5 Neue Architektur- und Designausstellungen im September 2020

Am Dienstag, den 22. September kommt es zur Tagundnachtgleiche 2020. Der Tag markiert damit den Beginn des Herbstes auf der Nordhalbkugel und den des Frühlings auf der Südhalbkugel.

Beide Jahreszeiten sind für die Launenhaftigkeit ihres Wetters bekannt und daher perfekt für einen längeren Besuch einer Architektur-, Design- oder Kunstausstellung geeignet.

Unsere Empfehlungen für vier neue Ausstellungen, die im Herbstmonat September 2020 eröffnet werden, finden Sie in Berlin, Kolding, Düsseldorf und nochmals in Berlin. Unser Tipp für eine neue Ausstellung im Frühlingsmonat September 2020 führt uns nach Sydney. Und wie immer in diesen Zeiten: wenn Sie beschließen ein Museum zu besuchen, machen Sie sich bitte im Voraus mit den aktuellen Regeln und Handhabungen bezüglich Eintrittskarten, Sicherheit, Hygiene, Garderobe usw. vertraut.

5 New Architecture & Design Exhibitions for September 2020

„Luigi Colani und der Jugendstil“ im Bröhan-Museum, Berlin, Deutschland

Die natürliche Welt ist nicht geometrisch*, und schon gar nicht linear. Wir sind es auch nicht.

Nichtsdestotrotz haben Architekten seit dem antiken Griechenland das Primat der Geometrie und des Linearen beim Bau unserer Gebäude und in städtischen Räumen durchgesetzt. Auch Designer waren seit Anfang des 20. Jahrhunderts bestrebt, dieses Primat auf unsere Gebrauchsgegenstände zu übertragen.

Nur selten kam echter Widerstand auf. Das heißt, es wurde nur sehr selten versucht, das Fluide der Natur auf Architektur und Design zu übertragen. Als Gegenbeispiele fallen uns insbesondere Barock, Jugendstil oder auch Luigi Colani ein.

Luigi Colani ist für seinen Walross-Schnurrbart und seine weißen Anzüge ebenso bekannt, wie für seine frei fließenden, biomorphen Entwürfe. Der Designer führte während eines Großteils seiner Karriere einen Feldzug gegen das Geometrische und das Lineare. Er ging gegen Konventionen, bzw. gegen eine bedingungslose Akzeptanz von Konventionen im Design vor und kritisierte den mangelnden Willen, sich vorwärts zu bewegen – den Mangel an Gestaltungswillen für die Zukunft.

Seine Karriere begann in den 1950er Jahren mit Flugzeug- und Automobildesign. Colani ging jedoch schnell auch zu Möbel-, Beleuchtungs- und Produktdesign mit all seinen Facetten über. Während seiner Karriere schöpfte Colani die Möglichkeiten der Kunststoffe voll aus, um neue formale Ausdrucksformen zu schaffen, anstatt Bestehendes zu kopieren. Wie wir im Bröhan-Museum erfahren, war Colanis Werk grundlegend von den frei fließenden, floralen Formen des Jugendstils inspiriert. Eine These, die durch die Präsentation von Werken Luigi Colanis und vor allem durch deren Gegenüberstellung mit Jugendstilwerken aus der Sammlung des Bröhan Museums erweitert und untermauert werden soll. Es sollen so nicht nur neue Perspektiven auf das Werk, die Relevanz und das Vermächtnis Luigi Colanis, sondern auch neue Perspektiven auf den Jugendstil ermöglicht werden.

„Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Luigi Colani und der Jugendstil“ wird am Dienstag, den 29. September, im Bröhan-Museum, Schlossstraße 1a, 14059 Berlin, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 30. Mai.

*Ja, geometrische Muster bilden oft die Grundlage natürlicher Konstruktionen, aber der Ausdruck der Natur ist selten geometrisch und sicherlich selten linear.

Luigi Colani and Art Nouveau at the Bröhan-Museum, Berlin, Germany

„Luigi Colani und der Jugendstil“ im Bröhan-Museum, Berlin, Germany

„Arne Jacobsen – Designing “ at Trapholt, Kolding, Denmark

Natürlich hat Arne Jacobsen nicht Dänemark designt – zumindest nicht vollständig.

Arne Jacobsens Beitrag zur Geschichte und zum Verständnis von Design in Dänemark kann jedoch kaum in Frage gestellt werden. Eine der vielversprechendsten Erkundungen des Oeuvres von Arne Jacobsen in den letzten Jahren verspricht die Ausstellung „Arne Jacobsen – Designing Denmark“ im Trapholt Museum in Kolding. Die Ausstellung nähert sich Arne Jacobsen, seinem Werk und seinem Vermächtnis mit einem Fokus auf drei Fragestellungen bzw. Aspekte. Dabei handelt es sich um die Frage nach der Art seiner kreativen Prozesse; um seinen Beitrag zu dem, was der Kurator die „Ästhetik des dänischen Wohlfahrtsstaates“ nennt; und um die Frage: „Er det egentligt dansk? – Ist das wirklich dänisch?“

Wie bereits erwähnt, war Arne Jacobsen unter allen dänischen Architekten und Designern seiner Generation wohl der international erfolgreichste. Es wird also kein Zufall gewesen sein, dass Verner Panton seine Anstellung bei Jacobsen aufgab und sich in die Welt hinaus begab. Doch trotz seines kosmopolitischen Charakters wird Jacobsens Werk nahezu universell als im Wesentlichen dänisch aufgefasst. Das gilt auch für Arne Jacobsen selbst.

Wie ist das möglich? Und warum? Die Ausstellung „Arne Jacobsen – Designing Denmark“ sucht Antworten. Und zwar mit Hilfe einer Präsentation, die neben den allseits bekannten Jacobsen-Möbeln auch selten, bzw. nie gesehene Jacobsen-Arbeiten verspricht, darunter Aquarelle, Beleuchtungs- und Textildesigns, die durch Interviews mit Jacobsen und von ihm gedrehte Filme untermauert und ergänzt werden.

„Arne Jacobsen – Designing Denmark“ wird am Donnerstag, den 10. September, in Trapholt, Æblehaven 23, 6000 Kolding eröffnet und läuft bis Montag, den 25. Mai.

The textile Hyacinter - Hyacinths - by Arne Jacobsen (1948), part of Arne Jacobsen – Designing Denmark, Trapholt, Kolding (Photo courtesy Trapholt, Kolding)

Das Textil Hyacinter – Hyacinthen – von Arne Jacobsen (1948), ein Teil von „Arne Jacobsen – Designing Denmark“, Trapholt, Kolding (Foto mit freundlicher Genehmigung des Trapholt Museums, Kolding)

„Simon Denny. Mine“ im K21, Düsseldorf, Deutschland

Die „Mine“ im Titel von Simon Denny’s Einzelausstellung ist nicht nur programmatisch, sondern auch doppeldeutig. In Form einer Präsentation von neun Projekten, die der in Auckland geborene und in Berlin lebende Künstler ursprünglich für das Museum of Old and New Art, Hobart, geschaffen hat, reflektiert Mine, nämlich die Verbindungen zwischen den „Mines“ [Loch/Grube] Australiens und der „Mine“ [Pronomen] von Daten. Es geht damit um die Parallelen zwischen den ökologischen und sozialen Folgen der Mineralgewinnung und den persönlichen und sozialen Folgen der Datengewinnung.

Der Abbau der einen oder anderen Ressource begleitet die menschliche Zivilisation seit jeher und hat in seiner industriellen Zuspitzung unweigerlich positive und negative Folgen. Was wohl auf alle technologischen Innovationen zutrifft. Die negativen Konsequenzen erkennen wir trotzdem meist erst, wenn es schon zu spät ist.

Die Ausstellung verspricht eine Mischung aus Objekten und Installationen. Sie beschäftigt sich mit unserem Verhältnis zu den Industrien, die im Zentrum der Industrialisierung des 20. Jahrhunderts standen, und reflektiert, wie sich dieses Verhältnis auf unsere heutige wirtschaftliche, soziale, politische und ökologische Realität auswirkt. „Mine“ setzt sich darüber hinaus mit unserer heutigen digitalen, vernetzten Gesellschaft und der Verantwortung des Designs in dieser Gesellschaft auseinander.

Während Fortschritte im Mineralienabbau weitgehend von Ingenieuren und Mechanikern vorangetrieben wurden, haben wir Fortschritte im Data-Mining überwiegend Designern zu verdanken. Was könnte in diesem Prozess schiefgehen…?

Simon Denny. „Mine“ wird am Samstag, den 5. September, im K21, Ständehausstraße 1, 40217 Düsseldorf, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 17. Januar.

Amazon worker cage patent drawing as virtual King Island Brown Thornbill cage by Simon Denny (Photo: Jesse Hunniford/MONA, courtesy K21)

Amazon Arbeiterkäfig, Patentzeichnung „virtual King Island Brown Thornbill cage“ von Simon Denny (Foto: Jesse Hunniford/MONA, courtesy K21)

„Design for Life“ im Powerhouse Museum, Sydney, Australia

„Die besten von Menschen entworfenen Designs“ meinte einst George Nelson, „sind Überlebens-Formgebungen, einfach deshalb, weil sie mehr mit Leben und Tod zu tun haben denn mit Markt-Überlegungen.“**

Mit der Ausstellung „Design for Life“ verspricht das Powerhouse Museum, Sydney, eine Auseinandersetzung mit „Überlebens-Formgebungen“ im Kontext medizinischer Geräte, und zwar anhand von rund 200 Exponaten aus der eigenen Sammlung des Museums.

Es geht dabei nicht nur um Reflexionen zu George Nelsons Position, sondern auch um die Frage, welche Prioritäten Designer bei der Realisierung von Projekten setzen, deren Funktion ebenso einfach definiert werden kann, wie bei einem Bürostuhl, einem Toaster oder einer Vase. Nur dass die Folgen von schlechtem Design hier viel weitreichender und potenziell tödlich sind: Neben Prothesen, diagnostischen Testsätzen und 3D-Bioprintern setzt „Design for Life“ einen Schwerpunkt auf medizinische Beatmung, Atmung und Gesichtsmasken und berührt damit ein sehr zeitgenössisches Thema, das die Kuratoren im Kontext der Entwicklungen seit den 1930er Jahren reflektieren und erforschen wollen. Es geht dabei nicht nur um ein besseres Verständnis dafür, wie die Entwicklung der Technik zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beigetragen haben, sondern auch darum, den Beitrag von Designern in diesem Zusammenhang herauszustellen. So wird hoffentlich deutlich, welch wichtige Rolle Designern als Partner von Industrie und Gesellschaft zukommt.

„Design for Life“ wird im Powerhouse Museum, 500 Harris St, Ultimo, Sydney, am Samstag, den 26. September eröffnet und läuft bis Sonntag, den 31. Januar.

** George Nelson, Zum Design von Sportgeräten, Du: die Zeitschrift der Kultur, Vol. 36, No 7, 1976

3D printed surgical heart by Dr James Otton. A concept to help heart surgeons plan operations (Photo Belinda Christie, courtesy Powerhouse Museum)

3D gedrucktes, chirurgisches Herz von Dr. James Otton. Ein Konzept, um Herzchirurgen die Planung von Operationen zu erleichtern. (Foto Belinda Christie, mit freundlicher Genehmigung des Powerhouse Museum)

„urbainable – stadthaltig. Positionen zur europäischen Stadt für das 21. Jahrhundert “ in der Akademie der Künste, Berlin, Germany

Das verbindende Element aller gegenwärtigen Prognosen, wie Covid-19 unsere Gesellschaft für immer verändern wird, ist ihre Ungenauigkeit. Unsere Gesellschaft wird wohl (weitgehend) so weitermachen, wie bisher und sich so langsam und unvollständig entwickeln wie schon immer. Covid-19 hat jedoch zweifellos Reflexionen zu einer Vielzahl von Themen in Gang gesetzt. Wir fragen uns, wo wir stehen, in welche Richtung wir als Gesellschaft gehen könnten und sollten. Das betrifft ganz besonders den Kontext unserer Städte.

Im Kontext der Ausstellung „urbainable – stadthaltig“ betrifft das insbesondere unsere europäische Stadt, ein Stadtmodell, das wir in Europa als Standard ansehen mögen, das aber genau betrachtet sehr viel spezifischer ist. Schließlich handelt es sich um ein Modell, das sich mit der europäischen Gesellschaft entwickelt und entwickelt hat, und das, so argumentieren die Kuratoren, ein untrennbarer Teil des Problems unserer andauernden klimatischen Notlage ist, aber auch ein Teil der Lösung sein könnte.

Anhand einer Präsentation von etwa 33 Projekten aus den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung soll untersucht werden, wie die europäische Stadt sich anpassen kann, sollte und muss, um zukünftigen ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen gewachsen zu sein.

Es geht auch um die Frage, ob die europäische Stadt dazu in der Lage ist oder ob es sich um  ein Modell handelt, das an die Grenzen seiner Fähigkeiten bzw. seiner Anpassungsfähigkeit gelangt ist.

„Positionen zur europäischen Stadt für das 21. Jahrhundert“ wird am Samstag, den 5. September, in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 22. November.

The runway of the former Tempelhof airport, Berlin (Photo © Erik-Jan Ouwerkerk, courtesy Akademie der Künste, Berlin)

Das Tempelhofer Feld, Berlin (Foto © Erik-Jan Ouwerkerk, mit freundlicher Genehmigung der Akademie der Künste, Berlin)

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