smow Blog Interview: Fabian Burns, DMY Design Festival Berlin – Wir glauben, dass es sich um ein Festivalformat handelt, an dem bleibend Nachfrage und Interesse bestehen.

Wie im Vorfeld berichtet, hat die DMY Berlin GmbH & Co. KG – mehr als eine Dekade lang Veranstalter des jährlichen DMY Berlin Design Festivals – im Oktober 2014 Konkurs angemeldet. Das Festival selbst findet dennoch weiterhin statt, unter der Schirmherrschaft des neues Organisators about:design.

“DMY ist tot. Lang lebe das DMY”, sozusagen.

Die 2015er Ausgabe des DMY öffnete am Donnerstag, den 11. Juni ihre Pforten, und läuft bis Sonntag, den 14. Juni. Im Vorfeld der Eröffnung haben wir mit Fabian Burns gesprochen, dem Creative Director des DMY 2015 und ehemaligen Creative Producer von DMY Berlin, um mehr über das Festival 2015, den Hintergrund des Neubeginns und Pläne für die Zukunft herauszufinden. Eingangs jedoch stand die Frage, wie es zur Entscheidung kam, das Festival trotz der Insolvenz fortzuführen.

Fabian Burns: Die DMY Berlin GmbH & Co. KG war mehr als nur das Festival und als Organisation in zahlreiche Projekte involviert – doch offensichtlich, nach 13 Jahren, sind Festival und Organisation in den Köpfen der meisten Menschen untrennbar miteinander verbunden. Weil es aber viele Gründe gab und gibt, warum DMY Berlin GmbH & Co. KG Insolvenz anmelden musste, war nicht das Festival daran schuld – und so war es eine relativ logische Entscheidung, dieses fortzuführen.

smow blog: Und war die Entscheidung, den Namen zu behalten, ähnlich logisch?

Fabian Burns: Die Entscheidung, unter dem Namen DMY weiterzumachen, hat in hohem Maße mit der Situation der Partner von About Design zu tun. Sie gehören zu den Kreditgebern von DMY Berlin GmbH & Co. KG, weshalb sie – mit Blick auf offene Schulden – geschützte Rechte am Festivalnamen, an den Logos etc. haben. Das bedeutet nicht, dass das Festival in Zukunft zwangsläufig als DMY bekannt sein wird, aber für 2015 fiel diese vernünftige Entscheidung, die ich richtig finde.

smow blog: Wenn man mit Designern in Berlin über das Festival spricht, begegnet man oft der Ansicht, dass das Format nicht mehr so angemessen sei für Berlin, vielleicht nicht so „contemporary“, nicht so zeitgemäß. War der Bankrott der DMY GmbH nicht eine Gelegenheit, das Format zu reflektieren und Dinge zu verändern?

Fabian Burns: Ich habe oft ähnliche Positionen gehört. Dennoch verzeichnet das Festival in den vergangenen Jahren sehr stabile Besucherzahlen, und insofern denke ich, dass es sich im Wesentlichen um eine akademische Diskussion handelt: Letzten Endes ist das DMY ein Festival, und Festivals existieren nur, solange Menschen Geld zahlen, um sie besuchen – und sie dadurch ökonomisch lebensfähig machen. Wenn das aufhört, der Fall zu sein, muss man natürlich überlegen, ob Veränderung notwendig sind oder ob das ganze Konzept einfach nicht länger gefragt ist. Wie auch immer, wenn man die vergangenen Festivals betrachtet, waren sie aus finanzieller Perspektive existenzfähig, und das ist, wie ich sagte, der Grund, warum wir weitermachen. Niemand wird von einem Festival wie dem DMY Berlin reich, aber wir glauben, dass es sich um ein Festivalformat handelt, an dem bleibend Nachfrage und Interesse bestehen.

smow blog: “Reich werden” ist ein gutes Stichwort. In der Vergangenheit gehörte zu den, sagen wir, größten „Bauchschmerzen“ des DMY Festivals, dass es keinerlei öffentliche Fördermittel gab. Hat sich das geändert, gibt es irgendeine offizielle Förderung?

Fabian Burns: Nein, das Festival wird nicht gefördert, was eine Situation ist, die ich tief bedauerlich finde – denn wenn ein Event wie das DMY ein interessantes, fundiertes, unabhängiges Programm mit Gesprächen, Diskussionen und ähnlichen Veranstaltungen entwickeln will, ist das etwas, das meines Erachtens auf lange Sicht nur mit öffentlicher Finanzierung überleben kann. So ein Nebenprogramm ist im Kern unökonomisch, da es nicht zwingend Gewinn generiert, welcher die damit verbundenen Kosten deckt. Allerdings sollte man auf der anderen Seite nicht zu abhängig von Fördermitteln werden, um nicht politischen Entscheidungen ausgeliefert zu sein, sondern immer versuchen, auf eigenen finanziellen Beinen zu stehen. Wenn dann noch Fördergelder kommen, ist das fantastisch und eine Gelegenheit, mit diesem Geld dem Festival mehr Tiefe zu geben und einen weiteren Horizont.

smow blog: Und nicht-finanzielle Unterstützung …?

Fabian Burns: Nichts.

smow blog: Trotz des neuen Kultursenators in Berlin? Wir dachten, das könnte etwas in Bewegung gesetzt haben.

Fabian Burns: In Berlin fällt Design bedauerlicherweise nicht in den Verantwortungsbereich des Kultursenats, sondern in den Bereich Industrie/Wirtschaft. Dessen Fokus scheint im Moment auf anderen Themen zu liegen, und so sind die für Design verfügbaren Ressourcen relativ klein. Aber ich glaube, das ist auch Spiegelbild dessen, wie sich die Berliner Designszene selbst präsentiert – und im Moment gibt es nicht wirklich eine gemeinsame Stimme, die die Interessen von Design und Designern repräsentiert. Das ist aber etwas, das notwendig wäre, um mit den Autoritäten zu verhandeln.

smow blog: Wenn der Staat das Festival nicht unterstützt: Gibt es kein Argument, mehr Hersteller in das DMY zu involvieren und eine professionelle Plattform neben dem, sagen wir mal, „regulären“ Festival zu organisieren?  Und so auf der einen Seite ein bisschen mehr finanzielle Stabilität zu erzeugen und zusätzlich den vielen professionellen Designern in Berlin – viele von ihnen arbeiten mit großen Herstellern – eine Plattform bereitzustellen?

Fabian Burns: Das ist eine gute Idee, und eine, an deren Verwirklichung wir über die Jahre hart gearbeitet haben – aber die Hersteller sind nicht interessiert. Die Mehrheit hat eigentlich zwei große Events im Jahr, in Mailand und Köln; Veranstaltungen, bei denen große Summen investiert werden, weil man eine gute Rendite erwartet. Ein Möbel-„Image-Event“ dagegen bringt den Herstellern sehr wenig, und während sich die Möbelindustrie selbst mit viel Glamour präsentiert, gibt es hinter den Kulissen oft einen immensen finanziellen Druck und überlegt man sorgfältig, was man tut und wo. Letztendlich ist die Entscheidung: Investiere ich x-1000 Euro in ein Event in Berlin, zu dem vielleicht 20000 Besucher kommen, von denen die Mehrheit unter Gesichtspunkten des direkten Verkaufs und Gewinns potentiell uninteressant ist, oder schalte ich eine Zeitungs- oder Magazinanzeige und erreiche damit mehr von den Menschen, die ich erreichen will?

smow blog: Abgesehen vom Organisator besteht die größte Veränderung für 2015 im neuen Veranstaltungsort – warum der Umzug aus dem Tempelhofer Flughafen ins Kraftwerk?

Fabian Burns: Die Entscheidung für das Kraftwerk ist zum Teil vor dem Hintergrund der neuen Bedingungen gefallen. Auf der einen Seite ergibt es angesichts des Wandels, der stattgefunden hat, Sinn, an einem neuen Ort zu beginnen, um das Gefühl des „Neuanfangs“ zu unterstreichen. Zum Zweiten verlangt der Tempelhofer Flughafen Mieten, die wir als kleines Festival schlicht nicht aufbringen können, und sind wir nicht die ersten Veranstalter, die Tempelhof verlassen mussten. Und schließlich, und das ist der Hauptgrund, besteht die Natur des DMY darin, dass wir viele Aussteller haben, die nur sehr kleine, reduzierte Stände mit vielleicht einem oder zwei Produkten haben, und allzu oft gingen diese im enormen Raum von Tempelhof verloren. Im Kraftwerk haben wir 8000 qm, was mehr oder weniger äquivalent zu den zwei Hangars in Tempelhof ist, und so bei gleicher Bodenfläche mehr Möglichkeiten, kleine, intime Räume mit handhabbareren Dimensionen zu schaffen – was den Ausstellern ermöglicht, sich und ihre Arbeit besser zu präsentieren.

smow blog: Dieses Jahr ist der erste Tag ein Preview-Tag für geschäftliche Besucher und die Industrie – was ist der Gedanke hinter dieser Entscheidung?

Fabian Burns: In den letzten Jahren haben wir Besucherumfragen gemacht und festgestellt, dass wir eine überraschend hohe Zahl von Fachbesuchern aus der Branche hatten, seien es Architekten, Designmanager oder Möbelhersteller, aber die Informationen, die wir hatten, waren immer ein bisschen vage. Zusätzlich waren viele der Aussteller darüber im Unklaren, dass professionelle Besucher aus der Industrie da sind – und das DMY somit eine Plattform, um hilfreiche Kontakte zu knüpfen. Dieses Jahr können wir mengenmäßig bestimmen, wer kommt, und haben so ein präziseres Bild, wer das DMY besucht – ob jemand in einer Managementposition ist und aus welchen Industrien und Branchen die Besucher kommen.  Zusätzlich zur Möglichkeit für die Fachbesucher, die Stände abseits der offiziellen Eröffnung zu sehen, organisieren wir am Donnerstag auch ein Programm mit Gesprächen zu Hauptthemen der Branche, von dem wir hoffen, dass es Diskussionen initiiert und Interesse weckt.

smow blog: Und was das Festival selbst betrifft, läuft alles „wie gehabt“, oder können wir Innovationen erwarten?

Fabian Burns: Angesichts all dessen, was passiert ist, wollen wir dieses Jahr ein bisschen „back to the roots“ gehen, „Back to the Future“, wie das Festivalmotto heißt, und den Fokus eher auf junge Designer richten. Das DMY hat als Design Mai Youngsters begonnen, und dieses Gefühl wollen wir wiederherstellen. In diesem Kontext haben wir kürzlich gemeinsam mit der Ikea Stiftung die „New Talent Competition“ organisiert und werden auf dem Festival 25 ausgewählte Designer präsentieren. Zusätzlich, und weil es Sinn ergibt, ein Designfestival in Berlin mit einem Fokus auf Berliner Design zu haben, präsentieren wir das „Berliner Zimmer“, einen Themenraum, in dem Berliner Designer sich und ihre Arbeit präsentieren können. Ich muss jedoch hinzufügen, dass die Reaktion der Berliner Designcommunity sehr reserviert war. Was ich nicht wirklich verstehen kann – man hört oft von Berliner Designern, dass das DMY keinen wirklichen Nutzen für lokale Designer hat, aber wenn ihnen eine Plattform innerhalb des Festivals geboten wird, ist die Resonanz eher lauwarm als ermutigend!

smow blog: Vor ein paar Jahren führte das DYM die Berlin Design Week als dezentrales Begleitprogramm ein. Wird dieses 2015 fortgesetzt?

Fabian Burns: Nein, dieses Jahr gibt es keine Berlin Design Week, hauptsächlich, weil sich die Rechte im Insolvenzverfahren aufgelöst haben und verloren gegangen sind, insbesondere die Domain. Aber wir haben in diesem Jahr auch genug damit zu tun, das Festival auf die Beine zu stellen und zum Laufen zu bringen – und so würden wir das Event wohl auch dann nicht organisiert haben, wenn wir die Rechte hätten. Wir sind ein sehr kleines Team und es gibt wenig Grund, die wenigen Ressourcen, die wir haben, noch breiter zu streuen. Etliche der besagten individuellen Teilnehmer an den letzten Berlin Design Weeks haben entschieden, selbst Events zu organisieren, die wir unter dem Titel DMY Spots zusammengefasst haben. So gibt es nicht nur die zentrale Ausstellung, sondern interessante Veranstaltungen in der ganzen Stadt.

smow blog: Obwohl wir wissen, dass es höflicher wäre, das Ende des Festivals 2015 abzuwarten: Gibt es Pläne für die kommenden Jahre, wie stellst du dir die Zukunft des DMY vor?

Fabian Burns: Ich denke, die Konsolidierung wird der Leitgedanke sein. Wir haben Pläne und Ideen, wir wir, möglicherweise, eventuell, weitermachen könnten, aber im Moment ist nichts entschieden. Ich hoffe, dass wir ein paar mehr konkrete Ansagen während des diesjährigen Festivals machen können, aber der Plan ist definitiv, weiterzumachen. Allerdings, die jüngsten Erfahrungen haben es gezeigt, kann das Festival kein Unternehmen tragen, und so vermute ich, dass es der Fall sein wird, dass das Festival nur eine Person das ganze Jahr beschäftigen kann. Der Rest von uns wird mit anderen Tätigkeiten auf eigenen Beinen stehen müssen und das Festival parallel entwickeln. Was ein mehr als unbehaglicher Gedanke ist und im internationalen Kontext ein sehr trauriger Zustand der Dinge, aber das ist die Realität hier in Berlin.

Alle Details zum DMY 2015 sowie Öffnungszeiten und Ticketpreise auf http://dmy2015.com/.

DMY Berlin 2015

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Das Kraftwerk Berlin, der zentrale Veranstaltungsort des DMY 2015 (Foto © Fineartberlin)

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Kraftwerk Berlin (Foto © Fineartberlin)

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