#campustour 2017: Rundgang @ Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Der Vorläufer der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart aus dem 18. Jahrhundert wurde als ein Ort gegründet, „an dem die Jugend kultiviert werden würde, wie Pflanzen in einer Gärtnerei.“ Während Gärtnereien jedoch starke und edle Bäume, zart blühende Blumen und widerstandsfähige Stauden produzieren, bringen sie doch auch immer wieder instabile, experimentelle Hybriden hervor und bieten den perfekten Nährboden für Parasiten und Krankheiten. Wie gut es um die Aufzucht der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bestellt ist, lässt sich auf der „Rundgangs- und Sommerausstellung 2017“ in Erfahrung bringen.

Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Mit einer Geschichte, die bis ins Jahr 1761 und auf die Academia artium Stuttgardensis zurückgeht, sind die Ursprünge der heutigen Akademie der Bildenden Künste (ABK) Stuttgart im späten 19. Jahrhundert, im frühen 20. Jahrhundert und vor allem in der Königlichen Kunstgewerblichen Lehr- und Versuchsstätte – einer Institution, die Kunst und Handwerk zugunsten der lokalen Industrie miteinander verbinden wollte – zu finden. Eine wichtige Figur bei der Entwicklung der Lehr- und Versuchswerkstätten war der Architekt und Designer Bernhard Pankok, der nicht nur Direktor der Schule war, sondern auch das Schulgebäude am Weißenhof 1 entwarf – das erste Gebäude an einem Standort, der repräsentativ für genau die neue Welt werden sollte, der sich die Schule verpflichtet fühlte.

Im Jahr 1941 verband sich die Lehr- und Versuchswerkstätte mit der Kunsthochschule Stuttgart und bildete die Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, eine Institution, die sich aber erst nach dem Krieg richtig etablierte und die unter ihren Professoren (neben vielen anderen) mit Größen wie Willi Baumeister, Herbert Hirche und Arno Votteler aufwarten konnte. Nach wie vor hoch über Stuttgart auf dem Killesberg gelegen, wenn auch nicht mehr nur in Pankoks originalem Gebäude, sondern auch in zwei neuen Gebäuden aus den 60er Jahren, bietet die ABK Stuttgart Studiengänge in einer großen Bandbreite kreativer Disziplinen an, darunter Architektur, Visual Arts, Bühnen- und Kostümbild sowie Produktdesign.

The workshops in Stuttgart are kitted out with everything a designer needs......

Die Werkstätten der ABK Stuttgart sind mit allem ausgestattet was ein junger Designer braucht…

Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017

Die „ABK Stuttgart Rundgangsausstellung“ war ohne Frage die am kompliziertesten gestaltete Ausstellung, die wir jemals gesehen haben – ob im Museums- oder im Hochschulkontext. Und wir haben wahrscheinlich bereits um die 8 Millionen Ausstellungen gesehen. Die ABK hatte allerdings Glück und hat uns an einem guten Tag erwischt, ansonsten hätten wir gleich auf dem Absatz kehrt gemacht. Anstatt, dass man die Resultate der zahlreichen Klassen jeweils zusammen präsentiert hätte – in einem Raum, als Einheit – wurden die Arbeiten der unterschiedlichen Klassen untereinander in allen Werkstätten gemischt. Der Besucher wurde also auf eine Art Schatzsuche geschickt um alle Arbeiten einer bestimmten Klasse zu finden. So erging es zumindest uns… Soweit wir es ausmachen konnten, waren wir die einzigen, die wirklich methodisch von Klasse zu Klasse durch die Präsentation gegangen sind. Alle anderen haben sich die Ausstellung eher Werkstatt für Werkstatt angeschaut. Was, wie wir mal annehmen, viel über uns aussagt. Wir hoffen nur, dass es positiv ist.

Von den fünf Seminaren des Semesters hat insbesondere eines unsere Aufmerksamkeit erregt, was aber nicht bedeutet, dass die Kurse Fashion / Uniform, Coffee Powder, Ceramics, Thing 5.0 oder die zahlreichen selbst initiierten Projekte nicht interessant gewesen wären. Es ist eher so, dass uns die Arbeiten, sieht man von ihrem Charakter als Studentenprojekte einmal ab, nicht angesprochen haben. Für uns handelte es sich also eher um Bespiele dafür, wie die ABK versucht Designer für die Zukunft zu trainieren, dafür, was die Hochschule aus ihren Zöglingen macht. Und als solche waren die Arbeiten wichtig und interessant. Im Gegensatz dazu hat das Projekt LED jedoch einige Resultate hervor gebracht , die uns geradezu angesprungen haben.

 

LED

Veranstaltet von und mit Professor Winfried Scheuer beauftragte LED, man kann es sich denken, die Studenten damit, LED Leuchten zu entwerfen. Und das hat der eine oder andere in wunderbar provokanter bzw. den Geist anregender Art und Weise getan. Hier müssen wir allerdings festhalten, dass das Projekt Kumo von Baoyi Li und Manuel Diegruber das einzige war, was wir auf unserer Schatzsuche nicht finden konnten. Wir müssen also fürchten, dass es uns am besten gefallen haben könnte. Das soll aber keinesfalls von den folgenden Ergebnissen ablenken…

 

Bulb Stool von Do-hurn Park & Melissa Acker

Bulb Stool ist nicht das erste Objekt, das einen Stuhl mit einer Lampe verbindet, aber an der Verbindung, die Do-hurn Park und Melissa Acker geschaffen haben, war etwas besonders bezauberndes. Das hat vor allem mit dem Eindruck zu tun, dass der Fokus auf der Leuchte zu liegen scheint. Der Stuhl macht eher den Eindruck – und das bedeutet nicht, dass er wie ein Anhängsel aussieht – als hätte er sich aus einer Idee entwickelt und nicht, als sei er von Anfang an geplant gewesen. Der Griff wiederum um den sich das Kabel wickeln lässt hat nicht nur eine entfernte Verwandschaft mit Konstantin Grcics Mayday Lamp. Die fast schon partyleuchtenartige LED Kette im Körper schafft einen sehr lässigen, verspielten Charakter, der aber im Büro genauso  angemessen ist wie zu hause. Um ehrlich zu sein wissen wir nach wie vor nicht ganz genau, aus welchem Grund man auf einer Lampe sitzen sollte, worin hierbei der eigentliche Vorteil hinsichtlich der Beleuchtung besteht. Aber das mag auch einfach ein Fehler unserer Wahrnehmung und weniger ein tatsächliches Problem sein.

Bulb Stool by Do-hurn Park & Melissa Ackert, as seen at the Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017

Bulb Stool von Do-hurn Park & Melissa Acker, gesehen bei „Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017“

Acoustic Light von  Nils Körner & Charlotte Zeh

Vor allem im Bürokontext machen Beleuchtungselemente mit akustischen Eigenschaften Sinn. Wir haben keine Ahnung, ob Acoustic Light von Nils Körner & Charlotte Zeh tatsächlich funktioniert, sind aber sehr überzeugt von ihrem Ansatz und der Richtung, in der sie sich bewegen. Vor allem die Variante für den Boden ist faszinierend und wäre es auch ohne das Akustikelement.

Acoustic Light by Nils Körner & Charlotte Zeht, as seen at the Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017

Acoustic Light von Nils Körner & Charlotte Zeht, gesehen bei „Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017“

c1 von Simon Gehring & Sascha Dos Santos Coelho

Zwar ist die Edge-lit LED Lampe sehr populär, wenn es um kitschige Ornamente und Notausgänge geht, im Wohnbereich konnten sich die LEDs allerdings noch nicht so recht etablieren. In letzter Zeit haben wir allerdings eine steigende Anzahl von Edge-Lit Konzepten gesehen, was uns vermuten lässt, dass es sich dabei um eine neue Typologie in der Entwicklung handelt. Und auch wenn wir nicht sonderlich von der Frischhaltefolienrollen-Optik des Projektes c1 angetan waren, so stellt das Projekt doch sehr gut heraus, was mit einer solchen Technologie alles möglich ist und vor allem was man mit präziser Ätztechnik alles erreichen kann.

c1 by Simon Gehring & Sascha Dos Santos Coelhot, as seen at the Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017

c1 von Simon Gehring & Sascha Dos Santos Coelhot, gesehen bei „Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017“

Ménage à Trois von Hans-Peter Lutsch & Alexander Schulz

Ménage à Trois stellt unter Beweis, dass ein Lampenfuß sehr viel mehr sein kann als eine reine Stütze, und verwandelt ihn so in eine zentrale Ladestation: zusätzlich zur Hauptleuchte erlaubt Ménage à Trois auch den Anschluss einer Taschenlampe und einer mobilen hängenden Leuchte für Garten, Veranda oder Balkon. Ja, es sieht etwas unaufgeräumt aus, wenn alle Lampen geladen werden, die Selfmadeoptik spielt allerdings damit und war wohl eine bewusste Entscheidung. Das soll nicht heißen, dass das Konzept nicht ausgeklügelt ist, die Perfektion ergibt sich aus der Funktionalität nicht aus der Erscheinung und ähnlich wie dieser eine Künstlerfreund, der immer die gleichen Klamotten anzieht und nicht in der Lage zu sein scheint, sich die Haare zu kämmen oder sich die Fingernägel zu schneiden, allerdings sehr eloquent und engagiert über jedes Thema spricht, kann auch Ménage à Trois an jeden Ort gestellt werden, ohne Anstoß zu erregen.

 

Ménage à Trois by Hans-Peter Lutsch & Alexander Schulzt, as seen at the Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017

Ménage à Trois von Hans-Peter Lutsch & Alexander Schulz, gesehen bei „Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017“

Sitting – From Idea to Object

Einer der regulären Kurse im ersten Semester an der ABK Stuttgart ist Sitting – From Idea to Object, bei dem die Studenten aufgefordert werden, innerhalb eines Tages einen Stuhl aus einem einzigen 4,5 Meter langem Stück Holz herzustellen. Jedes Jahr das gleiche, aber jedes Jahr anders und jedes Jahr geht es erneut darum die Kreativität und die technischen Kapazitäten der Studenten herauszufordern.

Alle Details zur Akademie der Bildenden Künste Stuttgart sind unter www.abk-stuttgart.de zu finden.

 

Sitting - From Idea to Object, as seen at the Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017

Sitting – From Idea to Object, gesehen bei „Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Rundgang 2017“

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