„Verner Panton – Färbt eine neue Welt“ Trapholt-Museum, Kolding

„Raum und Form sind wichtige Elemente bei der Gestaltung der Umgebung“ – so der dänische Architekt, Künstler und Designer Verner Panton im Jahr 1969. Dann aber fährt er fort: „Farben sind noch wichtiger”.

Dementsprechend kann niemand die Farben in Pantons Werken übersehen.

Doch so wichtig Farbe, Raum und Form für Panton auch waren, „bei der Schaffung der Umgebung“ bleibt der Mensch das zentrale Element.1

Mit der Ausstellung “Verner Panton – Färbt eine neue Welt” begibt sich das Trapholt Museum in Kolding auf die Suche nach dem Menschlichen in der bunten neuen Welt von Verner Panton.

Verner Panton - Colouring a New World, Trapholt, Kolding

Verner Panton – Colouring a New World, Trapholt, Kolding

Von “Licht und Farbe” zu “Färbt eine neue Welt”

Eine unserer Lieblingsgeschichten über Verner Panton betrifft die Inneneinrichtung, die Panton für die Basler Wohnung des damaligen Vitra-Chefs Rolf Fehlbaum realisierte. Er gestaltete dort jeden Raum in einer einzigen Farbe – Wände, Böden, Decken, Möbel, Textilien, alles in derselben Farbe. Es gab ein grünes Zimmer, ein rotes Zimmer, ein schwarzes Zimmer usw… . Auf Fehlbaums Frage, ob er einen Gegenstand von einem Raum in einen anderen verschieben könne, antwortete Panton mit der Gegenfrage „Warum sollten Sie das wollen? 2

Ein ungefähres Bild vom Interieur von Rolf Fehlbaums Wohnung kann man sich in “Verner Panton – Färbt eine neue Welt” anhand einer Nachbildung von Pantons Trapholt-Ausstellung aus dem Jahr 1998 machen, auch wenn man diese Nachbildung vermutlich nicht ganz versteht. Man sieht acht schmale Präsentationsräume, jeder in einer einzigen Farbe, zwischen verspiegelten Wänden. Das ganze erscheint als ein unnachgiebiger sensorischer Angriff und wirkt wie ein horizontloser, unendlicher Regenbogen, der einen in ein psychedelisches Wurmloch zu führen scheint, von dem man weiß, dass man nie zurückkehren kann. Und doch geht man gerne hinein.

Wow! ist die erste Reaktion, während man steht und starrt. Gefesselt, verloren, hoffnungslos und hilflos versucht man einen Bezugspunkt zu finden, an dem sich die Sinne orientieren können. Als zweite Reaktion greift man zum Handy, um das Unbeschreibliche auf Fotos festzuhalten. Dabei bemerkt man schnell, dass die Mischung aus Lichtquellen und Farbtönen den Weißabgleich durcheinander bringt. Wenn das erst einmal geklärt ist, besteht das größte Problem darin, wo man mit dem Fotografieren beginnen soll und wann man dann wiederum aufhören soll.

Wenn man jedoch den Fotografierrausch unterbricht und sich die Möbel und die Beleuchtung tatsächlich ansieht, stellt man schnell fest, dass es sich um eine extrem zurückhaltende, emotionslose, fast banale Präsentation handelt. Es gibt gewissermaßen keine Präsentation in der Präsentation. Das heißt es gibt keinen Versuch die Möbel tatsächlich zu präsentieren. Vielmehr stößt man auf Möbel auf Sockeln und Leuchten auf dem Boden und an der Decke ohne jegliche Begleittexte oder Kontextualisierungen. Die Objekte stehen einfach da, als wären sie in einer Abstellkammer vergessen worden. Bei dem Versuch, die disparaten Objekte zu einer Art sinnvollem Ganzen zusammenzufügen, fühlt man sich völlig auf sich allein gestellt, ohne den geringsten Anhaltspunkt.

Die Dichotomie zwischen der gedämpften, achromatischen Präsentation und der kreischenden, polychromen Szenografie ist einfach nur herrlich.

Sie repräsentiert die Art und Weise, in der die Arbeiten von Verner Panton so populär geworden sind. Die Fokussierung auf Form und Farbe bedeutet, dass die Objekte selbst allzu oft vernachlässigt werden, was wiederum dazu führt, dass sich vieles von Verner Panton in den Abwegen von Form und Farbe verliert.

Man steht in einer Analogie – einer Metapher.

Dieser Eindruck macht das verwirrende Wurmloch zu einem ebenso fröhlichen wie passenden Ort, um die Betrachtung der Ausstellung “Verner Panton – Färbt eine neue Welt” zu beginnen und zu beenden.

Living Tower (1968/69) in the recreation of the 1998 exhibition Light and Colour, as seen at Verner Panton – Colouring a New World, Trapholt, Kolding

Living Tower (1968/69) in der Neufassung der Ausstellung „Licht und Farbe“ von 1998, zu sehen in „Verner Panton – Färbt eine neue Welt”, Trapholt, Kolding

Können Fragen Fragen beantworten?

In den 1980er Jahren hielt Verner Panton mehrmals3 eine Rede, während der er sein Publikum zunächst fragte, ob Fragen Fragen beantworten können, bevor er, ohne eine Antwort abzuwarten, zu einem zehnminütigen Fragenkatalog zu Themen wie zeitgenössisches Design, zeitgenössische Inneneinrichtung, zeitgenössische Möbel und die zeitgenössische Möbelindustrie überging.

Diese Rede wurde 1995 in deutscher Sprache unter dem Titel Meine Design-Philosophie4 veröffentlicht und ist als Text in dänischer und englischer Sprache an den Wänden des Trapholt-Museums zu lesen. Um die Fragen aus der Rede herum ist die Erzählung der Ausstellung aufgebaut. Oder zumindest ein Teil davon, denn obwohl “Färbt eine neue Welt” eine einzige Ausstellung ist, besteht sie aus zwei verschiedenen Komponenten: der Neugestaltung von “Licht und Farbe” und einer kuratierten Erkundung von Verner Pantons bunter Welt.

Diese Erkundung beginnt mit einem chronologischen Rundgang durch Pantons Karriere, der Jahrzehnt für Jahrzehnt von den 1950er bis zu den 1990er Jahren durch fünf hübsche Präsentationen führt, die Objekte aus Pantons langer und vielfältiger Karriere zeigen. Dazu gehören unter anderem sein Bachelor Chair aus den 1950er Jahren für Fritz Hansen, der Pill Chair von 1978 oder der liebenswerte und geniale Vipp-Schaukelstuhl von 1992 für PP Møbler, der die Rückbesinnung der Postmoderne auf die rein geometrische Form mit der reduzierten formalen Ästhetik eines Michael Thonet verbindet.

Dieser biografische Rundgang wird zudem durch zahlreiche Beispiele von Pantons Raumgestaltungsprojekten begleitet: darunter Pantons Szenografie für die Sektion Angewandte Kunst der dänischen Messe von 1959, für die Panton die Möbel kopfüber an der Decke befestigte; seine Renovierung des Zirkusgebäudes in Kopenhagen oder seine Innenraumgestaltung für das Spiegel-Hauptquartier in Hamburg. Bei letzterer – und das ist ein wiederkehrendes Thema in Pantons Werk – hatte jedes Stockwerk sein eigenes Farbschema, das für die in diesem Stockwerk ausgeführte Arbeit angemessen und psychologisch unterstützend sein sollte.

Außerdem ist diese biographische Tour gesäumt von den Fragen, die Panton im Zusammenhang mit seiner Design-Philosophie aufwirft: „Hat der Innenarchitekt Angst, was die Kollegen sagen, wenn er etwas Ungewöhnliches schafft?“; „Ist ein Künstler schlecht, wenn seine Arbeit keinen Widerstand findet?“; „Ist Einrichtung eine Wissenschaft, eine Kunst, eine Funktion oder ein zufälliges Happening?“; „Vor einigen Jahren sollten die Einrichtungsgegenstände kurzlebig sein, heute müssen sie wieder jahrelang halten können. Könnte man es nicht so machen, daß sie zwar lange halten, aber immer wieder anders angezogen werden können, wie die Damen?“.

Durch den ungewohnten Kontext in den dieser biografische Rundgang Pantons Werk stellt, fördert er differenzierte Betrachtungen und Annäherungen an Pantons Werk und hilft vor allem, den Blick weg von den Objekten und Projekten auf das Was, Warum und Wozu dieser Objekte und Projekte zu lenken.

Ring lamp (1969/70), Flower Pot lamps (1968) and Pill Chair (1978), as seen at Verner Panton – Colouring a New World, Trapholt, Kolding

Ring lamp (1969/70), Flower Pot Lampen (1968) and Pill Chair (1978), gesehen bei „Verner Panton – Färbt eine neue Welt“, Trapholt-Museum, Kolding

Sucht man Wohlbefinden durch Möbel?

Für Sara Staunsager, die Kuratorin von “Färbt eine neue Welt”, liegt der Schlüssel zu Pantons Design-Philosophie in seiner „Interpretation der Begriffe Geschmack und Wohlbefinden“, eine These, die sie im (demnächst erscheinenden) Katalog sehr gewissenhaft und überzeugend ausführt und auf den wir Sie, liebe Lesenden hier verweisen wollen.5

Die Ausstellung nähert sich Pantons „Interpretation der Konzepte von Geschmack und Wohlbefinden“ in erster Linie indem sie die innere Umgebung als einen ganzheitlichen, reaktionsfähigen, aktiven Raum statt als festen, statischen, definierten Raum veranschaulicht; oder wie Panton 1969 im Zusammenhang mit der Ausstellung “Qu’est ce que le design?” im Centre de Création Industrielle, Paris, meinte: „In meiner eigenen Arbeit konzentriere ich mich besonders auf das Gesamtergebnis. Die Beziehungen zur Umgebung haben eine Bedeutung, die weit über diejenige hinausgeht, die nur einen Stuhl oder ein anderes Objekt betrifft: ein Raum, eine Farbe, Möbel, Textilien, Beleuchtung müssen alle zusammen betrachtet werden.“6

Nicht nur die physischen Merkmale „müssen alle zusammen betrachtet werden“. Denn Pantons Interieur ist, wie die Ausstellung zu verstehen hilft, dimensionslos und soll als solches genutzt, genossen und erlebt werden. Es wird deutlich, dass Verner Panton einen Raum nicht nur als physische Umgebung sah, sondern auch als eine emotionale, taktile, sinnliche Umgebung. Wenn Panton also fragt: „Ist Wohlgefühl vor allem das Beobachten angenehmer Proportionen, guter Farb- und Materialkombinationen, behaglichen Tageslichts und ansprechender Abendbeleuchtung?“, steht diese Frage in enger Verbindung mit seinen Fragen: „Ist Wohlbefinden nicht gute Musik, ein angenehmer Duft, gutes Essen und Trinken, das Zusammensein mit netten Menschen, gute Unterhaltung?“, „Ist Sex nicht für die meisten die beste Form von Wohlbefinden?“, „Ist Wohlbefinden eine intellektuelle oder eine emotionale Erfahrung?“.

Pantonaef building block animals (1975), and a view into the Panton family home, as seen at Verner Panton – Colouring a New World, Trapholt, Kolding

Pantonaef-Bausteintiere (1975) und ein Blick in das Haus der Familie Panton, zu sehen bei „Verner Panton – Färbt eine neue Welt“, Trapholt-Museum, Kolding

Könnte man ein Theorie über das Wohlbefinden aufstellen?

Die Überlegungen zur Bedeutung des Emotionalen, Taktilen und Sinnlichen im Werk von Verner Panton ermöglichen es der Ausstellung Verner Panton als Nachkriegsfunktionalisten aber mit einer erweiterten Definition des Funktionalismus vorzustellen. Diese erweiterte Definition geht über den technischen Funktionalismus der Zwischenkriegsjahre hinaus und erfasst die emotionalen Aspekte der Funktionalität. Damit ist gemeint, dass unsere Gebrauchsgegenstände, die Umgebungen, die wir uns schaffen, nicht nur dazu da sind, uns mechanisch zu unterstützen. Das sie also nicht nur stumme Hilfsmittel sind, die wissenschaftlich optimiert werden müssen, sondern, dass es sich dabei um Entitäten handelt, mit denen wir interagieren, mit denen wir uns auseinandersetzen, die auf uns einwirken, die uns informieren und beeinflussen. „Im Wald, auf dem Strand, in der Sonne, wenn es schneit, fühlt man sich am wohlsten. Aber in einem Raum, wo alles von Menschenhand geprägt ist, ist es da nicht schon schwieriger?“

Daraus resultiert das pantonianische Verständnis von der Notwendigkeit, den Innenraum in seiner Dimensionslosigkeit zu betrachten. Das Trapholt-Museum lädt deshalb die BesucherInnen ein, diesen Raum selbst zu erkunden: „Warum sind die Geräusche, die man in der Wohnung wiedergibt, immer Musik? Sind die Geräusche von einem Hühnerhof, Wellengeräusche, der Wind und vieles andere nicht ebenso schön?“ fragt Panton in Meine Design-Philosophie. In “Färbt eine neue Welt” kann man sich auf einer Pantonova-Bank entspannen und dabei gackernden Hühnern lauschen, oder auf einem Cloverleaf-Sofa den sanft brechenden Wellen lauschen, oder in einem Flying Chair lümmeln, während der Wind um einen herum rauscht.

Es gibt viele Selfie-Momente in “Färbt eine neue Welt”, auch wenn die Art und Weise der Ausstellung gegen die populäre Objektivierung von Pantons Werk, die Reduktion auf Form und Farbe und das einfache Schubladendenken gerichtet ist, was dazu führt, dass man darüber nachdenkt, ob man Selfies machen sollte. Aber man tut es trotzdem.

Das wird vielleicht am deutlichsten bei den Selfies, die man in der Nachbildung von Pantons Fantasy Landscape machen kann, die Teil seiner Visiona 2-Ausstellung von 1970 in Köln war. Visiona 2 verkörperte als immersive, dimensionslose 360-Grad-Umgebung, eine Eskalation der Ideen über immersive Umgebungen, die Panton ein Jahrzehnt zuvor begonnen hatte. Sie repräsentiert auch Pantons Verständnis von einer Umgebung und verkörpert die Aufforderung an uns alle, unsere inneren Umgebungen zu hinterfragen. Oder wie er 1970 bei Visiona 2 meinte: „Man kann solche Experimente als utopisch bezeichnen, aber sie helfen uns, unsere Erfahrung zu erweitern. Und genau darum geht es“.7

Verner Panton in the 1990s, as seen at Verner Panton – Colouring a New World, Trapholt, Kolding

Verner Panton in den 1990er Jahren, gesehen bei „Verner Panton – Färbt eine neue Welt“ Trapholt, Kolding

Ist ‚guter Geschmack‘ eine Belastung?

Neben den direkten Fragen nach Geschmack und Wohlbefinden stellt Panton in “Meine Design-Philosophie” Fragen zu einem breiten Themenspektrum, die unterschiedlich sind, aber alle mit Pantons Überlegungen zu Geschmack und Wohlbefinden zusammenhängen. Themen wie, unter vielen anderen, die Vermittlung von Design und Inneneinrichtung. So fragt er in diesem Zusammenhang: „Es gibt Zeitschriften, die jedes Jahr neue Modefarben für die Wohnungseinrichtung herausgeben. Ist das wirklich notwendig?“, „Warum sehen die meisten Einrichtungen verhältnismäßig gleich aus?“, „Wird zu wenig zum Thema ‚anders Wohnen‘ geschrieben?“. Bestimmte Gedanken und Themen hat er in seinem 1997 erschienenen Buch “Lidt om Farver”/”Notes on Colour” ausführlicher behandelt. Dazu gehören beispielsweise Fragen wie „Können Farben Wohlbefinden erzeugen?“ oder „Ist es Faulheit oder Unwissenheit, daß die Leute alles in weiß oder beige haben möchten? „; aber auch Fragen zur Möbelindustrie, „Zeigen die Möbel- und Einrichtungsläden neue Wege und Experimente?“, „Gibt man dem Kunden kreative Ratschläge oder will man nur ein schnelles Geschäft machen?“, „Warum so viele neue Möbel die ganze Zeit?“, „Wer bestimmt, der Kunde, der Mann auf der Straße, der Möbelhändler, der Designer oder der Hersteller?“

Und wenn er fragt: „Werden wir in 100 Jahren so wohnen wie heute?“, dann hat man das Gefühl, dass er das sehr befürchtet hat. 40 Jahre nach seiner ersten Rede leben wir immer noch größtenteils in 2D, flachen, statischen Räumen.

In “Meine Design-Philosophie” argumentiert Panton, dass Alternativen möglich, wünschenswert und notwendig sind. Die Ausstellung illustriert nicht nur diese Position, sondern auch, wie dieses Verständnis Pantons Arbeiten durchdringt. Dabei wird deutlich, dass Pantons Design-Philosophie, zumindest in der 1995 veröffentlichten Fassung aus einer Reihe von Fragen besteht, und dass seine Arbeiten, seine Projekte und Objekte selten Antworten verkörpern. Gelegentlich tun sie das, aber in erster Linie stellen sie Fragen. Man muss nicht unbedingt das konsumieren, was Panton geschaffen hat, oder ein Interieur so gestalten, wie Panton es tun würde, vielmehr sind Pantons Werke als Thesen zu verstehen, als Aufforderungen zur Diskussion und Auseinandersetzung.

Ein Beispiel dafür ist die bereits erwähnte Inneneinrichtung, die Panton für Rolf Fehlbaum entworfen hat: Panton war eindeutig überzeugt von seinem Konzept, Fehlbaum weniger, und nachdem er mit Pantons Konzept gelebt und sich deshalb dagegen entschieden hatte, dekorierte Fehlbaum seine Wohnung wieder um.

Wir können uns nicht vorstellen, dass Panton daran Anstoß genommen hätte. Zum einen, weil, wie “Meine Design-Philosophie” verdeutlicht, für Panton das Experimentieren wichtig und zentral war für die Entwicklung neuer Wohnwelten und zum anderen, weil Panton die Komplexität und Vielfalt der menschlichen Spezies verstand: Während für die Funktionalisten der Zwischenkriegszeit – und das ist eine gefährliche Vereinfachung – der Weg nach vorn in einem standardisierten, für alle passenden Ansatz bestand, meinte Panton 1969 im Zusammenhang mit “Qu’est ce que le design?” folgendes: “Glücklicherweise unterscheiden sich die Menschen stark voneinander, und selbst die am besten geplante Umwelt muss diese Unterschiede berücksichtigen, um ihren Zweck zu erfüllen. Nur so kann eine Umgebung zu einem integralen Bestandteil einer Lebensäußerung werden.“8

„Zum Glück“ ist für uns das Schlüsselwort in diesen Sätzen.9

Einen Vergleich von Panton mit den Funktionalisten der Zwischenkriegszeit und ihrer „Interpretation der Begriffe Geschmack und Wohlbefinden“ haben wir in diesem Beitrag nun schon zum zweiten Mal gezogen; und das nicht zufällig.

Panton’s Ring Lamp (1969/70) in cooperation with a Wire shelving unit (1971), as seen at Verner Panton – Colouring a New World, Trapholt, Kolding

Panton’s Ring Lampe (1969/70) in Kombination mit einer Wire Regaleinheit (1971), gesehen bei „Verner Panton – Färbt eine neue Welt“, Trapholt, Kolding

Ist Design heute Kunst oder Styling?

Auch wenn Pantons Objekte physisch und materiell meilenweit von dem entfernt zu sein scheinen, was vor ihnen kam, setzen sie doch (größtenteils) die reduzierte Rationalität fort, die wohl in Zeiten des Jugendstils begann und deren Intensivierung sich durch die Designgeschichte des 20.Jahrhunderts zieht. Auch die Konzentration auf neue Materialien als einzigen logischen und sinnvollen Weg nach vorn, wie dies sicherlich bei den internationalen Modernisten der Fall war, behalten sie bei. Doch obwohl Pantons Objekte im Wesentlichen Fortsetzungen etablierter Auffassungen sind, verschiebt Panton, wie wir argumentieren würden, die Werte.

Unabhängig davon, wo die verschiedenen und unterschiedlichen Handwerker und Designer, die für die Objekte, mit denen wir uns umgeben, verantwortlich sind, den Wert eines Objektes ansiedelten, sei es zum Beispiel in der Dekoration, der praktischen Nutzbarkeit oder der materiellen Reinheit, war dieser Wert während der gesamten Designgeschichte immer auf das Objekt als einer Einheit bezogen..

Nachdem wir “Färbt eine neue Welt” gesehen haben, würden wir argumentieren, dass Verner Panton, diesen Zusammenhang in Frage stellte. Verner Panton definierte den Wert eines Objekts im Zusammenhang mit seiner Funktion innerhalb eines Raums, als Bestandteil eines Ganzen. Der Wert war also nichts, das einem Objekt unabhängig von dem Kontext, in dem es existiert, innewohnt.

Das trifft nicht immer zu, denn wie bei allem im Leben gibt es immer Ausnahmen und nichts ist so einfach.

Verner Panton war mit seinen Ansichten aber auch nicht allein, denn alle seine unzähligen italienischen Zeitgenossen unterschiedlicher Couleur verfolgten und vertraten ähnliche Ideen.

Wir behaupten nicht, dass irgendetwas einzigartig oder konsequent “Pantonianisch” sei.

Wir sehen Verner Panton sowohl als Fortsetzung von und Bruch mit allem, was vorher war. „Bruch“ verstehen wir dabei nicht im Sinne einer völligen Ablehnung, sondern im Sinne von: Eure Methoden, eure Ideen, eure Ansätze, eure Definitionen haben uns so weit gebracht, sind aber für unsere Gesellschaft nicht mehr anwendbar, die Gesellschaft entwickelt sich weiter, und wir müssen unsere „Beziehungen zur Umwelt“ neu positionieren, neu konzipieren, weiterentwickeln. Und das, ja, ist auch vergleichbar mit den Anhängern des Jugendstils oder den internationalen Modernisten. Auch bei ihnen ging es um Neupositionierung und Neuplanung, und auch darum, den Menschen in den Mittelpunkt einer Umgebung zu stellen. In vielerlei Hinsicht bleibt für den Jugendstil und die Internationale Moderne der Mensch das zentrale Element.

Aber ihr Mensch war ein anderer, ihr Verständnis des Menschen war anders, und das (vor allem), weil die Gesellschaft, in der der Mensch existierte, eine andere war.

Für Verner Panton war es nicht, wie für den Jugendstil und die Internationale Moderne, eine Frage neuer Objekte, so notwendig diese auch gewesen sein mögen. Es ging vielmehr darum, die immateriellen Aspekte einer Inneneinrichtung und unsere Beziehung zu ihnen zu hinterfragen und den Menschen als Bestandteil einer Inneneinrichtung und nicht als Nutzer einer Inneneinrichtung zu verstehen.

Und diese Neudefinition des Wertes von Objekten und die Neudefinition von Raum war neu. Auch das ist kein Alleinstellungsmerkmal für verner Panton, aber es bildet den Kern seines Ansatzes.

Das führt uns zu der Erkenntnis, dass die Relevanz von Verner Panton heute weniger in seinen Objekten und Projekten liegt, sondern in dem, was diese Objekte und Projekte uns über die sehr reale Notwendigkeit lehren können, nicht nur zu hinterfragen, ob die Innenräume, die wir für uns selbst schaffen, angemessen und zweckmäßig sind, sondern auch, ob wir von einer sinnvollen Definition des Innenraums ausgehen, ob unsere Definition des Wohlbefindens sinnvoll und zweckmäßig ist. Denn wenn das nicht der Fall ist, wird es auch unser Innenraum nicht sein.

So kann man, nachdem man den Rest von “Färbt eine neue Welt” gesehen hat, zu Licht und Farbe zurückkehren, im Besitz der Werkzeuge, die man benötigt, um sich dem verwirrenden Wurmloch besser zu nähern. Das heißt um die Präsentation in der Präsentation zu erkennen, die man verpasst oder übersehen hat, und um die Dichotomie zwischen Präsentation und Szenografie zu dekonstruieren.

Wow! war immer noch unsere Reaktion, als wir zurückkehrten.

Und obwohl die “Formen und Farben” immer noch da sind und uns immer noch fesseln, lenken sie uns nicht mehr ab, denn der Rest von “Färbt eine neue Welt” hat Ihnen sozusagen geholfen, Ihren metaphorischen Weißabgleich zu korrigieren.

White walls!!!! No wonder the Panton Chairs are taking flight…..

Weiße Wände!!!! Kein Wunder, dass die Panton Chairs an die Decke gehen

Darum gehts es doch – ums Wohnen – nicht wahr?

Seine Rede, die zu “Meine Design-Philosophie” wurde und die aus 10 Minuten unaufhörlichem Fragen bestand, beendete Panton mit dem rhetorisch sehr befriedigenden „Es dürften keine Fragen gestellt werden“.

Die Struktur der Ausstellung “Färbt eine neue Welt” und die sehr angenehme Mischung aus bekannten und weniger bekannten Objekten und Projekten, die durch Fotos, Skizzen, Modelle und knappe, verständliche dänische/englische Texte und reichlich Selfie-Momente unterstützt wird, sollte die BesucherInnen glücklich machen, wenn auch nicht unbedingt zum Lachen bringen.

Auf jeden Fall bleibt man mit mehr Fragen zurück, als das zuvor der Fall war. Und das ist zweifellos der Sinn einer guten Ausstellung: Sie macht Lust auf mehr.

Die Ausstellung wirft nicht nur Fragen zur eigenen Meinung über die Design-Philosophie von Verner Panton und zur eigenen „Interpretation der Begriffe Geschmack und Wohlbefinden“ auf, sondern fragt auch nach dem eigenen Verständnis der „Schaffung der [inneren] Umgebung“ und nach den Prioritäten bei der „Schaffung der [inneren] Umgebung“.

Das sind Fragen, die im Gefolge von Corona und der zunehmenden Zeit, die viele von uns privat oder im Homeoffice in Innenräumen verbracht haben, stärker im Mittelpunkt stehen, als dies sonst der Fall gewesen wäre.

Auch im Kontext der immer weiter verbreiteten „intelligenten“ Technologie, mit der wir unsere Häuser vernetzen, haben diese Fragen besondere Relevanz. Es geht darum diese neuen Umgebungen kritisch zu betrachten und aktiv in Frage zu stellen.

Eine Befragung nach der anderen, die es “Färbt eine neue Welt” ermöglicht, nicht nur über Design, vor allem Innenraum- und Möbeldesign, in größeren Zusammenhängen nachzudenken und ein wenig näher an den oft verdunkelten Verner Panton im Werk von Verner Panton heranzukommen. Am Ende steht die Erkenntnis, dass in der neuen Welt, die Verner Panton voraussah, neben der Farbe, die von der Industrie und der Natur geliefert wird, ein wichtiger Bestandteil, vielleicht der wichtigste Bestandteil, die Farben des Lebens sind, die Farben des Menschen in all seiner Taktilität, Emotion, Vielfalt, Verspieltheit und Sinnlichkeit.

“Verner Panton – Färbt eine neue Welt” ist noch bis Sonntag, den 14. August in Trapholt, Æblehaven 23, 6000 Kolding zu sehen.

Alle Einzelheiten finden Sie unter https://trapholt.dk.

Wie immer in diesen Zeiten sollten Sie sich, wenn Sie eine Ausstellung besuchen im Voraus mit den aktuellen Regeln und Systemen in Bezug auf Eintrittskarten, Eintritt, Sicherheit, Hygiene, Garderobe usw. vertraut machen. Bleiben Sie während Ihres Besuchs bitte sicher, verantwortungsbewusst und vor allem neugierig……

1. Verner Panton in Joe C. Colombo, Charles Eames, Fritz Eichler, Verner Panton, Roger Tallon: Qu’est ce que le design?, Centre de Création Industrielle, Paris, 1969 … in 1969 language was still very male centred, let’s assume Panton meant homme in terms of people/humans/us all.

2. We have heard the story most often orally, however Rolf Fehlbaum makes brief reference to it in Alexander von Vegesack & Mathias Remmele [Eds.], Verner Panton: the collected works, Vitra Design Museum, 2000. There may be other written sources we are unaware of.

3. The exhibition catalogue lists all the (known) occasions on which Panton held the speech, [Catalogue delayed on account of global supply chain issues and due in November 2021, May 2022 we’ll add details once it is published]

4.“Verner Panton: Meine Design-Philosophie“,BÜROszene, Vol 47, Nrs. 1–2, 1995

5. see exhibition catalogue [Catalogue delayed on account of global supply chain issues and due in November 2021, May 2022 we’ll add details once it is published, Trapholt very kindly supplied us with a preview of Sara Staunsager’s essay, for which we are grateful and thankful.]

6. Verner Panton in Joe C. Colombo, Charles Eames, Fritz Eichler, Verner Panton, Roger Tallon: Qu’est ce que le design?, Centre de Création Industrielle, Paris, 1969

7. Stern Nr. 8 15th February 1970

8. Verner Panton in Joe C. Colombo, Charles Eames, Fritz Eichler, Verner Panton, Roger Tallon: Qu’est ce que le design?, Centre de Création Industrielle, Paris, 1969

9. The word used is Heureusement which awakens a myriad positive associations…