Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Kunst und Design – eine neue Einheit! @ Bröhan Museum Berlin

Auch wenn es uns einige glauben machen wollen – das Bauhaus erschien nicht eines Morgens aus dem Nebel des Ilm-Tals, sondern ist trotz seiner anhaltenden Anziehungskraft nur eine Station auf einem langen, breiten und internationalen Weg. Dieser Weg nahm lange bevor Walter Gropius und seine fröhlichen Kollegen nach Weimar kamen seinen Anfang und setzt sich bis heute fort.

Mit der Ausstellung „Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Kunst und Design – eine neue Einheit!“ will das Bröhan Museum Berlin diesen Weg hin zum Bauhaus nachvollziehen und dann kurz auf das Bauhaus eingehen.

From Arts and Crafts to the Bauhaus. Art and Design - A New Unity @ The Bröhan Museum Berlin

„Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Kunst und Design – Eine neue Einheit!“ @ Bröhan Museum Berlin

Als Ausgangspunkt nimmt „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ die „Great Exhibition“ 1851 in London – die erste derartige Weltausstellung und eines der deutlichsten Signale für die fortschreitende, unaufhaltsame Industrialisierung dieser Zeit.

Eine zweite Entwicklung wiederum wurde von der sich entwickelnden Industrialisierung und wohl auch vom Niedergang des europäischen monarchischen Systems angestoßen: Das Aufkommen einer mächtigen Mittelschicht und, fast als unvermeidliche Gegenreaktion, die zunehmende Präsenz und politische, wenn nicht sogar wirtschaftliche, Macht der Arbeiterklasse. Beide boten den Kreativen jener Zeit auf ihre Weise neue Perspektiven und ließen neue Fragen aufkommen.

Der dritte Faktor ist Japan; eine Nation, deren Rückkehr in die internationale Gemeinschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach dem Ende der fast 200 Jahre andauernden selbst auferlegten Landesabschließung, der sogenannten Sakoku-Isolation, alle möglichen neuen ästhetischen, materiellen, konstruktiven und esoterischen Impulse mit sich brachte. Ein weiterer, vierter Punkt, den der Direktor des Bröhan Museums und Ausstellungskurator Dr. Tobias Hoffmann hervorheben möchte, ist das Chaos der Stile, oder besser gesagt, der Missbrauch historischer Stile, der Kunst und Architektur Anfang / Mitte des 19. Jahrhunderts definierte. Dieses Chaos begannen glücklicherweise immer mehr Künstler und Architekten als solches zu verstehen und versuchten, getragen von den neuen Möglichkeiten der industriellen Produktion, ihm etwas entgegenzusetzen. Diese Bewegung weg vom Chaos und hin zur Reduktion der Funktionalisten zwischen den beiden Weltkriegen ist der Weg, auf den sich die Besucher von „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ begeben.

From Arts and Crafts to the Bauhaus. Art and Design - A New Unity @ The Bröhan Museum Berlin

„Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Kunst und Design – eine neue Einheit“ @ Bröhan Museum Berlin

Im Wesentlichen chronologisch, beginnt „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ in der Mitte des 19. Jahrhunderts in England mit einer Diskussion über die Werke und Ideen von William Morris und seinen Mitstreitern; Werke und Ideen, die sich, auf die Gefahr absoluter Verallgemeinerung hin, auf die Beziehung zwischen Objekt und Nutzer im Zeitalter der zunehmenden Industrialisierung beziehen und die Folgen der industriellen Produktion für die Gesellschaft sowie die Erhaltung des Handwerks in Zeiten der Industrialisierung thematisieren. Zudem handelt es sich um Arbeiten, die nicht nur eine neue Generation englischer Künstler beeinflussten, sondern von Liberty’s in London kommerziell vermarktet wurden, so ein globales Publikum erreichten und zum Aushängeschild der Arts and Crafts Bewegung wurden.

Über Schottland, die Niederlande, Deutschland und Österreich, insbesondere Wien, baut „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ den Ausstellungsrundgang auf, lässt aber immer genug Zeit und Raum für eigene Überlegungen. Die Präsentation ist allerdings geradlinig und erklärt in klaren zweisprachigen englisch-deutschen Texten nicht nur, wie sich z.B. die Idee des Gesamtkunstwerks in dieser Zeit entwickelte, sondern auch, welche Wechselwirkungen zwischen Vorstellungen von Form, Dekoration, Ästhetik, Funktionalität und Konstruktion und der Gesellschaft bestanden.

Und dann kommen wir bei Adolf Loos und seinem Vergleich von Ornament und Verbrechen an. Vielleicht fällt der Vergleich nicht so direkt aus, wie es die Legende vermuten lässt, aber Loos hat seine extreme Besorgnis über den Einsatz von Ornamenten wortgewandt und einflussreich zum Ausdruck gebracht. Einschließlich einer langen, überlegten Streitschrift gegen das Tattoo. Da stellt sich die Frage, wie Loos in der heutigen Gesellschaft, in dem das Tattoo in jedem Leben ein so großer Moment ist wie früher die Ehe, über die Sache denken würde.

Nachdem die  Ausstellung auf die Entwicklung einer halbindustriellen Produktion und dem ständig zunehmenden Einfluss durch Maschinen und neue ästhetische und funktionale Erkenntnisse eingegangen ist, gelangt die Präsentation zum Möbelstück als industriellem, maschinell gefertigten Produkt. Dieses wird durch die Arbeit von Richard Riemerschmid sehr anschaulich präsentiert, dazu gehört ein selbst konstruierter zerlegbarer Tisch und eine Garderobe für die Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst aus dem Jahr 1905/1906, die gewissermaßen als Explosionszeichnung präsentiert wird, um das vereinfachte, standardisierte Maschinen- und Bausystem anschaulich zu machen.

Von solchen Entwicklungen ist es nur ein Katzensprung zur Gründung des Deutschen Werkbundes, einer der populärsten Zusammenschlüsse von Künstlern, die sich für die Industrie einsetzten, um ästhetische und funktionale Standards zu verbessern, und eine Organisation, die im Wesentlichen als Reaktion auf die extrem schlechte Qualität deutscher Exportgüter gegründet wurde. Damals war „Made in Germany“ nämlich eher eine Beleidigung denn ein Gütesiegel. Nach kurzer Erwähnung von De Stijl, oder zumindest Gerrit T. Rietveld als einheitlichem Vertreter von De Stijl, kommt der Ausstellungsbesucher schließlich beim Bauhaus, bzw. genauer gesagt, beim Bauhaus I, Bauhaus II und Bauhaus III an: frühes Weimar, spätes Weimar und Dessau. Diese Dreiteilung der 14 Jahre des Bestehens der Schule macht wunderbar deutlich, dass trotz des relativ vereinnahmenden Begriffes „Bauhaus“, wie er heute verwendet wird, das Bauhaus alles andere als statisch war. Das hätte es auch nicht sein können, da es sich um eine Idee handelte, die von einem breiten Spektrum von Individuen ständig erweitert und vorangetragen wurde.

An "exploded" wardrobe by Richard Riemerschmid, as seen at From Arts and Crafts to the Bauhaus. Art and Design - A New Unity, The Bröhan Museum Berlin

Eine „explodierte“ Garderobe von Richard Riemerschmid, gesehen in der Ausstellung „Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Kunst und Design – eine Neue Einheit“, Bröhan Museum Berlin

Die Präsentation umfasst überwiegend Möbel, vor allem in den ersten Abschnitten. Je weiter die Ausstellung in das 20. Jahrhundert voranschreitet, desto vielfältiger wird die Präsentation und das soll nicht als Kritik verstanden werden. Denn Möbel sind ein ausgezeichneter Kanal, um soziale, kulturelle, technische und ästhetische Entwicklungen über einen Zeitraum von Jahrzehnten zu untersuchen. „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ macht den Besucher neben vielen bekannten Stücken mit einer großen Auswahl an weitaus weniger bekannten Objekten vertraut. Uns haben insbesondere ein Klappstuhl von Edward William Godwin aus dem Jahr 1875, Sessel aus dem Jahr 1901/1903 von Mackay Hughes Baillie Scott, ein Sessel von ca. 1900 eines unbekannten Künstlers und ein Schreibtisch aus dem Jahr 1930 von Gerrit T.  Rietveld gefallen. Unter vielen, vielen anderen Objekten …

Auch wenn die Ausstellung bekannten Protagonisten der betreffenden Epoche, wie Peter Behrens, Henry van de Velde, Charles Rennie Mackintosh, Marcel Breuer, Lucian Bernhard u.a. Raum gibt, findet sie auch Platz für mehrere weniger bekannte, aber ebenso interessante Charaktere, darunter Ford Madox Brown, Oskar Strnad, Jan Eisenloeffel oder Charles F. A. Voysey.

Viele werden inzwischen schon daran gedacht haben: Die Ausstellung „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ neigt dazu, die ausschließlich männlich dominierte Geschichte des Designs des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu bekräftigen. Es tauchen nur wenige Frauen auf, von denen Marianne Brandt eine der prominentesten ist. Nur handelt es sich immer um Marianne Brandt, wenn in Museen von Funktionalistinnen aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen die Rede ist. Dennoch freuen wir uns immer über Werke von Marianne Brandt, zumal es sich bei „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ nicht um die bekanntesten handelt, sondern selten gesehene Arbeiten vertreten sind, darunter eine faszinierende Teedose für das Ruppelwerk Gotha. Auch wenn es natürlich schwierig ist die wenigen weiblichen Positionen der Geschichte ausfindig zu machen und gebührend zu vertreten, ist der fast vollständige Mangel an Protagonistinnen, vor allem im ersten Teil der Ausstellung, sehr enttäuschend.

Nicht, dass die Anwesenheit von Frauen die Erzählung grundlegend verändert hätte, sicherlich wäre der Fluss derselbe gewesen; Kreative an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit neigen dazu, sich in denselben Kreisen zu bewegen, für ähnliche Kunden zu arbeiten und so, ob nun männlich oder weiblich, ähnliche Arbeiten zu ähnlichen Zeiten zu produzieren. Die Einbeziehung von mehr Frauen hätte die Ausstellung aber zu einer realistischeren und sicherlich genaueren Erzählung gemacht. Gerade in diesem Jahr, in dem so viel über die Veränderungen in Kunst, Architektur und Design nachgedacht wird, die das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert eingeleitet haben, halten wir den Zeitpunkt für äußerst günstig, um einige bestehende Konventionen zu überwinden.

 

Furniture by Gerrit Rietveld & an advert by Jacob Jongert, as seen at From Arts and Crafts to the Bauhaus. Art and Design - A New Unity, The Bröhan Museum Berlin

Möbel von Gerrit Rietveld & eine Werbetafel von Jacob Jongert, gesehen in der Ausstellung „Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Kunst und Design – eine neue Einheit“, Bröhan Museum Berlin

Mit rund 300 Objekten leidet „Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ etwas unter den Eigenheiten der Ausstellungsräume des Bröhan Museums. Architektonische Eigenheiten, die dazu einladen Objekte auf einen Sockel zu stellen. Das ist einerseits positiv, da es eine natürliche Unterscheidung in praktische Ausstellungsteile ermöglicht und so das Tempo der Präsentation unterstützt; bedeutet jedoch, dass der Besucher viel Zeit damit verbringt, Möbel anzusehen, die quasi auf ihn zurückblicken, anstatt die Möbelstücke richtig zu inspizieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Und es gibt einige wenige Stücke, die ein längeres Gespräch wert wären, insbesondere der Sessel von Erich Dieckmann mit seiner herrlich konzipierten und realisierten Rückenlehne.

Das Ausstellungsdesign stört nicht den Fluss der Objekte oder die Fokussierung auf die Objekte. In Erinnerung behalten sollte man, dass die Objekte weniger für die Genres, zu denen sie gehören, stehen, und vielmehr die Zeit repräsentieren, in der sie produziert wurden. Sie stehen für die Motivationen, Absichten, Positionen und Fragen der Künstler, die sie geschaffen haben, und ihren Einfluss auf die folgenden Generationen. So hilft uns die Ausstellung zu verstehen, dass das Bauhaus bis heute fortbesteht.

„Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ schafft nichts besonders Neues, aber verfügt über einen besonders ansteckenden und leidenschaftlichen Eifer, der die Ausstellungsbesucher ermutigt, selbst mehr Nachforschungen anzustellen. Die Ausstellung bietet von Kunsthandwerk bis zum Bauhaus eine sehr unterhaltsame und leicht zugängliche Einführung in die Entwicklung von Kunst, Architektur und Design des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Nur sollte man sich bewusst darüber sein, dass die ganze Präsentation klar männlich dominiert ist bzw. in dieser Form als Ausstellung aufbereitet wurde.

„Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Kunst und Design – eine neue Einheit!“ läuft bis Sonntag, den 5. Mai im Bröhan Museum, Schloßstraße 1a, 14059 Berlin.

Alle Details sowie Informationen zum Rahmenprogramm sind unter www.broehan-museum.de zu finden.

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