#campustour Interview: Patrick Frey, Vertretungsprofessor, Hochschule Hannover

So wie das Eames‘sche Sprichwort verkündet, dass „die Details nicht die Details sind, sondern das Produkt ausmachen“, so sind auch die Lehrkräfte einer Designschule nicht das Lehrpersonal, sie machen die Schule aus.

Folglich ist es für ein besseres Verständnis nicht nur einer einzelnen Institution, sondern auch des allgemeinen gegenwärtigen Zustands und möglicher zukünftiger Richtungen der Designausbildung wichtig, mit den Lehrkräften der Designschule zu sprechen und sie zu verstehen; sowohl mit den Vollzeit- Professoren als auch mit den praktizierenden Designern, die die Verantwortung übernommen haben, künftigen Generationen zu lehren.

Praktizierende Designer wie Patrick Frey, Vertretungsprofessor an der Hochschule Hannover.

Patrick Frey. Designer and Assistant Professor, Hochschule Hannover

Patrick Frey. Designer und Vertretungsprofessor, Hochschule Hannover

Patrick Frey, seinerseits Absolvent der Hochschule Hannover, machte erstmals durch die Tische „Kant“ und „Marketing“ auf sich aufmerksam, die er zusammen mit Markus Boge im Rahmen ihrer Abschlussarbeit entwarf. Neben dem Erfolg den die Möbel bei internationalen Wettbewerben feiern konnten, wurden sie fortan auch von dem deutschen Hersteller Nils Holger Moormann produziert. Nach einigen Jahren in einem gemeinsamen Studio trennten sich die Wege von Patrick und Markus im Jahr 2007; seitdem hat Patrick eigene Ideen verfolgt und setzte Projekte für Hersteller wie Villeroy & Boch, Richard Lampert, Freifrau oder Bree um. 2010 nahm Patrick Frey das Angebot der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim an und unterrichtete dort bis er sich 2014 wieder seiner Alma Mater zuwandte. Dort hat er nun eine Professur im Fach Produktdesign inne. Im Rahmen unserer #campustour haben wir uns mit Patrick getroffen, um über das Produktdesign-Studium in Hannover zu reden sowie darüber, wie sich das heutige Studium von seiner Studienzeit unterscheidet. Allen vor an wollten wir aber wissen, was ihn dazu bewegte eine Karriere im Bereich Design anzustreben.

Patrick Frey: Schon sehr früh, im Alter von etwa 9 Jahren, wusste ich, dass ich Designer werden wollte. Bei uns zu Hause war Kreativität immer präsent: Meine Mutter ist Keramikerin, mein Vater liebäugelte bevor er schließlich doch Lehrer wurde einst mit Architektur, und ich wusste von klein an, was Designer machten; dass sie für all die Dinge zuständig sind, die uns umgeben, die mich faszinierten und dass das etwas war, was ich auch machen wollte. Gleich nachdem ich meinen Zivildienst beendet hatte, begann ich ein Praktikum in Hannover. Ich arbeitete in dem Büro „Lindinger und Partner“ und fragte Herbert Lindinger, was er mir als Studienort empfehlen könnte. Er meinte Hannover sei hervorragend, also blieb ich hier.

smow Blog: Und du bist immer noch hier, obwohl deine erste Lehrstelle an der HAWK Hildesheim war. Wie kam es zu der Entscheidung zu lehren und warum fiel die Wahl auf Hildesheim?

Patrick Frey: Das ist ganz einfach: Professor Andreas Schulz hat mich gefragt, ob ich an einer Position in Hildesheim interessiert wäre. Dass ich zusagte einerseits daran, dass ich bis dahin noch nie mit Studenten zusammengearbeitet hatte und mir die Arbeit sehr spannend vorstellte, was nicht zuletzt auch daran lag, dass ich einige Praktikanten hatte und feststellte, dass sie nicht nur daran interessiert waren, was ich ihnen beibrachte, sondern, dass sie das Gelernte auch auf ihre eigene Art und Weise weiterentwickelten. Die Motivation für mich war es, eine ähnliche Situation auch im Rahmen des Studiums zu kreieren. Andererseits musste ich mich in Hildesheim nicht nur auf Industriedesign beschränken, sondern hatte die Freiheit auch etwas experimentierfreudigeres Produktdesign zu unterrichten, was im Prinzip genau mein Ding ist. Dadurch wurde es eine sehr interessante und lohnenswerte Arbeit.

smow Blog: Was uns natürlich zur Frage führt: Warum der Wechsel nach Hannover?

Patrick Frey: Das lag an Gunnar Spellmeyer, mit dem ich als Student in der Agentur „Formfuersorge“ zusammengearbeitet habe. Er hat mich gefragt, ob ich daran interessiert wäre, gemeinsam ein Programm zu entwickeln. Die Zusage fiel mir relativ leicht, nicht nur weil es mit weniger Reisen verbunden war, sondern auch weil mir die Verbindung und der Kontakt zu den Studenten wichtig ist; dass die Studenten wissen, dass ich für sie erreichbar bin, dass ich mich für sie interessiere. Hier in Hannover gibt es beispielsweise immer die Möglichkeit sich spontan zu treffen, wenn es Gesprächsbedarf geben sollte.

smow Blog: In Bezug auf den Kurs hier in Hannover: Handelt es sich um einen rein Projekt-basierten Kurs?

Patrick Frey: Projekte, aber auch Theorie. Die ersten beiden Semester sind durchmischt, alle, die irgendwie mit Design zu tun haben studieren zusammen, und dann beginnt erst die Spezialisierung. Es ist ein sehr strukturiert aufgebautes Studium, was es auch sein muss, denn mit der Einführung des Bachelors ist alles sehr eng geworden. Man muss innerhalb von relativ kurzer Zeit relativ viel erreichen, zumindest im Vergleich zu meiner Studienzeit. Ich habe 12 Semester lang studiert, mit mehreren Urlaubssemestern zwischendurch. Für mich war es nicht so wichtig fertig zu werden, sondern vielmehr so lange zu studieren, bis ich das Gefühl hatte, dass ich fertig bin. Heute hat man das Gefühl, dass die Studenten so schnell wie möglich fertig werden wollen, was wahrscheinlich am eng strukturierten Studienplan liegt.

smow Blog: Und haben die Studenten heute vielleicht auch ein anderes Verständnis vom Beruf des Designers als es die Studenten damals hatten?

Patrick Frey: Das würde ich nicht unbedingt sagen. Für mich persönlich war es eine innere Bestimmung, und so etwas findet man noch heute. Das sind letztlich genau die Studenten, die wir suchen: Die, die sich selbst dazu bestimmt fühlen. Grundsätzlich würde ich sagen, dass die unterschiedlichen Auffassungen von Design heute wie damals existieren. Wobei man sagen muss, dass die Studenten anfangs noch nicht wissen, wo sie einmal hinwollen. Deswegen ist es für uns als Hochschule wichtig, eine breite Palette anzulegen, die es ihnen ermöglicht in sämtliche Richtungen zu schnuppern, bevor sie dann im Laufe ihres Studiums eine feste Vorstellung entwickeln.

smow Blog: Also auch weg vom, sagen wir mal, traditionellen Industrie- oder Produktdesign?

Patrick Frey: Absolut. Eine wichtige Veränderung im Vergleich zu meinem Studium ist, dass die heutigen Projekte von Studenten nicht mehr unmittelbar in einem physischem Produkt enden. Vielmehr sehen wir auch rein konzeptionelle Projekte, und für mich ist das eine sehr wichtige Entwicklung, denn es gibt auch die, die zwar eine enge Beziehung zu Design haben, aber nicht unbedingt daran interessiert sind, Dinge zu kreieren. Es ist gut solche Leute im Kurs zu haben, weil sie andere Perspektiven und Ideen einbringen.

smow Blog: Und ist es bei dem strengen Zeitplan möglich Praktika zu machen? Und ist für dich persönlich das Praktikum ein vernünftiger Schritt?

Patrick Frey: Das fünfte Semester ist das Praktikumsemester und für mich ist das sehr wichtig, denn ansonsten würden die Studenten keinen Praxisbezug haben: Dieses Verständnis dafür, was tatsächlich in einem Unternehmen oder Designbüro passiert. Manchmal sind sie dann begeistert, manchmal erschrocken, manchmal ernüchtert und manchmal wissen sie danach was sie nicht wollen. Jede Erfahrung ist gleichermaßen wertvoll und es ist sehr oft der Fall, dass die Erfahrung aus dem Praktikum die zukünftige Karriere beeinflusst.

smow Blog: Das heißt also, dass die Studenten dann ihre Bachelorarbeit bei einem Praktikumspartner machen oder sogar mit ihnen arbeiten?

Patrick Frey: Ja, das kommt vor. Wir haben beispielsweise einige Praxispartner mit denen wir Semesterprojekte organisieren, durch die die Studenten dann die Partner kennenlernen. Wenn ihnen dann gefällt, was sie machen und wie sie arbeiten, dann absolvieren sie häufig ihr Praktikum dort. Und wir sind in der hervorragenden Lage behaupten zu können, dass viele von unseren Studenten dann auch von den Praktikumspartnern übernommen werden, was natürlich sehr erfreulich ist. Auch wenn ein Job die Entscheidung für oder gegen ein Masterstudium umso schwieriger macht. Wobei ich immer dafür plädiere das Masterstudium zu machen!

smow Blog: Und in Bezug auf Selbständigkeit: Würdest du deiner Erfahrung nach den Studenten dazu raten, sich selbstständig zu machen?

Patrick Frey: Es wäre fahrlässig wenn ich mich dagegen aussprechen würde, aber ich würde auch nie versuchen, jemanden aktiv dazu zu ermuntern. Alles was ich tun kann, ist sie über die Vor-und Nachteile aufzuklären und über meine Erfahrungen zu reden, wobei ich stets versuche den Alltag als selbstständiger Designer realistisch zu vermitteln. Aber ich würde immer dazu raten auch andere selbstständige Designer zu fragen, die vielleicht andere Erfahrungen und Ansichten haben.

smow Blog: Wenn du deine Realität als selbstständiger Designer beschreibst, beinhaltet das auch deine Erfahrungen mit Herstellern? Stichwort betriebswirtschaftliche Aspekte?

Patrick Frey: Ja, durchaus. Das ist etwas, das ich sehr ernst nehme; vor allem darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist eine Form von Aufwandsentschädigung zu vereinbaren bevor man sich an die Planung von einem Projekt macht.

smow Blog: Fragt du immer nach einer Bezahlung für die Planung?

Patrick Frey: Sofort. Sonst fange ich gar nicht erst mit einem Projekt an. Auf der einen Seite kann ich es mir nicht leisten – ich habe eine Familie und Verpflichtungen, und auf der anderen möchte ich, dass solche Zahlungen der Standard werden. Ich muss praktizieren was ich lehre und nicht zu einem System beitragen, von dem ich denke, dass es reformiert gehört.

smow Blog: Und, etwas allgemeiner, was versuchst du zu vermitteln?

Patrick Frey: Meine persönliche Haltung zu Design ist die, die ich am besten repräsentieren kann, und so fangen die meisten Diskussionen beispielsweise damit an, dass Design für mich nicht nur die oberflächliche Gestaltung von etwas ist, sondern sich ein Konzept dahinter verbirgt, das sich mit dem soziokulturellen Zusammenhang beschäftigt und dass, letztendlich, mein Design nicht die Welt verändern wird. Das ist eine blöde, naive Illusion, denn als Designer können wir nicht viel mehr als Denkanstöße oder alternative Möglichkeiten anbieten.

smow Blog: Wobei es doch bestimmt den ein oder anderen Studenten gibt, der den Kurs mit der Vorstellung betritt, er könne genau das, oder?

Patrick Frey: Was okay ist! Ich meine, warum auch nicht? Um ehrlich zu sein wäre ich wahrscheinlich besorgter, wenn niemand das erreichen wollen würde! Nein, belassen wir sie in dem Glauben und sehen wir wohin ihre Reise sie führt. Was junge Studenten oft motiviert ist es das Konsumverhalten der Menschen zu ändern. Als Designer bieten wir den Treibstoff für den globalen Konsum und für viele der Studenten ist es eine Motivation, wie sie diesen positiv beeinflussen können. Aber das ist ein großes Feld und man kann nicht einfach damit anfangen indem man die Büchse der Pandora öffnet und sagt, dass man alles verändern will. Vielmehr muss man darüber nachdenken, wo man eingreifen will, und viele der Studenten werden sich dessen schnell bewusst.

smow Blog: Wechseln wir etwas das Thema… Die Ausstellung der Hochschule Mailand: Ist sie ein Besucht wert oder geht man in der Masse verloren?

Patrick Frey: Nein, nein, Mailand ist gut, einerseits weil viele Leute kommen und man sich einem großen, vielfältigem, internationalen Publikum präsentieren kann, und andererseits, weil man die Möglichkeit hat, andere internationale Designschulen zu treffen und darüber zu diskutieren, was sie machen, wohin sich bestimmte Ideen entwickeln. Durch so einen Kontakt können langfristige Beziehungen entstehen – zum Beispiel geht eine Delegation aus Hannover im Oktober nach Mexiko City und besucht die UNAM Universität – und diese Internationalisierung ist etwas, das wir entwickeln wollen. Also ermutigen wir die Studenten dazu, ihren Horizont zu erweitern. Meiner Meinung nach sollte jeder Student einige Zeit im Ausland verbringen. Mailand eignet sich außerdem, um potentielle Masterstudenten kennenzulernen, denn viele Studenten nutzen die Messe, um zu entscheiden, wo sie ihren Master machen wollen, und so ist die Ausstellung der Hochschule Mailand eine gute Plattform um zu erklären, was genau wir anbieten.

smow Blog: Und, um abzuschließen: Wenn du zukünftigen Absolventen einen Ratschlag geben könntest, welcher wäre das?

Patrick Frey: Verkauf‘ dich nicht unter Wert und sei dir darüber im Klaren, dass du etwas erreichen kannst. Viele Studenten sind sich nicht bewusst, was sie tun können; bei einem Installateur oder Schreiner ist es eindeutig, als Designer ist es viel komplizierter, aber trotzdem formulierbar. Vielleicht ist es das Wichtigste, während seines Studium eine Haltung zu Design zu entwickeln, diese zu behalten und nichts zu machen, was man nicht auch wirklich machen will!

Kant von Patrick Frey & Markus Boge für Nils Holger Moormann (Foto © Nils Holger Moormann)

Kant von Patrick Frey & Markus Boge für Nils Holger Moormann (Foto © Nils Holger Moormann)

Piu von Patrick Frey für Sommerhaus Piu (Foto © Patrick Frey)

Piu von Patrick Frey für Sommerhaus Piu (Foto © Patrick Frey)

Stella von Patrick Frey für Freifrau (Photo © Patrick Frey)

Stella von Patrick Frey für Freifrau (Photo © Patrick Frey)

Finion kollektion von Patrick Frey für Villeroy & Boch (Foto © Patrick Frey)

Finion kollektion von Patrick Frey für Villeroy & Boch (Foto © Patrick Frey)

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