Unter Zwischen im Ampelhaus, Oranienbaum

Im Jahr 2011 gründete eine Gruppe von dänischen Künstlern und Designern die Orangemann Stiftung und machte sich daran ein altes, verlassenes Haus im Zentrum von Oranienbaum in eine Galerie für zeitgenössische Kunst und zeitgenössisches Design zu verwandeln.

Da Oranienbaum ein Dorf mit 3000 Einwohnern ist, zudem 150 Kilometer südlich von Berlin und 80 Kilometer nördlich von Leipzig liegt und Lichtjahre vom nächsten Bahnhof entfernt ist, könnte man diesen Ort für ein solches Projekt für überaus fragwürdig halten – könnte man. Wäre da nicht die Tatsache, dass das heutige Oranienbaum 1660 vom Haus Oranien-Nassau erworben wurde und im Jahr 1683 die dänische königliche Familie mit dem Bau einer Palast- und Gartenanlage in der Mitte des Dorfes begann. Die Anlage etablierte sich schnell als Sommer- und Jagdresidenz dänischer Adliger und ihrer Gefolgsleute.

Dann kam der Krieg, die Weimarer Republik, der nächste Krieg, die DDR, dann die Wiedervereinigung und mit ihr die Chance die zerbröckelte und baufällige Hülle des einstigen Schlosses Oranienbaum zu renovieren.

Nach fast abgeschlossener Instandsetzung zeigte das Schloss Oranienbaum im Jahr 2012 die Ausstellung „Dänisches Design – Huis van Oranje“, eine Ausstellung, die sich gleich 400 Jahren dänischer Kreativität widmete. Und 500 Meter die Straße runter zeigte die Orangemann Stiftung ihre Eröffnungs- und Sommerausstellung in der neu gegründeten Galerie Ampelhaus.

2014 präsentiert das Ampelhaus „Unter Zwischen im Ampelhaus“, die dritte Sommerausstellung der Galerie und eine Ausstellung, die wunderbar unter Beweis stellt, dass das Ampelhaus auf dem besten Weg ist, ein ebenso populäres Sommerausflugsziel zu werden wie es das benachbarte Schloss einmal war.

Bram Braam Zwei Türen Birgit Severin Geheel gebroken Unter Zwischen im Ampelhaus Oranienbaum

Zwei Türen von Bram Braam und Geheel gebroken von Birgit Severin, gesehen bei Unter Zwischen im Ampelhaus, Oranienbaum

Nach ihrer Ausstellung „Use it Again“ im Jahr 2012, die sich mit Wiederverwendung und Recycling in unterschiedlichsten Kontexten befasste, und der 2013 unter dem Titel „King Size: Art and Design fit for a King“ stattfindenden Ausstellung mit ihrer eher königlichen Perspektive auf die gleichen Themen, geht die Galerie im Jahr 2014 mit „Unter Zwischen im Ampelhaus“ zu einer Diskussion über, bei der es eher um die Auseinandersetzung mit Ästhetik, Erinnerung, Semantik und Gefühlen im Kontext von gefundenen und recycelten Objekten gehen soll. Am besten demonstriert das vielleicht die monströse Tree Trunk Bench vom Studio Makkink & Bey. Die Arbeit zählt zu den passendsten der Ausstellung, weil sie nicht nur ein Beispiel für originelle Weiterverwendung ist, sondern auch von einem niederländischen Designer in Oranienbaum entwickelt wurde. Nur eben ein Dutzend Jahre bevor das Ampelhaus in Oranienbaum entstand. Im Jahr 1999 besuchte Jurgen Bey den Ort und stieß auf die zahllosen umgefallenen Bäume, die auf dem Gelände des Schlosses Oranienbaum lagen. Deren zwangsläufige und bestechende Ähnlichkeit mit Parkbänken ließen Jurgen Bey Rückenlehnen aus Bronze entwerfen, die sich an historischen Stuhldesigns aus dem Schloss orientieren und einfach als Lehne in den als Sitz fungierenden Baumstamm gesteckt werden können. Wie es der Zufall so will, wurde nun im vergangenen Jahr auf der gegenüberliegenden Straße des Ampelhauses ein Baum gefällt. Den Stamm konnte sich das Ampelhaus-Team sichern und so in diesem Jahr ihre eigene Tree Trunk Bench präsentieren. Und das fast direkt an ihrem Entstehungsort.

Tree Trunk Bench Jurgen Bey Unter Zwischen im Ampelhaus Oranienbaum

Tree Trunk Bench von Studio Makkink & Bey, gesehen bei Unter Zwischen im Ampelhaus, Oranienbaum

Die allererste Tree Trunk Bench wurde im Rahmen des Projektes „Coleur Locale“ des Studios Droog entwickelt. Das Projekt, das auch Arbeiten von Hella Jongerius, Marcel Wanders und Marti Guixé umfasste, ist eine beneidenswerte Ansammlung der vielversprechendsten niederländischen Designer unserer Zeit. „Unter Zwischen im Ampelhaus“ spiegelt und erweitert in vielerlei Hinsicht diese Liste, indem Arbeiten von Designern gezeigt werden, die wohl zu den interessantesten und progressivsten Designern gehören, die die Niederlande derzeit zu bieten haben.

Dirk van der Kooij beispielsweise ist mit seinem Chubby Chair von 2013 vertreten. Für diese Arbeit nutze er ein 3D-Druck-Konzept, das er für sein Endless Projekt entwickelte, und kreierte damit einen recycelten Styroporstuhl mit einer überaus einnehmenden, comicartigen Form. Der in Amsterdam ansässige Pepe Heykoop ist hingegen mit zwei Projekten vertreten, der anarchischen Reihe „Bits of Wood“ von 2012, bei der unbrauchbares Holz und wertloses Blech zu neuen Produkten verbunden werden, und mit zwei Objekten aus seiner fortlaufenden Skin Collection – einer Serie, bei der alte, vernachlässigte Objekte mit Lederresten bezogen werden. So werden unbrauchbar gewordene Gegenstände und Materialien zu neuem Leben erweckt und erhalten einen neuen Zweck und einen neuen ästhetischen Charme. Darüber hinaus zeigt „Unter Zwischen im Ampelhaus“ Arbeiten von ungefähr 20 weiteren Künstlern und Designern, darunter z.B. Olaf Mooij, Isaac Monté, Bram Braam und Tejo Remy & René Veenhuizen, deren Accidental Carpet aus in Streifen geschnittenen Wolldecken an ein langsam schmelzendes Keith-Haring-Gemälde erinnert.

Allerdings kommen nicht alle Designer und Künstler aus den Niederlanden. Da gibt es beispielsweise die Installation „Geheel gebroken“ der in Bielefeld geborenen und in Berlin wohnhaften Designerin Birgit Severin. Für diese Arbeit überzog sie altes angebrochenes Porzellan mit schwarzem Gummi und konservierte das Alte so in einer stabilen und sicheren Form. Allerdings bleibt das Porzellan trotz der neuen, unzerstörbaren Hülle so fragil und vergänglich wie zuvor. Lässt man es fallen wird es zerbrechen – auch wenn man es nicht sehen kann.

Oder die koreanische Designerin Bora Hong mit ihrem „Cosmetic Surgery Kingdom“-Projekt, in dem sie die Welt der Schönheitschirurgie auf die Welt des Designs überträgt. Cosmetic Surgery Kingdom ist ein weit gedachtes Projekt mit vielen Facetten. Zu sehen im Ampelhaus ist nur ein kleiner Teil davon, namentlich ein Eames DCW und ein Rietveld Rot-Blau Stuhl – beide zusammengebaut aus den dekonstruierten, unzusammenhängenden Überresten eines anderen, weniger illustren Stuhls, eines Stuhls, der gewissermaßen auf eine Schönheitsoperation angewiesen ist, um interessant, attraktiv und illuster zu wirken.

Beide, Bora Hong und Birgit Severin, sind Absolventinnen der Design Academy Eindhoven und so gibt es, auch wenn beide selbst keine Niederländerinnen sind, auch hier eine direkte Verbindung zu den Niederlanden.

Accidental Carpet Tejo Remy René Veenhuizen Unter Zwischen im Ampelhaus Oranienbaum

Accidental Carpet von Tejo Remy & René Veenhuizen und Chubby Chair von Dirk van der Kooij, gesehen bei Unter Zwischen im Ampelhaus, Oranienbaum

Von früheren Ausstellungen ist im Ampelhaus nur wenig übrig geblieben und so ist „Unter Zwischen im Ampelhaus“ vor allem erfrischend, sehr passend und neu. Hinzu kommt die Erweiterung der Ausstellung in den Hof, die Ställe und Nebengebäude. Aus den vergangen Jahren wurde offensichtlich nur die Erfindung des Leerdamer Künstlers Oscar Prinsen „Überraschendes Gespräch“ beibehalten. Für diese Arbeit wurden zwei Löcher in die Decke des Erdgeschosses geschnitten, unter denen ein sehr hoher Stuhl platziert wurde, sodass die Besucher über den ersten Stock hinaus miteinander kommunizieren konnten. Die Öffnung im ersten Stock blieb ohne Abgrenzungen für die Besucher. So ermöglichte „Überraschendes Gespräch“ Zugang und Interaktion. Für „Unter Zwischen im Ampelhaus“ ist Oscar Prinsen nun nach unten gegangen. Dieses Mal hat er das Loch in den Boden des Erdgeschosses geschnitten. Über die Öffnung erreicht man einen Stuhl im Keller und so wird diesmal, so wie ein Jahr zuvor der erste Stock, der Keller für den Besucher geöffnet, ohne tatsächlich für die Öffentlichkeit zugänglich zu sein. Der Besucher befindet sich gewissermaßen in einem Käfig, der an die für Taucher zum Beobachten von Haien erinnert. Außerdem wurde der Boden des Ampelhaus Kellers mit 1080 Keramikblumen des Rotterdamer Künstlers Onno Poiesz übersäht. Schöne fragile Keramikblumen, die zwar einladen sich wie auf einer Wiese niederzulassen und zu verweilen, einen paradoxerweise aber genau daran hindern. Folglich ist man allein gelassen und isoliert mit einem betörenden Ausblick auf die Freiheit.

Mit der Mischung aus Kunst und Design ist „Unter Zwischen im Ampelhaus“ nicht gerade eine einfache Ausstellung. Es gibt zwar einfache, sehr zugängliche Teile, bei denen sehr sehr klar ist, was der Designer bzw. der Künstler demonstrieren, erklären oder auch bemängeln will, doch andere Arbeiten benötigen sehr viel mehr Zeit, Mühe und Überlegungen, die man allerdings durch die entspannte Atmosphäre des Ampelhauses und das offene Ausstellungskonzept leicht aufbringen kann.

Und ganz abgesehen von theoretischen und philosophischen Aspekten kann man „Unter Zwischen im Ampelhaus“ auch auf einem recht simplen Niveau erfahren. Martijn Hesselings Kunstwerke entstehen beispielsweise aus einer faszinierenden Mischung von Zeitungen und Lack und auch vor Ron van der Endes reliefartige Wandskulpturen oder Claudy Jongstras Wandverkleidungen und -teppichen kann man sich einfach niederlassen und staunen, was wir wärmstens empfehlen würden.

„Unter Zwischen im Ampelhaus“ ist bis Samstag, den 20. September, im Ampelhaus, Brauerstraße 33, 06785 Oranienbaum zu sehen.

Alle Details gibt’s unter http://ampelhaus.nl.

 

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