„Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten“ im Weltkulturen Museum, Frankfurt

Unser Verhältnis zur Farbe ist unweigerlich von der jeweiligen Kultur geprägt, in der wir aufwachsen. Dieser Umstand führt wiederum unweigerlich dazu, dass wir im Hinblick auf Psychologie, Wirkung und Verwendung alle eine relativ streng definierte Auffassung von Farben haben.

Mit der Ausstellung “Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” erörtert das Weltkulturen Museum Frankfurt die kulturelle Relevanz und die sozialen Funktionen von Farbe in diversen Kontexten und lädt so dazu ein, unsere Beziehung zur Farbe und zu der Welt, die sie codiert, zu erweitern.

Green Sky, Blue Grass. Colour Coding Worlds, Weltkulturen Museum, Frankfurt

“Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten”

Ein unberührtes Feld

Obwohl die Farben seit langem auf der ganzen Welt ein wichtiger Bestandteil unterschiedlichster Kulturen sind und diese begleiten und prägen, haben wir erst vor relativ kurzer Zeit begonnen, die Funktionsweise von Farben zu untersuchen und zu verstehen. Isaac Newton wies im späten 17.Jahrhundert nach, dass sich weißes Licht aus einer Reihe von farbigen Lichtern zusammensetzt, die für die Farben von Objekten verantwortlich sind, und überholte damit alle bisherigen Vorstellung vom Wesen und der Entstehung von Farben. Im 19. Jahrhundert wurde dann in Anknüpfung an die Arbeiten von Antoni van Leeuwenhoek aus dem 18. Jahrhundert, die Funktionsweise des Auges langsam aufgeklärt und damit auch die Rolle der Zapfenzellen und der Fovea centralis bei der Farbaufnahme entdeckt.

Nachdem die Ausstellung mit solchen universellen, wissenschaftlichen und rationalen Grundlagen zum Thema Farbe beginnt, geht sie schnell zu ihrem eigentlichen Hauptthema, zu Farbe als Kulturgut und zu einer Untersuchung von Farbe im kulturellen Kontext über. Dieser Hauptteil der Ausstellung besteht aus kurzen Kapiteln, die sich Themen wie “Farbe Benennen” widmen und Überlegungen zur Syntax von Farbe und den Systemen mit denen verschiedene Kulturen Farben organisieren, präsentieren. Der Abschnitt “Farbe Begreifen”, beschäftigt sich sowohl mit den Beziehungen zwischen Farben, Materialien und Objekten als auch mit dem inhärenten Wert von Farben. “Die Ordnung der Farben” konzentriert sich wiederum auf rituelle, semiotische und figurative Aspekte von Farben, und das Kapitel “Die Farbe von Corona” thematisiert die allgegenwärtigen Gesichtsmasken und stellt fest, dass bei traditionellen Masken vieler Kulturen den Farben oft eine Schutzfunktion oder sehr spezifische Eigenschaften zugesprochen werden. Solche Masken wurden nicht ständig, sondern nur zu bestimmten Zeiten und aus bestimmten Gründen getragen werden.

So ist beispielsweise eine Kakungu-Maske Bestandteil der zahlreichen Diskussionen über Farbe und ihre Verwendung von verschiedenen Kulturen. Die Ausstellung befasst sich zudem mit der Bedeutung der farbigen Federn der Kronen der Kayapó in Amazonien, erzählt von der farbigen Gesichtsbemalung im Trauerfall bei den Yaghan in Feuerland, der Sprache des Perlenschmucks der ostafrikanischen Maasai oder von der Bedeutung der Farben in der Malerei der Avim aus Papua-Neuguinea. Hier werden Arbeiten, die im Rahmen einer Forschungsreise 2018/19 in das Dorf Avim entstanden sind, Arbeiten gegenübergestellt, die, wie man erfährt, 1961 im Auftrag des damaligen Städtischen Museums für Völkerkunde, dem heutigen Weltkulturen Museum, „gesammelt“ wurden.

Masks - traditional traditional (r) and new traditional (l), as seen at Green Sky, Blue Grass. Colour Coding Worlds, Weltkulturen Museum, Frankfurt

Masken – traditionelle und neue, gesehen bei “Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” , Weltkulturen Museum, Frankfurt

Abschiedsblues

Alle europäischen Museen, deren Sammlungen Objekte weit entfernter Kulturen und Gemeinschaften umfassen und deren Sammlungen bereits vor langer Zeit angelegt wurden, müssen für Fragen nach der Herkunft ihrer Exponate offen sein. Ethnographische Museen sind in diesem Zusammenhang allerdings eine Klasse für sich. Erstens basiert ihre ganze Daseinsberechtigung auf der Beschreibung menschlicher Kultur in all ihren mannigfaltigen, globalen Manifestationen, was per definitionem das Studium spezifischer Artefakte und Rituale mit einbezieht. Hinzu kommt, dass historisch betrachtet, EthnographInnen, AnthropologInnen und ArchäologInnen heutzutage nicht immer den besten Ruf haben. Viele dieser Wissenschaftler aus früheren Epochen, in denen die Völkerkundemuseen gegründet wurden, erscheinen den Betrachtern heute oft als ausgesprochen unsympathisch gegenüber den Kulturen, die sie bereisten und erforschten.

Hier ist weder Zeit noch Ort für breitere Diskussionen über ethnologische Sammlungen von Museen oder konkrete Anschuldigungen. Das überlassen wir lieber James Acaster. Die problematischen Aspekte der Ursprünge und der Entwicklung ethnologischer Sammlungen sind jedoch in der Ausstellung “Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” sehr präsent. Nicht zuletzt, wenn man ein Wort wie „gesammelt“ liest, das sich in diesem Kontext auf Objekten bezieht, die in früheren Epochen „gesammelt“ wurden.

Uns stehen nur die Aussagen des Weltkulturen Museums zur eigenen Funktion und Sammlung zur Verfügung und es gibt keinen Grund diese in Frage zu stellen. Außerdem wurde die Provenienz aller in der Ausstellung präsentierten Objekte gründlich recherchiert und bestätigt. Wenn wir etwas anzumerken hätten, dann wäre es der Wunsch nach einer etwas detaillierten und transparenten Erklärung dafür, wie genau „gesammelt“ zu verstehen ist.

Das betrifft vor allem Objekte, die vor 1968 „gesammelt“ wurden. Dieses Jahr markiert nämlich einen Moment in der europäischen Geschichte, der dem damaligen Museum für Völkerkunde der Stadt Frankfurt offenbar zu neuen Erkenntnissen und Herangehensweisen verholfen hat.

A discussion of the Javanese shadow puppet theatre genre Wayang Kulit, as seen at Green Sky, Blue Grass. Colour Coding Worlds, Weltkulturen Museum, Frankfurt

Traditionelles, indonesisches Schattenspiel Wayang Kulit, gesehen bei “Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” , Weltkulturen Museum, Frankfur

Im Nebel

Grundsätzlich haben wir in der Ausstellung eine Diskussion über die kulturelle Bedeutung und die soziale Funktion von Farben in europäischen Kontexten vermisst.

In der zweisprachigen deutsch/englischen Begleitbroschüre, die alle Besucher erhalten und die ausführlicher ist als die zweisprachigen deutsch/englischen Wandtexte, wird zwar auf die Verwendung von Farben in der Medizin über die Jahrhunderte in Europa hingewiesen; der tatsächlich Fokus der Ausstellung ist allerdings auf außereuropäische Kulturen gerichtet. Dieser Umstand kann nicht nur dazu führen, dass man von Europa als einer homogenen Masse mit einer einheitlichen Farbkodierung ausgeht, er suggeriert auch, dass mit den Weltkulturen des Museumsnamens eine Welt außerhalb Europas gemeint ist, eine andere Welt. Die Welt scheint hier also nicht als ein komplexes, vielfältiges, durchlässiges, flüchtiges Ganzes gemeint zu sein.

Wir sind uns sicher, dass das Weltkulturen Museum diesen Eindruck nicht vermitteln wollte. Die Ausstellung “Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” hat mit Sicherheit nicht die Funktion einem europäischen Publikum außereuropäische Kulturen zu erklären. Sie liefert vielmehr globale Beispiele für die Psychologie, die Wirkung und den Gebrauch von Farbe als Leitfaden für die Überlegungen zu den kulturellen und sozialen Kontexten von Farbe. Es geht also jeweils immer um die kulturelle Relevanz und die soziale Funktion von Farbe, nicht darum die jeweiligen Kulturen durch ihren Umgang mit Farbe zu definieren oder gegen ein außen abzugrenzen. In vielerlei Hinsicht sind die Kulturen und Gemeinschaften auf die die Ausstellung Bezug nimmt völlig irrelevant, sie spielen in der Erzählung keine Rolle, im Mittelpunkt der Erzählung steht der Diskurs über Farbe.

Und dennoch wird dieser Diskurs hier außerhalb Kontinentaleuropas geführt, was wir unnötig finden, vor allem wenn es um etwas so Universelles und Allgegenwärtiges wie Farbe geht.

Das ist nicht zuletzt deshalb schade, weil es für uns Europäer wichtig ist, zu verstehen, dass wir uns nicht vom Rest der Welt unterscheiden, und dass unsere Gesellschaften ebenso auf Ritualen, Traditionen, Mythen, Glauben, Vererbung, eingebetteten Strukturen usw. beruhen und von ihnen geprägt sind. Um diese Umstände besser zu verstehen, müssen wir die europäischen Kulturen nicht nur genauso distanziert in den Blick nehmen, wie wir es in Europa mit außereuropäischen Kulturen machen, sondern spezifische Kulturen auch immer im Kontext mit dem Rest der Welt erforschen. Das hieße eben auch Europa immer gleichberechtigt mit außereuropäischen Kulturen zu betrachten.

 

Works by artists in Avim, Papua New Guinea. Those on the wall produced in 2019, those in the foreground "collected" in 1961, as seen at Green Sky, Blue Grass. Colour Coding Worlds, Weltkulturen Museum, FrankfurtArbeiten von Künstlern aus Avim, Papua New Guinea. Die an der Wand entstanden 2019, die im Vordergrund wurden 1961 „gesammelt“, gesehen bei “Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” , Weltkulturen Museum, Frankfurt

Grüner Himmel, blaues Gras. Farbcodierte Welten

“Grüner Himmel und blaues Gras” ist eine Anspielung auf das alte Japan, in dem die Begriffe für Blau und Grün nicht so eindeutig waren wie in der zeitgenössischen europäischen Sprache. Man orientierte sich eher an Farbskalen und so konnte der Himmel grün und das Gras blau sein.

Die Ausstellung nimmt einen mit auf eine unterhaltsame Tour, die neue Sichtweisen auf Farbe und neue Erkenntnisse über Farbe ermöglicht, und die auf sehr befriedigende und prägnante Weise deutlich macht, dass Farben zwar in allen Kulturen in ähnlichen Kontexten und auf ähnliche Art und Weise betrachtet, verstanden und verwendet werden, die Besonderheiten dieses Umgangs jedoch variieren. So wird vor allem deutlich, dass Farben nicht nur Physik, Chemie und Biologie, sondern Sprachen sind und, dass sie der gleichen Etymologie, der gleichen kulturellen Interpretation und Definition, den gleichen Strukturen und Regeln, der gleichen Entwicklung und Evolution unterliegen wie gesprochene und geschriebene Sprache.

Die Ausstellung stellt heraus, dass zum Verstehen anderer Kulturen auch das Verstehen ihrer Farbensprachen gehört und, dass es wichtig ist, sich weniger auf die Farben an sich als vielmehr auf das Warum und Wozu der Farben zu konzentrieren.

Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Beschränkung kann die Ausstellung nur eine Einführung in diesen Diskurs geben und zu mehr Forschung und Reflexion anregen. Tut dies aber auf sehr zugängliche und ansprechende Art und Weise.

“Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” ist noch bis Sonntag, den 30. Januar, im Weltkulturen Museum, Schaumainkai 29-37, 60594 Frankfurt am Main zu sehen.

Alle Informationen, auch zum Rahmenprogramm und zum deutsch/englischen Katalog, finden Sie unter www.weltkulturenmuseum.de.

Und wie immer in diesen Zeiten sollten Sie sich im Voraus mit den aktuellen Regeln in Bezug auf Einlass, Sicherheit und Hygiene vertraut machen. Und bleiben Sie während Ihres Besuchs verantwortungsbewusst und vor allem neugierig……

What Makes the World Colourful? and Ordering Colour, as seen at Green Sky, Blue Grass. Colour Coding Worlds, Weltkulturen Museum, Frankfurt

Was macht die Welt farbig? “Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” , Weltkulturen Museum, Frankfurt

Group of figures created by members of the Abelam Papua New Guinea and "collected" in the early 1960s, as seen at Green Sky, Blue Grass. Colour Coding Worlds, Weltkulturen Museum, Frankfurt

Eine Gruppe von Figuren, geschaffeb von Mitgliedern der Abelam in Papua Neu Guinea und „gesammelt“ in den frühen 1960er Jahren, gesehen bei “Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten” , Weltkulturen Museum, Frankfurt

Photos taken in the early 1960s in Papua New Guinea by a Christian missionary.....discuss....

Fotos aus den frühen 1960er Jahren, aufgenommen in Papua Neu Guinea von einem christlichen Missionar…

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