Eames & Hollywood im Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brüssel

Die Ausstellung „The World of Charles und Ray Eames“ in der Barbican Art Gallery London neigt sich so langsam ihrem Ende. Für das Art & Design Atomium Museum, ADAM, in Brüssel also genau der richtige Zeitpunkt uns mit der Ausstellung „Eames & Hollywood“ die nächste Gelegenheit zu liefern, eine der vielen Eames Welten genauer unter die Lupe zu nehmen. Und nein, es geht nicht um Filme, sondern um Fotografie!

Eames & Hollywood at Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brussels

Eames & Hollywood im Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brüssel

 

Das ADAM wurde im Dezember 2015 offiziell eröffnet und ist ein neues Designmuseum in Brüssel, das heißt wohl das erste ausgewiesene Designmuseum in Brüssel. Wie schon der Name impliziert, liegt das Museum auf dem Gelände der Brüsseler Weltausstellung von 1935 und hat es sich zwischen Atomium und den Art-Deco-Messehallen bequem gemacht.

Grundsätzlich liegt der Fokus des Museums auf dem Plasticarium, einer Sammlung von ungefähr 2000 Objekten verschiedenster Genres, aus der Zeit zwischen den 1950er Jahren und heute, die in der Dauerausstellung des Museums gezeigt wird. „Eames & Hollywood“ ist jetzt die erste Sonderausstellung. Die Frage, warum man eine solche Institution ausgerechnet mit einer Ausstellung über die Fotografie der Eames einweiht, ist naheliegend.

„Die Idee kam von der Kuratorin Alexandra Midal“, erklärt der Ausstellungsdirektor Arnaud Bozzini, „sie zeigte mir eines Tages einige der Fotografien und ich war sehr beeindruckt von der Qualität dieser Bilder. Mir kam sogleich die Idee eine Ausstellung zu organisieren, die zeigen würde, dass es bei Ray und Charles Eames nicht nur um Design und Architektur oder Stühle ging, sondern dass es auch die Fotografien gab – und dass die Fotografie ein elementarer Bestandteil ihrer Auffassung von Design und Kunst war.“

Eames & Hollywood at Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brussels

Eames & Hollywood im Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brüssel

Zwar wissen die meisten, die Ray und Charles Eames‘ Arbeiten kennen, dass auch die Fotografie ein wichtiger Bestandteil ihres kreativen Outputs war – man bedenke allein die zahlreichen Ausstellungsdesigns und Filme – nur die wenigsten sind sich allerdings über den tatsächlichen Umfang des fotografischen Erbes der Eames im Klaren: die Eames Collection der Congressional Library in Washington umfasst – man stelle sich vor! – 750.000 Aufnahmen des Paares.

In Anbetracht dieser Zahl fragt man sich natürlich, woraus dieses Interesse entstand und wer der Motor hinter dem Auslöser war.

„Auch wenn ich fest von der Tatsache überzeugt bin, dass all die gemeinsamen Arbeiten Ray und Charles Eames gleichermaßen widerspiegeln“, sagt Eames Demetrios, Enkel von Charles Eames und derzeitiger Direktor des Eames Office, „würde ich bei den Fotografien behaupten, dass Charles Eames der Initiator war. Charles‘ Vater starb als er 14 Jahre alt war. Nach seinem Tod erforschte Charles dessen Dunkelkammer und brachte sich die Fotografie und das Entwickeln selbst bei. Von da an spielte die Fotografie eine entscheidende Rolle in Charles Eames‘ Leben. An der Cranbrook Academy verbrachte er beispielsweise viel Zeit in der Dunkelkammer. Er half dem Fotografen der Akademie und machte seinen ersten Film. Während Ray also mit Fotografie arbeitete, war sie für Charles ein integraler Bestandteil seiner Vorgehensweise.“

Könnte das, fragen wir vorsichtig, der Grund für den sehr markanten, zuweilen sehr experimentellen Gebrauch visueller Bildsprache im Werk der Eames, vor allem in ihrer Ausstellungsarbeit sein?

„Ich denke schon“, antwortet Demetrios, „allerdings sollte man nicht vergessen, dass Ray ein außergewöhnliches Gefühl für Farben hatte, ihr Farbgedächtnis war beispielsweise erstaunlich. Hinsichtlich der Ausstellung ergab sich da eine fantastische Kombination, weil beide unterschiedliche Ansätze verfolgten, um außergewöhnliche, visuelle Erfahrungen zu kreieren.“

Einen Eindruck dieser visuellen Erfahrungen kann man sich in der Ausstellung „Eames & Hollywood“ machen.

In the Director's Chair at Eames & Hollywood, Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brussels

Im Regiestuhl bei Eames & Hollywood, Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brüssel

Der grundlegende Fokus der von der Designhistorikerin und -theoretikerin Dr. Alexandra Midal kuratierten Ausstellung „Eames & Hollywood“ liegt auf einer Sammlung von 240 Fotos, die Charles Eames an den Sets diverser Billy Wilder Filme aufgenommen hat – vor allem auf der sogenannten Movie Sets Reihe, die Charles Eames für seine Präsentation der sechsten und letzten seiner Charles Norton Vorlesungen in Harvard 1971 benutzte. Diese „Reihe“ wurde von Alexandra Midal im Kontext eines Projektes wiederentdeckt, das sich im Jahr 2013 mit Bildern zum Film „Think“ befasste, den Ray und Charles Eames für den IBM Pavillon auf der Weltausstellung in New York 1964 kreierten. „Unter all den Bildern, die ich aussuchte, gab es eine Serie namens „Movie Sets“, die so beeindruckend war, dass sie mir keine Ruhe ließ und auf die ich immer wieder zurückkam“, erklärt Alexandra, „für mich war das gewissermaßen eine Einführung in die Beziehung der Eames zu Bildern, und die habe ich dann zu Eames & Hollywood weiterentwickelt.“

Was hat die Movie Sets Reihe so interessant gemacht, warum stach die Serie so hervor?

„Erstmal war ich vom Thema selbst überrascht: ich wusste, dass die Eames und Billy Wilder befreundet waren – aber worum geht es, wenn einer an ein Filmset geht und Fotos aufnimmt? Was für eine Idee verbirgt sich dahinter? Das hat mich erstmal interessiert. Dann war ich absolut fasziniert von der Ausstattung und der Art und Weise, in der die Eames Dinge wie Gerüste und den ganzen Apparat, der eine Illusion zu Realität werden lässt, ins Bild rückten. Ich fand dieses Vokabular für Designer ausgesprochen interessant. Letztlich sind die Fotos als solche sehr stark und bringen die Geschichte der Menschen bei der Filmproduktion erstaunlich gut rüber – das betrifft nicht nur die Stars, sondern auch die Arbeiter, Techniker und die Abläufe.“

Präsentiert als Triptychon – das heißt als Diashow auf drei Screens, verbindet die Movie Set Serie Bilder von Billy Wilder Sets und eine Audiospur mit dem Geplapper der Filmcrews, das wiederum mit Burt Bacharachs „Not Goin‘ Home Anymore“ von Butch Cassidy and the Sundance Kid gemixt wurde.

Eames Demetrios zufolge ist Movie Sets eine Serie von 15 ähnlichen Diashows, die Ray und Charles Eames im Laufe ihrer Karriere angefertigt haben. Diese Diashows haben nie wirklich eine große öffentliche oder kritische Aufmerksamkeit erregt, kamen allerdings bei den jüngeren Mitgliedern der Eames Familie immer sehr gut an: „Als Kind haben wir uns diese Bilder ständig angesehen, sie waren wirklich faszinierend“, erinnert sich Eames, „zum Teil lag das daran, dass man nicht alles auf einmal überblicken kann, man blickt von einem Bild zum anderen, und kaum erkennt man etwas, geht die Präsentation schon zu etwas neuem über.“

Dieses Gefühl, immer Ausschau zu halten, nach etwas, das man verpasst hat, immer überprüfen zu müssen, ob man wirklich gesehen hat, was man glaubt gesehen zu haben, das Gefühl grenzenloser visueller Stimulation ist sehr präsent in der Ausstellung ADAM. Und ein echter Genuss.

Neben der Diashow ermöglichen es dem Betrachter einzelne Dias sich auf die Einzelbilder und auf Charles Eames‘ Kompositionstechniken und seine Wahl der Perspektive zu konzentrieren.

1966 quote from Charles Eames.....

1966, Zitat von  Charles Eames …

Wir haben eher ein funktionales Verhältnis zu Fotografie, das heißt für uns ist Fotografie ein rein praktisches Medium der Dokumentation und Demonstration, mit dem sich zuweilen Dinge beweisen lassen. Kameras können lügen, aber ein Foto sagt immer mehr als tausend Worte. Fotografie als „Kunst“ ist allerdings so eine Sache, die wir nicht recht verstehen. Vor allem wenn es um Straßenfotografie geht – eine Faszination, die wir noch nie teilen konnten.

Theoretisch würde das erhebliche Probleme mit Charles Eames‘ Fotografie für uns mit sich bringen, zumindest wenn wir der Meinung Alexandra Midals folgen: „Charles Eames war mit seiner Kamera überall. Er war ein richtiger Foto-Fanatiker. Ich denke allerdings nicht, dass er als Architekt oder als Designer fotografierte. Seine fotografische Bildsprache ist eher die eines Künstlers.“

Für uns sind die Bilder allerdings eher reines Dokumentationsmaterial. Sie dokumentieren den Prozess und die Werkzeuge der Filmproduktion, und auch eine lang vergangene Zeit. Denn auch wenn die Filmproduktion heute grundsätzlich noch genauso abläuft, hat der enorme Wandel in der Technologie doch dazu geführt, dass vieles von dem, was Charles Eames fotografiert hat, heute selbst museumsreif ist. Auf die Gefahr hin also Alexandra Midal zu widersprechen – wozu wir uns ganz und gar nicht qualifiziert genug fühlen – wollen wir festhalten, dass bei uns vor allem die zahllosen Nahaufnahmen harmlos erscheinender Objekte, Werkzeuge und Formen für Aufmerksamkeit gesorgt haben, und so das Bild eines Designers entstand, der Einflüsse sammelt. Die mögen für den Moment keinen Sinn ergeben, aber haben vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt die Antwort auf eine scheinbar unlösbare Frage geliefert. Insofern fotografierte Charles Eames dann doch „wie ein Designer“.

Genauso wichtig wie die Fotografien ist für „Eames & Hollywood“ das Ausstellungsdesign. Kreiert hat es Adrien Rovero, Absolvent der ECAL Lausanne. „Ich wollte ein markantes Ausstellungsdesign, ein Ausstellungsdesign, das mit den Fotografien im Dialog steht“, erklärt Alexandra Midal, „Ich wollte das Gerüst und die Ausstattung!“ Mit seinem intelligent konzipierten Design liefert Adrien Rovero genau das; und zwar auf 900 Quadratmetern Ausstellungfläche ohne den Besucher einzuengen oder zu dominieren. Zudem ermöglicht sein Konzept die angedachte Präsentation: von hinten beleuchtete Dias, statt gedruckte Fotografien.

Exhibition design by Adreien Rovero for Eames & Hollywood at Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brussel

Ausstellungsdesign von Adrien Rovero für Eames & Hollywood im Art & Design Atomium Museum, ADAM, Brüssel

Sofern wir wissen ist „Eames & Hollywood“ eine der ersten Charles und Ray Eames Fotoausstellungen überhaupt; und mit Sicherheit eine der ersten Museumsausstellungen in Europa. Eine erstaunliche Tatsache, bedenkt man welch entscheidende Rolle visuelle Bilder im Werk der beiden Designer spielen, und in Anbetracht der Anzahl von Fotografien in der Sammlung. Eine Erklärung ist nicht leicht zu finden – vielleicht wurden ihnen keine Ausstellungen angeboten, oder sie waren nicht interessiert …?

Auch können wir die Frage nicht beantworten, ob die Billy Wilder Bilder für eine Erkundung des fotografischen Œuvres der Eames der beste Ausgangspunkt sind, denn so viele Eames Fotos haben wir bisher nicht gesehen. Alexandra Midal hat genug gesehen und in dieser Richtung grundsätzlich mehr Erfahrung. Hört man ihre Schwärmereien zur „Movie Sets“-Serie, bekommt man jedenfalls den Eindruck, dass es sich dabei nicht um den schlechtesten Ausgangspunkt handeln kann. Die Ausstellung ist jedenfalls wohl überlegt und gut realisiert. Wenn auch nicht mit dem Tiefgang einer großen Fotografieretrospektive versehen, stellt „Eames & Hollywood“ kompetent und unterhaltsam eine gut recherchierte Nische im Eames Universum dar, und hilft uns so einmal mehr dabei dem Schaffen des Paares etwas genauer auf die Schliche zu kommen.

„Eames & Hollywood“ ist im Art & Design Atomium Museum, ADAM, Belgiëplein, Place de Belgique, 1020 Brüssel bis Sonntag, den 4. September zu sehen.

Öffnungszeiten und alle weiteren Details sind unter http://adamuseum.be zu finden.

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