Sommerlesetipp: Open Design Now: Why Design Cannot Remain Exclusive

Ein kostenloses Mittagessen gibt es im Internet zwar nicht, dafür aber kostenlose Software, Musik, Fotos und Videos.

Viel wichtiger aber ist, dass im Internet nicht nur die Voraussetzungen liegen, das zu teilen, was wir tun, sondern dass wir dank Internet ändern können, was andere tun – und zwar so, dass es unseren Erwartungen entspricht.

Die Autoren und Herausgeber von „Open Design Now: Why Design Cannot Remain Exclusive“ glauben, dass das, was heutzutage die Norm in den digitalen Medien ist, bald auch normal im Produktdesign sein wird.

Auch wenn Open Design schon seit zwei Jahrzehnten Thema ist, beginnt es doch erst jetzt langsam einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu werden, sodass nun auch von einer kritischen Masse die Rede sein kann. Und von Relevanz.
Mit „Open Design Now: Why Design Cannot Remain Exclusive“ liegt uns erstmals ein Ansatz vor, der versucht Ideen, Konzepte und Visionen zum Thema in eine kohärente Diskussion einzubinden.

Im Wesentlichen grenzt sich der „Designer“ im Sinne des Open Designs insofern von seinem konventionellen Pendant ab, als er sein „Design“ online zugänglich macht. – Kostenlos und für jedermann. Die „User“ können das besagte Design dann downloaden und selber in die Produktion bringen. Wer will, kann das Design sogar an eigene ästhetische Kriterien anpassen.

Open Design Now: Why Design Cannot Remain Exclusive

Open Design Now: Why Design Cannot Remain Exclusive

Ein Freund, der durch das Buch blätterte, stellte die naheliegende Frage, wo dabei eigentlich der Unterschied zum Do-it-yourself-Konzept liege.

Unsere Antwort: Es ist Do it yourself. Oder eben Do it yourself 2.0.

Einige Autoren in „Open Design Now“ argumentieren so, dass früher alle Produkte auf ähnlichen, analogen Wegen geschaffen worden seien. Dann kam es – zumindest im Norden – zur Industrialisierung und in diesem Zusammenhang zum allgemeinen Wohlstand. Daraus resultierte nicht nur der Verlust jener Mittel, die einst Grundlage der individuellen Produktionszugänge waren, sondern vorallem der Tatsache, dass wir es uns neuerdings leisten konnten all die Dinge zu kaufen.

Heute kann jeder mithilfe von Laser Cuttern, 3D Druckern und CNC Cuttern quasi alles wieder selber machen. Wir sind im DIY2.0. Open Design Zeitalter angekommen.

DIY1.0 existiert zwar auch noch, DIY2.0 führt es allerdings fort – und erobert die Grundlagen zurück, die mit der Industrialisierung verloren gegangen ist.

Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass CNC Cutter, 3D Drucker und Laser Cutter trotz allem nicht das Problem lösen können, „… dass wir es uns neuerdings leisten konnten all die Dinge zu kaufen.“ Aber dazu später mehr.

„Open Design Now: Why Design Cannot Remain Exclusive“ geht das Thema auf verschiedenen Ebenen an. So ist das Buch zum einen eine gute Einführung in das Thema für Laien, die die auf der Hand liegenden Fragen „Warum?“ und „Wie?“ beantwortet, ohne dabei jedoch dogmatisch zu sein. Man hat jederzeit die Möglichkeit nicht einverstanden zu sein und das Geschriebene sogar absurd zu finden. Andererseits wird eine Basis für tiefergehende Diskussionen zu speziellen Fragen geschaffen, was für all jene interessant sein dürfte, die bereits auf Erfahrungen in dem Bereich zurückgreifen können.

Was das Buch allerdings nicht angeht, ist die „Klingt ja alles schön und gut, aber was ist da für mich drin?“-Frage. Klar, es erklärt, dass man in ein FabLab gehen kann und sich einen Beistelltisch laser-cutten kann. Aber wer macht das schon?
Nicht einmal droog Oberboss Renny Ramakers, wie man auf Seite 132 nachlesen kann.

Es ist das gleiche wie mit einem Curry – die meisten von uns können, wenn es hart auf hart kommt, eine anständige Version zaubern. In den meisten Fällen werden wir aber zur Fertigsauce greifen oder den Lieferservice verständigen. Nur von Zeit zu Zeit machen wir uns tatsächlich die Mühe unser eigenes Curry zu kochen.

Unserer Meinung nach ist Open Design nichts anderes: Es wird eine Domäne für Enthusiasten und jene, die eine Alternative zu IKEA und Co. suchen, bleiben.

Das soll nicht heißen, dass wir nichts von der Idee halten. Wir sind große Fans und überzeugt, dass Open Design eine immer größere und wichtigere Rolle spielen wird; aber es wird nicht die Designermöbelindustrie per se revolutionieren. Zumindest nicht so stark, wie es manche der Autoren in „Open Design Now“ hoffen.

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Das soll genauso wenig heißen, dass die Industrie das Phänomen ignorieren soll. Keineswegs. Es zu ignorieren wäre vermessen.

Open Design schafft interessante neue Vertriebswege für Hersteller, zeigt Möglichkeiten Geld und Materialien zu sparen genauso wie Strategien „beta“-Designs fernab der Serienproduktion öffentlich zu machen.

Um nicht das alte Problem „… dass wir es uns neuerdings leisten konnten all die Dinge zu kaufen“ zu vergessen. Nur weil die Pläne für den neuen Ron Arad Tisch kostenlos runtergeladen werden können, heißt das nicht, dass das auch jemand tun wird. Die Mehrheit wird es weiterhin bevorzugen eine fertige Kopie nach Hause geliefert zu bekommen – und für dieses Privileg bereitwillig bezahlen.

Was aber der vielleicht wichtigste Aspekte des Open Designs ist: Für die Designer bedeutet es, dass sie sich ein Stück weit aus der bisherigen Abhängigkeit von den Herstellern lösen können. Dank Open Design haben sie die Möglichkeit zukünftig viel freier zu agieren – und immer mehr werden sich dafür entscheiden.

Und kein Hersteller wird es sich nehmen lassen den nächsten Bouroullec, Grcic oder Diez zu vertreiben, nur weil er starr an überholten Zahlungsmodellen hängt. Die Hersteller müssen die Potentiale des Open Designs für sich erkennen und sicherstellen, dass es ihnen gelingt sie für sich zu nutzen.
„Open Design Now: Why Design Cannot Remain Exclusive“ bietet einige Einsteigertipps dafür.

Und für Produktdesign-Interessierte ist das Buch eine wunderbare, zum Nachdenken anregende Exkursion in eine Welt, in der ein Designer unser Freund und Helfer, und nicht diese allwissende Gottheit, ist.

Wir für unseren Teil können es kaum erwarten, bald auch unser Mitagessen in 3D auszudrucken.

„Open Design Now: Why Design Cannot Remain Exclusive“ wird über BIS Publishers verlegt und ist auch erhältlich als Open Source Online Buch @ opendesignnow.org

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