Norm=Form, über Standardisierung und Design

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Norm=Form, über Standardisierung und Design

So sehr wir alle auch glauben wollen, dass es im Produkt- und Möbeldesign nur um Ästhetik und „form follows function“ geht –  ohne dröge Bürokratie geht fast nichts.

Warum haben Bürodrehstühle ein Fünf-Fuß-Untergestell und nicht vier Füße?

Warum haben Sicherheitsgurte in Flugzeugen alle das gleiche System?

Warum kann man Kopfhörer in jedes tragbare Gerät stecken?

Die Antwort ist: Normen oder Standards – Richtlinien, die vorgeben, wie Dinge gestaltet und getestet werden sollten.

Normen sind normalerweise nicht rechtlich bindend, aber in vielen Marktsektoren haben „non-Norm“-Produkte kaum eine kommerzielle Chance. Für seriöse Hersteller sind normgerechte Produkte auch Teil ihrer Garantie für die Kunden, dass die angebotenen Produkte sicher und technisch für die vorgesehenen Zwecke geeignet sind.

Designer können Normen also nur schwer ignorieren.

Am 2. September findet in Leipzig ein niederländisch-deutsches Symposium statt, welches Normen und ihre Rolle in der Kreativbranche, z.B. Architektur, Industriedesign, Grafikdesign oder Modedesign, betrachtet.

Im Vorfeld des Symposiums haben wir mit dem Mitinitiatoren Bernd Schröder von Schröder Design in Leipzig über Normen, ihre Rolle im täglichen Designerleben und das Ziel des Symposiums gesprochen. Zunächst wollten wir mehr über die Geschichte und den Hintergrund von Normen wissen.

Bernd Schröder

Bernd Schröder: Die Norm als solche gibt es schon seit Anbeginn der Menschheit, mit der Industrialisierung ist dann die technische Norm entstanden. Ursprünglich sollte die Produktion durch die Standardisierung vereinfacht werden. Ein gutes Beispiel sind Maße. Früher waren die Normen menschliche Maße – Fuß oder Elle z.B., dann entstand der Urmeter in Paris als erstes standardisiertes globales Maß, aber eben auch Normen für Farben, Oberflächen, Materialien etc.

Mein Lieblingsbeispiel ist der Elektrostecker, der in jedem Land anders ist. Ich denke da an das Elektroauto: Ich könnte damit gar nicht über die Grenze fahren, wenn ich nicht für jedes Land den passenden Stecker habe. Bevor wir also das Elektroauto immer weiter entwickeln, müssen wir einen gemeinsamen Stecker finden – zumindest um Autos aufzuladen.

(smow)blog: In welchen Bereichen spielen Normen eine Rolle für die Arbeit als Industriedesigner?

Bernd Schröder: Hauptsächlich bei technischen Produkten, z.B. Mess- oder Analysegeräten. Es gibt zwar viele Normen, aber nicht alle betreffen einen. Aber auch in der Mode gibt es ja z.B. Normen mit den standardisierten Größen S, M, L…

(smow)blog: Wenn Sie z.B. einen neuen Rollstuhl entwerfen, was kommt zuerst – das Grunddesign oder die Frage welche Normen eventuell gelten?

Bernd Schröder: Das ist immer der Spagat mit dem man leben muss, zu entscheiden, was wichtiger ist. Ich versuche schon zuerst das Design zu entwerfen und schaue dann, welche Normen zur Anwendung kommen. Beim Rollstuhl wäre es z.B. wichtig den Aspekt der Reinigung und Desinfektion zu berücksichtigen, d.h. eher glatte Oberflächen und keine Textur, die Keime keimen lässt, zu verwenden. Das ist zwar wichtig, aber ein Schritt der eher nachgelagert ist.

(smow)blog: Sind Normen hilfreich oder behindern sie eher die Kreativität?

Bernd Schröder: Sie sind hilfreich, denn sie nehmen einem Entscheidungen ab. Außerdem ist man in gewisser Weise abgesichert. Aber natürlich ist es immer ein Balanceakt zwischen Kreation und Institution.

(smow)blog: Was ist der Hintergrund zum Norm=Form-Symposium?

Bernd Schröder: Wir hatten viele private Diskussionen zu dem Thema, wie viele Normen einem Designer im Wege stehen – aber immer eher aus der historischen Perspektive. Mit dem Symposium wollen wir nach vorn blicken. Was kann die Zukunft bringen? Wie kann ein Designer oder Kreativer Normen beeinflussen? Wie können wir aktiv Normen gestalten und nicht nur passiv mit ihnen arbeiten?

(smow)blog: Was soll damit erreicht werden?

Bernd Schröder: Walter Gropius hat versucht viele Disziplinen in einer Schule zu vereinen. Wir wollen das Symposium nicht mit dem Bauhaus vergleichen, würden es aber gerne sehen, wenn viele Designfelder – von Architektur über Mode und Grafikdesign bis hin zu Produktdesign – das Thema interdisziplinär diskutieren. Was kann man man von den anderen lernen? Das ist der Hauptaspekt dieses Symposiums, aber es kann nur einen Impuls geben, der Prozess muss dann weitergeführt werden.

smow)blog: Was ist der nächste Schritt?

Bernd Schröder: Ich denke, es wäre interessant das Symposium mit einem anderen Land zu wiederholen. Dieses Mal diskutieren wir mit Kollegen aus Holland, aber ich kann mir gut vorstellen das mit Italien oder der Schweiz zu wiederholen. Wir planen auf jeden Fall ein zweites Symposium in ca. 18 Monaten. Jeden Juni gibt es den World Industrial Design Day, ein Termin im Juni 2013 wäre also nicht schlecht.

(smow)blog: Und wie ist denn nun der Stand der Dinge beim Elektroautostecker?

Bernd Schröder: Der ist mittlerweile sichergestellt. Man hat sich auf einen Stecker geeinigt, braucht also keine Normen für die Batterien. Der Stecker steht, der Rest ist Design!

„Norm=Form, über Standardisierung und Design“ findet am 2. September 2011 in Leipzig statt. Details gibt es unter www.designdenhaag.eu/

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