Vitra Design Museum: Ronan & Erwan Bouroullec – Rêveries Urbaines

Im Jahr 2016 waren in der bretonischen Hauptstadt Rennes vier Ausstellungen von und mit Ronan und Erwan Bouroullec zu sehen. Eine davon – Rêveries Urbaines / Urbane Träume – ist jetzt zu sehen im Vitra Design Museum in Weil am Rhein.

Ronan & Erwan Bouroullec - Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Ronan & Erwan Bouroullec – Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Im europäischem Designkalender sind Ende September beziehungsweise Anfang Oktober die Vienna Design Week sowie die Eröffnung der Winter- und Frühjahresausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein eingetragen.

Und so steht für gewöhnlich unser jährlicher Ausflug im charmanten Nachtzug Wiener Walzer von Zürich nach Wien an.

Nicht aber in diesem Jahr.

Denn anlässlich der Eröffnung des neuen Vitra Design Museum Schaudepots und der damit verbundenen Umstrukturierung hat sich das Vitra Design Museum gegen eine Winter- und Frühjahrsausstellung 2016/17 entschieden und lässt stattdessen die Ausstellung Alexander Girard. A Designer’s Universe bis Februar laufen. Soweit eine wunderbare Idee!

Dass das Vitra Design Museum Anfang Oktober anstatt einer neuen Sonderausstellung die Ausstellung Rêveries Urbaines von Ronan und Erwan Bouroullec eröffnet hat, hat hingegen wenig mit minutiös abgewogener Planung zu tun und verdankt sich vielmehr einer eher undemokratischen Spontanität.

Tatsächlich besuchte der Gründer des Vitra Design Museums und ehemalige Vitra CEO, Rolf Fehlbaum, Rêveries Urbaines in Rennes, war fasziniert, kam schwärmend zurück und bestand darauf, dass das Vitra Design Museum die Ausstellung auch zeigen würde – was jetzt der Fall ist.

Damit wird die Spontanität, von der uns der Chefkurator des Vitra Design Museums, Mateo Kries, kurz nach seinem Amtsantritt in einem Interview erzählt hat, unter Beweis gestellt. Kries meinte damals, er wolle der Institution zu einer neuen Spontanität verhelfen. Da die Hauptausstellungen des Museums aber eine Vorbereitungszeit von ungefähr drei Jahren haben, mangelt es an Flexibilität. Bei der Gründung der Vitra Design Museum Gallery ging es dann darum einen Raum zu schaffen, welcher genau diese Flexibilität ermöglichen würde. Seit Eröffnung des Vitra Schaudepots und der damit verbundenen Öffnung des zuvor hoch umzäunten Vitra Campus‘ sind die Möglichkeiten für solch spontanere Ausstellungen gewachsen. Hinzu kommt auch Zaha Hadids Feuerwehrhaus, welches vormals auf der anderen Seite des Vitra Zauns lag und deshalb nur selten für Ausstellungen genutzt werden konnte. Auch dieser Raum soll jetzt häufiger genutzt werden – wenn auch nur für besondere Ausstellungen, die nach Meinung des Museums den Besonderheiten und der Atmosphäre des Raumes gerecht werden.

Eine solche Ausstellung ist nach Auffassung des Vitra Design Museums auch Rêveries Urbaines.

Ronan & Erwan Bouroullec - Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Ronan & Erwan Bouroullec – Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Ronan & Erwan Bouroullec – Rêveries Urbaines

Rêveries Urbaines wurde ursprünglich im Champs Libres in Rennes als Teil des „Bouroullec Sommer“-Programms 2016 der Stadt Rennes präsentiert. Die Ausstellung war also nur sehr kurz zu sehen.

„Als man aus Rennes das erste Mal anfragte, haben wir nein gesagt,“ erklärt Ronan Bouroullec, „bevor wir letztendlich zugestimmt haben. Das ist typisch für uns! Immer erstmal nein und am Ende dann doch ein ja.“ Ronan lächelt beim Gedanken an diese Inkonsequenz.

Aber warum dann zuerst ablehnen?

„Sie wollten, dass wir die Ausstellung machen weil wir aus der Bretagne kommen. Für uns sollte der Grund für eine Ausstellung aber nicht unsere Herkunft sein, sondern, dass man unsere Arbeit mag,“ erklärt Ronan, „aber über einen Zeitraum von zwei Jahren gab es immer wieder Gespräche und schließlich waren wir mit einer didaktisch angelegten Präsentation, welche unsere verschiedenen Ansätze herausstellen würde, einverstanden.“

Folglich war einer der frühen Vorschläge, neben einer grundlegenden Retrospektive zur Arbeit der Brüder sowie der überwiegend abstrakten, experimentellen und technikbasierten Ausstellung 17 Screens – diese Ausstellung war ursprünglich in Tel Aviv zusehen und beinhaltete ziemlich genau, was ihr Titel nahelegt – die Ausarbeitung eines Plans für die Neugestaltung eines vernachlässigten Gebietes im Stadtzentrum von Rennes vorzustellen.

Dieser Vorschlag stieß allerdings bei den Bouroullecs nicht auf Begeisterung. Die Idee eines ortsgebundenen Forschungsprojektes ließ sich weder mit ihrem Designverständnis noch mit ihrem Designansatz vereinbaren – und so schlugen die Bouroullecs eine Alternative vor, oder wie Ronan es formuliert: „ein breiter angelegtes Forschungsprojekt zur Stadt, nicht zu Rennes, zu Frankreich oder sonst einem konkreten Ort, sondern zu dem, was wir uns zum Thema Stadt hinsichtlich ganz einfacher, abstrakter und bizarrer Sujets denken.“

Aus diesen Forschungen wurde Rêveries Urbaines.

Ronan und Erwan Bouroullecs urbane Träume.

Ronan & Erwan Bouroullec - Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Ronan & Erwan Bouroullec – Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Rêveries Urbaines – Rêveries Bouroullec

Obwohl Rêveries Urbaines als Ausstellung überwiegend Landschaftsarchitektur thematisiert, haben die präsentierten Vorschläge letztendlich nur wenig mit Architektur zu tun – zumindest wenig mit Architektur im klassischen Sinne. Architekten denken grundsätzlich in Räumen, Rêveries Urbaines dagegen präsentiert Objekte, die in Räumen stehen. Objekte, die mit dem Raum kommunizieren und die Raumwahrnehmung des Benutzers sowie auch dessen Beziehung zum Raum beeinflussen.

Es geht also um die Objekte, nicht um den Raum.

Das betrifft eine zentrale Komponente des bisherigen Œuvres der Bouroullecs: sie machen unpersönliche Räume sympathisch und bringen ein gewisses sentiment de sécurité – ein Gefühl der Behaglichkeit, Vertrautheit und Sicherheit in Situationen unseres täglichen Lebens, in denen wir nicht unbedingt damit rechnen würden.

Damit ist nicht nur die räumliche Aufteilung gemeint, die Arbeiten wie dem Sofa Alcove oder dem Slow Chair inhärent ist. Die Kopenhagener Möbelkollektion für HAY beispielsweise fasst das Genre institutioneller Möbel erfrischend neu auf und zeigt, dass solches Mobiliar genauso persönlich wie funktional sein kann – und schön! Die Officina Kollektion für Magis wiederum bringt den Nutzer in Verbindung mit dem Produktionsprozess, trennt sich von der Anonymität der Massenproduktion und liefert so eine Familie von Objekten, die man eher als Teil der Familie begreift, denn als Dienstboten.

Bei den Bouroullecs ging es zudem lange weniger um abgeschlossene Produkte per se sondern stattdessen viel mehr um Verbindungsstücke, Verbindungen und verstellbare Bauteile, und darum wie man all dies dazu verwenden kann Systeme zu entwickeln, die nach Bedarf vergrößert oder verkleinert werden können.

Genau so ein Ansatz der Problemlösung lässt sich durchweg anhand der Vorschläge in Rêveries Urbaines nachvollziehen. Am deutlichsten wird das vielleicht an Nuages (Wolken), einem Konzept, das auf einer formalen Idee basiert, die die Boroullecs adaptiert haben und die im Verlauf ihrer Karriere in zahlreichen weiteren auftauchte. In jüngster Zeit beispielsweise auch in den neuen Nuage Vasen für Vitra. Auf dem Tisch können sie Blumen, Gräser oder Zweige halten, als Teil eines städtischen Begrünungskonzeptes hingegen Pflanzen, Büsche und Bäume.

Im Wohnraum ein dekoratives Element – im urbanen Raum ein begrüntes Pagodendach.

Nuages (Clouds), as seen at Ronan & Erwan Bouroullec - Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Nuages (Clouds), gesehen bei Ronan & Erwan Bouroullec – Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Rêveries Urbaine. Gehören Träume in die Öffentlichkeit?

Es gibt an sich nichts „revolutionäres“ an den Konzepten der Bouroullecs – die Idee dahinter ist und war aber auch nicht, Revolutionen anzustoßen. Rêveries Urbaines ist keine Erforschung einer möglichen Gesellschaft der Zukunft, wie das bei den Radikalen der 60er Jahre der Fall gewesen sein mag. In vielerlei Hinsicht wären wir aber auch enttäuscht, wenn es so wäre.

Vielmehr hat man es einfach mit Ronan und Erwan Bouroulecs lauten Träumereien vom Design öffentlicher Räume zu tun.

Da kommt natürlich die Frage auf, ob man von diesen Träumereien unbedingt wissen muss?

Natürlich nicht.

Andererseits ist unsere aktuelle Welt gespickt mit Dingen, die wir nicht wissen, beziehungsweise nicht hören müssen. Das Internet und die sozialen Medien haben es für jeden möglich gemacht, permanent seine Meinung kundzutun. Wir sind also gezwungen zuzuhören. Ganz egal wie abwegig, überflüssig oder schlichtweg arrogant die Meinungen sein mögen.

Die entscheidende Frage ist also: haben die Bouroullecs etwas zu sagen? Liefern sie konstruktive Vorschläge?

Die Antwort lautet definitiv „ja“!

Rêveries Urbaine: Träume als Grammatik

Cheminees (Fireplaces), as seen at Ronan & Erwan Bouroullec - Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Cheminées (Feuerstellen), gesehen bei Ronan & Erwan Bouroullec – Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Auch wenn die Ausstellung 14 unterschiedliche Entwürfe umfasst, gibt es in  thematischer Hinsicht nur einige wenige Konzepte: Gemeinschaft, Wasser, Höhe, Abschottung, Unterschlupf. Konzepte, die in zahlreichen Formen wiederholt thematisiert werden, und das in Kombination mit unterschiedlichsten, möglichen Materialien und in verschiedensten Maßstäben. Die Vorschläge sind so eher als empirische Elemente für die Gestaltung urbaner Räume, denn als Lösungen dafür zu verstehen.

Wenn man so will haben die Bouroullecs eine Art grundlegende, grammatische Struktur für urbanes Design entwickelt.

Manche Konzepte sind ganz einfach. Wasser beispielsweise ist schon seit langem eine Kernkomponente urbaner Räume: sei das der Dorfteich, der Dorf- oder Gedenkbrunnen. Bei Rêveries Urbaines liegt der Schwerpunkt allerdings weniger beim Wasser denn bei den Eigenschaften des Wassers: seinen Geräuschen, Bewegungen und seinem beruhigenden Einfluss. Der einstige zentrale Feuerholzplatz zum Brot backen, den man früher in der Nähe jeder Kommune fand, bevor jede Wohnung mit ihrem eigenen Ofen ausgestattet war, findet seine moderne Inkarnation mit Chemineés (Feuerstellen), die zum öffentlichen oder privaten Genuss eines offenen Feuers einladen.

Andere Ideen fallen wiederum abstrakter aus. Wenn wir beispielsweise immer mehr privaten Raum im Interesse der Gemeinschaft aufgeben, muss man dann nicht dafür argumentieren, mehr Privatsphäre in öffentlichen Räumen zur Verfügung zu stellen? Wäre das nicht ein fairer Tausch? Schließlich ist Privatsphäre nach wie vor wichtig.

Ja, die Polizei und andere Ordnungsinstanzen werden die Vorstellung nicht mögen, dass Individuen vollständig hinter Wandschirmen und Raumteilern verschwinden, aber das beinhalten die Vorschläge der Bouroullecs so auch nicht. Vielmehr sind es Vorschläge, die ähnlich wie die Raumteiler Algue den Raum unterbrechen, eine Atmosphäre, ein Gefühl von Trennung und Rückzug erzeugen, ohne, dass die Abgeschiedenheit wirklich vollständig wäre. So wird Privatsphäre ermöglicht, ohne, dass die Möglichkeit besteht den Raum für sich allein zu vereinnahmen.

Vielleicht liegt gerade darin das Geheimnis der 14 Vorschläge, das Geheimnis von Rêveries Urbaines: jeweils auf seine eigene Art beinhalten alle Entwürfe die Designphilosophie der Bouroullecs und stehen für die Position der beiden Designer.

Genau so verstehen die Bouroullecs beispielsweise auch eine Bürosituation: es geht darum, Elemente in einem verständlichen und miteinander verbundenem Ganzen zu organisieren. In diesem Ganzen sollen Prozesse vereinfacht werden, und zwar nicht nur so, dass der Raum funktioniert, sondern auch so, dass sich die Menschen in ihm wohlfühlen und ihn respektieren.

Genau so behandeln die beiden Designer urbane Räume.

Zudem zeichen sich die Vorschläge durch eine skrupellose Ehrlichkeit aus.

Nichts wirkt erzwungen oder stilisiert, und vor allem ist Rêveries Urbaines kein Versuch die Bouroullecs als große Architekturtheoretiker zu präsentieren – was ehrlich gesagt auch absurd wäre. Es geht schlicht um den Versuch zu erklären, wie sie ihr Design auf den öffentlichen Raum übertragen könnten und Würden.

Mit diesem Versuch sind sie sehr erfolgreich.

Und was sie vorschlagen hat es verdient gehört zu werden.

Man muss nicht damit einverstanden sein, muss es nicht mögen. Man darf diese Träumereien durchaus auch in einem abwertenden Sinne als Zeitverschwendung und eitle, unpraktische Ideen interpretieren – aber als Position in einem notwendigen Diskurs haben die Rêveries Urbaines ihre Gültigkeit.

Foret suspenue (Hanging Forest), as seen at Ronan & Erwan Bouroullec - Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Foret suspenue (Hängender Wald), gesehen bei Ronan & Erwan Bouroullec – Rêveries Urbaines, Vitra Design Museum

Rêveries Urbaines. Die ausgestellten Träumereien und ihr Ursprung in Weil am Rhein.

Neben der Tatsache, dass die Ausstellung auf dem Vitra Campus zu sehen ist, gewinnt man im Gespräch mit den Bouroullecs auch den Eindruck, dass die Rêveries Urbaines auch ihren spirituellen Ursprung auf dem Vitra Campus und in der Verbindung zwischen den Bouroullecs und dem Vitra Urvater Rolf Fehlbaum haben.

„Als wir anfingen mit Vitra zusammenzuarbeiten, bat uns Rolf über Büroumgebungen nachzudenken“, erklärt Ronan Bouroullec, „zu dieser Zeit waren wir noch sehr jung, das Büro bestand nur aus Erwan und mir, und wir hatten noch nie an Projekten für hunderte oder gar tausende von Menschen gearbeitet – darin lag also für uns eine echte Herausforderung und etwas, das wir lernen mussten zu verstehen. Inzwischen schätze ich diese Situation – völlig naiv einem bestimmten Thema gegenüber zu stehen. In vielerlei Hinsicht war dieses Projekt wie unsere Anfänge mit Vitra, in diesen Entwürfen steckt eine Menge Naivität.“

„Bei der Arbeit mit Rolf haben wir gelernt wertzuschätzen was es heißt für viele Menschen etwas zu designen, zu verstehen wie Menschen interagieren“, ergänzt Erwan Bouroullec. „Ein wichtiger Aspekt war, was Rolf den Marktplatz nennt: es galt in diesem Kontext, darüber nachzudenken wie man eine bestimmte Anzahl unterschiedlicher Aktivitäten so miteinander verbinden könnte, dass sie ein besseres Resultat erzielen würden. Zudem empfahl uns Rolf immer, nicht allzu sehr darüber nachzudenken wie andere Leute arbeiten, oder in welchem Maßstab andere Firmen arbeiten, denn an einem bestimmten Punkt würde man nur anfangen sie zu kopieren. Stattdessen riet er uns zu reflektieren wie es uns persönlich mit einer Sache geht und was wir persönlich dazu sagen wollen. Die Logik und das Konzept würden so am Ende universaler sein. Insofern stammt eine Menge des konzeptuellen Hintergrunds zu Rêveries Urbaines aus diesen zahlreichen Gesprächen mit Rolf Fehlbaum.“

Und auch die physische Umsetzung der Rêveries Urbaines wird mit Rolf verknüpft bleiben: bei der Ausstellungseröffnung deutete Rolf Fehlbaum an, dass man früher oder später mit einem der Entwürfe auf dem Vitra Campus rechnen dürfe.

Und nicht nur dort! Wenn unsere Informationen nämlich stimmen – und es gibt wirklich keinen Grund warum das nicht der Fall sein sollte, sind einige Projekte, die aus den Forschungen zu Rêveries Urbaines entstanden sind in der Planung für eine Reihe von Städten.

In adaptierter Form. Vergrößert oder verkleinert. Die Träumereien als grammatische Struktur für die Umsetzung ortsgebundener und angemessener Lösungen.

Lianes (Vines) and an Officina table trestle by Ronan and Erwan Bouroullec for Magis. The trestle building the "base" of the exhibition design

Lianes (Lianen) und ein Officina Tischgestell von Ronan and Erwan Bouroullec für Magis. Das Gestell bildet die „Grundlage“ des Ausstellungsdesigns

Rêveries Urbaines. Träume als Motivation zur Umsetzung der eigenen Träume.

Der Ausstellung Rêveries Urbaines geht es wie allen interessanten Ausstellungen weniger um die Exponate als um Anstöße zu einem Diskurs, darum den Besucher zu motivieren sich zu einem Thema Gedanken zu machen und eine Position zu beziehen.

Insofern handelt es sich bei den Vorschlägen auch um naives Brainstorming. Es sollen anpassbare, anwendbare Systeme visualisiert werden. Man hat die Freiheit diese Vorschläge losgelöst von einem Kontext zu betrachten. Das heißt also, sie mehr hinsichtlich des zugrunde liegenden Konzeptes als bezüglich der Ästhetik, des Materials oder der Funktion eines spezifischen Objektes oder eines bestimmten Ortes zu diskutieren.

Im Zusammenhang mit Möbeldesigns für den Wohn- oder Bürobereich ist das gängige Praxis.

Themen wie Sitz- und Steharbeitsplätze, Räume in Räumen oder verstaubare Möbel werden hinsichtlich ihrer Vorteile konzipiert, ganz unabhängig von spezifischen Objekten.

Warum erwägt man also nicht auch Mobiliar für urbane Räume?

Zu abstrakt? Möglicherweise. Ein zu großes Thema ohne Anfang und Ende? Möglicherweise. Die Regionalverwaltung macht ohnehin was sie will und das auf Geheiß eines lokalen Lobbyisten, einer Firma oder eines Software-Milliardärs? Auf jedem Fall.

Aber genau aus diesem Grund sollten wir uns alle mit Fragen urbanen Designs und der Stadtplanung befassen, denn wie wir hier immer betonen sind diese Entscheidungen zu wichtig um sie ausschließlich Architekten und Lokalpolitikern zu überlassen.

Viel zu wichtig!

Beim Gang durch Rêveries Urbaines ertappten wir uns immer wieder dabei, wie wir in Gedanken die Räume unter und neben den Vorschlägen nicht etwa mit charmanten Stadtbewohnern, den glücklichen Kindern oder auch den Enten des Ausstellungsdesigns bevölkerten, sondern mit gelangweilten Teenagern, Drogensüchtigen, sozial Benachteiligten und allen anderen, die sich normalerweise im Umkreis solcher öffentlicher Installationen aufhalten.

Zu dieser Situation kommt es häufig, weil die breite Masse keinen Sinn dafür hat, wem ein Bauwerk im urbanen Raum gehört. So entwickelt sie weder Empathie noch Verantwortung dafür.

Tatsächlich kann kann die Öffentlichkeit selbst auch teilweise verantwortlich gemacht werden, weil sie sich nie mit Designfragen außerhalb der eigenen vier Wände befasst hat.

Rêveries Urbaines sind Ronan und Erwan Bouroullecs urbane Träume  – aber als Beiträge zu einer grundlegenden Diskussion, der es um Grundlagen und nicht um spezifische Elemente geht, ist die Ausstellung ein zugänglicher, intelligenter und unterhaltsamer Ausgangspunkt um sich eine eigene Meinung zu bilden.

Ronan & Erwan Bouroullec Rêveries Urbaines ist zu sehen in der Feuerwache auf dem Vitra Campus, Charles-Eames-Straße, 79576 Weil am Rhein bis Sonntag, dem 22. Januar. Der Eintritt ist frei.

Alle Derails sind unter www.design-museum.de zu finden.

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