5 neue Designausstellungen im Mai 2015

Die größte – und zweifellos mit dem höchsten Budget ausgestattete – neue Architektur- und Designausstellung im Mai 2015 ist die Weltausstellung in Mailand, die am 1. Mai begonnen hat. Unter dem zentralen Thema „Feeding the Planet, Energy for Life“ zeigt die Expo Präsentationen aus ungefähr 140 Ländern in einer ähnlichen Anzahl von Pavillons, die von weltweit führenden Architekturbüros entworfen sind, und verspricht eine unvergleichliche Erforschung zukünftiger Strategien, die stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Und bringt hoffentlich auch dem Mailänder Hotelgewerbe soviel Gewinn ein, dass sich die Hotelbetreiber im kommenden April vielleicht sagen: Wisst ihr was, lasst uns unsere Zimmer während der Mailänder Möbelmesse zu bezahlbaren Preisen vermieten. Lasst uns aufhören, die Möbel- und Designindustrie auszunehmen und stattdessen realistische Preise veranschlagen, um die ganze Veranstaltung bezahlbarer und so einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Mailand ist eine freundliche Stadt, lasst uns das zeigen!

Natürlich werden sie das nicht tun. Aber wir lassen uns nicht nehmen, zu träumen.

Und hier, Mailand ignorierend, fünf wirklich vielversprechende Architektur-und Designausstellungen im Mai 2015 vor.

„Jasper Morrison – Thingness“ im CID – Grand-Hornu, Hornu, Belgien

Unter dem Titel „Thingness“ zeigt das CID – Grand-Hornu die erste Retrospektive von Jasper Morrison überhaupt. Ein Satz, aus dem sich zwei Fragen ergeben.

Erstens: Wirklich? Niemand hat jemals eine Jasper-Morrison-Retrospektive gezeigt? (Uns fallen etliche Museen ein, die das längst getan haben sollten.)

Zweitens: Warum ausgerechnet Belgien?

Versteht uns nicht falsch, die Ausstellung hört sich fantastisch an – verspricht sie doch eine chronologische Reise durch 35 Jahre kreativen Output von Jasper Morrison, und das in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern und Disziplinen. Im Grunde also eine exzellente Gelegenheit, die stilistische und philosophische Entwicklung Jasper Morrisons vom atemlosen Studenten auf der ersten Memphis-Ausstellung in Mailand zum höflichen, distanzierten Großmeister des zurückhaltenden europäischen Designs von heute nachzuvollziehen.

Aber warum Belgien?

CID – Grand-Hornu ist eine sehr angesehene Institution mit einer langen Liste interessanter Ausstellungen. Doch angesichts der sehr viel engeren Verbindungen, die Morrison zu anderen Ländern und Regionen hat… Nichtsdestotrotz gehört Belgien, wie wir wiederholt festgestellt haben, momentan zu den interessanteren Ländern in Sachen Möbeldesign. Und so ergibt es vielleicht doch Sinn, dass sich ein Designer wie Jasper Morrison gerade zu Belgien hingezogen fühlt.

„Jasper Morrison – Thingness“ öffnet im CID – Grand-Hornu, Site du Grand-Hornu, Rue Sainte-Louise 82, 7301 Hornu Sonntag, am 10. Mai und läuft bis zum 13. September.

 

Plywood Chair by Jasper Morrison for Vitra, part of Jasper Morrison - Thingness

Plywood Chair von Jasper Morrison für Vitra, ein Teil von „Jasper Morrison – Thingness“ im CID – Grand-Hornu

„Das Prinzip coop – Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung “ im Bauhaus Dessau

Man kann wohl sagen, dass Hannes Meyer der am wenigsten gefeierte und bekannte der drei Bauhaus-Direktoren ist. Beim Bauhaus Dessau versucht man nun, Ruhm und Image des zweiten Direktors zu befördern, indem man sich vertieft mit einem zentralen Aspekt seiner Philosophie beschäftigt; einem Aspekt, der in vielerlei Hinsicht relevanter für unsere heutige Gesellschaft ist als all die Stahlrohrmöbel  und viereckigen Häuser, die man mit Meyers Kollegen Gropius und Mies van der Rohe in Verbindung bringt: dem Kollektiv. Hannes Meyer selbst entwickelte kaum ein Projekt allein und zog stattdessen die Zusammenarbeit mit anderen vor. Heute sind Ideen kollektiver Kraft, kollektiver Verantwortung und kollektiven Denkens immer häufiger die Grundlage von Design- und Architekturprozessen.

Kollektiv wie auch gemeinsam sitzen wir alle im selben Boot. Unter Hannes Meyer wurde die Formulierung „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ zum Schlachtruf des Bauhauses; heute sehen Designer und Architekten ihre Rolle zunehmend darin, hilfreich für die Gesellschaft zu sein, statt kommerzielle Güter zu schaffen.

Mit einem Fokus auf „Kollektiv-Ideen“ in Bereichen wie Bildung, Gesellschaft, Landschaft und natürlich Architektur möchte das Bauhaus Dessau Hannes Meyer – in Ergänzung zur detaillierteren Erkundung seiner Person – im modernen Kontext erklären und so die bleibende Relevanz seines Denkens, seiner Methodik und damit seiner Amtszeit unterstreichen.

„Das Prinzip coop – Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung“ öffnet in der Stiftung Bauhaus Dessau, Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau am 21. Mai und läuft bis Sonntag, den 4. Oktober.

The coop principle – Hannes Meyer and the Concept of Collective Design Bauhaus Dessau

Hannes Meyer (Photo: Courtesy Stiftung Bauhaus Dessau)

„Telling Time“ im mudac – Musée de design et d’arts appliqués contemporains, Lausanne, Schweiz

Bedenkt man, dass die ganze Welt sehr, sehr aufgeregt über die neue Fruit Watch ist und zugleich die Möglichkeit besteht, dass tausend andere Firmen sehr, sehr ähnliche Produkte zu einem Bruchteil des Preises auf den Markt bringen, erscheint die neue Ausstellung im Mudac in Lausanne äußerst passend: „Telling Time“ zeigt nicht nur die zentrale kulturelle Rolle von Uhren, ihrer Produktion und der Zeitansage, sondern unterstreicht zugleich, wie sich Zeitansage als Prozess kontinuierlich verändert – und durch diese Neuerfindung seine Faszination und Relevanz behält, unabhängig von der unveränderten Funktion. Zu diesem Zweck verspricht „Telling Time“, Exemplare des historischen analogen Uhrendesigns von einigen der prestigeträchtigsten Schweizer Marken und modernere, digitale Uhren zu präsentieren – in Gegenüberstellung zu Arbeiten zeitgenössischer Künstler und Designer wie beispielsweise „365 Knitting Clock“ von Siren Elise Wilhelmsen, „Grandfather Clock“ von Maarten Baas oder Ivan Argotes „Time is Money“.

„Telling Time“ öffnet im Mudac – Musée de design et d’art appliqués contemporains, Pl. de la Cathédrale 6, Lausanne, am Mittwoch, den 27. Mai und läuft bis Sonntag, den 27. September.

Time is Money by Ivan Argote (outtake at 10:41:59) (Photo: © Galerie Perrotin, courtesy of mudac – Musée de design et d’arts appliqués contemporains, Lausanne)

Time is Money von Ivan Argote (outtake bei 10:41:59) (Foto: © Galerie Perrotin, mit freundlicher Genehmigung des mudac – Musée de design et d’arts appliqués contemporains, Lausanne)

„De Invasie on display“ im Design Museum Gent, Gent, Belgien

Im Jahr 2010 gründeten drei mutige Seelen De Invasie als Plattform, um junges belgisches Design – sei es Einrichtung, Mode, Grafik oder Fotografie – zu fördern und zu verbreiten. Neben diesem Netzwerk für belgische Designer organisiert De Invasie auch regelmäßig Gruppenausstellungen auf Design Messen und nun, in Zusammenarbeit mit dem Design Museum Gent, eine erste museale Ausstellung. Da die Ausstellung wie alle De Invasie Projekte auf der Basis organisiert wurde, dass sich Teilnehmer bewerben statt ernannt zu werden, rechnen wir nicht mit einer sonderlich tiefgründigen kuratorischen Poisition, die sich durch die Ausstellung zieht; wir erwarten allerdings eine Ausstellung, die etliche Beispiele des äußerst spannenden und innovativen kreativen Talents präsentiert, das man derzeit im Königreich Belgien findet – also eine Ausstellung, die einmal mehr die Stärke des aktuellen belgischen Designs unterstreicht. Ein bisschen in der Weise, wie das MoMA New York in den 1950er Jahren das amerikanische Design mit Ausstellungen wie „Good Design“ promotete.

„De Invasie on display“ öffnet im Design Museum Gent, Jan Breydelstraat 5, 9000 Gent am 8. Mai und läuft bis Sonntag, den 13. September.

De Invasie on display Design Museum Gent

De Invasie on display im Design Museum Gent

„Workplace for the New World“ im Bureau Europa, Maastricht, Holland

„Was rechtfertigt den Aufwand der Arbeit?“ fragt die Einleitung zur aktuellen Ausstellung im Bureau Europa, „Wie geben unsere alltäglichen Tätigkeiten unserem Leben und unserer physischen Umgebung eine Bedeutung?“

Fragen, die tendenziell auf eine Ausstellung hinweisen, die an einem feuchten, winterlichen Montagmorgen in einem kalten Bahnhof ersonnen wurde.

Ungeachtet dessen, wie und warum diese Ausstellung konzipiert wurde, verspricht sie, einen sehr wichtigen Aspekt der heutigen Gesellschaft zu untersuchen: Wie werden wir in Zukunft arbeiten und wie werden wir sicherstellen, dass unsere Arbeitsmethoden nachhaltig, sachdienlich und dennoch einträglich sind?

Neben einer zentralen Ausstellung über das Wesen der Arbeit, den Begriff „Arbeit“ und die zukünftige Rolle der Arbeit verspricht „Workplace for the New World“ auch eine Reihe von Workshops und Vorträgen, die neue Positionen präsentieren, analysieren und prüfen. So erhält die Ausstellung eher eine aktivierende als reflektierende Note – work in progress, wenn man so will.

„Workplace for the New World“ läuft im Bureau Europa, Timmerfabriek, Boschstraat 9, 6211 AS Maastricht seit dem 1. Mai und läuft bis Sonntag, den 5. Juli.

Workplace for the New World Bureau Europa Maastricht

Workplace for the New World im Bureau Europa, Maastricht

Tagged with: , , , , , , , , , ,