5 neue Architektur- und Designausstellungen im Oktober 2022

Der Herbst hat die nördliche Hemisphäre wieder erreicht. Eine Zeit, nicht nur der „Nebel und der sanften Fruchtbarkeit“, sondern wie uns John Keats ebenfalls in Erinnerung ruft, der Ernte – sei es von Weinreben, Äpfeln, Kürbissen oder Haselnüssen.

Geerntet werden können auch neue Architektur- und Designausstellungen, die Keats nicht erwähnt hat. Um ihm gegenüber aber fair zu sein: 1819 waren solche Ausstellungen wohl noch weitgehend unbekannt.

Ganz anders verhält es sich da heute, wo nach einem langen Sommer des geduldigen Wartens, der Herbst traditionell eine reiche Ernte an neuen Ausstellungen präsentiert.

Der Herbst 2022 ist da keine Ausnahme. Nach dem Sommer sind die Architektur- und Designmuseen weltweit wieder voll und liefern frische, belebende und nahrhafte Köstlichkeiten für jeden Geschmack.

Unsere Auswahl an neuen Ausstellungen im Oktober 2022 führt uns nach Paris, New York, Brüssel, Helsinki und Rom…….

5 New Architecture & Design Exhibitions for October 2022

„Années 80. Mode, design et graphisme en France“ im Musée des Arts Décoratifs, Paris, Frankreich

 

Die 1980er Jahre gehören zu den bemerkenswertesten Dekaden in der langen Geschichte des Designs auf dem europäischen Kontinent. Es handelt sich um jenes Jahrzehnt, in dem die soziale und kulturelle Rebellion der Nachkriegsjahrzehnte zunehmend hedonistisch, individualistisch, durchsetzungsfähig, entsagungsfreudig, autonom, selbstbewusst, kommunikativ und neonfarben wurde. Diese Entwicklung folgte auf die vielfältigen und unterschiedlichen Wirtschaftskrisen der 1970er Jahre und dem darauf folgenden Aufstieg des globalen Neoliberalismus. 

Zu diesen Veränderungen in Gesellschaft, Kultur, Politik und  Wirtschaft hat das Design aller Gattungen beigetragen. Es hat ihnen auch auf vielfältige Weise widersprochen und widerstanden und sich selbst in immer neue Richtungen entwickelt und entfaltet. Bevor 1989 alles explodierte.

Und dennoch handelt es sich beim Design der 1980er Jahre um eine Strömung, die allzu oft ignoriert, als unverständlich verunglimpft und als lärmendes Durcheinander diffamiert wird. Oder man reagiert auf das Design der 1980er mit einem Schulterzucken und verbucht die ganze Sache abschätzig unter dem Begriff „Postmoderne“. Was erwarten Sie?

“Mit Années 80” verspricht das Musée des Arts Décoratifs, Paris, einen umfassenden Überblick über Kunst und Design in diesem so wechselhaften wie informativen Jahrzehnt. Die Ausstellung präsentiert rund 700 Werke aus allen kreativen Genres von Leuten wie unter anderem Jean Paul Gaultier, Elizabeth Garouste, Étienne Robial oder Philippe Starck.  Die Werke und ihre Autoren sollen in ihren zeitgenössischen sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Kontext gerückt werden.

So sollte die Ausstellung nicht nur ein differenzierteres Verständnis für das Design der 1980er Jahre ermöglichen, sondern auch deutlich machen, welch wichtige Rolle das Design der 1980er Jahre auf dem Weg hin zu unserem heutigen Design in Frankreich und darüber hinaus gespielt hat. 

„Années 80. Mode, design et graphisme en France“ wird am Donnerstag, den 13. Oktober im Musée des Arts Décoratifs, 107-111, rue de Rivoli, 75001 Paris eröffnet und läuft bis Sonntag, den 16. April. Weitere Einzelheiten sind unter https://madparis.fr zu finden.

Années 80. Mode, design et graphisme en France, Musée des Arts Décoratifs, Paris

„Années 80. Mode, design et graphisme en France“, Musée des Arts Décoratifs, Paris

„In Praise of Caves: Organic Architecture Projects from Mexico by Carlos Lazo, Mathias Goeritz, Juan O’Gorman, and Javier Senosiain“, The Noguchi Museum, New York, New York, USA

 

Obwohl den meisten von uns das Leben auf der Erdoberfläche absolut adäquat erscheint, übt das Leben unter der Erde eine anhaltende Faszination auf den Menschen aus: zum einen, weil es eine bessere Einheit mit der Natur, ein harmonischeres Zusammenleben mit ihr zu ermöglichen scheint, und zum anderen, weil es zu einer Notwendigkeit werden könnte, wenn wir unsere Umwelt in einem Maße verschmutzen und zerstören, dass ein Leben auf der Erdoberfläche nicht mehr möglich ist. Ein Leben im Untergrund erscheint dann ganz bequem als Utopie und Dystopie zugleich.

In Anlehnung an Bernard Rudofskys Überlegungen und Diskussionen über natürliche und volkstümliche Architektur wird In “Praise of Caves” eine Vielzahl von Projekten von vier mexikanischen Architekten vorgestellt, die verschiedene Aspekte und Ansätze des Lebens in Höhlen und unter der Erde repräsentieren. So möchte das Noguchi-Museum ein Nachdenken über die vielfältigen und unterschiedlichen Themen im Zusammenhang mit dem Leben in Höhlen und unter der Erde und über die Vor- und Nachteile eines solchen Lebens ermöglichen. Das Leben unter der Erde erscheint hier als Rückkehr in eine frühere Epoche, wenn auch im Kontext unserer heutigen Gesellschaft. Die Kuratoren merken dazu an, es handele sich um einen „Zurück in die Zukunft“-Ansatz für das Wohnen. So will die Ausstellung über die üblichen Klischees und Repräsentationen des Lebens unter der Erdoberfläche hinausgehen und differenzierte Perspektiven auf zeitgenössische Wohn- und Stadtplanungskonzepte zulassen.

Darüber hinaus, und das ist kein unerheblicher Punkt, soll “In Praise of Caves” auch eine elegante Erinnerung an die Bedeutung Mexikos in der Entwicklung von Architektur und Design sein. Diese Bedeutung wird nämlich außerhalb Mexikos viel zu oft übersehen und verdient eine öffentliche Würdigung. 

„In Praise of Caves: Organic Architecture Projects from Mexico by Carlos Lazo, Mathias Goeritz, Juan O’Gorman, and Javier Senosiain“ wird am Mittwoch, den 19. Oktober, im Noguchi Museum, 9-01 33rd Road (at Vernon Boulevard), Long Island City, New York 11106, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 26. Februar. Weitere Einzelheiten sind unter www.noguchi.org zu finden.

El Nido de Quetzalcóatl by Javier Senosiain, part of In Praise of Caves, Noguchi Museum (photo © Javier Senosiain/Arquitectura Orgánica, courtesy The Noguchi Museum, New York)

El Nido de Quetzalcóatl by Javier Senosiain, part of In Praise of Caves, Noguchi Museum (photo © Javier Senosiain/Arquitectura Orgánica, courtesy The Noguchi Museum, New York)

 

„On Display. Designing the shop experience“ im Design Museum Brüssel, Brüssel, Belgien

 

Zu den vielen Dingen, die die meisten von uns bewusst ignorieren, gehört die Tatsache, dass Geschäfte so gestaltet sind, dass sie uns zum Ausgeben animieren. Und das war schon immer so. Zumindest seit den Tagen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, als Einkaufen zu einer Freizeitbeschäftigung und einer Lebenseinstellung wurde. Ich kaufe ein, also bin ich. Und in vielerlei Hinsicht ignorieren wir alle bewusst die Tatsache, dass Geschäfte so gestaltet sind, dass sie uns zum Ausgeben anregen, weil wir froh darüber sind; kaum etwas entwertet das Einkaufserlebnis mehr als ein Geschäft, in dem man sich entweder nicht zurechtfindet oder in dem man sich nicht gerne bewegt.

Mit “On Display” verspricht das Design Museum Brüssel eine Präsentation von Ladendesigns aus diversen Jahrzehnten, unter anderem von Adolf Loos, Marc Newson, Hans Hollein. Es geht dabei nicht nur um die Symbiose von Raumgestaltung und Corporate Design als Konsolidierung von Markenidentität und Markentreue. Die gezeigten Entwürfe sollen auch als Grundlage für eine Erkundung der Beziehungen zwischen Ladendesign und anderen Positionen im Bereich Design und Architektur dienen. Wenn man so will, soll der Laden als Mikrokosmos zeitgenössischer Architektur und zeitgenössischen Designs erforscht werden, und damit auch Rückschlüsse über die Beziehungen zwischen Architektur und Design und der heutigen und zukünftigen Gesellschaft zulassen.

„On Display. Designing the shop experience“ wird am Mittwoch, den 12. Oktober, im Design Museum Brüssel, Belgiëplein/Place de Belgique, 1020 Brüssel, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 5. März. Weitere Einzelheiten finden Sie unter https://designmuseum.brussels.

The Bubble Shop Paris by Christian Girard, 1969. part of On Display. Designing the shop experience, Design Museum Brussels (photo © Nicolas Girard, courtesy Design Museum Brussels)

The Bubble Shop Paris von Christian Girard, 1969, Teil von On Display. Die Gestaltung des Ladenerlebnisses, Design Museum Brüssel (Foto © Nicolas Girard, mit freundlicher Genehmigung des Design Museums Brüssel)

„Antti & Vuokko Nurmesniemi“ im Designmuseo, Helsinki, Finnland

 

Obwohl der Name Aalto das Design in und aus Finnland dominiert, ist Design in und aus Finnland nicht ausschließlich Aalto. Alvar und Aino Aalto sind auch nicht das einzige Paar, das die Entwicklung des Designs in und aus Finnland beeinflusst und geprägt hat.

Zum Design in und aus Finnland gehören auch Antti und Vuokko Nurmesniemi.

Die Arbeit und Bedeutung dieses Designerpaars möchte das Designmuseo in Helsinki in der nach eigenen Angaben ersten gemeinsamen Ausstellung von Anttis und Vuokkos Arbeiten erforschen. Zum Werk der beiden gehören vorwiegend Innenraum-, Möbel- und Produktdesign von Antti Nurmesniemi und die vorwiegend Textil- und Bekleidungsentwürfe von Vuokko Nurmesniemi.

Wie bei ihren berühmteren Vorgängern, den Aaltos, waren auch Antti und Vuokko Nurmesniemi sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die auf sehr unterschiedliche Weise arbeiteten. Die Erläuterung dieser Unterschiede und der Beiträge der beiden in der Ausstellung sollte eine Reflexion über die Tatsache ermöglichen, dass Partner, ob privat oder beruflich, einander nicht so sehr ergänzen, sondern erweitern müssen.

Vor allem aber ist “Antti & Vuokko Nurmesniemi” eine längst überfällige Gelegenheit dem Designerpaar eine viel breitere öffentliche Anerkennung zukommen zu lassen, als sie sie derzeit genießen. Es geht darum ihre Werke bekannter zu machen und ihnen damit zu ermöglichen, zur Entwicklung der öffentlichen Wertschätzung und des Verständnisses von Design in und aus Finnland beizutragen. 

Die Ausstellung Antti & Vuokko Nurmesniemi wird am Freitag, den 28. Oktober, im Designmuseo, Korkeavuorenkatu 23, 00130 Helsinki, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 9. April. Weitere Einzelheiten sind unter www.designmuseum.fi zu finden.

Antti & Vuokko Nurmesniemi, Designmuseo, Helsinki

„Antti & Vuokko Nurmesniemi“, Designmuseo, Helsinki

„Technoscape. The architecture of engineers“ at MAXXI, Rome, Italy

 

Was wäre die zeitgenössische Architektur ohne Bauingenieure und Statiker? Ganz genau – es gäbe sie nur auf dem Papier. Zeitgenössische Architektur bestünde aus Träumen und Visionen, die Architekten nicht verwirklichen könnten.

Doch wie oft wird der Beitrag der Bauingenieure zur Entwicklung unserer Bauten öffentlich gewürdigt? Genau – so gut wie nie. Die Anerkennung erhalten immer die Architekten.

Mit “Technoscape. The architecture of engineers” verspricht das MAXXI in Rom, die unschätzbaren Leistungen der Bauingenieure mit einer Präsentation zu würdigen, die 45 Bauwerke vorstellt, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs von Ingenieuren wie Iannis Xenakis, Ove Arup oder, wie es sich für eine Ausstellung in Italien gehört, Pier Luigi Nervi entwickelt wurden.

Damit trägt die Ausstellung nicht nur dazu bei die Schlüsselrolle herauszustellen, die Bauingenieuren und Statikern bei der Entwicklung der Architektur und der formalen Ästhetik unserer urbanen Räume zukommt, sie gewährt auch Einblicke in die Frage, wie sie dies auch in Zukunft tun werden.

“Technoscape. The architecture of engineers” wird am Samstag, den 1. Oktober im MAXXI, Via Guido Reni, 4 A, Rom eröffnet und läuft bis Montag, den 10. April. Weitere Einzelheiten sind unter www.maxxi.art zu finden.

Alexander Graham Bell, Mabel Bell and a tetrahedral kite, part of Technoscape. The architecture of engineers, MAXXI, Rome (photo via Library of Congress LC-DIG-ds-06863)

Alexander Graham Bell, Mabel Bell und ein tetraedrischer Drachen (von rechts nach links), Teil von „Technoscape. The architecture of engineers“, MAXXI, Rome (photo via Library of Congress LC-DIG-ds-06863)

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