1959 erhielt Alexander Girard den Auftrag, die Inneneinrichtung des New Yorker Restaurants La Fonda del Sol zu gestalten, für das Charles und Ray Eames die Sitzmöbel entwarfen.
Heute sind der La Fonda Esszimmerstuhl und der La Fonda Beistellstuhl bekannte, wenn auch derzeit nicht mehr produzierte Bestandteile des Eames-Portfolios. Man fragt sich allerdings, was aus dem La Fonda Barhocker geworden ist.
Das im Erdgeschoss des Time-Life-Gebäudes an der Rockefeller-Plaza in Manhattan untergebrachte La Fonda del Sol war als mittel- und südamerikanisches Themenrestaurant konzipiert. Ein Restaurant, das nicht nur die Speisen, Aromen und Gewürze Mittel- und Südamerikas nach New York bringen sollte, sondern auch das entsprechende Ambiente und Flair. Während es heute zweifellos die erste Wahl wäre, einen mittel- oder südamerikanischen Designer mit der Gestaltung der Inneneinrichtung eines solchen Themenrestaurants zu beauftragen, gab es im Amerika der späten 1950er/frühen 1960er Jahre diese Möglichkeit nicht. Es existierte einfach keine soziale oder kulturelle Grundlage, auf der eine solche Entscheidung hätte getroffen werden können.1
Und so beauftragte der Betreiber des La Fonda del Sol’, Restaurant Associates, Alexander Girard mit der Inneneinrichtung. Bei Girard handelte es sich um einen Gestalter, der wie kein anderer dieser Zeit mit großer Leidenschaft traditionelle Volkskunst aus der ganzen Welt studierte. Zusammen mit seiner Frau Susan begann er in den späten 1930er Jahren mexikanische Volkskunst zu sammeln. Bis zu ihrer Schenkung an den Staat New Mexico im Jahr 1978 umfasste diese Sammlung mehr als 100.000 Objekte, die Girard auf unzähligen Reisen in allen Ecken der Welt erworben hatte. Charles Eames bezeichnete Girard einmal als „zum Teil [diebische] Elster“2; und Girard selbst meinte: „Die Volkskunst sagt uns, dass es keine ‚Fremden‘ gibt. Ihre Farben variieren, ihre Sprachen variieren, aber ihr Geist und ihre Bestrebungen sind zu einer unglaublich reichen Menschheit verwoben„.3 Zusammen mit seiner Frau Susan und Lee Jaffe, dem für Design und Non-Food-Einkauf zuständigen Vizepräsidenten von Restaurant Associates, besuchte Girard sieben Wochen lang zwölf mittel- und südamerikanische Länder auf der Suche nach Ideen und Objekten für die Inneneinrichtung des La Fonda del Sol.4 Das klingt wirklich nicht nach einem schlechten Job.
Die auf dieser Reise entstandene Sammlung von Objekten lokaler Kunsthandwerker und Künstler kombinierte Girard mit seinen jahrzehntelangen Studien über Mittel- und Südamerika und seiner großen Erfahrung im Bereich Innenarchitektur, um ein Konzept für La Fonda del Sol zu entwickeln. Dieses Konzept sollte eine idealisierte, lateinamerikanische Dorfplatzumgebung darstellen. Wie damalige Kritiker meinten, schuf Girard „die Illusion, dass wir wirklich im Freien sind„5, eine Umgebung, die „eine Offenbarung in der Nutzung von Raum, Farbe, Muster, Form und Accessoires„6, war. Es handelte sich um einen Ort an dem zusätzlich zu den Hunderten von Sonnenbildern, Accessoires, Uniformen und Armaturen „die Sonne auf subtilere Weise in der gesamten Atmosphäre des Ortes, in den Farben, in dem luftigen und offenen Grundriss zu sehen ist„7. Ein Raum, der sich als „ein riesiges Farbmosaik„8 wo „das Dekor die müde Psyche erfrischt, streitlustige Reaktionen vertreibt und die Verdauungssäfte harmonisch in Gang setzt„.9 Wie ein Kritiker meinte, stellte das La Fonda del Sol im Jahr 1960 „das beste Beispiel für Innenarchitektur in Manhattan“ dar.10 Ein farbenfroher, sonniger, lateinamerikanischer Dorfplatz, wo „der Portier einen hübschen Poncho mit einer goldenen Sonne trägt. Die Kellner tragen Gaucho-Jacken mit jeweils 420 Knöpfen„11 während „die ‚tortilleras‘ (Serviermädchen) … farbenfrohe einheimische Kleider mit roten, orangefarbenen, gelben und fuchsiafarbenen Baumwolldrucken anhaben.„12
Dieses Restaurant spielte zwar offen mit einigen Klischees von Mittel- und Südamerika, nicht zuletzt durch die sonntägliche Fiesta, eine Veranstaltung mit „flanierenden Minnesängern, Huttänzern, Gitarrentrios und [einer] Mariachi-Band„13; aber wie Alexander Girard meinte, „ist La Fonda del Sol in seiner Gesamtheit ein abstraktes Symbol Lateinamerikas, eine besondere ‚Bühnenwelt‘ und keine historisch oder realistisch genaue Reproduktion eines bestimmten Ortes oder Prototyps.“14 Es war ein Themenrestaurant. Kein Dokumentarfilm. Es sollte authentisch, aber nicht verbindlich sein. Ein Themenrestaurant für eine zeitgenössische nordamerikanische Kundschaft. Ein von Girard verfasstes Themenrestaurant, in dem mittel- und südamerikanische Materialien, Praktiken und Traditionen verwendet wurden, mit mittel- und südamerikanischen Objekten, die Girard von ihren Herstellern in deren Werkstätten gekauft hatte, und die, wenn sie in Zusammenhängen und Kontexten präsentiert wurden, die von Girard verfasst wurden, für diese Hersteller nicht unbedingt einen Sinn ergeben hätten.
Dieses Themenrestaurant wurde von Girard als Gesamtkunstwerk gestaltet: von Servietten und Geschirr über Uniformen und Dekoration bis hin zu Schriftarten entwarf Girard alles.
In die Verwirklichung dieses Projektes investierte Restaurant Associates rund 2.000.000 Dollar.15
Das klingt im Jahr 2022 nach einer Menge Geld, in den Jahren 1958-60 war das jedoch eine immense, extreme Summe. Wir hoffen natürlich, dass ein beträchtlicher Teil dieses Geldes an mittel- und südamerikanische Künstler ging.
Bereits 1971 wurde das La Fonda jedoch geschlossen.
Statt auf das Restaurant wollen wir uns hier jedoch auf den Teil der Inneneinrichtung des La Fonda del Sol konzentrieren, der nicht direkt unter Girards Urheberschaft stand: auf die Sitzgelegenheiten von Ray und Charles Eames.
Much as today there would be a very convincing argument for commissioning designers from Central and South America to design the interior of a Central and South American themed restaurant, so with the furniture. However, as with the interior design, in late 1950s/early 1960s America such an option wasn’t an option, simply couldn’t be formulated. And so Girard turned to his old friends Charles and Ray Eames.
Und obwohl beide absolute Nordamerikaner waren, hatte Charles in vielerlei Hinsicht einen besonderen Bezug zu Südamerika. In seinem Leben und seiner Arbeit vollzog er einen Richtungswechsel, als er in den frühen 1930er Jahren ca. neun Monate lang ohne einen Pfennig durch Mexiko wanderte, unter den Mexikanern auf dem Land lebte. Während dieser Zeit tauschte er seine manuelle Arbeit und seine Kunstwerke gegen Essen und Unterkunft ein und lernte Teile des Landes und einige seiner Bewohner kennen. Auf seinen Reisen studierte er Künste, Kulturen und Traditionen.16 Mexikaner war er allerdings nicht.
But nor did Charles and Ray attempt to produce anything „Mexican“, or otherwise inspired by, or by way of paying homage to, Central and South America, didn’t attempt to produce a late 1950s North American view of Central and South American furniture.
Charles und Ray versuchten jedoch auch nicht, etwas „Mexikanisches“ zu produzieren oder sich anderweitig von Mittel- und Südamerika inspirieren zu lassen oder eine nordamerikanische Perspektive auf mittel- und südamerikanische Möbel zu entwickeln.
Zum Glück weint die Welt unisono.
Ein solches Konzept hätte nicht wirklich dem Ansatz und der Haltung der Eames entsprochen. So ausgeprägt ihre Affinität zu Mittelamerika auch war, so sehr waren sie doch Designer des industriellen Nordamerikas.
Genau das gilt auch für die La Fonda-Stühle.
Für La Fonda del Sol wünschte sich Alexander Girard Stühle, deren Rückenlehnen nicht über die Tische hinausragen, da dies, so Girard, den Blick auf den Raum gestört hätte und man das ganze Spektakel nicht mit den Augen hätte genießen können. Zu diesem Zweck überarbeiteten Charles und Ray ihre A- und S-Schalen aus Fiberglas von 1950/53: Bei der A-Schale schnitten sie im Wesentlichen den kleeblattartigen Lappen ab, der sich aus dem Rücken erhebt, und bei der S-Schale reduzierten sie die Länge der Rückenlehne, ohne die Länge des Sitzes zu verändern, und schufen so ein Objekt mit einem einzigartigen und attraktiven formalen Ausdruck.
Das war jedoch nur der Anfang.
Denn wenn es etwas gab, das Charles und Ray liebten, dann war es die Wiederholung und Weiterentwicklung ihrer Werke, der ständige Versuch, Bestehendes zu verbessern. Ein Produkt der Eames war selten das Ziel, sondern immer nur eine Station auf einer längeren Reise.
So nutzten die Eames die Gelegenheit, die ihnen der La Fonda-Auftrag bot, um eine neue Unterkonstruktion und eine neue Form der Polsterung zu entwickeln.
Genauer gesagt entwickelte Don Albinson, der langjähriges und ebenso lange von der Öffentlichkeit unterschätztes Kernmitglied des Eames Office-Teams war, zusammen mit Royce G. Engel Jr. ein neues Polstersystem. Dabei handelete es sich um „eine Polstergruppe mit einem schützenden dekorativen Kantenstreifen“ zur Verwendung auf „vorgeformten Stuhlschalen„17. Diese Polstergruppe ermöglichte eine sichere und dauerhafte Befestigung eines Schutzkantenstreifens und damit eine dauerhaftere Polsterung von „vorgeformten Konturschalen“. Solche „vorgeformten Konturschalen“ wurden nicht zuletzt dank der Arbeit von Charles und Ray Eames oder Eero Saarinens im Laufe der 1950er Jahre zum Trend. Die schützende Zierkante verhinderte zum einen Beschädigungen der Polsterung durch regelmäßiges Hantieren und zum anderen Schäden an den Wänden durch Reibung der Sitzschalen. Außerdem zeichnete die markante Gummikante die Silhouette der nun unsichtbaren Schale nach und definierte so nicht nur das Bild der La Fonda Chairs, sondern in der Folge das Bild aller gepolsterten Eames Plastic Shell Chairs.
Für das Untergestell des La Fonda-Stuhls haben Charles und Ray das unverkennbare Fußkreuz des Contract Table neu konzipiert. Dieses Untergestell ist mit vier oder fünf Füßen ausgestattet und wurde am prominentesten bei den Stühlen der Aluminiumserie oder dem gleichnamigen Lounge Chair eingesetzt. Wie Jolanthe Kugler erläutert18,nahmen die Eames als Ausgangspunkt eine Form, die sie ursprünglich in ihrem Beitrag für den MoMA International Competition for Low-cost Furniture Design von 1948 verwendet hatten. Aus diesem Projekt gingen letztendlich die Fiberglasschalen hervor, die aber für La Fonda grundlegend verfeinert wurden.19
Der aus zwei symmetrischen Aluminiumgussformen konstruierte La Fonda-Sockel ist eine sehr elegante Konstruktion, deren bestimmendes Merkmal vier leicht eiförmige Säulen sind, die sich wie Paare von Fibeln und Schienbeinen erheben und dem La Fonda-Sockel Leichtigkeit und dabei eine anmutige, ruhige Starre verleihen. Und die, so Olga Gueft, bei den La Fonda-Stühlen für „den unverwechselbaren Eindruck von Vögeln, die auf einem Fuß hocken„20sorgen. Die La Fonda Stühle als figurative Flamingos, die ein imaginäres lateinamerikanisches Dorf bevölkern? Das Untergestell wurde später zwar in überarbeiteter Form für den sogenannten La Fonda-Tisch verwendet und von Vitra mit einer regulären Eames‘ A-Schale zum Vitra DAL zusammengefügt, es fand aber keine breite, allgemeine Verwendung im Eames-Kanon. Wir finden das immer schade, weil es sich um eine höchst interessante Struktur handelt.
Der vereinfachte, industrielle Produktionsprozess aus zeitgenössischen Materialien, das innovative neue Polsterkonzept und die Neukonzeption aus der Überarbeitung bestehender Projekte machen den La Fonda Stuhl zu einem Projekt, das sich sehr gut in den Kanon der Eames‘ einfügen würde. Die La Fonda Stühle veranschaulichen sehr gut, wie und warum die Eames auf ihre Art und Weise gearbeitet haben.
Man könnte sagen, dass während die Speisen und das Flair des La Fonda del Sol authentisch, mittel- und südamerikanisch waren, blieben die Stühle authentisch nordamerikanisch und sorgten für eine klare Erdung der Besucher in New York City.
Aber auch hier geht es nicht um die viel besprochenen und bewunderten La Fonda-Stühle, sondern um den weniger beachteten Barhocker La Fonda del Sol.
Eigentlich haben wir keinen Beweis dafür, dass der La Fonda Barhocker jemals im La Fonda del Sol verwendet wurde.
Es finden sich weder Erwähnung des La Fonda Barhockers in den vielen Eames-Möbelbüchern, noch Fotos des Barhockers im La Fonda del Sol. Auch sonst haben wir keine tatsächlichen Beweise dafür, dass der Barhocker jemals in dem Restaurant eingesetzt wurde. Die Bar des La Fonda del Sol befand sich jedoch in einer Lehmhütte oder zumindest in einer von Girard entworfenen Lehmhütte in der Innenstadt von Manhattan mit zwei schmalen, eintürigen Seiteneingängen. Die Bar war also nicht öffentlich zugänglich, so dass auf den meisten Fotos nur die Außenwände zu sehen sind. Es gibt jedoch einige Fotos des Innenraums der Lehmhütte oder zumindest von Teilen des Innenraums: In der Zeitschrift Interiors gibt es ein Foto, auf dem man einen Teil der Bar durch einen Eingang21, sehen kann, während es im Architectural Record eine Aufnahme von außerhalb der Lehmhütte gibt, die die Bar in ihrer ganzen Länge zeigt.22
Aber weit und breit sind keine Barhocker zu sehen.
Was nicht heißen muss, dass es keine gab. Wir können uns gut vorstellen, dass sie entfernt wurden, damit die roten mexikanischen Bodenfliesen und die brasilianischen Jacaranda-Holzdetails der Bar besser sichtbar sind und im Mittelpunkt stehen. So etwas würden Fotografen durchaus entscheiden, vor allem im Rahmen eines Auftrags für einen Restaurantbetreiber, der für sein (kostspielig realisiertes und stark PR-gestütztes) Restaurant werben will. In einem so kleinen Raum hätten Barhocker viel zu viel Platz eingenommen und möglicherweise Probleme mit dem Licht verursacht. Also wurden sie nach dem Motto “es sind ja nur Hocker” wahrscheinlich entfernt. Wir klammern uns also an die Hoffnung, dass die Barhocker auf den Fotos einfach ganz knapp außer Sichtweite platziert wurden.
Wir glauben jedenfalls, dass sie da waren und nur vergessen wurden und damit am Ende verloren gegangen sind.
Sie wurden in jedem Fall von Herman Miller um 1960 hergestellt und sind unverkennbar Teil der La Fonda Kollektion.23
Warum sonst also sollten sie hergestellt worden sein, wenn nicht für das La Fonda del Sol?
La Fonda Barhocker von Charles und Ray Eames
Einer der Unterschiede zwischen den La Fonda-Stühlen und den La Fonda-Barhockern ist, abgesehen von der Höhe, dass letztere dreibeinig statt vierbeinig sind und deshalb drei identische Bauteilen für das Untergestell des Barhockers anstelle von zwei gespiegelten Bauteilen verwendet wurden. Das stellt eine Optimierung des Prozesses und der Konstruktion gegenüber dem Untergestell des La Fonda-Stuhls dar. Den Hauptunterschied macht jedoch, die Entscheidung für einen einfachen ledergepolsterten Knopfsitz anstelle einer Fiberglasschale aus.
Es wäre tatsächlich auch furchtbar gewesen! Und das nicht nur in formaler Hinsicht.
Der La Fonda Barhocker ist für einen kleinen Raum konzipiert und der schlichte ledergepolsterte Knopfsitz hält ihn dezent. Damit passt der Hocker perfekt in einen Raum, in dem die Möbel nicht vom Konzept ablenken sollen. Thekenhocker in Diners waren in Amerika und in New York seit Jahrzehnten bekannt, insbesondere für ihre einfachen Knopfsitze. Der La Fonda Barhocker greift genau das auf und erinnert die Besucher daran, wo sie sind: In einem New Yorker Speiselokal und nicht in einer Lehmhütte in Lateinamerika.
Dieser einfache ledergepolsterter Sitz mit Knöpfen des La Fonda Barhockers taucht sonst nirgends im Kanon der Eames auf. Aber die Eames haben ansonsten auch keine Barhocker entworfen. Bei allem Ruhm, den sie als Möbeldesigner erlangt haben, ist der Kanon der Eames in Bezug auf die Möbelgattungen relativ begrenzt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es in diesem Kanon in erster Linie um das Wie und Wo ging und weniger um das Was. Den Eames ging es nicht um das Sammeln von Aufträgen und das Abhaken von Kästchen, sondern um das Entwerfen von Möbeln für eine zeitgenössische Gesellschaft und Industrie.
Der einfache ledergepolsterter Knopfsitz erlaubt es, den Fokus auf das Untergestell zu richten. Vor allem auf die gut gelaunten Fußstützen.
Diese Fußstützen sind ohne Frage das entscheidende Merkmal des La Fonda Barhockers und das eigentliche Highlight.
Während die Fußstützen von Barhockern immer aus den Streben zwischen den Beinen, einem außen umlaufenden Ring oder einer gequetschten, halbrunden Strebenkonstruktion bestehen, scheinen Charles und Ray ihre Fußstützen mit Steigbügeln versehen zu haben.
Jedenfalls erinnern die Fußstützen sehr an Steigbügel, oder möglicherweise auch an eine Fußstütze von einem Motorrad oder eine Trittstufe, die an einer Lokomotive, einem Kran oder einer Industriemaschine verwendet wird. Die Fußstützen haben etwas von einem bereits existierenden Produkt an sich und erwecken den Eindruck, eine wiederverwendete Lösung von der Stange zu sein. Die Verwendung vorhandener Produkte für neue Zwecke passt zu Charles und Ray Eames’ Ansatz. Ihr Haus in Pacific Palisades, Los Angeles, wurde zum Beispiel größtenteils aus Produkten von der Stange gebaut, ebenso wie die so genannte Galaxy, der einzigartige Vorstoß des Eames Office in die Welt des Lampendesigns.
Wo auch immer sie herkommen, die Fußstützen des La Fonda Barhockers bereiten uns einfach eine unendliche Freude.
Ebenso wie die Art und Weise, wie sie aus dem Knoten im Bein herauswachsen. Obwohl sie industriell aus Aluminiumguss gefertigt sind, könnten sie auch das Ergebnis eines lebendigen, wachsenden Materials sein; und als Werk hätte der La Fonda Barhocker sehr gut in die Ausstellung “Mimesis. Ein lebendiges Design” im Centre Pompidou-Metz gepasst.
Ohne die Fußstützen wäre der la Fonda Barhocker ein grässliches, banales Objekt.
Die Verwendung von drei einzelnen Fußstützen anstelle eines äußeren Rings trägt dazu bei, die Struktur offen zu halten und die Lücken zwischen den Säulen zu ergänzen, zu stützen und hervorzuheben; eine Offenheit, die ein Ring verschlossen und abgegrenzt hätte. Das hätte wie eine Notlösung ausgesehen und wäre genauso schlimm gewesen, wie eine A- oder S-Schale einzusetzen. Man stelle sich vor!!!
Außerdem laden die einzelnen Fußstützen, die Steigbügel, geradezu zum Sitzen ein; ein Fuß auf einer Fußstütze, der andere auf dem Boden. Barhocker verlangen allzu oft, dass man ganz auf ihnen sitzt, was dazu führt, dass man sich weiter von den anderen entfernt, dass man distanzierter wird. Das ist nicht unbedingt die Art und Weise, wie man im sozialen Kontext einer Bar sitzen möchte. Die Fußstütze ist viel freier, ungezwungener.
Eine Kombination aus Konstruktionsprinzipien, formalen Lösungen und intuitiver Benutzerfreundlichkeit sowie Bügeln, die einen höchst ansprechenden, zufriedenstellenden und kommunikativen Barhocker ergibt.
Ein Barhocker, der zwar zu einer Familie gehört, aber dennoch ein Individuum ist, mit seinem eigenen Ausdruck und seiner eigenen Interpretation dieser gemeinsamen Genealogie, der die Familientradition eher erweitert als fortführt.
Ein Barhocker, der heute so einnehmend, verführerisch und zeitgemäß ist, wie er es 1960 gewesen sein muss.
Und ein Barhocker von Charles und Ray Eames, der komplett verschwunden ist.
So unmöglich das auch erscheinen mag…
1. Die Mitarbeiter scheinen hauptsächlich Süd- und Mittelamerikaner gewesen zu sein, offenbar aus 23 Nationen
2.Brief von Charles Eames an Walter McQuade, 26.12.1956. Ausgestellt in Alexander Girard A Designer’s Universe, Vitra Design Museum. Weil am Rhein, 12.03.2016 – 22.01.2017
3. Alexander Girard in Sarah Nestor [Hrsg.] Multiple Visions: A Common Bond. The Girard Foundation Collection, Museum of International Folk Art, Museum of New Mexico, Sante Fe, 1982
4. siehe Barbara Hauß, Designing for Dining: Restaurants von Alexander Girard in Mateo Kries & Jochen Eisenbrand [Hrsg.], Alexander Girard: A designer’s universe, Vitra Design Museum, 2016
5. Olga Gueft, Das Gasthaus der Sonne, Interiors, Februar 1961, Seite 90
6. Harriet Morrison, A Cluttered Cave is ’61 Design for Living, New York Herald Tribune, 3. Januar 1961
7. Von Alexander Girard entworfenes Interieur für das Inn of the Sun, Architectural Record, Juni 1961
8.Craig Clairborxe, 3 Restaurants der Stadt rühmen sich mit dramatischen neuen Innenräumen, New York Times, 22. September 1960
9. Olga Gueft, The Inn of the Sun, Interiors, Februar 1961, Seite 90
10. Harriet Morrison, A Cluttered Cave is ’61 Design for Living, New York Herald Tribune, 3. Januar 1961
11. Ann Adam, Today’s Food: Delicious gaucho beef stew makes spicy addition to menu, The Globe and Mail, 4. Oktober 1960
12. Elinor Lee, Fisch als Köder: Pescado con frutas a la argentina, The Washington Post, 3. Oktober 1960
13.Undatierte Zeitungsanzeige für La Fonda del Sol, nachgedruckt in Restaurant Associates in Ben Rosen, The Corporate Search for Visual Identity, Van Nostrand Reinhold Company 1970
14.Nicht referenziertes Zitat in Todd Oldham & Keira Coffee, Alexander Girard, AMMO 2011
15. siehe Geoffrey T. Hellman, Profile. Directed to the Product, The New Yorker, 17. Oktober 1964, Seite 86
16.siehe z. B. From Mexico to Cranbrook in Eames Demetrios, An Eames Primer, Thames & Hudson 2001. Demetrios stellt fest, dass Charles „acht oder zehn Monate in Mexiko“ verbrachte, während Virginia Stith, St Louis Oral History Project, Interview with Charles Eames October 13th 1977, abgedruckt in Daniel Ostroff [Ed] An Eames Anthology, Yale University Press, 2015 Charles fast im gleichen Atemzug angibt, dass er „fast ein Jahr“ und „etwa acht Monate“ in Mexiko war. Wir haben das auf alle ca. 9 Monate gemittelt. Niemand weiß wirklich, wie lange…….
17.siehe US Patent 3,281,185 Furniture Construction, D. Albinson et al, 25. Oktober 1966
18. siehe Mateo Kries und Jolanthe Kugler, Eames Furniture Sourcebook, Vitra Design Museum, 2017, Seite 176ff
19. ebd. Seite 217 hat einen Vergleich der Konstruktionen von 1948 und 1960.
20. Olga Gueft, The Inn of the Sun, Interiors, Februar 1961, Seite 90
21.Olga Gueft, Das Gasthaus zur Sonne, Innenräume, Februar 1961
22. Von Alexander Girard entworfenes Interieur für das Inn of the Sun, Architectural Record, Juni 1961
23. Das einzige uns bekannte Exemplar des Barhockers befindet sich im Grand Rapids Art Museum, Michigan, wo er als „Geschenk von Herman Miller“ aufgeführt ist, und man muss davon ausgehen, dass Herman Miller weiß, wovon sie sprechen, und sich sicher ist, dass er von Charles und Ray stammt, um 1960 und für La Fonda. Die ganze Geschichte schlummert zweifelsohne im umfangreichen Archiv von Herman Miller und wartet darauf, wiederentdeckt zu werden. Das gilt auch für den Barhocker…….
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