smow Blog Designkalender: 31. Dezember 1907 – Happy Birthday, Edward J. Wormley!

Wenn man dem allzu offensichtlichen Zauber von Eames, Nelson und Girard erliegt, vergisst man leicht, dass zum amerikanischen Design der Nachkriegszeit noch sehr viel mehr gehört –  nämlich auch Edward J. Wormley.

Im Jahr 1961 erschien in der Juli-Ausgabe des Playboys ein ausgezeichneter Artikel von John Anderson unter dem Titel „Designs for Living“, der mit einem doppelseitigen Foto von George Nelson, Charles Eames, Eero Saarinen, Harry Bertoia, Jens Risom und Edward J. Wormley beginnt. Unter der Überschrift „Frei von Dogmen haben die Schöpfer zeitgenössischer amerikanischer Möbel ein Gespür dafür, Funktionalismus mit ästhetischem Genuss zu verbinden“ wird der Standpunkt vertreten, dass Überschwang, Finesse und hoher Einfallsreichtum heute das amerikanische Möbeldesign kennzeichnen, denn die kreuzfahrerische Ära der Moderne sei vorbei.1

Die sechs vorgestellten Designer sind in vielerlei Hinsicht Ritter, die diesem Kreuzzug Einhalt geboten haben. Sie haben die Auswüchse des sogenannten Internationalen Stils bezwungen und zivilisiert und den Modernismus, das zeitgenössische Design, für die durchschnittlichen amerikanischen VerbraucherInnen zugänglich gemacht. Doch die Zeit hat weder alle sechs noch ihre jeweiligen Heldentaten gleichermaßen in Erinneung behalten. Während die anderen zu sagenumwobenen Designlegenden geworden sind, bleibt Edward J. Wormley einer der vergessenen Männer des amerikanischen Möbeldesigns der Nachkriegszeit, ein höchst unpassendes Schicksal.

playboy july 1961 Designs for Living

Playboy Juli 1961 „Designs for Living“ mit George Nelson, Edward J. Wormley, Eero Saarinen, Harry Bertoia, Charles Eames und Jens Risom

Edward J. Wormley wurde am 31. Dezember 1907 in Oswego, Illinois, geboren und wuchs im nahegelegenen Rochelle, Illinois, auf. Nach seinem Abschluss an der Rochelle Township High School im Jahr 1926 schrieb er sich am Art Institute of Chicago ein. Eine akademische Karriere, die aus finanziellen Gründen auf nur drei Semester begrenzt blieb.

Bevor er sein Studium am Art Institute begann, absolvierte der jugendliche Edward J. Wormley ein Fernstudium an der New York School of Interior Design. So war es vielleicht mehr als nur Schicksal, dass er vom Art Institute in das Innenarchitektur-Studio des Chicagoer Kaufhauses Marshall Field & Co. wechselte und anschließend 1930 beim Möbelhersteller Berkey & Gay in Grand Rapids, Michigan arbeitete, wenn auch nur für ein Jahr, denn 1931 musste Berkey & Gay aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in der Depressionszeit aufgeben. Edward J. Wormley nutzte jedoch seine Zwangsarbeitslosigkeit, um nach Europa zu reisen, wo er, glaubt man der populären Wormley-Biografie, die weitgehend ohne Quellenangaben auskommt, sowohl den großen Modernisten Le Corbusier als auch den großen Art-déco-Vertreter Emile-Jacques Ruhlmann traf. Und damit die Meister zweier Bewegungen kennenlernte, die seinen weiteren Werdegang prägen sollten.

Nach seiner Rückkehr nach Amerika wurde Edward J. Wormley zum Design-Direktor des in Bern, Indiana, ansässigen Herstellers Dunbar ernannt und machte sich sofort daran, einen ansonsten unspektakulären Hersteller in einen der führenden zeitgenössischen Möbelhersteller Amerikas zu verwandeln. Oder besser gesagt, er begann sich zu verwandeln: Während des Krieges wurde er kurzzeitig an das sogenannte Office of Price Administration in Washington abgeordnet, wo er die Möbelabteilung leitete. Eine Position, die Wormley, obwohl er sie nur zwei Jahre lang innehatte, einen ausgezeichneten Einblick in die sich entwickelnde US-Möbelindustrie ermöglichte. Nach dem Krieg nahm Edward J. Wormley seine Zusammenarbeit mit Dunbar wieder auf, wenn auch auf freiberuflicher Basis und parallel zu zahlreichen anderen Aufträgen, in deren Verlauf er ein breites Portfolio an Möbel-, Textil-, Wohnaccessoire-, Tapeten- und Leuchtendesigns entwickelte und zu einem der führenden und angesehensten zeitgenössischen Designer Amerikas wurde.

In einem Text aus dem Jahr 1953 meinte Edward J. Wormley, dass er manchmal zu einem guten Ergebnis gelange, ohne danach zu streben, der ästhetische Pionier oder der technische Innovator zu sein, der er im Grunde nicht sei.2

Das hört sich für unseren Geschmack etwas zu bescheiden an.

In Texten von und Interviews mit Edward J. Wormley aus den 1940er und 50er Jahren erklärt er wiederholt sehr kompetent, wie überzeugt er von der Bedeutung neuer Produktionsmethoden zur Herstellung neuer Möbeltypen und von der Verwendung standardisierter Elemente zur Realisierung praktischerer und kostengünstigerer Möbel sei. Er spricht sich gegen die Idee eines Möbelstücks als Erbstück oder als Objekt aus, das nur eine Funktion hat, und plädiert für eine Hinwendung zu vergänglicheren, multifunktionalen Objekten. Objekte, die mit dem zunehmend vergänglichen, multifunktionalen Charakter der Nachkriegsarchitektur korrelieren.

Trotz seiner kritischen Selbsteinschätzung waren Wormleys Antworten ästhetisch genauso wegweisend und technisch innovativ wie die seiner ZeitgenossInnen. In welchem Punkt sich Edward J. Wormley jedoch von diesen unterschied, waren seine Ansichten über historische Vorbilder. Bei der amerikanischen Wohnungseinrichtung der Vorkriegszeit ging es größtenteils um das demütige Kopieren historischer Stile, wobei insbesondere Reproduktionen von Chippendale, Barock und Queen Anne gefragt waren, die als Synonym für sozialen Status galten. Die neue Generation der NachkriegsdesignerInnen versuchte aktiv mit dieser sehr fragwürdigen Tradition zu brechen: Es wäre zum Beispiel einem Charles Eames oder einem George Nelson nie in den Sinn gekommen, sich ein historisches Vorbild anzueignen. Edward J. Wormley sah das anders: „Ich bewundere das Design der Vergangenheit sehr und ich sage ganz offen, dass es heute zu wenig Design gibt, das in Bezug auf Interesse, Einfallsreichtum und Schönheit mit dem besten traditionellen Design konkurrieren kann“, schrieb er 1953, um dann festzustellen, dass es „ein Erbe an Designgrundlagen“ gebe, einschließlich Ideen zu Proportion und Betonung, die seiner Meinung nach Frank Lloyd Wright, Mies van der Rohe, Gaudi und Le Corbusier alle genutzt haben und die er als „die eigentlichen Sehnen des Designs“ bezeichne.“3

Eine solche Position sollte nicht als Befürwortung von 1:1-Reproduktion vergangener Stile missverstanden werden, sondern vielmehr als Übernahme und Verwendung der besten Elemente früherer Epochen und deren Übertragung in einen zeitgenössischen Kontext, oder wie Edward J. Wormley schrieb: „Wir müssen weiterhin mit zeitgenössischen Materialien, Techniken und vor allem im Rahmen unserer eigenen hochentwickelten und sich ständig verändernden Verteilungsmuster arbeiten.“4

Das Ergebnis ist ein Kanon von Arbeiten, der schamlos klassisch und doch unbestreitbar zeitgenössisch ist. In der Linienführung, in der Wahl der Materialien und in der Ausgewogenheit der Silhouette weichen Wormleys Arbeiten nur selten sehr weit von denen vergangener Generationen ab, tun dies aber mit einer Frische, Leichtigkeit und Vitalität, die auf einer durchdachten und begründeten materiellen und formalen Reduktion basiert. Einer Reduktion, die sowohl die Produktion erleichtern als auch das Auge erfreuen soll. Wormleys Stücke haben nicht die Masse ihrer Vorgänger, sind weniger abschreckend, sind sympathischer, durch und durch modern und waren damit für jenen großen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit, der sich langsamer als viele der damaligen ArchitektInnen und DesignerInnen an die veränderten Bedingungen anpasste, sehr gut zugänglich. Edward J. Wormley bot zeitgenössische Möbel mit einem historischen Backup an.

Edward J. Wormleys Wertschätzung für das Historische bedeutete keineswegs, dass er gegen das war, was seine ZeitgenossInnen produzierten, ganz im Gegenteil. In der New York Times vom August 1947 lobte Wormley beispielsweise die Sperrholzstühle und Aufbewahrungseinheiten der Eames und bemerkte: „Dies ist nur der Anfang einer Art zu denken, nennen Sie es unorthodox, das auf eine rationalere Art von Design für die Massenproduktion ausgerichtet ist.“5

Dieses „unorthodoxe“ Denken stand sehr im Einklang mit Wormleys eigenen Ansichten zur Standardisierung, eine Denkweise, in der Wormley auf seine eigene Art sehr geschickt war. 1947 brachte Dunbar eine Serie von Aufbewahrungsmodulen von Wormley auf den Markt, über die die New York Times berichtete, dass es sich dabei um die erste ihr bekannte Kollektion solcher Möbeleinheiten handelte, bei denen sowohl die Vorder- als auch die Rückseite dekoriert ist, was bedeutet, dass „sie nicht an der Wand stehen müssen, sondern im rechten Winkel dazu aufgestellt werden können, um einen Bereich eines großen Raumes vom anderen zu trennen“6. Es handelte sich hier also um eine Aufbewahrungseinheit als freistehender Raumteiler und architektonisches Objekt anstelle einer soliden, dauerhaften, raumfressenden Lösung. Ein Konzept, das nicht nur unorthodox ist, sondern 70 Jahre später von DesignerInnen weiterhin verwendet und geschätzt wird. Edward J. Wormleys Fähigkeit, außerhalb akzeptierter Normen zu denken, zeigt sich auch wunderbar in einem Artikel aus dem Jahr 1947, den er für die New York Times verfasste und in dem er schrieb, dass der beste Tisch genau der Tisch sei, der am wenigsten benötige, um stabil zu sein, oder anders ausgedrückt, „ein idealer Tisch wäre eine flache Ebene, die im Raum schwebt. Die Beine sind eigentlich ein großes Ärgernis.“7

Während sein Vorschlag offensichtlich lächerlich ist, eine Aufhängung würde immer im Weg sein, man würde immer mit den Ellbogen und dem Kopf dagegenstoßen, ist die Einschätzung, dass Tischbeine im Grunde immer ein Ärgernis sind, nicht nur scharfsinnig. Sie ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass es beim Design nicht nur darum geht, Fragen zu beantworten, sondern viel mehr darum, die Frage richtig zu verstehen, was Wormley eindeutig gelang. Es sollte noch zehn Jahre dauern, bis Eero Saarinen mit seinen Tischen mit einteiligen Füßen die elegante und richtige Antwort mit dem Hersteller Knoll fand.

In ähnlicher Weise zeigt Edward J. Wormleys Arbeit regelmäßig, dass er in Bezug auf die Ästhetik genauso unorthodox sein konnte wie seine ZeitgenossInnen; dass er trotz seiner eigenen gegenteiligen Behauptungen sehr wohl ein „ästhetischer Pionier“ war.

Vergleicht man z. B. sein Sofa La Gondola von 1957 für Dunbar mit Alexander Girards Girard Group Sofa von 1967 für Herman Miller, so lässt sich Girards Sofa sowohl formal als auch materialtechnisch eindeutig als Weiterentwicklung von Wormleys Entwurf verstehen. Mit seiner Tête-à-Tête-Chaiselongue schuf Wormley ein ästhetisch reizvolles Werk, das durch einen ganz einfachen Trick den scheinbar paradoxen Effekt erzielt, die Geselligkeit dieses gängigsten aller Möbelstücke gleichzeitig zu fördern und zu reduzieren. Während Wormley in vielen seiner reduzierteren Beistelltisch-Entwürfe eine Leichtigkeit der Form demonstrierte, die der vieler seiner ZeitgenossInnen weit voraus war.

Ein besonders interessantes Objekt ist in diesem Zusammenhang der Surfboard Couchtisch von Wormley aus dem Jahr 1952 für Dunbar. Der elliptische Surfboard Tisch von Charles und Ray Eames wurde 1951 von Herman Miller herausgebracht. Ob Wormley den Eames-Entwurf kannte, bevor er seinen eigenen entwarf, oder ob sich die beiden Entwürfe unabhängig voneinander und parallel entwickelten, Eames in Kalifornien, Wormley in New York, aber beide vom gleichen Abenteuergeist getragen, ist unklar. Klar ist allein die unterschiedliche Art des Untergestells: Charles und Ray Eames entschieden sich für die filigrane Reduktion ihres Drahtuntergestells, Edward J. Wormley für ein klassischeres, stabileres, wenn auch in jeder Hinsicht reduziertes und offenes Metallgestell.

Edward J. Wormley ging 1968 in den Ruhestand, zog ins ländliche Connecticut, lebte zurückgezogen und reiste viel. Nach seiner Pensionierung war seine einzige Verbindung zum Design eine kurze Zeit, in der er als Gasttutor an der Parsons School of Design in New York arbeitete. Eine Institution, die ihm 1984 die Ehrendoktorwürde verlieh. Edward J. Wormley starb am 3. November 1995 im Alter von 87 Jahren.

Dass Edward J. Wormleys Vermächtnis weniger hell leuchtet als das der anderen Playboy-Ritter, liegt wohl zum einen daran, dass seine Entwürfe weitgehend auf klassischen Vorbildern basierten: Sie mögen kommerzielle Erfolge und bei KritikerInnen beliebt gewesen sein, mögen technische und ästhetische Fortschritte verkörpern, aber ihnen fehlt weitgehend das offensichtliche, visuell Neue der Werke seiner ZeitgenossInnen und damit wohl auch ausreichend Langlebigkeit in unserer zunehmend visuellen Welt.

Und dann ist da noch die Tatsache, dass Wormley Dunbar war und Dunbar Wormley. Nachdem Edward J. Wormley in den Ruhestand gegangen war, fand Dunbar nie jemanden, der das Erbe fortsetzte, das Unternehmen weiterhin interessant machte und so das zeitgenössische Interesse an Wormleys Werken am Leben erhielt. Eine Situation, die durch die Tatsache verschlimmert wurde, dass Dunbar 1993 seinen Betrieb einstellte, ohne jemanden zu finden, der Edward J. Wormleys Werke weiter produzierte. So verschwanden sie und auch er still und leise aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit.

Was schade, vielleicht sogar ein Skandal ist, denn trotz seiner konservativen, historischen Wurzeln sind die Arbeiten von Edward J. Wormley auch heute noch genauso zeitgemäß wie die von Saarinen, Bertoia oder Risom. Sie verkörpern in ihrer Konstruktion, ihrer Form und ihren konzeptionellen, theoretischen Ansätzen die Revolution und den Elan des amerikanischen Möbeldesigns der Nachkriegszeit genauso elegant und kompetent wie die Arbeiten von Eames oder Nelson. Wormleys Möbeldesigns sind kompromisslos modern und unorthodox klassisch. Oder wie es John Anderson etwas zu selbstbewusst formuliert hat: „Es ist die Figur von Edward Wormley, die das Design für das Wohnen in der modernen Bewegung am besten verkörpert.“8

Wie alle DesignerInnen hat sich Edward J. Wormley von Zeit zu Zeit monumental geirrt und ist in Sackgassen geraten. Die überwiegende Mehrheit seiner Arbeiten und auch seiner Schriften zeugt jedoch von einem selbstbewussten Vertreter einer Vorstellung von Möbeldesign, bei der es nicht darum geht, kommerzielle Anforderungen zu erfüllen, auf Märkte und sich verändernde „Moden“ zu reagieren, sondern die Möbeldesign als eine Entwicklung in Reaktion auf sich verändernde gesellschaftliche Bedingungen und eine sehr persönliche Antwort des/der jeweiligen Designers/Designerin versteht. Edward J. Wormley hinterließ uns so einen Kanon von Werken, der die Geschichte des amerikanischen Nachkriegsdesigns und der amerikanischen Möbeltradition erweitert und bereichert.

Happy Birthday, Edward J. Wormley!

An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich beim Archiv-Team der New School New York für die schnelle, freundliche und unkomplizierte Erlaubnis bedanken, die Fotos aus ihrer Sammlung zur Illustration dieses Beitrags verwenden zu dürfen. Vielen Dank dafür!

* In the interests of fairness, Edward J Wormley was also active as an interior designer, and such a suspended system has potential advantages in a display context, so in a museum, gallery or even a shop. Arguably even in an office environment. But in a domestic environment…. ridiculous.

1. John Anderson, Designs for Living, Playboy Magazine, Chicago, July 1961

2. „Contemporary Furniture Designers: William Armbruster, Edward J Wormley, PaulMcCobb, Charles Eames, Robin Day, and Hans Hoffman“ in Everyday Art Quarterly, No. 28, Contemporary Furniture Designers and Their Work, Walker Art Center, Minnesota, 1953

3. „Contemporary Furniture Designers: William Armbruster, Edward J Wormley, PaulMcCobb, Charles Eames, Robin Day, and Hans Hoffman“ in Everyday Art Quarterly, No. 28, Contemporary Furniture Designers and Their Work, Walker Art Center, Minnesota, 1953

4. ibid

5. Edward J Wormley, Tables should hang from ceilings, New York Times, New York, August 17th 1947

6. Mary Roche, Utility stressed in furniture line, New York Times, New York February 10th 1947

7. Edward J Wormley, Tables should hang from ceilings, New York Times, New York, August 17th 1947

8. John Anderson, Designs for Living, Playboy Magazine, Chicago, July 1961

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