Fritz Haller. Architekt und Forscher im Schweizerischen Architekturmuseum Basel

Bis zum 24. August findet im Schweizerischen Architekturmuseum SAM in Basel die Ausstellung „Fritz Haller. Architekt und Forscher“ statt. Haller ist einer der wichtigsten Architekten und Architekturtheoretiker des 20. Jahrhunderts, auch wenn er viel zu oft übersehen und missverstanden wird, und eigentlich vor allem für sein USM Möbelbausystem bekannt ist.

1924 im Schweizerischen Solothurn geboren, machte Fritz Haller zunächst eine Ausbildung zum Bauzeichner, bevor er eine Reihe von Jobs in Architekturbüros in der ganzen Schweiz annahm. Nach einer Studienreise nach Rotterdam 1948/49 kehrte Fritz Haller nach Solothurn zurück, wo er zusammen mit seinem Vater Bruno ein Architekturbüro eröffnete. In den nächsten zwei Jahrzehnten realisierten sie über das Büro zahlreiche Projekte innerhalb der Schweiz und waren maßgeblich an der Entwicklung der sogenannten Solothurner Schule, einer der für die Schweizer Moderne prägenden Bewegungen, beteiligt.

1968 reiste Fritz Haller nach Amerika, um eine Gastprofessur an Konrad Wachsmanns Institute for Building Research an der University of Southern California, Los Angeles anzunehmen. 1977 dann erhielt er eine Professur am Institut für Baugestaltung der Universität Karlsruhe. Die Position hielt und kombinierte er mit einer selbstständigen Tätigkeit als Architekt bis 1992. 2012 starb er in Solothurn.

Kuratiert vom SAM-Direktor Hubertus Adam und Professor Georg Vrachliotis von der Universität Karlsruhe ist die Ausstellung in Basel Teil eines Triumvirats, das dem Leben und Werk von Fritz Haller gewidmet ist. Damit folgt die Ausstellung einem akademischen Symposium, das 2012 in Zürich stattfand, und geht einer Monografie über Fritz Haller voraus, die Ende diesen, Anfang nächsten Jahres herausgegeben werden soll. Neben Originalplänen und Zeichnungen von Fritz Haller und Beispielen seiner wichtigsten Publikationen, präsentiert die Ausstellung außerdem Modelle, Zeitungsartikel, Zeitschriftenartikel und Briefe von, an und über Fritz Haller, die in ihrer Gesamtheit ein sehr zugängliches, logisches und vor allem lebendiges Portrait des Menschen und seiner Arbeit abbilden.

Indem die Ausstellung beinahe fünf Dekaden von Fritz Hallers Schaffen sowohl als praktizierender Architekt als auch als empirischer Forscher abdeckt, ist sie unvermeidlich weit angelegt, nimmt dankenswerter Weise aber auch einige Umwege, um bestimmte besonders relevante oder interessante Aspekte seiner Arbeit tiefgehender darzulegen, so z.B. sein Raumkolonie-Projekt, seine Beziehung zu Konrad Wachsmann und einige seiner Hauptwerke, einschließlich einem Teil speziell über die vielen von ihm entworfenen Schulgebäude. Dieser Teil zeigt schön, dass Fritz Haller, wie so viele Architekten jener Zeit, auch Möbel für seine Bauprojekte entworfen hat, und dass es sich in dem Fall zugegebenermaßen um nicht besonders bequem aussehende, aber sehr funktional wirkende Klassenmöbel handelt.

Der vielleicht interessanteste Exkurs, den die Ausstellung unternimmt, ist dem Softwaresystem Armilla gewidmet, das Fritz Haller während seiner Zeit an der Universität Karlsruhe entwickelte, und das eines der ersten architektonischen Planungssoftwaresysteme war – und ist. Wie die Ausstellung deutlich macht, ist es Armilla zu verdanken, dass Haller in der Lage war, die Modularität seiner Gebäude zu planen, in denen bereits technische Systeme, Gas, Wasser, Klimaanlage usw. integriert waren. So wurde schließlich auch die Entwicklung seines vielgelobten modularen Mini-/Midi-/Maxi-Bausystems ermöglicht.

Obwohl die Ausstellung eine hervorragende Einführung zu Fritz Haller gibt, ist das Paradoxon der Ausstellung, dass sie gleichzeitig den Konflikt, der um die Person Fritz Haller besteht, besonders hervorhebt; und zwar seine relative Anonymität, wenn es um ihn als Person des öffentlichen Lebens geht, während er durch seine Kollegen große Anerkennung und Respekt erfuhr, und dass er trotz allem nur Projekte in der Schweiz realisierte. Beide Widersprüche kann die Ausstellung nicht lösen; zumindest nicht direkt.

Für den Co-Kurator Georg Vrachliotis ist die Anonymität schnell erklärt: „Fritz Haller genoss einen stillen Ruhm und die, die ihn kannten, hielten große Stücke auf ihn, aber für jene, die ihn nicht kannten, mag es schwer sein, den Menschen und seine Arbeit zu verstehen. Er war ein Vordenker, ein Suchender, und daher nicht so präsent wie die Architekten, die eine Arbeit entwerfen und sie der Öffentlichkeit dann mit großem Tamtam präsentieren. Durch die Art seiner Arbeit hatte er einfach keinen Zugang zu einer breiten Öffentlichkeit.“

Nicht nur ein Mangel an Öffentlichkeit verhinderte Hallers breite Akzeptanz, sondern auch viele weitverbreitete Missverständnisse. „Ein großes Missverständnis in Bezug auf Fritz Haller“, erklärt Georg Vrachliotis, „ist, dass er alles systematisieren wollte. Zwar ist das in gewisser Weise wahr, eigentlich wollte er aber Systeme entwickeln, die Individuen die Möglichkeit geben, zu entwickeln, was sie wollen. Haller glaubte nicht, dass Systeme die Gesellschaft einschränken sollten, vielmehr glaubte er, dass man Systeme schaffen könne, innerhalb derer Individuen sich frei bewegen können. Fritz Haller sah das Individuum als Teil eines Netzwerks.“

„Arbeit“, proklamiert Fritz Haller in einem der Zitate, die die Ausstellungswände zieren, „wird überall gemacht. Zuhause, im Bistro, im Zug, im Flugzeug. Schulen werden nicht länger Schulen sein, sondern Orte, wo Individuen in einem Beziehungs- und Datennetzwerk zusammenkommen. Insbesondere elektronische Medien werden unsere unmittelbare Umgebung unerkennbar erweitern. Dieser globale Wandel wird fraglos die von uns geschaffene Umgebung fundamental verändern.“

Die Worte machen es nicht nur noch unerklärlicher, warum Fritz Hallers Arbeit keine größere öffentliche Anerkennung erfuhr und erfährt, sondern sie erinnern uns auch an viele Ansichten, die derzeit in der Ausstellung „Panorama“ von Konstantin Grcic im Vitra Design Museum zum Ausdruck kommen. (Die zwei Museen liegen übrigens nur 8 km voneinander entfernt.)

Dafür dass Haller außerhalb der Schweiz keine Projekte realisiert hat, hat Georg Vrachliotis keine Erklärung parat, aber durch die Präsentation von Hallers Beitrag zum Wettbewerb für das neue Braun-Werk im deutschen Melsungen zeigt die Ausstellung zumindest, dass Haller daran interessiert war, außerhalb der Schweizer Grenzen zu arbeiten. James Stirling gewann den Wettbewerb, Fritz Haller wurde Zweiter.

Neben Fritz Hallers Bauprojekten ist bei „Fritz Haller. Architekt und Forscher“ – unweigerlich? – auch ein Teil dem USM Haller System gewidmet. Aber müssen die Möbel dabei sein? Es ist schließlich eine Ausstellung über einen Architekten in einem Architekturmuseum. Doch für Georg Vrachliotis hat das Möbelsystem ohne Zweifel seinen Platz in der Ausstellung verdient und so erklärt er, „Wir wollten zeigen, wie viele Gesichter Fritz Haller hatte und das USM System, war ein Meilenstein in seiner Biografie, aber einer von vielen. Und eine Museumsausstellung über Fritz Haller ohne seine Möbel zu machen, wäre nicht richtig, weil man etwas wichtiges, etwas maßgebliches für seine Karriere außer Acht lassen würde.“

Und unabhängig davon, ob die USM Möbel in die Ausstellung gehören oder nicht, wir sind froh, dass die Ausstellung eine Überraschung für all jene bereit hält, die bereits mit dem System USM Haller vertraut sind. Oder besser gesagt hält sie eine massige Überraschung aus Holz für die bereit, die dachten, sie wären mit dem System USM Haller vertraut. Nur so viel: Als das reduzierte Aufbewahrungssystem aus Metall, das wir heute alle kennen, 1965 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war es ein ziemlich hässliches Holzsystem. Ehrlich!

Auch wenn das Ausstellungsdesign nicht an den Glanz z.B. der Dauerausstellung im neuen Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz herankommt, ist die Ausstellung in Basel eine offene, gut durchdachte und aufgebaute, die allen mit Interesse an Fritz Haller und/oder zeitgenössischer Architektur eine Möglichkeit bietet, einen nicht unwesentlichen Teil Architekturgeschichte selbst zu entdecken.

Aber hätte Fritz Haller die Ausstellung gefallen? „Nein!“, antwortete Georg Vrachliotis, breit grinsend, offensichtlich über den Gedanken amüsiert, Fritz Haller durch die Räume zu führen. „Es würde ihm nicht gefallen, weil es nicht seiner Logik folgt. Sowohl ich als auch Hubertus Adam waren uns darüber bewusst, aber als neue Generation haben wir die Verantwortung, Fritz Haller neu zu interpretieren.“ Und wie ist dieser neue Fritz Haller zu lesen, was hofft Vrachliotis, nehmen die Besucher von der Ausstellung mit? „Ich verstehe Fritz Haller als jemanden“, antwortet er, „der seine Umgebung immer hinterfragte, und ich hoffe, dass wir die Besucher mit der Ausstellung ermutigen können, ihre eigenen Fragen über Architektur, die Gesellschaft und die Gegenwart zu stellen.“

Mit „Fritz Haller. Architekt und Forscher“ hat das Schweizerische Architekturmuseum ein System geschaffen, in dem die Besucher genau das tun können. Und das wiederum hätte dem Systemfanatiker Fritz Haller ganz sicher gefallen.

„Fritz Haller. Architekt und Forscher“ kann noch bis Sonntag, den 24. August 2014, im Schweizerischen Architekturmuseum, Steinenberg 7, 4051 Basel, Schweiz gesehen werden.

Neben der Ausstellung hat das Museum ein begleitendes Rahmenprogramm organisiert. Vollständige Informationen dazu sind unter http://www.sam-basel.org/ zu finden.

 

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