„Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte“ Vitra Design Museum

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts etablierte sich das Deutsche Kaiserreich als ein führender Protagonist im Bereich der zeitgenössischen angewandten Kunst – ein Bereich, den wir heute als Design bezeichnen. Aus dieser führenden Position wurde im Laufe der 1900er, 1910er und 1920er Jahre eine Vormachtstellung in Europa, die eng mit Institutionen wie den Deutschen Werkstätten Hellerau, dem Deutschen Werkbund oder, und vielleicht am bekanntesten, mit dem Bauhaus verbunden war. Es folgte wie so oft in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts der Krieg und in der Folge die Gründung der beiden neuen Nationen Ostdeutschland und Westdeutschland.

Was aber wurde aus dem Designverständnis und den Ansätzen im Design, die sich in dieser Region im letzten halben Jahrhundert entwickelt und herausgebildet hatten? Hier handelt es sich um eine der Fragen, denen das Vitra Design Museum mit seiner Ausstellung “Deutsches Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte” nachgeht.

German Design 1949–1989. Two Countries, One History, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

“Deutsches Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte” im Vitra Design Museum, Weil am Rhein

 

Die geopolitischen Spannungen zwischen den Alliierten führten im Mai 1949 zur Gründung der BRD und im Oktober 1949 zur Gründung DDR.

Genau an diesem Punkt setzt die Ausstellung “Deutsches Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte” an. Sie beginnt mit einem Prolog, der zugleich ein Epilog ist – ein Kapitel auf das wir aber später zurückkommen werden.

Wir beginnen mit dem Hauptteil von “Deutsches Design”, der aus drei chronologisch in einander übergehenden Kapiteln besteht. Am Anfang stehen die Jahre 1949-1960 – der Neuanfang nach Nazi-Diktatur und Krieg. Dieser Neuanfang vollzog sich auf mehreren Ebenen: die beiden deutsche Nationen versuchten sowohl eine eigene Identität herauszubilden als auch ihre Beziehungen zum ihrem neuen Nachbarn (mit dem sie eine lange gemeinsame Geschichte teilten) und den anderen Wirtschaftsmächten der Nachkriegszeit zu definieren.

Mit diesem Prozess beginnt das erste Kapitel von Deutsches Design, das auch die Formalismusdebatte der frühen 1950er Jahre aufgreift. Stark verkürzt ließe sich sagen, dass die ostdeutschen Behörden im Kontext dieser „Debatte“ die Prinzipien und Praktiken anprangerten, die der moderne Funktionalismus der Zwischenkriegszeit hervorgebracht hatte. Man kritisierte jüngste Auffassungen und -positionen des Designs und forderte ornamentale, eher national-romantische Ausdrucksformen in Architektur und Design. Diese “Debatte” fand in der gesamten Geschichte der ostdeutschen Nachkriegsarchitektur und des ostdeutschen Designs ihren Widerhall.

Nachdem kurz der politische und wirtschaftliche Kontext der unmittelbaren Nachkriegsjahre im geteilten Deutschland umrissen wurde, geht die Ausstellung zügig zur Entwicklung des Designs in der BRD und der DDR während der 1950er Jahre über. Hier geht es vor allem um das Design von Haushaltsgegenständen, das wiederum im Kontext von Themen wie Designausbildung, Entwicklung formaler Ausdrucksformen und Designvermittlung untersucht wird. Vor allem im Zusammenhang mit dem Thema Designvermittlung wird deutlich, wie durch Ausstellungen, Publikationen, und durch Institutionen wie den Deutschen Werkbund in Westdeutschland und das Institut für Angewandte Kunst in Ostdeutschland versucht wurde eine Akzeptanz für den von der Industrie und den Designschulen entwickelten Stil zu etablieren, bzw. diesen zu fördern und durchzusetzen. Es ging hier um die Etablierung einer guten Form, die im Westen wie im Osten weitgehend als Fortsetzung der reduzierten, rationalisierten, ornamentlosen Formensprache der funktionalistischen Moderne verstanden wurde.

Zumindest vollzog sich diese Entwicklung in Ostdeutschland nachdem im Zuge des Abflauens der Formalismusdebatte solche Formen offiziell geduldet werden konnten.

Two school chairs: the Seminarstuhl by Selman Selmanagic, Herbert Hirche & Liv Falkenberg for Deutsche Werkstätten Hellerau (l) and the Ulmer Hocker by Hans Gugelot, Max Bill and Paul Hildinger (r) in front of a wall of post-War doemstic design from West Germany and East Germany, as seen at German Design 1949–1989. Two Countries, One History, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

Zwei Schulstühle: der Seminarstuhl von Selman Selmanagic, Herbert Hirche & Liv Falkenberg für die Deutschen Werkstätten Hellerau (l) und der Ulmer Hocker von Hans Gugelot, Max Bill und Paul Hildinger (r) vor einer Wand mit Inneneinrichtung der Nachkriegszeit aus West- und Ostdeutschland, zu sehen in “Deutsches Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte” im Vitra Design Museum, Weil am Rhein

 

Zwei Schulstühle: der Seminarstuhl von Selman Selmanagic, Herbert Hirche & Liv Falkenberg für die Deutschen Werkstätten Hellerau (l) und der Ulmer Hocker von Hans Gugelot, Max Bill und Paul Hildinger (r) vor einer Wand mit Inneneinrichtung der Nachkriegszeit aus West- und Ostdeutschland, zu sehen in “Deutsches Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte” im Vitra Design Museum, Weil am Rhein

Dass das Eröffnungskapitels von “Deutsches Design” mit dem Jahr 1960 endet, ist kein Zufall, sondern hängt mit dem Beginn des Baus der Berliner Mauer im August 1961 zusammen. Die Mauer vollzog die Teilung Deutschlands und verkörperte die zunehmenden geopolitischen Spannungen und die Verschärfung des Kalten Krieges. Diese Spannungen bilden den Hintergrund für das zweite Kapitel, das sich mit dem Zeitraum 1961-1972 befasst.

Dieses Kapitel wird im Vitra Design Museum in einem Raum präsentiert, der erfreulicherweise selbst durch eine Mauer in Ost und West geteilt ist. Dabei handelt es sich um eine angedeutete Mauer, die durch Fotos symbolisiert wird. In dem auf diese Weise geteilten Raum werden unterschiedliche Themen erörtert. So zum Beispiel das Aufkommen der seriellen Massenproduktion in Ostdeutschland – vom Geschirr bis zum Wohnungsbau, die Entwicklung von Grafikdesign und Unternehmensdesign in Westdeutschland, einschließlich der Corporate Identity, die von Otl Aicher und seinem Team für die Olympischen Spiele 1972 in München entwickelt wurde.

In diesem geteilten Raum taucht zudem der einheitliche Begriff des Systemdesigns auf, der wie so vieles, was zuvor in der Ausstellung zu sehen war, seine Ursprünge in den Zwischenkriegsjahrzehnten hatte und sich in den 1960er Jahren als Designkonzept fest etablierte. In der Ausstellung wird dieser Begriff exemplarisch durch Dieter Rams‘ Regalsystem von 1960 aus Westdeutschland und durch Rudolf Horns Montagemöbel Deutsche Werkstätten, MDW, von 1966/67 aus Ostdeutschland vertreten und zur Diskussion gestellt.

The years 1961 - 1972, as seen at German Design 1949–1989. Two Countries, One History, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

Die Jahre1961–1972, gesehen bei „Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte“, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

 

Die Präsentation von “Deutsches Design” findet mit den Jahren 1973-1989 ihren Abschluss. Dabei handelt es sich um einen Zeitraum, der mit den politischen und sozialen Nachwirkungen von 1968 und dem Schock der Ölkrise beginnt, bevor es dann im Verlauf eines globalen wirtschaftlichen Abschwungs zum Aufstieg des Neoliberalismus in den Ländern des „Westens“ und einer wachsender Unzufriedenheit in den Ländern des „Ostens“ kommt; die mit 1989 ihren Höhepunkt erreicht. Diese Periode wird in der Ausstellung unter anderem anhand von Themen, wie der zunehmenden Notwendigkeit von nachhaltigeren Designansätzen und des Aufstiegs der Computer diskutiert, der im Falle von Westdeutschland in Form eines Apple Macintosh SE von Esslinger Design aus dem Jahr 1989 repräsentiert wird. Dabei handelt es sich um einen frühen Vorläufer der zeitgenössischen Apple Identity. Ein weiterer Aspekt dieser Periode ist die zunehmenden Weigerung von Designern mit den vorherrschenden Industrie- und Wirtschaftssystemen zu kooperieren und sich ihnen anzupassen. Diese Verweigerung findet in Westdeutschland mit dem Begriff “Neues deutsches Design” ihren Ausdruck – ein kaum definierbares, disparates Sammelsurium von Ansätzen und Positionen, das allein durch die Infragestellung der Werte des Designs, des Berufs Designer, der industriellen Produktion und des Verhältnisses von Design und Gesellschaft zusammengehalten wird und als solches in die Designgeschichte Westdeutschlands einging.

Dieser Zeitraum zeichnet sich analog auch durch Verweigerungstendenzen bei den Designer in Ostdeutschland aus. Diese Verweigerung, so argumentiert die Ausstellung, lag vor allem in der Ablehnung der Massenproduktion billiger Exportgüter begründet, von der die ostdeutsche Planwirtschaft abhing, die aber nur wenig mit gutem Design und noch weniger mit Designern zu schaffen hatte. Diese Ablehnung der Industrieproduktion in der DDR der 1980er Jahre wird in der Ausstellung durch ein Teeservice von Wilfriede Maaß und Karla Woisnitza verkörpert, das mit, wie wir es nennen, eigenwilligen Mustern verziert ist. Damit symbolisiert es in der Ausstellung eine Bewegung in der DDR der 1980er Jahre von der industriellen Produktion hin zur handwerklichen Produktion als zukunftsweisenden Designansatz.

Am Ende von “Deutsches Design” steht der Fall der Berliner Mauer. Dieses Schlusskapitel der Ausstellung erinnert uns an Songs bei denen die Band offensichtlich nicht weiß, wie sie enden soll… .

Dieser Abschluss fühlt sich irgendwie gezwungen und ein bisschen zusammenhanglos an und wirft so die Frage auf, ob es nicht einen besseren Ausstieg aus der Geschichte von vier Jahrzehnten Design im geteilten Deutschland hätte geben können… .

An dieser Stelle kommen wir wieder zum Prolog, der auch ein Epilog ist.

The chapter 1973 - 1989, as seen at German Design 1949–1989. Two Countries, One History, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

Kapitel 1973–1989, gesehen bei „Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

 

Oder besser gesagt, wir machen uns auf den Weg zum Prolog, der zugleich ein Epilog ist.

Die Ausstellung Deutsches Design kann und sollte im Idealfall aus mehreren Perspektiven betrachtet werden.

Auf der einen Seite handelt es sich um einen direkten Vergleich der Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland; darüber hinaus ermöglicht “Deutsches Design” aber auch einen Vergleich der Entwicklungen in West- und Ostdeutschland als Teil einer breiteren, internationalen Entwicklung des Designs. Auf einer dritten Ebene macht die Ausstellung deutlich, dass es bei Design nicht in erster Linie um Objekte geht, also um etwas, das man auf Instagram posten kann, sondern um Objekte, im Sinne von Werkzeugen des täglichen Lebens, die unseren Umgang mit der Realität zum Ausdruck bringen. Auf einer sehr grundlegenden Ebene kann “Deutsches Design” zudem von allen ehemaligen Ost- und Westdeutschen aus einer vierten Perspektive betrachtet werden. Hier geht es um das „Oh! So etwas hatten wir auch!“, „Oh! Erinnerst du dich daran!“, „Oma! Sieh mal, das ist deine Kaffeekanne!“. Diese Betrachtungsweise wohnt jeder Designausstellung inne, die Design für den Massenmarkt zeigt, das noch in lebendiger Erinnerung ist.

Mit Blick auf die Zukunft ist ein besonders interessanter Aspekt der Ausstellung, dass sie nach Weil am Rhein, also dem tiefsten, dunkelsten Westdeutschland, in der Kunsthalle im Lipsiusbau, Dresden, im tiefsten, dunkelsten Ostdeutschland, zu sehen sein wird. So wird es möglich Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Rezeptionsweisen zu ziehen.

Das schließt nicht nur Ost- und Westdeutsche sondern Menschen unterschiedlicher Herkunft mit ein. Eine künftige Präsentation der Ausstellung außerhalb Deutschlands könnte besonders interessant ausfallen. Wie reagiert ein Publikum auf eine solche Präsentation, für das viele der gezeigten Objekte keine kulturelle oder praktische Relevanz haben? Wahrscheinlich handelt es sich dann um eine ähnliche Situation, wie beim Betrachten einer Ausstellung über Design aus dem 19. Jahrhundert oder früher. Die Betrachterinnen und Betrachter jüngerer Generationen oder nichtdeutscher Herkunft müssen sich dann mit ihrem bestehenden Verständnis von Design in West- und Ostdeutschland in die Themen der Ausstellung einarbeiten.

Womit wir schließlich bei dem Prolog wären, der auch ein Epilog ist.

Works by Stiletto Studio including the Consumer's Rest Lounge Chair and the Gespanntes/Verspanntes Regal by Wolfgang Laubersheimer, as seen at German Design 1949–1989. Two Countries, One History, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

Works von Stiletto Studios, unter anderem „Consumer’s Rest Lounge Chair“ und das „Gespanntes/Verspanntes Regal“ von Wolfgang Laubersheimer, gesehen bei „Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

 

Die Jahre unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung waren gewissermaßen Jahre andauernder, unaufhörlicher Ossie/Wessie-Konflikte, da vier Jahrzehnte des gegenseitigen Misstrauens eine reibungslose soziale und kulturelle Verschmelzung behinderten.

Diese Konflikte sind in den letzten Jahren glücklicherweise (weitgehend) abgeklungen und haben damit eine nüchterne und differenzierte Betrachtung der Teilung Deutschlands ohne die Schuldzuweisungen und Beleidigungen, die diese einst bestimmten, ermöglicht.

Die Überlegungen, die das Vitra Design Museum mit der Ausstellung präsentiert, tragen dazu bei Vorurteile abzubauen. So wurde ostdeutsches Design nach der Wiedervereinigung nämlich allzu oft so präsentiert, diskutiert und verstanden, das es sowohl in den alten Bundesländer als auch international als zweitrangig gegenüber dem dominanten Westen angesehen wurde. Westdeutsches Design und westdeutsche Lebensstile galten als authentisch und sinnvoll, während ostdeutsches Design und ostdeutsche Lebensstile als fadenscheinig, unbedeutend, und bestenfalls als billige Kopien westlicher Modelle angesehen wurden, die von der politischen Doktrin durchgesetzt waren und ihr untergeordnet blieben. Der Trabant galt demnach zum Beispiel als Witz, während der VW Golf das Ideal verkörperte.

Die Zeit, so könnte man “Deutsches Design” verstehen, ist reif für ein wenig mehr Objektivität.

Die Ausstellung versteht sich dementsprechend nicht nur als Rückblick auf das Design in West- und Ostdeutschland in den Jahren 1949 bis 1989, sondern auch als Plattform, um das vorherrschende, populäre Verständnis von Design in der ehemaligen DDR zu hinterfragen. Das gelingt der Ausstellung nicht nur durch nüchterne und differenzierte Betrachtungen zur Entwicklung des Designs in Ostdeutschland, sondern durch die analog ebenso nüchternen und differenzierteren Betrachtungen zur Entwicklung des Designs in Westdeutschland. Durch diese objektiven Überlegungen zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden des Design in den jeweiligen Kontexten von Ost- und Westdeutschland wird eine tatsächliche Annäherung an das Thema möglich.

Auf diese Absicht und dieses Selbstverständnis der Ausstellung wird im Prolog von “Deutsches Design” hingewiesen. Das ermöglicht es dem Besucher der Ausstellung mit einem geschärften Bewusstsein und möglicherweise offener und aufgeschlossener zu begegnen, als es sonst der Fall gewesen wäre. Auch wenn “Deutsches Design” für unseren Geschmack etwas zu unkritisch auf die Probleme des vorherrschenden Designverständnisses in Ostdeutschland hinweist, und im Sinne einer gewissen Wiedergutmachung etwas zu sehr darauf bedacht ist, es den Ostdeutschen recht zu machen, würden wir diesen Ansatz gutheißen. Das Verständnis der Geschichte des Designs während der Teilung Deutschlands bedarf dringend einer Auffrischung, und die beginnt man am besten indem man hinterfragt, wie sich die jeweiligen Ansichten entwickelt haben.

Dieser Prolog ist ein guter Ort um den Rundgang durch die Ausstellung “Deutsches Design” zu beginnen und auch zu beenden, was ihn somit auch zum Epilog macht. So kann man, begleitet von den Eindrücken und Reflexionen, die man während des Rundgangs gewonnen hat, vergleichen welchen Eindruck die Argumente und Positionen nach der Ausstellung auf einen machen. Gibt es einen Unterschied?

Examples of Form and Form+Zweck in front of book designs by Willy Fleckhaus for Suhrkamp (l) and Lothar Reher for Verlag Volk und Welt (r), as seen at German Design 1949–1989. Two Countries, One History, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

Ausgaben von Form und Form+Zweck vor Buchgestaltungen von Willy Fleckhaus für Suhrkamp (l) und Lothar Reher für Verlag Volk und Welt (r), gesehen bei „Deutsches Designs 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte“, Vitra Design Museum, Weil am Rhein

Einer der erfreulichsten Aspekte der Ausstellung ist die Vielfalt der Themen und Gegenstände, und damit die Breite der Diskussion, die sie ermöglicht. Diese Vielfältigkeit ist aber an die zeitlichen und räumlichen Beschränkungen gekoppelt. Das Design der Nachkriegszeit streift die Ausstellung deshalb nur flüchtig: Themen wie die Formalismusdebatte oder das Neue deutsche Design werden nur kurz erörtert und viele der Themen werden als Momentaufnahmen eines bestimmten Zeitraums aufgegriffen und nicht als kontinuierliche Diskussionen über die vier Jahrzehnte hinweg behandelt. Deshalb hat die Ausstellung keine Möglichkeit wirklich in die Tiefe zu gehen. Jede Ausstellung muss sich jedoch entscheiden, ob sie in die Breite oder in die Tiefe gehen will, und im Falle von “Deutsches Design” handelt es sich bei der Breite um die richtige Entscheidung, denn sie erlaubt es dem Ausstellungsbesucher sich einen Überblick über die breite Landschaft des Designs des 20. Jahrhunderts in Deutschland zu verschaffen. “Deutsches Design” ist und kann nur der Anfang einer Auseinandersetzung mit dem Thema sein. Für diesen Anfang ist die Präsentation ein unterhaltsamer und fesselnder Ort.

Ebenso erfreulich wie die Breite der Ausstellung ist die Tatsache, dass sich “Deutsches Design” nicht von Designern und/oder Herstellern ablenken lässt und die Erzählung der Ausstellung so entschieden auf die Entwicklung des Designs im geteilten Deutschlands fokussiert bleibt und dabei die Rahmenbedingungen, Kontexte, Zwänge und Diskurse einbezieht, innerhalb derer sich das Design entwickelt hat.

Gerade weil Design eine Antwort auf die jeweils vorherrschende Realität ist, ist es auch ein hervorragendes Medium, um die Gesellschaften zu verstehen, in denen es entstanden ist. Die kulturellen Artefakte der 1950er Jahre in Westdeutschland oder der 1960er Jahre in Ostdeutschland unterscheiden sich heute in ihrer Funktion nicht von den kulturellen Artefakten des Römischen Reiches oder der Xia-Dynastie.

Es handelt sich damit auch um eine Ausstellung, die dabei helfen soll, ein besseres Verständnis von Design in Deutschland im Jahr 2021 zu entwickeln.

So sollte man die Ausstellung “Deutsches Design” mit der Frage im Kopf verlassen, wo sich das Design im heutigen Deutschland drei Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung befindet – sowohl national in Bezug auf seine Ansätze, Positionen, Ausdrucksformen etc., als auch in Bezug auf seine Relevanz, seinen Stellenwert, und den internationalen Vergleich. Was ist aus der gestalterischen Spitzenposition geworden, die Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts innehatte? Was haben die Erfahrungen der Jahre 1949-1989 in West- und Ostdeutschland zum Design im wiedervereinigten Deutschland im Zeitraum 1990-2020 beigetragen?

Das heißt, so wie die Ausstellung danach fragt, was in den Jahren 1949-1989 aus den Designansätzen und -auffassungen geworden ist, die sich vor 1949 entwickelt und herausgebildet hatten, fordert sie auch dazu auf, darüber nachzudenken, was in den drei Jahrzehnten seit 1989 in Bezug auf das Design passiert ist.

“Deutsches Design 1949-1989 Zwei Länder, eine Geschichte” ist noch bis Sonntag, den 5. September, im Vitra Design Museum, Charles-Eames-Str. 2, 79576 Weil am Rhein zu sehen. Danach wird die Ausstellung, wie bereits erwähnt, an das Kunstgewerbemuseum Dresden weitergegeben.

Alle Einzelheiten finden Sie unter www.design-museum.de/german-design-1949-1989.

Machen Sie sich im Voraus mit den aktuellen Bestimmungen hinsichtlich Eintrittskarten, Einlass, Sicherheit, Hygiene, Garderobe usw. vertraut und bleiben Sie verantwortungsbewusst und vor allem neugierig……