„Peter Gustaf Dorén. Ein Hamburger Raumkünstler um 1900“ im Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg

„das konservative Hamburg lässt nur Weißanstrich für Decken, Türen und Fenster zu, und höchstens da, wo es angebracht und bezahlt wurde, sparsamste Vergoldung“, monierte einst der Dekorationsmaler Peter Gustaf Dorén.1

Er machte sich daran, genau diesen Fehler zu korrigieren und mehr Farbe nach Hamburg zu bringen.

Peter Gustaf Dorén. Interior Design in Hamburg circa 1900 Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

„Peter Gustaf Dorén. Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900“, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Peter Gustaf Dorén wurde am 21. September 1857 in Sireköpinge, Südschweden, als Peter Gustaf Andersson geboren. Das „Dorén“, so erfahren wir in der Ausstellung, wurde von dem populären französischen Illustrator Gustave Doré aus dem 19. Jahrhundert entlehnt. Eine Umbenennung, die, wie die Kuratoren anmerken, im Wesentlichen ein Rebranding war und als solche Anderssons/Doréns Marketingfähigkeiten unter Beweis stellt.

Aber dazu kommen wir noch… . Zunächst ließ sich Andersson/Dorén in Lund und Eslöv zum Dekorationsmaler ausbilden, bevor er auf die Walz ging. Dabei handelte es sich um eine sechsjährige Reise, die Dorén nach Hamburg, Düsseldorf, Köln, Paris und Elberfeld führte. Nachdem er kurzzeitig nach Südschweden zurückkehrte, ließ er sich anschließend in Hamburg nieder, wo er 1887 mit einem gewissen Helmuth Harbordt ein gemeinsames Geschäft gründete. Das gemeinsame Geschäft übernahm Peter Gustaf Dorén im März 1898 als Alleininhaber.

Und damit beginnt gewissermaßen auch die Ausstellung „Peter Gustaf Dorén. Ein Hamburger Raumkünstler um 1900“.

Diese Zeit war, wie wir in der Ausstellung erfahren, geprägt von groß angelegten Umbauten und Sanierungen in Hamburg, und zwar sowohl in Bezug auf öffentliche und gewerbliche Gebäude als auch in Bezug auf Privathäuser, einschließlich der Villen und Stadthäuser des etablierten Hamburger Alten Geldes. Außerdem markiert diese Zeit, wie wir alle wissen, den Durchbruch des Judenstils, mit seinen damals völlig neuen und sehr notwendigen Vorstellungen und Ansätzen in Architektur, Design und Interiordesign.

Für einen jungen Dekorationsmaler, der Ideen besaß, wie diese neuen Auffassungen zum Ausdruck gebracht werden könnten, und der dazu den Verstand hatte diese auch umzusetzen, handelte es sich folglich um eine Zeit, die eine Menge Gelegenheiten bot.

Als Dorén im März 1898 sein eigenes Unternehmen gründete, war er 40 Jahre alt und hatte gut zwei Jahrzehnte Erfahrung hinter sich, und das in einer Zeit, in der sich das Verständnis der Avantgarde immer mehr von dem aus der Mitte des 19. Jahrhunderts entfernte, eine Bewegung, der Peter Gustaf Dorén eindeutig angehangen hatte. Er wird also als er sein Geschäft gründete eine Menge Ideen angehäuft haben. Mit Blick auf die Fähigkeiten diese Ideen umzusetzen, kommen wir zu seinen bereits erwähnten Marketing-Fähigkeiten zurück, und zu einem Geschäftsethos, das nach allem, was man liest, genauso zeitgemäß war wie seine Arbeit.

Die Ausstellung „Innenarchitektur in Hamburg um 1900“ macht es deutlich: Peter Gustaf Dorén setzte nicht nur auf flache Hierarchien in der Firmenstruktur, sondern legte auch viel Verantwortung und Vertrauen in die Hände der einzelnen Mitarbeiter, was beispielsweise durch eine Stellenanzeige in der Zeitschrift „Jugend“ von 1908 verdeutlicht wird. Dort heißt es, dass nur diejenigen in Frage kämen, die zu „durchaus selbstständiger Arbeit“ fähig seien2. Die Tatsache, dass die Anzeige in der „Jugend“ erschien, jener Zeitschrift, die dem deutschen Jugendstil ihren Namen gab, unterstreicht wiederum Doréns zeitgenössische Vorstellungen von potentiellen Mitarbeitern. Auch in Sachen Marketing war Dorén auf der Höhe der Zeit, und dies damals wie heute: Er verstand zum einen die Relevanz einer Corporate Identity. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte er mehrere, die er einheitlich auf seinem Briefpapier und für seine Werbung einsetzte. Andererseits war er sich der Bedeutung der Kommunikation mit den Kunden sehr bewusst. Dazu gehörte auch die Aufrechterhaltung informellerer, fast persönlicher Kontakte abseits der formellen Geschäftskommunikation. Außerdem verstand er es beispielsweise seiner Arbeit sehr gut zu präsentieren. Für solche Referenzprojekte nutzte er oft seine eigenen Räume als praktische Beispiele. Zu guter Letzt war Peter Gustaf Dorén, was man heute einen Netzwerker nennt. Für den Ausstellungskurator ist das einer der Schlüsselfaktoren für Peter Gustaf Doréns Erfolg. Diese Versiertheit als Netzwerker, sein Verständnis für die Wichtigkeit, vernetzt zu sein, verschaffte ihm Zugang zu allen wichtigen Institutionen der Zeit und sicherte ihm einen Platz in allen relevanten Gremien. Dorén aktualisierte sein LinkedIn-Profil regelmäßig und begleitete Justus Brinkmann, den Gründungsdirektor des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, zur Exposition Universelle 1900 in Paris. Die Ausstellung fand ganz im Kontext des sich entwickelnden Jugendstils statt und mit Justus Brinkmann hatte Dorén eine Verbindung zu einem Museum, das sehr auf neue Entwicklungen und Erkenntnisse ausgerichtet war, und so dem noch jungen Sologeschäft von Peter Gustaf Dorén sehr geholfen haben wird.

The Hamburg City Crest realised by Peter Gustaf Dorén for the 1902 Prima Esposizione Internazionale d’Arte Decorativa Moderna Turin, as seen at Peter Gustaf Dorén Interior Design in Hamburg circa 1900, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Das Hamburger Stadtwappen, realisiert von Peter Gustaf Dorén für die Ausstellung „Prima Esposizione Internazionale d’Arte Decorativa Moderna“ in Turin 1902, zu sehen in „Peter Gustaf Dorén. Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900“, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Doréns junges Einzelunternehmen, entwickelte sich nicht nur begünstigt durch die erwähnten Entwicklungen in Hamburg zu einem florierenden Unternehmen, sondern auch, wie man zwischen den Zeilen lesen kann, durch den Hamburger Schiffbau, der Dorén zahlreiche Aufträge für die Inneneinrichtung von Passagierschiffen übergab. So entwickelte sich das Unternehmen von einem primär dekorativen Malereibetrieb, der sich ausschließlich mit Wänden, Decken, Türen etc. beschäftigte, zu einem Innenausstattungsunternehmen, das alle Aspekte der Einrichtung, Ausstattung und Dekoration übernahm. Von durchschnittlich 35 Mitarbeitern im Jahr 1900 wuchs das Geschäft so auf durchschnittlich 135 Mitarbeiter im Jahr 1908. In Spitzenzeiten, wenn große Aufträge in der entscheidenden Phase waren, beschäftigte Dorén über 200 Mitarbeiter. All das in einer Zeit, in der das Handwerk noch nicht industriell war und es noch sehr viele kleinere Werkstätten gab. Das Wachstum des Geschäftes ging wie man in der Ausstellung erfährt mit regelmäßigen Adresswechsel einher: zunächst zog die Firma in ein bestehendes Gebäude in der heutigen Adenauerallee im Stadtteil Sankt Georg, bevor man 1908 um die Ecke in den Pulverteich 28 in ein eigens errichtetes fünfstöckiges Büro- und Ateliergebäude umzog. Dieses Gebäude war nach allem, was man hört, nicht nur architektonisch so konzipiert war, dass es reibungslose Arbeitsabläufe in einem gesunden, geselligen Umfeld förderte, die verschiedenen Etagen und Abteilungen waren zudem per Telefon miteinander verbunden. Damit handelte es sich um eine sehr zeitgemäße, hoch technisierte und höchst repräsentative Firmenzentrale.

Die Wirtschaftsdaten verzeichnen einen dramatischen Verlust im Jahr 1915. Im Jahr 1919 kommt es zu einer starken Rückkehr in die Gewinnzone, was in diesen unruhigen Zeiten ungewöhnlich erscheint. Letztlich wurde die Rückkehr in die Gewinnzone in der Folge durch die Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre von neuem beeinträchtigt. Dorén bezeichnete das als „die Drosselung der Wirtschaft“ und diese Phase erstreckte sich offensichtlich über einen längeren Zeitraum. So beklagt Dorén in einem Brief vom 23. Januar 1933 an Max Sauerlandt, den damaligen Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, die Firma habe „seit 3 Jahren ohne Verdienst aber mit Verlust” gehandelt, das heißt “10 % Umsatz gegen Vorkriegsumsatz, und ca 50 % gedrückte Preise, und die Unkosten laufen weiter“.3 Die Erwähnung des Vorkriegsumsatzes in einem Brief aus dem Jahr 1933 deutet auf die problematische wirtschaftliche Lage Deutschlands zur damaligen Zeit hin.

Dorén schreibt in seinem Brief weiter: „Bei mir ist die Erwartung mit meinen 75 Jahren, dass ich den Aufsteig erlebe, gering“, eine Prognose, die der wiederkehrende Krieg besiegelte.

Peter Gustaf Dorén starb am 24. August 1942 in Hamburg im Alter von 84 Jahren.

Peter Gustaf Dorén. Interior Design in Hamburg circa 1900, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

„Peter Gustaf Dorén. Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900“, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Die Ausstellung “Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900” nimmt den Besucher mit auf einen Rundgang durch Leben und Werk von Peter Gustaf Dorén und bietet dabei nicht nur eine Einführung zu Dorén, sondern nutzt seine Geschichte sehr geschickt als Leitfaden, um sich einem besseren Verständnis von Innenarchitektur in einer Zeit zu nähern, in der der Architekt als Gesamtkünstler zunehmend durch Spezialisten ersetzt wurde. Es handelt sich damit um eine Periode in der sich die Innenarchitektur als eigenständiger Designberuf etablierte. Der Ausstellungsbesucher erhält zudem einen guten Überblick über die  Entwicklung der formalen Ausdrucksformen der Innenarchitektur in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

Aber vor allem thematisiert “Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900” die Farbe und Peter Gustaf Doréns Verständnis von Farbe in Inneneinrichtung und Design.

In diesem Zusammenhang präsentiert die Ausstellung unter anderem Skizzen und Illustrationen in verschiedenen Formaten, die dem Auftraggeber einen visuellen Eindruck davon vermitteln sollten, wie der Raum nach der Fertigstellung aussehen würde. Diese Exponate geben uns heute Einblicke in Doréns Herangehensweise. Sie veranschaulichen seine visuellen Kompositionen und sein Verständnis davon, wie Farbe und Dekoration in den unterschiedlichsten Kontexten und Szenarien eingesetzt werden sollten. Zu sehen sind zudem Schablonen mit denen Dorén und sein Team Muster anstelle der noch nicht verfügbaren Tapeten aufbrachten. Hinzu kommen zahlreiche Farbkarten, Tabellen und Muster, die unterstreichen, dass Peter Gustaf Doréns Arbeit auf einem fundierten Verständnis von Farbe beruhte, und die deutlich machen, dass für Dorén Farbe und die Kombination von Farben, mehr waren als ein passives Merkmal eines Raumes, sondern eine Schlüsselkomponente bei der aktiven Raumgestaltung.

Eine Meinung über den künstlerischen, ästhetischen Wert, über die Qualität der Kreationen  von Peter Gustaf Dorén kann sich nur jeder Besucher selbst bilden. Was den Umgang mit Farbe angeht, muss man Dorén jedoch in jedem Fall kühn nennen: Er war kein Mann, der sich vor dem Einsatz von Farbe fürchtete, oder beispielsweise einen repräsentativen Raum in zurückhaltenden Tönen gestaltete. Die Logik weißer Decken, Türen oder Fensterrahmen ging ihm ab. 

All das erinnert uns sehr an die Forderung von Verner Panton nach „mehr Mut zur Farbe“, und auch an Pantons Position, dass „es eine Steuer auf weiße Farbe geben sollte“.

Peter Gustaf Dorén war mit einem guten halben Jahrhundert und etwas mehr allerdings vor Verner Panton dieser Ansicht.

Dieser Vergleich lässt sich in der Etage über “Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900” direkt anhand der Reste von Pantons Kantinenentwurf für das ehemalige Spiegel-Gebäude in Hamburg, den das Museum für Kunst und Gewerbe dankenswerterweise vor den Bauherren gerettet hat, konkreter reflektieren. Er lässt Überlegungen zum Werk von Peter Gustaf Dorén in zeitgenössischen Kontexten zu: Was hätte Dorén aus Pantons Spiegel-Kantine gemacht? Wie hätte Dorén die Spiegel-Kantine realisiert? Aber umgekehrt: Wie hätte Verner Panton viele von Doréns Aufträgen realisiert, beispielsweise das Thalia-Theater oder Schümann’s Oyster Bar, für die Dorén eine Sammlung von thematischen privaten Speiseräumen konzipierte, was sich sehr nach Panton anhört. Hier schließen sich zudem Reflexionen über Verner Panton und ähnlich gesinnte Designer der 60er und 70er Jahre an, die eher eine Fortführung des Jugendstils des frühen 20. Jahrhunderts betrieben und von der Neuen Sachlichkeit und der internationalen Moderne abwichen. An dieser Stelle wird mal wieder deutlich, dass sich auch die Designgeschichte selten wiederholt, und wir stattdessen immer wieder um denselben Punkt kreisen, nur eben in immer neuen Kontexten, mit immer neuen Erkenntnissen, Materialien und Technologien.

The Spiegel Canteen by Verner Panton

The Spiegel Canteen, Hamburg by Verner Panton, as reconstructed in the Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

Neben der Erforschung und Erläuterung von Peter Gustaf Doréns Umgang mit Farbe in Form von Farbstudien und Stoffen, stellt “Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900” auch Doréns Verwendung von Farbe in der Angewandten Kunst anhand seines patentierten Tilrén-Konzepts für dekoratives Glas vor. Hier wurden zwei dekorativ bemalte Glasplatten, die jeweils einen Teil der Gesamtkomposition darstellen, als eine Einheit verbunden, wobei das durchfallende Licht einen 3D-Effekt erzeugt. Oder zumindest wurde uns das in der Ausstellung so erzählt. Die drei Beispiele für dieses Konzept wurden in der Ausstellung nicht von hinten beleuchtet, vermutlich aus konservatorischen Gründen. Aber auch im, unbeleuchteten Zustand zeigt sich, wie der Effekt hätte funktionieren können und was Dorén damit erreichen wollte. Außerdem sind diese Glasarbeiten mit ihrer Verwendung von romantisierter Folklore, ihren Referenzen auf die Natur und ihrem Sinn für das Ephemere und Sehnsüchtige deutlich dem Jugendstil zuzuordnen. Sie können so als Entwicklung der oben erwähnten Wandmalereien verstanden werden, die Peter Gustaf Dorén im früheren Teil seiner Karriere realisierte, bevor die Verwendung von bunten Motiven und Mustern als Dekoration zunehmend durch die Verwendung von Farbe und Farbkombinationen als Dekoration abgelöst wurde. 

All das trägt zu einer zugänglichen, informativen und unterhaltsamen Einführung in das Leben und Werk von Peter Gustaf Dorén bei, die deutlich macht, dass Peter Gustaf Dorén zwar keine absolute Schlüsselfigur in den Entwicklungen des Designs in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war, aber jemand, der uns aufgrund der von ihm realisierten Werke und ihrer Entwicklung über die Jahrzehnte, und mit Blick auf seine Verbindungen und Geschäftspraktiken, helfen kann, die formal-ästhetischen Entwicklungen der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts und der Innenarchitektur als eigenständigen Beruf besser zu verstehen. Zudem lässt Dorén Überlegungen darüber zu, wie weit sich die Innenarchitekturbranche in Bezug auf Projektentwicklungsprozesse, Geschäfts- und Marketingpraktiken seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verändert hat.

Dorén hilft uns außerdem unser eigenes Verständnis zum Einsatz von Farbe in der Innenarchitektur weiterzuentwickeln.

Examples of Peter Gustaf Dorén's Tilrén concept, as seen at Peter Gustaf Dorén Interior Design in Hamburg circa 1900, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Beispiele von Peter Gustaf Dorén’s Tilrén Konzept, gesehen bei „Peter Gustaf Dorén. “Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900”, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Wenn man durch die Ausstellung schlendert und über Peter Gustaf Dorén, sein Werk, die Innenarchitektur und die Entwicklung des Berufsstandes seit 1900 nachdenkt, kommt einem immer wieder der Gedanke, dass Peter Gustaf Dorén auch auf Instagram zu finden gewesen wäre und sein Profil zweifellos eines der hoch abonnierten gewesen wäre. Das liegt nicht nur an der Zeitgenossenschaft von Doréns Werk und der ganz offensichtlichen Anziehungskraft solch knallbunter Bilder für die Kontextlosigkeit der sozialen Medien. Als geschickter Netzwerker hätte Peter Gustaf Dorén instinktiv die Vorteile visueller sozialer Medien verstanden und, so ist zu vermuten, viel investiert, um seine Sichtbarkeit und Durchdringung zu erhöhen. Und Hamburg mangelt es nicht an freiberuflichen digitalen Medienprofis, die ihm dabei hätten helfen können.

Solche Gedanken führen automatisch zu der Überlegung, dass unsere Vorstellungen der frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts durch die Tatsache, dass die Fotos dieser Zeit schwarz-weiß sind, etwas getrübt sind, weil sie uns zu der Annahme verleiten, dass die Innenräume dieser Zeit keine Farbe hatten. Auch wenn das häufig der Fall war, wie die Ausstellung deutlich macht, waren wiederum viele private, öffentliche und kommerzielle Räume sehr farbenfroh gestaltet.

Diese Gedanken bringen uns wiederum zu Luigi Colanis Argument zurück, dass, während sich das Bauhaus als farbenfrohe Geometrie verstand, das zeitgenössische Bauhaus-Verständnis achromatisch und quadratisch ist.

Man kann also behaupten, dass Farben im Laufe der Zeit in unserem kollektiven Gedächtnis verblassen.

Oder anders ausgedrückt: Wenn wir an die Interieurs der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts denken, denken wir an Objekte, vor allem an Möbel. Wir denken an Materialien, formale Ausdrücke, Ornamente und Funktionalität, aber nicht an Farbe. Und schon gar nicht denken wir an Farbe als aktive Komponente des Raums. Damit wird eine Schlüsselkomponente der tatsächlichen Erfahrung von Innenräumen ausgeschlossen und unser Verständnis der damaligen Zeit eingeschränkt.  

“Ein Hamburger Raumkünstler um 1900” hilft uns dieses Irrtums gewahr zu werden und  Innenräume des frühen 20. Jahrhunderts in ihrer ganzen sinnlichen Komplexität zu betrachten.

Die Ausstellung hilft zudem Peter Gustaf Dorén die Sichtbarkeit zurückzugeben, die er einst genossen hat, und gibt ihm die Möglichkeit seinen Platz in der Designgeschichte zurückzuerobern. Im Mittelpunkt steht seine Leidenschaft für Farbe, die einen Großteil von Peter Gustaf Doréns Verständnis von Innenräumen ausmachte; eine Leidenschaft mit der er erfolgreich die konservativen Klassen Hamburgs überzeugte, ihre Decken, Türen, Fenster, Wände, Böden und Fassaden farbig zu gestalten. 

“Peter Gustaf Dorén. Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900” ist noch bis Sonntag, den 30. Mai, im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Steintorplatz, 20099 Hamburg zu sehen.

Alle Details finden Sie unter www.mkg-hamburg.de/peter-gustaf-doren.

Machen Sie sich bitte im Voraus mit den aktuellen Regeln im Zusammenhang mit der Pandemie vertraut.  

Für alle, die es nicht nach Hamburg schaffen gibt es eine kurze Führung durch die Ausstellung mit freundlicher Genehmigung des Museums für Kunst und Gewerbe in Begleitung von Peter Nils Dorén, dem Urenkel von Peter Gustaf Dorén  auf Deutsch mit englischen Untertiteln.

Coloured illustrations and achromatic photos of Weinrestauant Schümann, Hamburg... which has more impact...?, as seen at Peter Gustaf Dorén Interior Design in Hamburg circa 1900, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Farbige Illustrationen und Schwarz-Weiß-Fotografien des Weinrestauants Schümann, Hamburg, gesehen bei „Peter Gustaf Dorén. Ein Raumkünstler in Hamburg um 1900“, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

1. Zitat ohne Quelle aus der Ausstellung

2. Jugend, Ausgabe 13, Nr. 20, 1908 Seite 471 bei: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/jugend1908_1/0497 (accessed 18.03.2021)

3. Brief von Peter Gustaf Dorén an Max Sauerlandt, 23. Januar 1933, zu sehen in der Ausstellung

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