Passagen Köln 2015: Die Metamorphose des Lagerfeuers im Kunstmuseum Villa Zanders, Bergisch Gladbach

Während die alte Weisheit „Du bist, was du isst.“ gar nicht zutreffen kann, da wir so ja aus einem Haufen Bier und Chips bestünden, liegt doch viel Wahrheit in der Annahme, dass man so ist wie man kocht.

Die Entwicklung des Kochens basiert größtenteils auf individuellen kulturellen Rahmenbedingungen. Die Art und Weise beispielsweise, mit der Nahrungsmittel zubereitet und gekocht werden, variiert von Region zu Region, und ganz egal wie weit sich eine Gesellschaft technologisch auch entwickeln mag, das Kochen bleibt, so glauben wir, größtenteils von diesen Veränderungen unberührt. Die „Kochsysteme“ werden sich zwar weiterentwickeln und verändern, aber der eigentliche Kochprozess wird grundsätzlich der gleiche bleiben.

Die älteste Methode zu kochen ist die über offenem Feuer. Ein System, das in vielfacher Hinsicht ein Teil der menschlichen Psyche und eine Methode ist, die wohl nicht verbessert werden kann. Die allerdings auch eine Methode ist, die nicht kompatibel mit der modernen Art zu wohnen ist.

Im Kontext eines von Professor Wolfgang Laubersheimer organisierten Semesterprojektes wurden Studenten der Köln International School of Design, kurz KISD, aufgefordert, ein „Update“ für das offene Feuer zu machen. Die Resultate sind derzeit in einer Ausstellung im Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach zu sehen.

Die Metamorphose des Lagerfeuers Villa Zanders

Die Metamorphose des Lagerfeuers im Kunstmuseum Villa Zanders

Mit 11 Projekten von 21 Studenten umfasst „Die Metamorphose des Lagerfeuers“ eine sehr schöne  Vielfalt von Antworten auf das vorgegebene Thema, die von praktischen über theoretische bis hin zu empirischen Ansätzen reicht.

Uns ist wie immer klar, dass es sich um eine Ausstellung von Studenten und nicht um einen Schönheitswettbewerb handelt; allerdings stach für uns das eine oder andere Projekt besonders heraus.

Transacess Kitchen von Kentaro Morita verfügt über drei flügelförmige Einheiten, die jeweils auf einem Fuß fixiert stehen. Jede Einheit kann um 360 Grad gedreht werden, sodass ein kompletter Kreis, drei individuelle Tische oder jede Kombination dazwischen gebildet werden können. Zudem hat jeder der Stützpfeiler eine Funktion: ein Spülbecken, ein Kocher und ein Kühlschrank. Besonders interessant ist, dass das Projekt die Küche von der räumlichen Küche ablöst und die Küche stattdessen zur Anlaufstelle macht. Normalerweise stehen Küchen fest und werden durch die Form des Raumes definiert, in dem sie sich befinden. Folglich bestimmt die Form des Raumes über die Form der Küche und die Art und Weise, wie wir die Küche benutzen. Transacess Kitchen ignoriert die Räumlichkeiten und befreit  den Nutzer so von derlei Beschränkungen, was wirklich großartig ist.

Origami Kitchen von Lara Liese, Larissa Richter, Franziska Severin und Jacqueline Staiger besitzt ein ähnliches Konzept. Das heißt bei der Küche handelt es sich um eine faltbare, zusammenklappbare Küche, bei der der Nutzer bestimmen kann, wie sie den Raum füllt. Allerdings haben wir uns gefragt, warum sie „zusammengepackt“ werden muss, wenn doch eigentlich Platz für sie ist. Wir verstehen, dass man die Küche so verstauen kann, wenn sie nicht gebraucht wird, nur werden Küchen so nicht benutzt. Küchen sind rund um die Uhr in Gebrauch. Und so wird Origami Kitchen unweigerlich immer aufgefaltet bleiben. Wo ein solches Prinzip von Nutzen sein könnte, wäre im Bereich mobiler Küchen oder wenn es darum geht, schnelle Unterkünfte in Krisengebieten aufzubauen. Mehrere solcher Einheiten könnten zusammengefaltet auf Paletten in betroffene Gebiete geschickt und dann in provisorischen Unterkünften auseinander gefaltet werden. Natürlich müsste man über die Ausstattung nachdenken – fließend Wasser und Elektrizität sind wahrscheinlich nicht verfügbar – aber als Hilfe bei der Organisation von Notunterkünften wäre die Origami Kitchen sicher sehr hilfreich.

Die Metamorphose des Lagerfeuers Villa Zanders Transacess Kitchen Kentaro Morita

Transacess Kitchen von Kentaro Morita, gesehen bei Die Metamorphose des Lagerfeuers, Villa Zanders

Als Küche, in der jede Kochaktivität einen sportlichen Akt mit sich zieht – der Schlag auf einen Punchball schaltet beispielsweise den Herd ein, während Kräuter an elastischen Seilen befestigt sind, die man wie bei einem Expander ziehen muss, um an den Inhalt zu kommen – könnte man Fit Cuisine von Jana Dreyer und Pia Marie Stute eher als ironischen Kommentar zu modernen Lifestyles denn als einen Beitrag zu einer ausbalancierten Verbindung von Sport, gesunder Ernährung, Diät und dem Sitzen vor dem Computer verstehen. Allerdings steckt in dem Projekt unserer Meinung nach wirklich ein besonderer Wert. Wenn auch in den meisten Situationen völlig unpraktisch und unnötig, wäre ein solches Konzept, das Kochen mit regelmäßigen, leichten Übungen verbindet, in einem Altersheim oder einer Rehabilitationseinrichtung wirklich etwas, worüber man nachdenken könnte.

Während wir von Maria Del Arino Bellos Tischsystem Mosis zwar grundsätzlich sehr angetan waren, wird es wohl niemals funktionieren, Dinge in Schubladen zu platzieren, die man ausziehen muss, um sie benutzen zu können. Was uns wirklich beeindruckt hat, war, wie die Tischbeine genutzt werden, um die Anschlüsse hin und wieder weg zu führen. Ja, das bedeutet zwar, dass der Tisch nicht verrückt werden kann, aber will man einen solchen Tisch ja auch nicht unbedingt umstellen. Und in diesem Fall ist Marias Lösung absolut sinnvoll.

Die Metamorphose des Lagerfeuers Villa Zanders Vertical Garden Felix Ahn Paul Guddat Hassan Kaya Christoph Laszig

Vertical Garden von Felix Ahn, Paul Guddat, Hassan Kaya und Christoph Laszig, gesehen bei Die Metamorphose des Lagerfeuers, Villa Zanders

Wir haben in diesem Blog schon oft beklagt, dass, auch wenn wir schon viele sich selbst tragende Indoor-Gartensysteme gesehen haben, von denen viele technisch sehr ausgeklügelt waren, uns noch keines begegnet ist, bei dem uns die visuelle Umsetzung gefiel, oder das in praktischer Hinsicht Sinn gemacht hätte. Vertical Garden von Felix Ahn, Paul Guddat, Hassan Kaya und Christoph Laszig ist da vielleicht der beste Indoorgarten, den wir bisher gesehen haben. Visuell eine vollständige Struktur, die sich nach oben hin jedoch nicht pyramidenartig verjüngt, umfasst das System ein in sich geschlossenes Bewässerungssystem und eine eingebaute, flexible Lichtquelle. Man könnte das System natürlich vor das Südfenster der Küche oder die Veranda stellen … aber da die Mehrheit über dergleichen wohl nicht verfügt und stattdessen mit grundsätzlich eher schlechten Lichtverhältnissen in der Küche kämpfen muss, ist eine variable und mobile Lichtquelle absolut sinnvoll.

Ansonsten ist auch Block von Jan Lukas und Paul Peeters eine schöne Idee – in ästhetischer Hinsicht nicht gerade ein Objekt, mit dem man uns beeindrucken kann, aber die Idee und viele Details der Ausstattung sind sehr durchdacht und sprechen für ein gutes Gespür in Sachen Logik; Native Cooking (Samoan Umu) von Anabel Setefano ist eine schöne Feuerschale, die auf dem traditionellen Samoan-Feuer basiert, das nie ausgeht; Gunfire von Patrick Bieschinski bietet eine schöne Herangehensweise an das Lagerfeuer, oder ein Feuer in der Tonne, und ist vielleicht etwas für alle, die in unserer modernen Welt zwar Zugang zu Gas, aber nicht zu Feuerholz haben; Daniel Slowes & Lizbeth Arce Pasqualli erforschen die olfaktorischen Aspekte des Kochens mit dem Projekt Smellmory; Angelia Igorevna Knayazeva befasst sich bei The Audible Kitchen mit dem Akustischen; und Carsten in der Elst geht ziemlich elementarer Designforschung nach und fragt, wie man das beste Spiegelei zubereitet.

Die Metamorphose des Lagerfeuers Villa Zanders Native Cooking Samoan Umu Annabel Setefano

Native Cooking (Samoan Umu) von Annabel Setefano, gesehen bei Die Metamorphose des Lagerfeuers, Villa Zanders

Da es sich um ein studentisches Semesterprojekt handelt, ging es bei „Die Metamorphosen des Lagerfeuers“ nicht darum, echte Küchen zu entwickeln, sondern um die Frage, wie man sich einem Thema nähert, und die Art und Weise, mit der die Studenten ihre Projekte entwickeln.

Wir können nicht sagen, wie zufriedenstellend sie das gemacht haben, aber wir waren wirklich sehr entzückt, dass das eine oder andere Projekt eine sehr brauchbare Lösung hervorgebracht hat.

Was der Ausstellung grundsätzlich gelingt, ist, deutlich zu machen, wie wenig es eigentlich bedarf, um etwas kochen zu können, und wie simpel Küchen daher aufgebaut sein können. Hat man das einmal verstanden, stellt sich automatisch die Frage, warum beim Küchendesign so viele von uns auf den mittelmäßigen Standard der Küchenindustrie aus sind. Die Einfachheit des Kochens erlaubt uns grenzenlose Freiheit beim Design und dem Gebrauch unserer Küchen. Wir benötigen nicht viel, nur muss das Wenige richtig platziert sein und in eine Form gebracht werden, die so logisch wie unkompliziert ist. Die Küche ist also ein Ort, mit dem man sehr kreativ umgehen kann.

In mehrfacher Hinsicht macht einen die Ausstellung „Die Metamorphosen des Lagerfeuers“ ärgerlich darüber, dass man diese Freiheit nicht besser zu nutzen weiß.

„Die Metamorphosen des Lagerfeuers“ ist eine begleitende Ausstellung zu „Topf und Deckel – Villa Zanders Erforschung der künstlerischen Interpretationen des Kochens“, u.a. mit Arbeiten von Käthe Kollwitz, Alexander Coosemans, Frank Burkhardt und Tobias Hantmann.

Beide Ausstellungen, „Die Metamorphosen des Lagerfeuers“ und „Topf und Deckel“ sind noch bis 8. März in der Villa Zander am Konrad-Adenauer-Platz 8, 51465 Bergisch Gladbach zu sehen.

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