Mailand 2013: Tools for Life von OMA für Knoll

Zur Mailänder Möbelmesse 2013 präsentierte Knoll offiziell die „Tools for Life“ Kollektion der niederländischen Architekten OMA, die vom OMA Mitbegründer Rem Koolhaas betreut wird.

Die Kollektion war bereits Teil der Bühnendekoration der Prada Men Fashionshow im Januar und wurde in der gleichen Location, bei Prada Mailand, erstmals öffentlich vorgestellt. Ein Ort also, den unseresgleichen theoretisch niemals betreten sollten. Aber Möbelmesse ist Möbelmesse.

Milan Design Week 2013 Tools for Life by OMA for Knoll

Möbelmesse Mailand 2013: Tools for Life von OMA für Knoll bei Prada Mailand

Zunächst einmal muss man sagen, dass die Kollektion aussieht wie von einem Architekten entworfen. Nicht auf so einfache Weise, wie wir es alle von Jacobsen, Eiermann, Haller & Co. kennen. Und bestimmt nicht in der Tradition der Architekten, mit denen sich Knoll einen Ruf gemacht hat, also Mies van der Rohe, Bertoia, Saarinen… Es ist alles viel mehr das Ergebnis eines konzeptionellen Denkers, eine reine Autorenkollektion von einem Designer, der auf Grundlage einer Theorie arbeitet, statt nach einem bestimmten funktionalen oder ästhetischen Prinzip. Haute Couture, um sich mal der Prada-Sprache zu bemächtigen.

Für Knoll ist das Aushängeschild der Kollektion der 04 Counter. Drei ineinandersteckende Balken, die zwei oberen können im 360 Grad Winkel gedreht werden und so für eine Reihe verschiedener ineinander übergehender Funktionen verwendet werden. Sitzen, Präsentieren, Diskutieren. So innovativ und interessant die Funktionalität fraglos auch ist, so unsicher sind wir, wer sowas eigentlich braucht oder will.

Der 03 Coffee Table funktioniert nach einem sehr ähnlichen Prinzip, mit einem ähnlichen Mechanismus. Doch wegen seiner kleineren Abmessungen macht die Bewegung hier mehr Sinn.

Für uns ist das Highlight der Kollektion der 11 Floor Seating, ein beinloser Stuhl, der auf den ersten Blick aussieht, als wäre er nur zum Entspannen da; doch im Kontext vom modernen Wohnen mit Tablet Computern usw., wird das niedrige, leicht gekrümmte Sitzen mit hochgezogenen Knien durchaus zur immer häufigeren Option. Und qualitativ hochwertige, gut überlegte Stühle, die einem erlauben, auf dem Boden zu sitzen, sind ungefähr so rar wie Prada Jacken in unserem Kleiderschrank. Für uns braucht „11“ nur einen etwas höheren Rücken, um wirklich funktional zu sein.

Milan Design Week 2013 Tools for Life by OMA for Knoll

Das 11 Floor Seating aus der Tools for Life Kollektion von OMA für Knoll (Die Kissen werden noch bezogen.)

Unter den weiteren Objekten, hat der 01 Arm Chair keine unansprechende Formensprache, obwohl man ein bisschen braucht, um sich daran zu gewöhnen. Als wir ihn das erste mal gesehen haben, hat er uns überhaupt nicht gefallen. Es war, als wolle da jemand ein unangenehmes Star Trek meets 80s Miami Beach Nightclub Bild erzeugen – und zwar ein Designer, der ein bisschen zu sehr wollte. Doch nachdem es etwas auf uns gewirkt hatte, haben wir angefangen es zu verstehen und zu schätzen. Es ist ein bisschen wie mit David Bowie. Jahrzehnte konnten wir nichts mit ihm anfangen und haben doch vor ein paar Jahren plötzlich einen neuen Zugang zu seiner Musik gefunden. Und seither gefällt sie uns immer mehr.

Der 05 Round Table und der 06 Table sind technisch sehr, sehr interessant. Doch je weniger man darüber sagt, desto besser. Und nein, wir glauben nicht, dass wir uns jemals daran gewöhnen werden. Aber in Moskau würden sie sicher sehr gut ankommen.

Der wahre Star der Präsentation war für uns aber Rem Koolhaas, der rund um die Prada Kathedrale von einer Masse umzingelt war, die hungrig nach Informationsfetzen im Wesentlichen nach dem Grund für seine Materialwahl suchte. Eine Frage, die er geduldigerweise mindestens 1000 Mal beantwortete.

Wir waren natürlich kein Teil des Mobs. Zu dem Zeitpunkt waren wir gerade dabei Croissants zu essen – mit einer Hingabe die Eisbär Knut alle Ehre gemacht hätte. Das waren Prada Croissants. Wann bekommt man schon mal wieder die Chance Prada Croissants zu essen? Nie, ist die Antwort. Und ja, sie waren wunderbar.

Milan Design Week 2013 Tools for Life by OMA for Knoll

Der 01 Arm Chair aus der Tools for Life Kollektion von OMA für Knoll. Hier mit dem Prototyp-Bezug.

Tools for Life ist für Rem Koolhaas das erste Mal, dass er an einem Möbelprojekt teilnimmt. Knoll zufolge wurde der erste Kontakt schon vor 15 Jahren hergestellt, aber Koolhaas hatte  zu der Zeit kein wirkliches Interesse, oder besser gesagt, nicht die notwendige Motivation für Möbel. Dann, vor einigen Jahren haben sie noch einmal über die Möglichkeit diskutiert und Koolhaas hat Ja gesagt, „…weil Knoll uns bat eine Kollektion, statt eines einzelnen Objekts, zu machen und das machte es zu einem interessanten Auftrag.“

Und unabhängig davon, was man von den einzelnen Stücken oder der Formensprache hält, als Kollektion funktioniert Tools for Life sehr gut. Sie verfügt über eine innere Einheit, eine Solidarität, die die einzelnen Stücke aneinander bindet.

In unserem Post über die Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst Köln „Von Aalto bis Zumthor. Architektenmöbel“ stellten wir die Hypothese auf, dass die von Architekten wie Eiermann, Jacobsen oder Le Corbusier designten Möbel deshalb so ansprechend sind, ist, weil sie überwiegend für spezielle Projekte entworfen wurden, in einem speziellen Kontext zu verorten sind und von diesem Kontext beeinflusst und geformt wurden.

Architektenmöbel zeigte auch, was passiert, wenn Architekten Möbel außerhalb eines festen Kontext entwickeln. Oder es wurde zumindest gezeigt, was passieren kann. Tools for Life von OMA für Knoll ist ein weiteres gutes Beispiel dafür. Als interessante und nicht unansprechende Kollektion, war sie für uns ein wenig zu sehr davon getrieben, eine OMA Möbekollektion zu sein und als solche fehlt es ihr an einer bestimmten Nonchalance, die notwendig ist, wenn man Möbel machen will, die Menschen besitzen und benutzen wollen.

Insofern befürchten wir, dass Tools for Life geweiht ist, eine historische Fußnote in der Geschichte von Knoll und OMA zu werden – gut für Hochglanzfotos, aber darüberhinaus kulturell und ökonomisch irrelevant.

Trotzdem gibt es genug technische Innovation und interessante neue Denkweisen in der Kollektion, dass man fast sicher sein kann, dass wenn wenn man OMA und Rem Koolhaas genauere Anweisungen gibt, etwas wirklich wundervolles dabei herauskommen könnte.

Oder anders gesagt, nach der Haute Couture können wir die Prêt-à-Porter kaum erwarten.

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