
Es gibt Wohnungen, in die man tritt und sofort versteht, wer hier lebt. Bei Aylin, auch Aya genannt, ist das so. Ihr Zuhause fühlt sich an wie ein warmer Ruhepunkt im Alltag – offen, freundlich und geprägt von einem intuitiven Gespür für Gestaltung. Vielleicht, weil Aya sowohl in der Kunst als auch in der Innenarchitektur zuhause ist. Und vielleicht auch, weil sie gelernt hat, dass Zeitlosigkeit nichts Starres ist, sondern ein Gefühl von Stimmigkeit: Dinge auszuwählen, die bleiben dürfen, und mutig genug zu sein, sich immer wieder neu zu erfinden. Ihr Zuhause zeigt genau das – persönlich, nahbar und voller kleiner Geschichten.

Früher dominierte in Aylins Wohnung ein ruhiges Beige und Weiß – sichere, unaufgeregte Töne, die dem modernen Standard entsprachen. Heute setzt Aya kleine Farbtupfer in Pink, Orange und Gelb, die ihren Räumen Lebendigkeit verleihen und ihre Persönlichkeit widerspiegeln. Die Malerei hat diesen Wandel entscheidend geprägt: Farbe ist für sie nicht nur Dekoration, sondern Ausdruck von Mut und Lebensfreude. Schon als Kind beobachtete sie in der Maler- und Lackiererfirma ihres Vaters, wie viel Freude es macht, Räume zu gestalten. Diese Freude ist geblieben – in jedem Bild, jedem Arrangement und jedem Accessoire, das ihr Zuhause prägt.
Betritt man Aylins Räume, fällt sofort ihr feines Gespür für Material, Form und Kombination auf. Zeitlose Designklassiker treffen auf selbstgebaute Möbel, auf Fundstücke vom Flohmarkt und auf Designstücke, die Aya sich lange gewünscht hat. Alles wirkt individuell, ohne unruhig zu sein; jeder Gegenstand erfüllt seinen Platz im Zusammenspiel mit den anderen. Die wechselnden Kunstwerke an den Wänden bilden ein weiteres Gestaltungselement: Ein neues Bild verändert die Stimmung des Raums, verschiebt den Fokus und setzt kleine, feine Dialoge zwischen Möbeln, Materialien und Objekten in Gang. So bleibt Aylins Zuhause lebendig, ohne seinen klaren Ausdruck zu verlieren – ein Ort, der sich weiterentwickelt, während sein Kern zeitlos und stimmig bleibt.
Wir begleiten Aya hinter die Kulissen ihres Wohn- und Atelierlebens: Im Interview spricht sie über ihre Haltung zu Kunst, Interior und Zeitlosigkeit, von Designklassikern bis zu persönlichen Lieblingsstücken. Im Video zeigt sie uns ihre wichtigsten Möbel, erzählt von kreativen Momenten – und warum es für sie genauso wichtig ist, die Hände in die Erde zu stecken wie an der Staffelei zu stehen. Ein lebendiger Rundgang durch ein Zuhause, das so persönlich, bewusst und voller Geschichten ist wie seine Besitzerin selbst.

smow: Aylin, stell dich bitte kurz vor!
Aylin: Ich bin Aylin – die meisten nennen mich Aya. Ich bin gelernte Innenarchitektin und habe irgendwann darüber und vorallem auch über Social Media meinen Weg in die Kunstszene gefunden. Da Kunst und Interior Design jedoch gut zu kombinieren sind, fühle ich mich in beiden Welten zuhause.
smow: Du führst uns in deinem Video durch dein Zuhause – wenn du beim Eintreten in deine Wohnung ein einziges Möbelstück wählen müsstest, der deine Haltung zu „Zeitlosigkeit im Design“ am besten verkörpert: Welchen würdest du wählen und warum?
Aylin: Wahrscheinlich wäre das mein String Regal im Esszimmer. Das Design gibt es schon ewig, wird es wahrscheinlich noch ewig geben und durch die modulare Bauweise lässt es sich immer wieder neu konfigurieren, ganz nach Lebens- und Wohnsituation. Außerdem gefällt mir, dass mir das Regal einfach eine schöne Displaymöglichkeit für meine liebsten Dekoelemente und Bildbände bietet. Es ist also funktional, zeigt aber trotzdem immer auch die Persönlichkeit des Besitzers.

smow: Entschleunigung wird oft als Gegenpol zur Schnelllebigkeit verstanden – wie übersetzt sich dieser Begriff bei dir konkret in der Auswahl, Platzierung und Nutzung von Designmöbeln in deinem Zuhause?
Aylin: Ich bin generell kein Fan dieser schnelllebigen Konsumkultur. Ich spare lieber auf einzelne Stücke, die mich langfristig begleiten und wirklich zu mir passen. Dabei mag ich den Mix aus besonderen Designklassikern als Eyecatcher kombiniert mit einfachen, manchmal sogar gebrauchten Möbeln. Ein gutes Beispiel ist unser Esstisch: Der Tisch ist selbstgebaut, dazu stehen ein paar Designstühle, die schon ewig auf der Wunschliste standen, gemixt mit Flohmarktfunden. Das macht den Raum für mich lebendig und authentisch. Ich finde, Entschleunigung bedeutet auch, Dinge bewusst auszuwählen und den eigenen Stil entstehen zu lassen.

smow: In welchem Verhältnis stehen für dich Kunst, Kreativität und Designobjekte in deinem Wohnraum?
Aylin: Für mich gehören Einrichtung und Kunst einfach zusammen – das eine inspiriert das andere. Während Corona habe ich wieder mit dem Malen angefangen, eigentlich nur, weil ich ein schönes Bild wollte, das farblich zu meiner damaligen Einrichtung passte. Daraus ist dann ganz ungeplant wieder eine echte Leidenschaft und anschließend mein Beruf geworden. Inzwischen tausche ich meine eigenen Werke regelmäßig in unserem Zuhause aus – das bringt sofort frischen Wind in den Raum. Die Deko stimme ich oft ein bisschen darauf ab, zum Beispiel mit Blumenbouquets oder kleinen Farbdetails, die den Ton des aktuellen Werkes an der Wand aufnehmen. Aber ehrlich gesagt habe ich auch gelernt, dass Bunt irgendwie immer funktioniert.

smow: Gab es einen Moment oder eine Begegnung (mit Möbeln, Designer:innen, Materialen) in deiner künstlerischen Laufbahn, die deine Sicht auf Möbel-Design nachhaltig verändert hat?
Aylin: Ich war durch mein Architektur- und Innenarchitekturstudium ziemlich gesegnet mit vielen guten Beispielen und Eindrücken. Die praktischen und handwerkschaftlichen Module wie Produktdesign und Möbelbau haben aber definitiv dazu beigetragen, dass ich die Arbeitsschritte von hochwertigen Produkten mehr zu schätzen weiß. Das ist einfach SO viel Arbeit vom Stück Holz zum fertigen Stuhl.

smow: Früher war deine Einrichtung eher unaufgeregt Beige/Weiß. Über die Malerei bist du zur Farbe gekommen, jetzt tauchen als Eyecatcher Orange, Rosa und Pink auf. Lieben wir. Wie hat sich dieser Wandel vollzogen – und was sagt er über deine persönliche Entwicklung und deinen Umgang mit Farbe aus?
Aylin: Rückblickend betrachtet merke ich jetzt erst, dass ich mich früher farblich oft zurückgehalten habe. Beige und Weiß fühlten sich irgendwie sicher und nach dem modernen, hippen Standard an. Mit der Malerei hat sich das total verändert. Farbe ist für mich heute ein Ausdruck von Mut und Lebensfreude. Ich habe gelernt, mich mehr zu trauen, auch in meiner Umgebung. Mein Vater hat eine Maler- und Lackiererfirma und schon als Kind habe ich gesehen, wie viel Spaß es machen kann, Räume zu verändern und mit kräftigen Farbe zu spielen. Denn unser Zuhause wurde auch gerne mal zum Showroom für neue Techniken und Farben. Ich habe aber auf jeden Fall neue Freude an Farben entdeckt.
smow: Zeitlosigkeit heißt ja nicht Stillstand. Wie gelingt es dir, dass dein Zuhause sich verändern darf – mit neuen Bedürfnissen, Farben oder Möbeln – und trotzdem immer nach dir aussieht?
Aylin: Ich glaube, mein Zuhause verändert sich genauso, wie meine Kunst und ich mich verändere. Für mich bedeutet Zeitlosigkeit nicht, dass alles gleichbleibt, sondern dass es sich stimmig anfühlt. Ich habe inzwischen ein gutes Gespür dafür entwickelt, was wirklich zu mir passt aber ich habe auch gelernt, dass man im Leben – und auch in der Einrichtung – ruhig Fehler machen darf. Manchmal probiert man etwas aus und merkt erst später, dass es doch nicht ganz passt. Aber genau das gehört dazu. Jeder Farbwechsel und jedes neue Möbelstück ist ein Stück weit persönliche Entwicklung.
smow: Wenn du jungen Kunst- oder Designliebhabern einen Ratschlag geben müsstest, die ihr erstes bewusst ausgewähltes Designmöbelstück kaufen – nicht aus Trendgründen, sondern mit Blick auf Nachhaltigkeit, Lebensdauer und Identität – was würdest ihnen mitgeben?
Aylin: Design verhält sich wie Kunst – es sollte eine emotionale Verbindung auslösen. Kauft nichts, weil es gerade überall auf Instagram zu sehen ist, sondern weil ihr kurz ernsthaft in euch reinhört und es euch anspricht. Hör da einfach auf dein Bauchgefühl. Ein Möbelstück sollte dich jeden Tag glücklich machen – auch dann, wenn es gerade nicht ‚viral‘ ist. Und fragt euch: Würde ich das auch noch lieben, wenn der Trend vorbei ist? Wenn die Antwort ja lautet, go for it!
Dein erster Satz bei unerwartetem Besuch? „Oh, komm rein.“ Danach würde ich panisch vorlaufen und alle Türen auf dem Weg durch den Flur zuziehen und schnell noch auf dem Sofa die Decke falten, bevor der Besuch die Schuhe ausgezogen hat.
Farbe oder Form? Beides wichtig. Allerdings würde mir ein Stuhl, der mir vom Design her nicht zusagt auch nicht unbedingt gefallen, nur weil er meine Lieblingsfarbe hat.
Vintage oder Contemporary? Contemporary bei der grundlegenden Einrichtung. Vintage eher nur bei Deko-Pieces.
Du sammelst? Oh, perfektes Beispiel für die Vintage Deko: japanische Kokeshi (Holzpüppchen) und Keramik
Intuition oder Planung? Intuition. Liebe, dass ich den Planungsaspekt aus der Architektur in der Kunst komplett abgeben durfte.
Morgensonne oder Abendlicht? Morgensonne. Da hat man direkt einen Mood-Booster für den restlichen Tag.
Chaos oder Ordnung? Ich bin schon eine absolute Chaotin aber für meinen Kopf brauche ich zumindest Zuhause Ruhe und „vermeintliche“ Ordnung.
Kaffee oder Tee? Tee – in rauen Mengen.
Farbe an der Wand oder auf der Leinwand? Beides. Aber da meine Kunst schon oft laut und bunt ist, würde ich für die Wand etwas dezenteres als Hintergrund wählen.
Bleiben oder Verändern? Definitiv verändern! Stillstand finde ich langweilig.
