„Monobloc“ von Hauke Wendler

Wie so oft im Leben sind es auch im Bereich des Möbeldesigns selten die auffälligen, prominenten Werke oder Personen, die uns am meisten lehren, sondern meist jene Werke und Personen, die uns in ihrer Anonymität und Bescheidenheit, unsichtbar und still, begleiten.

Das Projekt Monobloc von Autor und Regisseur Hauke Wendler und seinem Team bietet uns die Möglichkeit, uns auf ein Objekt zu konzentrieren, das wir alle schon gesehen und benutzt haben, mit dem wir uns aber nur selten, wenn überhaupt, offen auseinandergesetzt haben.

Monobloc Hauke Wendler Rutger Fuchs Hatje Cantz

Laut Hauke Wendler gehen die Ursprünge des Monobloc-Projekts auf ein Foto zurück, das er im Februar 2013 in einer Zeitung sah. Dabei handelt es sich um ein Foto aus dem Jemen, das einen Mann zeigt, der durch einen Wald von schlecht geordneten Monobloc-Stühlen in einer ansonsten menschenleeren Wüstenlandschaft spaziert. Wendler beschreibt dieses Foto als „ein schönes Foto voller Fragen und Geheimnisse und zugleich eine unglaubliche Ansammlung von Plastikschrott“.1 Dieses Foto löste bei Wendler eine Faszination, man könnte fast sagen Besessenheit, aus, die zu einem Film, einem Podcast und jetzt zu einem Buch führte.

Das schöne “Foto voller Fragen und Geheimnisse“, ist in vielerlei Hinsicht auch eine Metapher für die vielen Fragen und Geheimnisse des Monobloc-Stuhls. Es schickt uns auf eine Reise, die es uns erlaubt die Geschichte des Monoblocs zu erforschen, zu entdecken, zu ergründen und neu zu gestalten .

 

A monobloc (photo © Andreas Sütterlin, courtesy Hatje Cantz)

Ein Monobloc (Foto © Andreas Sütterlin, mit freundlicher Genehmigung von Hatje Cantz)

Auch wenn der Monoblock heute gemeinhin mit billigen, substanzlosen Objekten2, mit einer „Ansammlung von Plastikschrott“, assoziiert wird, beginnt die Geschichte des Monoblocs im Grunde mit Verner Pantons gleichnamigem glasfaserverstärktem Freischwinger für Vitra Ende der 1950er Jahre. Dabei handelte es sich um einen der ersten kommerziellen Stühle aus geformtem Kunststoff, wie Hauke Wendler darlegt. Mitte der 1960er Jahre wurde dann mit Helmut Bätzners BA 1171 für Wilhelm Bofinger und Vico Magistrettis Selene für Artemide ganz klar der Weg zu dem eingeschlagen wird, was wir heute den Monobloc nennen.

Beide Stühle wurden aus glasfaserverstärktem Polyester geformt, waren stapelbar, formal reduziert, aus einem Minimum an Material gefertigt und zur Maximierung der Stabilität mit Falten und Kurven ausgestattet.

Diese Stühle weisen besser gesagt nur einen Weg zum Monobloc, denn wie Hauke Wendlers Projekt deutlich macht, gibt es viele Wege, die zum Monobloc geführt haben.

Ein zweiter Weg beginnt 1948 in Nurieux im französischen Jura, wo ein junger Unternehmer namens Henry Massonnet die Kammfabrik seines Vaters übernimmt und sie in die Société de Transformation des Matières Plastiques, kurz STAMP, umwandelt. STAMP war ein Unternehmen, das sich auf den Spritzguss von Kunststoffen spezialisiert hatte und wie so viele ähnliche Unternehmen in dieser Zeit, stark von der Entwicklung neuer synthetischer Kunststoffe in der unmittelbaren Nachkriegszeit profitierte – vor allem von der Einführung von Polypropylen Mitte der 1950er Jahre. Viele Jahre lief die Firma erfolgreich wenn auch unspektakulär, bis Massonnet 1968 einen hyperbolischen, trommelähnlichen Hocker entwarf, der als Tam Tam bekannt wurde. Massonnet behauptete er habe den Hocker in fünf Minuten skizziert – so logisch war die Form des Objekts. Ursprünglich war das Objekt für Fischer gedacht, für die STAMP auch Kühlboxen herstellte. Der Hocker wurde aber im Frankreich der späten 1960er Jahre zu einem unerwarteten Publikumserfolg und rund 12 Millionen Mal zu einem anfänglichen Verkaufspreis von 15 Francs verkauft.3

An diesen Erfolg wollte Massonnet mit einem Sessel aus Polypropylen, dem so genannten Fauteuil 300, anknüpfen, der heute weithin als der erste zeitgenössische Monoblocksessel aus Polypropylen anerkannt ist.

Two gents in a market in Fortaleza, Brazil. On monoblocs. Sadly there are no names associated wit the sitters in the photos in Monobloc, they are as anonymous as the chairs on which they sit. (Photo © Boris Mahlau / PIER 53, courtesy Hatje Cantz)

Zwei Herren auf Monoblöcken auf einem Markt in Fortaleza, Brasilien. Leider gibt es keine Namen zu den Darstellern auf den Fotos, sie sind so anonym wie die Stühle, auf denen sie sitzen. (Foto © Boris Mahlau / PIER 53, mit freundlicher Genehmigung von Hatje Cantz)

Als Objekt knüpft der Fauteuil 300 mit seinen Kurven und Falten strukturell an die oben zitierten Arbeiten von Bätzner und Magistretti an auch wenn der Stapelmechanismus stark vereinfacht ist. Wie Jens Thiel argumentiert, greift der Stuhl aber auch formal (und strukturell) die französischen Formmetallstühle der 1920er Jahre auf. Thiel bezieht sich dabei auf die Multipl’s von Joseph Mathieu um 1920.

Der Fauteuil 300 wurden jedenfalls 1972 als Teil einer kleinen Familie von Kunststoff-Möbelobjekten auf den Markt gebracht.

Genau zu dem Zeitpunkt also, als die Ölkrisen der frühen 1970er Jahre und der exponentielle Anstieg der Kosten für Öl und damit auch für Kunststoffe, sowie das wachsende Bewusstsein für die ökologischen Auswirkungen, die Kunststoffe plötzlich von Trägern einer strahlenden demokratischen Zukunft, die sie in den unmittelbaren Nachkriegsjahrzehnten waren, in eine unverantwortliche Torheit verwandelten.

Deshalb gelang es Massonnet nicht, den Erfolg von Tam Tam mit dem Fauteuil 300 zu wiederholen.4

Mit dem Scheitern des Fauteuil 300 hätte der billige, substanzlose Monoblocstuhl durchaus in einer juristischen Sackgasse enden können.

Die in den 1970er Jahren aufgekommenen Zweifel am Kunststoff verflüchtigten sich jedoch schnell, als die europäischen Wirtschaftskrisen der 1970er Jahre dem europäischen Wirtschaftsoptimismus der 1980er Jahre wichen und der Kunststoff wieder zum Garanten für eine gute demokratische Zukunft wurde.

In Merone, am Ufer des Lago di Pusiano in Norditalien, eröffnete sich so ein dritter Weg zum Monobloc.

A timber dealer in Katende, Uganda. On a monobloc. (Photo © Boris Mahlau / PIER 53, courtesy Hatje Cantz)

Ein Holzhändler in Katende, Uganda. Auf einem Monoblock. (Foto © Boris Mahlau / PIER 53, mit freundlicher Genehmigung von Hatje Cantz)

Genauer gesagt begann diese Entwicklung im Garten der Familie Proserpio – Besitzer einer Kunststoffspritzgussfabrik.

Eines Tages in den 1980er Jahren saßen die Brüder Proserpio mit einem holländischen Großhändler beim Dinner, mit dem sie seit langem geschäftlich verbunden waren. Der holländische Großhändler ging, wie es seine Gewohnheit war, nach dem Essen nach nebenan, um die Eltern der Proserpios zu begrüßen. Aus dem Haus der Eltern kehrte er an diesem Abend mit einem französischen Monobloc-Stuhl zurück, der, wie es der Zufall wollte, erst kürzlich für den Garten der Eltern angeschafft worden war. Er fragte die Proserpios ob sie einen solchen Stuhl herstellen könnten, denn er sei sicher, dass er 10.000 Stück verkaufen könne.

So entwickelten die Proserpios eine Gussform für einen einteiligen Kunststoffstuhl, die auf dem französischen Kunststoffstuhl basierte. Sie achteten dabei äußerst sorgfältig darauf, genügend Variationen einzubauen, um keine exakte Kopie des französischen Modells zu schaffen. Man kann nämlich nur eine Form und eine Maschine zur Realisierung dieser Form patentieren lassen, nicht aber ein Herstellungsverfahren.5

Wer der Hersteller und Konstrukteur dieses französischen Modells war, ist im Monobloc (Buch) leider nicht vermerkt; man muss aber davon ausgehen, dass es sich um einen von Massonnets Mitarbeitern bei STAMP handelte.

Was das Monobloc-Buch jedoch festhält, ist, dass die Familie Proserpio seit diesem ersten Auftrag aus den 1980er Jahren für 10.000 Monoblöcke6 nach eigenen Berechnungen etwa 240 Millionen Monoblocs hergestellt hat. Wie „Monobloc“ meint, markiert diese niederländisch-italienische Adaption eines französischen Objekts im Wesentlichen den Beginn des Aufstiegs des Monoblocs zu einem billigen, substanzlosen, globalen Sitzmöbel.

Hier beginnt die Aufdeckung, Erforschung und Neuformulierung in bezug auf die vielen Fragen und Geheimnisse des Monobloc-Stuhls.

A garden in Hamburg. With monoblocs. (Photo © Boris Mahlau / PIER 53, courtesy Hatje Cantz)

Ein Garten in Hamburg. Mit Monobloc-Stühlen. (Foto © Boris Mahlau / PIER 53, mit freundlicher Genehmigung von Hatje Cantz)

Mit kurzen Texten und Interviewausschnitten aus dem Monobloc-Film unterlegt, geht es im Monobloc-Buch vordergründig um den Monobloc-Stuhl, den das Buch aber vor allem als Ausgangspunkt für eine Reihe von notwendigerweise kurzen, kompakten Streifzügen zum Thema Stühle nutzt. Es geht so nicht nur um die Rolle und Funktion von Stühlen, sondern auch um unsere Beziehungen untereinander und zu den Möbelstücken, mit denen wir uns umgeben.

Ein solcher Streifzug führt beispielsweise auf sehr angenehme und lehrreiche Weise zur Free Wheelchair Mission, einer 2001 von Don Schoendorfer gegründeten Organisation, die Monobloc Stühle als Grundlage für Rollstühle verwendet. Diese Rollstühle sind für all jene gedacht, die einen Rollstuhl benötigen, ihn sich aber nicht leisten können. Uns erinnert das Projekt an Victor Papanek und daran, dass Industriedesigner nicht immer das Problem sein müssen, dass sie nicht per se gefährlich sind.

Ein weiteres Projekt ist die Kooperative Rosa Virginia im brasilianischen Fortaleza, die wiederverwertbare Abfälle sammelt, um ihr Einkommen aufzubessern, und die dazu beiträgt, dass die „unglaubliche Anhäufung von Plastikmüll“ zerkleinert und zur Herstellung anderer Dinge verwendet werden kann, einschließlich neuer Stühle. Monoblocs müssen und sollten nicht einfach auf Abstellplätzen entsorgt werden.

Die Firma Supreme Industries in Mumbai wiederum stellt eine Vielzahl von Monoblocs her und eröffnet Perspektiven auf den Monobloc-Stuhl, die sich deutlich von den in Europa üblichen unterscheiden. Diese messen dem Monobloc häufig einen ganz anderen Wert bei, als dies anderswo in der Welt der Fall ist, wo der Monobloc zwar billig, aber alles andere als ein Wegwerfprodukt ist.

Hinzu kommen auch Überlegungen zur Ausstellung “Monobloc – Ein Stuhl für die Welt”, die 2017 im Vitra Design Museum Schaudepot stattfand. Dort fand sich der billige, substanzlose Monobloc neben seinen illustren Vorgängern und illustren Zeitgenossen wieder. Die Ausstellung fragte zudem nach den Prozessen, durch die ein bestimmter Stuhl im Volksmund zum „Klassiker“ oder zur „Ikone“ wird, und danach was solche Begriffe eigentlich bedeuten.

A young man in Kampala, Uganda. On a monobloc. (Photo © Boris Mahlau / PIER 53, courtesy Hatje Cantz)

Ein junger Mann in Kampala, Uganda. Auf einem Monoblock. (Foto © Boris Mahlau / PIER 53, mit freundlicher Genehmigung von Hatje Cantz)

Das Buch präsentiert Fotos von Monoblocs in ihren vielfältigen Formen und Funktionen, denn eines der spezifischen Merkmale des billigen, substanzlosen Monoblocs ist, dass man auf ihm mehr als nur sitzen kann. Da der Stuhl nämlich wenig oder gar keine Möglichkeit zur Interaktion bietet und nicht besonders kommunikativ ist, kann und wird der Monobloc in nahezu jeder Situation verwendet. Die Fotos von Monoblocs stammen zudem aus so unterschiedlichen Ländern wie, neben vielen, vielen anderen, Deutschland, Ruanda, Israel, Simbabwe, Malaysia, Kuwait oder Holland. Letztere zeigen ein Monoblocsofa, das in Amsterdam an einen Baum an einer Gracht gekettet ist. Das Bild wurde neben zwei ähnlichen Bildern von angeketteten Monoblocs in Kalkutta und Hyderabad, Indien, gedruckt.

Angekettete Monobloc-Stühle waren auch in der Ausstellung “Konstantin Grcic. New Normals” im Haus am Waldsee, Berlin, zu sehen. Hier handelte es sich genauer gesagt um Grcics Bell Chair für Magis, der hier an eine Stange gekettet war. Der Bell Chair war aber nur einer von mehreren angeketteten Stühlen in der Ausstellung: darunter war auch Grcics Interpretation des jahrhundertealten chinesischen Hufeisensessels, die uns zum Nachdenken über eine mögliche Zukunft anregte, in der kulturelle Inspiration mit kultureller Aneignung gleichgesetzt und deshalb geächtet wird. Mit der Folge, dass die Kreativität zum Erliegen kommt.

Doch wie sieht es mit der Grenze zwischen Inspiration und Plagiat im Möbeldesign aus?

Wie sieht es mit der Grenze zwischen Inspiration und Plagiat im Falle des Monoblocks aus?

Ist es recht und billig, dass weltweit so viele ähnliche, identische Monoblöcke von unzähligen Herstellern produziert werden?

War es richtig, dass die Familie Proserpio einen französischen Monoblock adaptiert hat, ohne auf das adaptierte Werk hinzuweisen und ohne es zu würdigen?

 

Since 1985 this man's family have sold monoblocs in New Delhi, India. (Photo © Boris Mahlau / PIER 53, courtesy Hatje Cantz)

Seit 1985 verkauft die Familie dieses Mannes Monoblocks in Neu Delhi, Indien. (Foto © Boris Mahlau / PIER 53, mit freundlicher Genehmigung von Hatje Cantz)

Wie „Monobloc“ erläutert, sind die Kosten für die Herstellung der Formen für die Pressen so hoch, dass die europäischen Hersteller ihre verschlissenen Formen an Hersteller in Afrika, Asien und Südamerika verkaufen, die sich keine neuen Formen leisten können. Dafür können diese aber wiederum nur Stühle von geringerer Qualität verkaufen. Die weltweite Verbreitung identischer Formen ist so ein fester Bestandteil des Geschäftsmodells des Monoblocs.

Dieser weltweite Gebrauchtmarkt für die Formen macht auch deutlich, dass der Monobloc zwar ein Stuhl, in erster Linie aber ein Produktionsverfahren ist. Ein relativ einfaches, effizientes Produktionsverfahren, das die Massenproduktion von sehr kostengünstigen Stühlen ermöglicht.

Solche Gedanken führen uns wiederum zum Windsor-Stuhl. Ein weiterer Stuhl, der eigentlich ein Produktionsverfahren ist und der nicht zuletzt deshalb weltweit Erfolg hatte. Auch das Produktionsverfahren des Windsor Stuhls ist relativ einfach und effizient und ermöglicht die Massenproduktion von sehr kostengünstigen Stühlen ermöglicht. Mit dem Stuhl 14 von Michael Thonet verhält es sich ähnlich… .

Trotz der Vorwürfe, die man Familie Proserpio machen kann, weil sie von Massonnets Stuhl profitiert hat8, muss man festhalten, dass die Proserpios bei der Vermarktung und dem Vertrieb ihrer Produkte wohl ein wenig cleverer waren als Henry Massonnet. Schließlich hatte Massonnet die gleichen Möglichkeiten, den gleichen europäischen Markt der 1980er Jahre vor sich.9

A key-cutter in Fortaleza, Brazil. On a monobloc. (Photo © Boris Mahlau / PIER 53, courtesy Hatje Cantz)

Ein Schlüsselfräser in Fortaleza, Brasilien. Auf einem Monoblock. (Foto © Boris Mahlau / PIER 53, mit freundlicher Genehmigung von Hatje Cantz)

„Zu Beginn unseres Projekts war der Monobloc auch für mich nur ein banales, lächerliches Objekt“, gesteht Hauke Wendler am Ende von Monobloc und fährt fort: „Acht Jahre später ist es mir peinlich, mit welcher Arroganz wir im Westen oft auf den Rest der Menschheit schauen“.

Diese mühelose, direkte, fast unsichtbare Verbindung seiner Überlegungen zu einem Sitzobjekt unterstreicht sehr elegant, dass Stühle zwar etwas mit Sitzen zu tun haben, aber eben auch Bestandteile der Gesellschaft sind, und die herrschenden kulturellen, wirtschaftlichen, politischen Realitäten zum Ausdruck bringen.

Und so können wir Wendlers Schlusssatz „Was am Ende zählt, ist nicht der Stuhl, sondern dass man sitzt“ nicht beipflichten.

Die Tatsache, dass sich, wie Monobloc immer wieder betont, sehr viele Menschen auf der Welt nur einen billigen, substanzlosen Monobloc-Stuhl leisten können, der eigentlich für wohlhabende Europäer entwickelt wurde, um in ihren Gärten zu sitzen, könnte man demokratisch nennen, im Grunde verdeutlicht sie aber die materielle Ungleichheit in der globalen Gesellschaft. Diese Ungleichheit wird durch die Allgegenwart des billigen, substanzlosen Monoblocs nicht bekämpft, sondern eher noch verstärkt wird.

Ein wahrhaft globaler, demokratischer Stuhl würde nicht nur Anpassungen an lokale Gewohnheiten und Umstände zulassen, und aus leicht beschaffbaren Materialien bestehen, seine Produktion und sein Vertrieb würden zudem keine neuen externen Abhängigkeiten schaffen, sondern die Unabhängigkeit von globalen Systemen und die Entwicklung nachhaltiger lokaler Märkte fördern.

Oder anders ausgedrückt: Wir würden argumentieren, dass Wendlers Schlusssatz mit den Worten Bruce Springsteens „remember, in the end nobody wins unless everybody wins „10, betrachtet werden muss: Wer gewinnt durch die globale Verbreitung des Monoblocs und wer verliert? Auch wenn es zweifellos besser ist, etwas zum Sitzen zu haben als nicht, reicht es nicht aus, nur etwas zum Sitzen zu haben. Man muss auch etwas Sinnvolles haben, auf dem man sitzen kann. Zu viele der Fotos in Monobloc sehen für uns zu sehr nach einem „Kompromiss“ aus, um zufriedenstellend zu sein. Zu viele deuten darauf hin, dass dringend reaktionsfreudigere und haltbarere Alternativen entwickelt werden müssen.

Dabei kann uns ein Verständnis des Monoblocks als Produktionsprozess statt als Stuhl behilflich sein.

Hohendeicher See, Hamburg. Monoblocs. (Photo © Boris Mahlau / PIER 53, courtesy Hatje Cantz)

Hohendeicher See, Hamburg. Monoblocs. (Foto © Boris Mahlau / PIER 53, mit freundlicher Genehmigung von Hatje Cantz)

Wir haben den Monobloc-Film11 nicht gesehen, unser Schwerpunkt ist und war Monobloc das Buch. Man muss allerdings davon ausgehen, dass der Film auf die vielen angesprochenen Themen viel detaillierter eingeht, als es dem Buch zwangsläufig möglich ist.

Das soll nicht heißen, dass das Buch nur ein Nebenprodukt zur Vermarktung des Films sei – ganz im Gegenteil.

Die Fotos verstärken und wiederholen in ihrer Anzahl, Vielfalt und Gegenüberstellung nicht nur die Fragen und Geheimnisse, die Hauke Wendler im Februar 2013 beschäftigt haben und die dieselbe Faszination für den Monoblock auslösen können, sondern machen auch deutlich, wie allgegenwärtig und allmächtig der Monoblock ist. Wenn man Monoblock gelesen hat, sieht man wirklich überall Monoblöcke.

Andererseits ist Monobloc trotz seiner Kürze und aufgrund seines Umfangs und seiner leichten Zugänglichkeit ein sehr guter Ausgangspunkt, um den Monoblock als Mittel zur Reflexion über Möbel, Gesellschaft und die Verbindungen zwischen beiden zu nutzen. Statt den Monoblock nur als einen billigen, substanzlosen Wegwerfstuhl für Garten, Balkon, Strand und Imbiss zu verstehen, bringt einen das Buch dazu die eingefahrenen, unreflektierten europäischen Sichtweisen zu hinterfragen.

Monobloc von Hauke Wendler, gestaltet von Rutger Fuchs, ist in deutscher und englischer Sprache bei Hatje Cantz erschienen und ab sofort in allen vernünftigen Buchhandlungen erhältlich.

Ausführliche Informationen finden Sie unter www.hatjecantz.de/monobloc.

1. und alle anderen Zitate, sofern nicht anders angegeben, aus, Hauke Wendler und Rutger Fuchs, Monobloc, Hatje Cantz, 2022

2.Parallel zur Entwicklung des billigen Monoblocks wurden natürlich auch teurere Monoblöcke entwickelt, die die (Hoch-)Geschichte des Möbeldesigns ebenso verschmutzen wie die billigen die Abstellgleise in Europa. Doch wie bei Monobloc (Buch) bezieht sich unser Gebrauch von Monobloc hier in erster Linie auf die billigeren Stühle.

3. siehe, Anne-Marie Fèvre, Le „Tam Tam“ refait du ramdam, Liberation, 07.02.2003 Verfügbar über https://www.liberation.fr/guide/2003/02/07/le-tam-tam-refait-du-ramdam_430143/ (Zugriff am 04.03.2022)

4. Im Vergleich zum 15 Franc Tam von 1968 kostete 1974 ein Fauteuil 300 300 Francs, was Hauke Wendler heute mit ca. 165 € beziffert, und damit immer noch billiger als viele „Designer“-Monoblöcke, aber keineswegs ein Massenmarkt-Give-Away-Preis. Und in diesem Zusammenhang verstehen wir wirklich nicht, dass Massonnets Fauteuil 300 heute nicht mehr produziert wird, formal und konzeptionell ist er so frisch und relevant wie eh und je. Und er ist ein ebenso gültiges Werk wie die Werke eines Panton, eines Bätzner oder eines Magistretti.

5. Berühmt ist, dass Michael Thonet 1856 ein Patent für ein Verfahren erhielt, sehr zum Missfallen seiner Konkurrenten, die erfolglos darum kämpften, dass es ihm entzogen wurde. Thonet verzichtete 1869 freiwillig auf sein Patent, und zu diesem Zeitpunkt war der internationale Vorsprung des Unternehmens bereits gefestigt. Stellen Sie sich vor, jemand, sei es Henry Massonnet, die Proserpios oder sonst jemand, hätte ein Patent auf die Herstellung von Spritzgussstühlen aus Polypropylen……..

6. Wir können weder das genaue Jahr noch den niederländischen Großhändler und/oder den Namen, unter dem die Stühle vermarktet wurden, herausfinden. Ich würde jedoch behaupten, dass dies ein wichtiger Teil der Geschichte ist und aufgezeichnet werden muss.

7. Laut Hatje Cantz sind es 122 Bilder, gefühlt eine ganze Menge mehr. In einem guten Sinne.

8. Angenommen, es war seins, was wir tun.

9.1981 erhielt Henry Massonnet ein französisches Patent für einen seiner Monoblock-Entwürfe von 1972 und 1984 ein amerikanisches Patent für denselben Entwurf. Er war sich also, so werden wir argumentieren, des sich wandelnden Schicksals der Kunststoffmöbel bewusst, als die 1970er Jahre in die 1980er Jahre übergingen. Er war jedoch nie in der Lage, daraus in dem Maße Kapital zu schlagen, wie es die Familie Proserpio tat. Obwohl sie wohl die gleichen Möglichkeiten hatte. Und einen leichten Vorsprung, wenn auch mit Verzögerung, hatte. Soweit uns bekannt ist, haben die Proserpios auch nichts patentiert, was ihn daran gehindert hätte. Bei aller Sympathie, die man für Massonnet haben kann und muss, waren die Proserpios also einfach einen Tick besser. Allerdings sind wir uns ziemlich sicher, dass Anton Lorenz, wäre er in den 1980er Jahren noch unter uns gewesen, Massonnet einen beträchtlichen finanziellen Erfolg beschert hätte.

10.Eine Phrase, die Springsteen oft wiederholt, uns gefällt sie hier besonders gut (sie kommt ganz am Anfang) https://www.youtube.com/watch?v=IxuThNgl3YA

11. Wir haben uns jedoch einen kleinen Teil des Podcasts angehört, um zu versuchen, die Fakten über den niederländischen Großhändler aus den 1980er Jahren zu erfahren, die dort nicht vorkommen und daher, so vermuten wir, auch nicht im Film zu finden sind. Aber wir argumentieren weiterhin, dass sie relevant sind. Und, nein, nicht nur aus der Perspektive der Vollständigkeit…….

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