Kunstgewerbemuseum Dresden: Programm Sommersaison 2014

Als der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Hartwig Fischer, Tulga Beyerle als Direktorin des Kunstgewerbemuseums Dresden vorstellte, gab er die überzeugte Vorhersage ab, dass sie mit Tulga Beyerle jemanden gefunden haben, „…mit dem das Museum ins 21. Jahrhundert geführt werden kann.“

Wir sind nicht 100% sicher, ob sich die lieben Leute in Dresden bewusst sind, mit welcher Kraft sie und ihr bisher etwas verschlafenes Museum für angewandte Kunst und Handwerk in das 21. Jahrhundert katapultiert werden wird… aber es verspricht eine Höllenfahrt zu werden.

An der südlichen Grenze Dresdens in der ländlichen Pracht des Schlosses Pillnitz gelegen, ging es im Kunstgewerbemuseum Dresden bisher vor allem um den Garten sowie die pittoreske Umgebung rund um die Elbwiesen und gehörte als Institution zu der klassischen Sorte von Museum für angewandte Kunst, bei dem alte Objekte in alten Räumen gezeigt werden. Bis im September 2013 die unerwartete und fast surreale Bekanntmachung kam, dass Tulga Beyerle, Mitbegründerin der Vienna Design Week – eine der experimentelleren und theoretischeren europäischen Designmessen -, die Stelle als neue Direktorin bekommen wird… Ein wahrhaft radikaler Neuzugang für eine Institution, die bis dato nicht wirklich Sonderausstellungen ausrichtete und bei weitem kein Ort war, der mit Inspiration und Experimentierfreude assoziiert werden konnte.

Wir vermuten, das wird sich nun ändern. Allein für dieses Jahr hat das Kunstgewerbemuseum Dresden vier Sonderausstellungen geplant; drei in den Sommermonaten im Schloss Pillnitz und eins über den Winter im Lipsiusbau in Dresdens historischer Altstadt.

Das Programm steht nicht nur für einen fundmentalen Neuanfang, sondern auch für eine sportliche kuratorische Herausforderung.

Wie gesagt, wir sind nicht sicher, ob Dresden, oder vielmehr Sachsen, darauf vorbereitet ist…

Schloss Pillnitz

Schloss Pillnitz, Dresden

Die erste Sonderausstellung im Schloss Pillnitz ist „WerkStadt Vienna. Design Engaging the City„, eine Wanderausstellung der Vienna Design Week, die ausgewählte Projekte der Passionswege von der Vienna Design Week präsentiert. Bei den Passionswegen werden junge Designer mit traditionellen Wiener Handwerksbetrieben zusammengebracht, um ein gemeinsames Projekt zu entwickeln; und zwar eines, von dem im besten Falle beide Parteien profitieren und das normalerweise wirklich hervorragende Ergebnisse erzielt.

In unserem Post „5 neue Designausstellungen im Mai 2014“ haben wir uns gefragt, inwiefern „WerkStadt Vienna“ ein Willkommensgeschenk von Tulga Beyerle für ihren neuen Arbeitgeber war, mit dem sie ihre Referenzen präsentieren will. Bei der Vorstellung des Programms für 2014 zeigte sich, dass wir damit richtig lagen. „Die Ausstellung“, erklärte sie, „beinhaltet viel, was mit meiner Arbeitsweise und meinem Verständnis von experimentellem Design und traditionellem Handwerk verbunden ist.“

Die Verbindung von Experiment und Tradition kann auch in der zweiten Sonderausstellung gefunden werden. „Rochaden. Designer treffen auf die Sammlung“ soll im Juni eröffnet werden. Für „Rochaden“ bat Tulga Beyerle fünf junge Designstudios, die Sammlung des Kunstgewerbemuseums zu erkunden und ein Projekt auf Basis eines Diskurses und Dialoges mit einem Objekt ihrer Wahl zu entwickeln. Mit Mischer’Traxler, Lorios & Livia, Dechem, Trading Places, Judith Seng und Daphna Laurens hat die Ausstellung die
besten Voraussetzungen, um äußerst unterhaltsam, informativ, originell und inspirierend zu werden.

Im Gegensatz dazu vermischt die dritte für diesen Sommer im Schloss Pillnitz geplante Ausstellung, „Okolo Offline“, Tradition und Gegenwart nicht. Zumindest hat „Okolo Offline One“ das nicht getan. Die Ausstellung in Dresden ist mit „Okolo Offline Two“ betitelt und wird die erste Fassung der Ausstellung aus dem Depot Basel erweitern.

So sehr wir „Okolo Offline“ und die Arbeit von Okolo auch mögen, waren wir etwas überrascht, es im Programm vom Kunstgewerbemuseum zu sehen. Doch, wie Tulga Beyerle erklärte, ist die Aufnahme ins Programm wohl überlegt und liegt ungefähr 140 km flussaufwärts vom Schloss Pillnitz: „Etwas, was mir von Anfang an an der Lage gefiel, ist die Nähe zu Polen und Tschechien – zwei Länder, die ich gut von der Vienna Design Week kenne und die eine vielfältige, lebendige Designszene haben. Indem wir so ein dynamisches und autonomes Designstudio wie Okolo hier in Dresden präsentieren, haben wir ein Echo in Prag, was sehr wichtig für mich ist und hoffentlich der Anfang eines Netzwerkes sein kann.“

Das alles bedeutet, dass die frühere Sommerresidenz von Friedrich August I von Sachsen und Spielplatz von Dresdens Hof von einst die inoffizielle Sommerresidenz der zentraleuropäischen Designprominenz und jenen, die sich dazu zählen, werden könnte. Diese Entwicklung würde auch für die Schlossfähre, die kleine Fähre, die Besucher über die Elbe zum Schloss Pilnitz bringt, die schöne Aussicht birgen, im Sommer voll besetzt mit Hipstern zu sein. Und das ist etwas, was wir liebend gerne sehen würden. Tag für Tag und immer wieder…

Neben den Ausstellungen während der Sommersaison im Schloss Pillnitz wird das Kunstgewerbemuseum in Dresden direkt auch eine Winterausstellung organisieren – aus konservatorischen Gründen öffnet das Kunstgewerbemuseum nur von Mai bis Oktober, was bisher gezwungenermaßen zu einem Winterschlaf führte. Aber auch damit ist jetzt Schluss. Eine noch zu bestätigende Ausstellung im Lipsiusbau wird nicht nur helfen, das Museum über den Winter zu bringen, es wird, oder sollte auf jeden Fall, Dresden auch daran erinnern, dass das Schloss Pilnitz nicht nur etwas für entspannte Sommertage, sondern auch ein aktives modernes Designmuseum ist.

Kunstgewerbemuseum Dresden Schloßfähre

Die Dresdner Schlossfähre.... Wir hoffen, Hipster sind nicht wasserscheu!

Aber zuerst gilt es „WerkStadt Vienna“ zu entdecken. Wie wir nie müde zu wiederholen werden, ist das Programm der Passionswege für uns ohne Frage eines der besten auf der Vienna Deisgn Week und tatsächlich sogar eines der innovativsten Programme von allen Design Weeks, damit einen Besuch also absolut Wert. Obwohl wir alle der gezeigten Projekte bereits kennen und eine Abwandlung der Ausstellung schon in Mailand gesehen haben, war es eine Freude, die Objekte in dem schamlos verschwenderischen Glanz des Schlosses Pillnitz wiederzufinden, wo die vertrauten Arbeiten in ganz neuem Licht erschienen und wo z.B. Julia Landsiedls Schneekugeln wirken, als wollen sie das Schloss einfangen und für immer hinter einem künstlichen Schneesturm versteckt halten.

Lange Rede, kurzer Sinn. Wer die Passionswege-Projekte noch nicht gesehen hat, wird bei WerkStadt Vienna im Kunstgewerbemuseum Dresden eine hervorragende Einführung dazu finden, und wer sie schon kennt, wird sie von einer neuen Seite kennenlernen.

Für Tulga Beyerle hat die Ausstellung eine andere Bedeutung. Sie sagte nicht ganz ohne Stolz, „Das ist meine Vergangenheit und die Zukunft dreht sich ganz um das Museum. Und da gibt es eine Menge zu tun.“

Der Anfang ist mehr als vielversprechend.

„WerkStadt Vienna. Design Engaging the City“ ist bis 27. August im Kunstgewerbemuseum, Schloss Pillnitz, Dresden zu sehen.

Alle Informationen gibt es unter www.skd.museum und das vollständige Intervew mit Tulga Beyerle folgt bald.

 

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