet wurde, die Qualität der deutschen industriellen Produktion zu verbessern, war ‚Made in Germany‘ eher ein Schimpfwort – ein Synonym für lumpig -, und nicht wie heute ein Qualitätssiegel. Vor allem durch seine zahlreichen „Siedlungsprojekte“ hat der Deutsche Werkbund auch eine große Rolle bei der Entwicklung von Stadtplanung und Architektur gespielt. Am berühmtesten ist in diesem Kontext ganz klar die Weissenhofsiedlung in Stuttgart. Allerdings wurden während der Jahre zwischen den Weltkriegen auch Anwesen in Brünn, Zürich, Prag, Wien und Breslau realisiert.

Genauso wie es darum ging zeitgenössische Ideen zu Möbeldesign, Inneneinrichtung und Lebensform zu präsentieren, befasste sich der Werkbund auch mit der Frage, wie die neuesten Materialien, Herstellungsverfahren und Erkenntnisse entwickelt und angewendet werden können. Man versuchte die bestmöglichen und nachhaltigsten Wohnlösungen zu finden, und so mit Architektur und Stadtplanung einen Beitrag zur Entwicklung und Entfaltung der Gesellschaft zu leisten – oder wie es Mies van der Rohe in seiner Einführung zum Katalog der Weissenhof-Siedlung formulierte: „Das Problem des zeitgenössischen Wohnungsbaus ist ein intellektuelles Problem, und so sind die Anstrengungen im zeitgenössischen Wohnungsbau nur ein Teil der viel umfassenderen Bemühungen um neue Lebensformen.1

Mit WerkBundStadt Berlin will der Werkbund Berlin diese Tradition fortführen.

The proposed site for the WerkBundStadt Berlin

Das vorgeschlagene Gelände für die WerkBundStadt Berlin

WerkBundStadt Berlin

Mit dem 2015 angestoßenen Projekt WerkBundStadt Berlin soll ein 29.000 Quadratmeter großes Öltanklager am Spreeufer in ein neues Innenstadtquartier verwandelt werden. Umfassen soll das Viertel 1200 Wohnungen für um die 2500 Bewohner. Dabei soll die soziale, demografische und kulturelle Diversität erhalten bleiben und der Umwelt wie der Umgebung soll mit Respekt und Sensibilität begegnet werden.

Zu diesem Zweck hat der Werkbund Berlin 33 europäische Architekturbüros zusammengebracht und in einer Reihe von Workshops ein Konzept entwickelt, in dem erörtert wird, wie was realisiert werden soll. Jeder Architekt hat deshalb drei Projekte – jeweils eins für drei der 39 Grundstücke – entworfen. Im Juni 2016 wurde schließlich ein abschließender Plan für das neue Gelände abgefasst. Dieser beinhaltet Gebäude unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Maßstabs, durchsetzt von öffentlichen Plätzen. Eine Mischung also aus Wohn- und Geschäftsräumen, zu der auch ein Kindergarten gehört.

Dieser Plan kann im WerkBundHaus Berlin angesehen werden.

Neben der Präsentation des endültigen Vorschlages, beinhaltet die Ausstellung im WerkBundHaus auch eine knappe, aber informative Geschichte des Werkbund-Anwesens, und ist so genauso als eine Einladung zur Diskussion wie zur Besichtigung des Vorschlages zu verstehen.

Wenn man so will, hatten die Architekten ihre Möglichkeit Ideen zu entwickeln und jetzt sind alle eingeladen, diese Vorschläge zu diskutieren, sich eine eigene Vorstellung zu machen und zu beurteilen, inwiefern das Projekt tatsächlich inklusiv, nachhaltig und zukunftsorientiert ist.

Das geht nicht nur die Menschen aus Berlin etwas an. Denn wie immer bei solchen Architekturprojekten ist all das, was an einem bestimmten Ort sinnvoll ist und notwendige Anpassungen zulässt, grundsätzlich auch für jeden anderen, vergleichbaren Ort geeignet.

Presentation of the WerkBundStadt proposal

Präsentation des WerkBundStadt Vorschlags

WerkStattHaus Berlin

So fulminant der Vorschlag auch sein mag, was in der Ausstellung fehlt, ist eine Untersuchung zeitgenössischer Inneneinrichtung und aktuellen Möbeldesigns – eine Auslassung, die dazu führt, dass man die Präsentation unserer Meinung nach als nicht mehr als eine Werkbundausstellung im klassischen Sinne bezeichnen kann. Oder zumindest noch nicht…

Auch wenn Designer wie Barber Osgerby, Mark Braun oder Werner Aisslinger unter der Leitung von Axel Kufus durchaus solche Vorschläge ausgearbeitet haben, wurden diese aus organisatorischen Gründen noch nicht für die Ausstellung umgesetzt.

Leider!

Sie sind aber geplant und werden, wie uns versprochen wurde, in naher Zukunft Gestalt annehmen.

Was es allerdings schon gibt, zumindest temporär, ist das benachbarte WerkStattHaus – ein umfunktioniertes Bürogebäude, in dem zahlreiche zum Werkbund gehörende Firmen Produkte präsentieren: dazu gehören beispielsweise Möbel, Leuchten, Baumaterialien, Türgriffe und Textilien für den Wohnbereich, die in kleinen, selbst entworfenen Ausstellungsräumen gezeigt werden. Ein Ausstellungsformat, das uns sehr an die NeoCon Chicago erinnert, nur eben in einem etwas verlotterten urbanen Berliner Umfeld. Zu beiden Formaten gehören nämlich Hersteller wie Horgenglarus oder Thonet, die an vielen der Werkbund-Anwesen aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen beteiligt waren, sowie Firmen, die es damals noch gar nicht gegeben hat, wie beispielsweise Vitra, USM oder Occhio.

Home Office a la Thonet, WerStattHaus Berlin

Home Office á la Thonet, WerkStattHaus Berlin

WerkBundStadt Berlin – ein Zukunftsmodell?

Trotz der offensichtlichen Leidenschaft und Überzeugung aller am Projekt beteiligten Personen und trotz der Tatsache, dass potenzielle Bewohner schon jetzt versuchen sich Wohnräume zu sichern – steht noch nicht zu hundertprozent fest, dass die WerkBundStadt Berlin auch realisiert werden wird. Und wenn ja, ob dies entsprechend dem aktuellen Planungsstand geschehen wird.

Nach der Ausarbeitung und Veröffentlichung eines Vorschlages wird jetzt der nächste Schritt für den Werkbund sein, sich durch die komplexen Planungsprozesse durchzuarbeiten, und sich um die Finanzierung und/oder um Partner zu kümmern.

Weder Finanzierung noch Partner sind bisher gesichert. Beides sind allerdings auch wichtige Bestandteile des Diskurses, den das Projekt jetzt angestoßen hat.

Während der Präsentation des Vorschlags wurde wiederholt betont, wie komplex das deutsche Planungs- und Baurecht sei. Aber muss es das sein? Sind bei der Planung heutiger Städte mit modernen Materialien, Prozessen und Philosophien für zukünftige Generationen, die alten Gesetze überhaupt noch gültig und sinnvoll? Oder schützt uns die Einhaltung einiger grundlegender Prinzipien vor Schnellschüssen, oder schlimmer noch vor selbst bereicherndem Lobbyismus, und sichert so die langfristige Realisierbarkeit solcher Projekte?

In ähnlicher Weise schließt sich die Frage an, wer genau solche urbanen Projekte finanzieren soll, und zu welchen Konditionen die Grundstücke an wen veräußert werden sollen.

Um die dreißig Prozent der Wohnungen in der WerkBundStadt sollen zu erschwinglichen Preisen vermietet werden. Was ist mit dem Rest? Stimmt es, dass ein solches Projekt nur verwirklicht werden kann, wenn Renditen durch den Verkauf von Privatwohnungen für die Entwickler garantiert sind? Ist das eine akzeptable Art und Weise, urbane Entwicklung zu organisieren und den Bau bezahlbarer Wohnräume zu finanzieren? In diesem Fall gerade einmal 380 Wohnungen! Oder sollte stattdessen der Staat verantwortlich sein, wenn nicht sogar gesetzlich dazu verpflichtet werden zu investieren und ausreichend sichere, saubere Wohnungen für seine Bürger zur Verfügung zu stellen? Sollte man sich nicht ohnehin vom Wohnraum als Statussymbol und Investition verabschieden? Oder sind das notwendige Bedingungen, um den Stadtraum vor Gesichtslosigkeit und Anonymität zu bewahren und für Lebendigkeit und eine positive Entwicklungsfähigkeit zu sorgen?

Der tatsächliche Wert eines solchen Projektes liegt nicht zuletzt auch darin, dass man gezwungen ist Stellung zu beziehen, und so überlegen muss, welche Entwicklung man sich grundsätzlich für unsere urbanen Räume wünscht.

Denn wie wir bereits gesagt haben – und wir werden nicht müde es immer wieder zu sagen – wir alle müssen unseren individuellen Anteil an einer kollektiven Verantwortung akzeptieren, wenn es darum geht, wie unsere zukünftige Welt aussehen soll. Solche Entscheidungen sind einfach zu wichtig, um sie Architekten, Politikern, Investoren und Designern allein zu überlassen. Sie sollen ihre Ideen präsentieren – die eigentliche Kontrollinstanz müssen hingegen wir selbst sein!

Solltet ihr nicht in Berlin sein, gibt es mit Sicherheit auch vor Ort ein Projekt, an dem ihr euch beteiligen könnt.

Für alle, die in Berlin sind oder einen Besuch im Herbst planen: die Ausstellung im WerkBundHaus, Quedlinburger Straße 11, 10589 Berlin läuft bis Sonntag, den 27. November.

Alle Details – zur WerkBundStadt und dem WerkBundHaus, sind unter http://werkbundhaus.berlin zu finden.

1. „Amtlicher Katalog der Werkbundausstellung Die Wohnung, Stuttgart 1927“ Schriftenreihe Weissenhof Band 2, Stuttgarter Gesellschaft für Kunst und Denkmalpflege, 1998

Tagged with: , ,