Hans J. Wegner: Designing Danish Modern @ Vitra Design Museum Schaudepot

Mit der Ausstellung „Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“ erforscht das Vitra Design Museum Schaudepot das Werk eines der Grand Doyens und wohl eines der am meisten missverstandenen Protagonisten des dänischen Designs des 20. Jahrhunderts.

Hans J. Wegner: Designing Danish Modern, Vitra Design Museum Schaudepot

„Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“, Vitra Design Museum Schaudepot

„Ach, könnte man im Leben nur einen einzigen guten Stuhl entwerfen – aber das geht eben nicht”1 meinte Hans J. Wegner 1952; und ganz so, als würde er das der Welt auch beweisen wollen, designte er eben mal über 500 Stück. Und obwohl nicht alle gut sind, ist die Mehrheit davon wohl überdurchschnittlich gut, und ebenso gut hat Wegner mehr als genug Stühle produziert, die uns auf interessante Art und Weise etwas über Möbeldesign und den Designprozess lehren. Da er jedoch ein dänischer Designer ist, der in den 1950er- und 60er-Jahren großen internationalen Erfolg hatte, ist sein Vermächtnis oft von einem populären Fokus auf ein paar Objekte, einigen einfachen Schlagwörtern und einer Menge unnötigem, faulem, verkaufsorientiertem PR-Nonsens umgeben. „Designing Danish Modern“ kann als ein Versuch verstanden werden, mehr in die Tiefe zu gehen und dadurch einen ehrlicheren Eindruck von einem facettenreichen, hoch motivierten Designer zu vermitteln.

The CH 24 Wishbone or Y Chair (l.), the FH4282 China Chair (m.) & the JH501 Round Chair r.), as seen at Hans J. Wegner: Designing Danish Modern. Vitra Design Museum Schaudepot

Der CH 24 Wishbone oder Y Chair (l.), der FH4282 China Chair (m.) & der JH501 Round Chair (r.), gesehen bei „Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“, Vitra Design Museum Schaudepot

Wegner wurde 1914 im süddänischen Tønder als Sohn eines Schustermeisters geboren, doch wir verweisen für den biographischen Hintergrund auf unseren Hans J. Wegner Designkalender-Post, da es hier ausschließlich um Wegners nicht ganz unerhebliches Werk gehen soll.

Der wichtigste Versuch, einen realistischeren Eindruck von Hans J. Wegner zu vermitteln, war und ist das Buch „WEGNER – Just One Good Chair“ von Christian Holmsted Olesen, Leiter der Ausstellungen und Sammlungen im Designmuseum Danmark, ein Buch, das Wegners Werk in seinen politischen, technischen und sozialen Kontext sowie in den Kontext von Wegners Zeitgenossen, Wegners Biographie und Wegner als Meister stellt. In unserer Review von „Just One Good Chair“ stellten wir fest, dass es Wegner bezeichnet als „einen Mann, der die Tradition dänischer Tischlerei verstanden hat. Der den Wert von bewährten, etablierten Formen verstanden hat und der einer der ersten Praktiker war, der verstanden hat, wie wichtig es ist, diese Formen nicht nur neu zu interpretieren, sondern der auch die Grundsätze dänischer Tischlerei neu interpretiert hat. Und der dabei half, einen neuen Zugang zum Möbeldesign und eine Ästhetik zu finden, die die starre Formalität der dominanten modernen Architektur dieser Periode perfekt ergänzte.“ „Designing Danish Modern“ zu sehen bestärkte die Entschlossenheit, mit der wir diese Worte geschrieben haben, noch. Sie zwangen uns aber auch uns zu fragen, ob sie nicht ein wenig zu restriktiv waren.

The JH540 Valet Chair (l.) & JH550 Peacock Chair (r.), as seen at Hans J. Wegner: Designing Danish Modern. Vitra Design Museum Schaudepot

Der JH540 Valet Chair (l.) & JH550 Peacock Chair (r.), gesehen bei „Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“, Vitra Design Museum Schaudepot

Kuratiert von Heng Zhi präsentiert „Designing Danish Modern“ etwa 16 Stuhldesigns von Hans J. Wegner, die nicht nur verschiedene Stationen seiner langen Karriere zeigen, sondern auch verschiedene Facetten seines Schaffens, unterschiedliche Auffassungen von Hans J. Wegner, was das beliebte und dabei höchst unfaire, monotone Bild von Hans J. Wegner mal etwas farbig gestaltet.

Neben bekannten Wegner-Arbeiten wie dem JH501 Round Chair, dem JH550 Peacock Chair oder dem gepolsterten Ox Chair gibt es auch Arbeiten wie z. B. den viel eigenwilligeren Flag Halyard Chair aus Metall und Schnur für Getama, der eindrucksvoll zeigt, dass Wegners Arbeiten beispielhaft für das Arbeiten mit handgefertigtem Holz sind. Ähnlich verhält es sich beim FH1936 für Fritz Hansen von 1948, der über Sitz und Rückenlehne aus Formsperrholz verfügt, was nicht nur einen regelmäßig übersehenen Aspekt von Wegners Karriere zeigt, sondern auch die Frage „Was wäre wenn?“ aufwirft. Was wäre, wenn Wegner in den späten 1940er-/frühen 1950er-Jahren mehr geformte Formsperrholz-Möbel verwendet hätte? Zwei seiner Liegen, der JH511 Long Dolphin Chair und die GE2 Hängemattenliege, zeigen wiederum hervorragend, wie Wegner seine Ideen weiterentwickeln konnte und dass er durch seine Konzentration auf die ständige Weiterentwicklung seiner Entwürfe gelegentlich das Wesentliche aus den Augen verlor. Der Klappstuhl JH512 von 1949 ist ein exquisites und sehr durchdachtes Werk, das jedoch bei seiner Weiterentwicklung zum JH510 Dolphin Chair und später zum JH511 Long Dolphin Chair sukzessive an Anmut, Charme, Logik, Notwendigkeit und bescheidenem Selbstbewusstsein verloren hat. Im Gegensatz dazu findet man im GE2 eine sehr erfreuliche Weiterentwicklung des Sockels des 1949er Lounge Chairs, den niemand herstellen wollte. Was die dazugehörige Hängematteneinlage angeht, nun ja, davon sind wir wohl etwas weniger überzeugt… Dann ist da noch der einzigartige JH540 Valet Chair, ein Stuhl, der aufgrund seiner subtilen Kritik am Funktionalismus in W. Heath Robinsons und K. R. G. Brownes Buch „How to Live in a Flat“ nicht fehl am Platz wirken würde und in seiner funktionalen Pietät fast schon als postmodern bezeichnet werden kann. Dänische Bio-Postmoderne, wenn man so will? Der Valet Chair ist aber auch wirklich ein ausgesprochen eloquentes und fesselndes Stück Design.

...in context of the exhibition there is a welcome dialogue between Hans J Wegner and George Nelson....

Im Kontext der Ausstellung kann man einen interessanten Dialog zwischen Hans J. Wegner und George Nelson erkennen…

Die Stühle werden durch Skizzen, Videos und Fotografien begleitet, die den kreativen Prozess, aus dem die Stühle entstanden sind, die Inspirationen oder, wenn man so will, die Logik erklären, während ein längerer Film von Wegner, in dem er über seine Arbeiten spricht, für zusätzliche Tiefe sorgt und der Ausstellung Relevanz und Wertigkeit verleiht. Ein Exemplar von „Just One Good Chair“ zur Hand zu haben ist auch (immer) ratsam – es gab bei der Eröffnung leider keine, aber wir sind uns sicher, dass das Vitra Design Museum noch ein oder zwei Exemplare davon auftreiben kann.

Wenn Hans J. Wegner, wie wir es glauben, eine der führenden Figuren des dänischen Designs des 20. Jahrhunderts ist, ja gar einer der Gründe für den stark ausgeprägten Mythos, der sich in den populären Überlegungen zum Nachkriegsmöbeldesign in Dänemark mit der Wahrheit vermischt, dann ist es wichtig, Hans J. Wegner richtig und ordentlich zu verstehen, um dänisches Design richtig und ordentlich zu verstehen. „Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“ macht das nicht von allein, die Ausstellung kann allein schon aus Platzgründen nicht die nötige Tiefe und den nötigen Umfang haben, aber als Ausgangspunkt für die Infragestellung des eigenen Verständnisses von Hans J. Wegner und der Relevanz, dem Kontext, der Gültigkeit und der Bedeutung seiner Arbeit ist sie eine ausgezeichnete, zugängliche und höchst unterhaltsame Präsentation. Während der Ausstellungsort, ein Konglomerat von mehr als einem Jahrhundert des Stuhldesigns, köstlich unterstreicht, dass es schlicht nicht den einen guten Stuhl gibt. Aber wie uns Hans J. Wegner lehrt, ist das kein Grund, damit aufzuhören zu versuchen, ihn zu entwickeln…

„Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“ ist bis Sonntag, 03. Juni 2018 im Vitra Design Museum Schaudepot, Charles-Eames-Straße 2, 79576 Weil am Rhein zu sehen.

Details unter www.design-museum.de

1. Aus: Christian Holmsted Olesen, WEGNER: Just One Good Chair, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 2014

Papa Bear Chair (l.) Ox Chair (m.) & JH502 office chair (r.), as seen at Hans J. Wegner: Designing Danish Modern. Vitra Design Museum Schaudepot

Papa Bear Chair (l.), Ox Chair (m.) & JH502 Bürostuhl (r.), gesehen bei „Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“, Vitra Design Museum Schaudepot

The JH512 folding chair (r.), JH511 Long Dolphin Chair (front) & GE2 Hammock lounger (rear), as seen at Hans J. Wegner: Designing Danish Modern. Vitra Design Museum Schaudepot

Der JH512 Folding Chair (r.), JH511 Long Dolphin Chair (vorne) & GE2 Hammock Lounge Stuhl (hinten), gesehen bei „Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“, Vitra Design Museum Schaudepot

The FH1936 for Fritz Hansen (l.) and a two part plywood chair (r.), as seen at Hans J. Wegner: Designing Danish Modern. Vitra Design Museum Schaudepot

Der FH1936 für Fritz Hansen (l.), CH07 für Carl Hansen & Søn (r.), und im Hintergrund das Videointerview mit Wegner, gesehen bei „Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“, Vitra Design Museum Schaudepot

Flag Halyard Chair for Getama, as seen at Hans J. Wegner: Designing Danish Modern. Vitra Design Museum Schaudepot

Flag Halyard Chair für Getama, gesehen bei „Hans J. Wegner: Designing Danish Modern“, Vitra Design Museum Schaudepot

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