Die Welt der vernakulären Möbel: Der Windsor-Stuhl

Überall auf der Welt findet man Möbelstücke, die im Kontext spezifischer lokaler Bedingungen, Traditionen und Praktiken entwickelt wurden. Dabei handelt es sich meist um volkstümliche Objekte ohne offiziellen Autor, die uns, auch wenn sie für einen bestimmten Ort und in einer ganz bestimmten Zeit entstanden sind, viel Wesentliches über Möbel lehren können und uns helfen, die Beziehungen eines Möbels und der jeweiligen Realität in der und für die es entstanden ist zu verstehen. Wir wollen diese Möbelobjekte würdigen und fangen zu diesem Zweck mit einem der wohl bekanntesten Exemplare vernakulärer Möbel, dem sogenannten Windsor-Stuhl, an.

A World of Vernacular Furniture: The Windsor Chair

Die Welt der vernakulären Möbel: der Windsor-Stuhl

In seinem 1917 erschienenen Buch The Windsor Chair bemerkte Wallace Nutting: „Der Schriftsteller hat versucht, in diesem Handbuch alles zusammenzutragen, was über den Windsor bekannt ist, aber es ist erstaunlich, wie wenig das alles ist.”.1

Ein Jahrhundert später gibt es nicht allzu viel mehr, was man ergänzen könnte, bzw. gibt es nur sehr wenig wirklich aussagekräftiges Material. Denn obwohl es sich um eines der wenigen vernakulären Möbelstücke handelt, das zu Weltruhm und Popularität gelangt ist, bleibt nicht nur die Herkunft des Windsor-Stuhls2 undurchsichtig. Auch auf die Frage, wie der Windsor-Stuhl so berühmt geworden ist, gibt es keine klaren Antworten. Stattdessen wirft jeder Schritt in Richtung einer Antwort einfach immer mehr Fragen auf. Aber ist das nicht am Ende häufig so im Leben? Dennoch, wie auch im Leben können wir keine Garantien aber unser Bestes geben, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Der Volksmund geht davon aus, dass die ersten Windsor-Stühle aller Wahrscheinlichkeit nach im 17. Jahrhundert von englischen Stellmachermeistern hergestellt wurden. Dafür spricht die Tatsache, dass in den vergangenen Jahrhunderten in England strikt festlegt war, welche Arbeiten bestimmte Gruppen von Handwerkern und Gewerbetreibenden ausführen durften. In Bezug auf die Holzarbeiten betraf das vor allem die Art der Verbindungen; und so waren viele der Standardmöbelverbindungen ausschließlich Tischlern und Möbeltischlern vorbehalten. Nichts hinderte einen Stellmacher jedoch daran, die Verbindungselemente eines Stellmachers zu nutzen, um damit andere Gegenstände als Räder zu konstruieren. Die Stellnmacher sicherten sich so ein kleines Zusatzeinkommen bzw. richteten sich so ihre eigenen Häuser und Werkstätten ein. Ursprünglich, so die landläufige Annahme, produzierten die Stellmacher Hocker. Doch da im Laufe des 17. Jahrhunderts Hocker mit Rückenlehne, sogenannte Stühle, immer beliebter wurden, fügten die Stellmacher ihren Hockern eine Rückenlehne aus Spindeln hinzu und schufen so eine kostengünstigere Version der neumodischen „Stühle“, die von Schreinern und Tischlern hergestellt wurden.

Diese Annahme zieht zwar unbeantwortete Fragen nach sich,3 erscheint aber nicht nur durch die unverkennbare physikalische Ähnlichkeit des Windsor-Stuhls mit einem Rad 4, sondern auch durch den sehr ähnlichen Herstellungsprozess plausibel: Während die Spindeln aus trockenem Holz gedreht wurden, bestand der Rest der Struktur aus ungelagertem, grünem Holz, das im Laufe der Zeit durch Feuchtigkeitsverlust schrumpfte und so die Festigkeit der Verbindungen und damit eine spezifische Stellmacherbauweise gewährleistete. All das mag zutreffen oder aber auch nicht. In jedem Fall ist diese Erklärung sehr plausibel.

Wie ein so bescheidenes Objekt zu solch einem Weltruhm und dem Namen „Windsor“ gelangte,5 wirft weitere Fragen und Vermutungen auf.

American Windsor Armchair (probably Connecticut, 1780-1800) (Image © and courtesy Rhode Island School of Design Museum)

Amerikanischer Windsor-Armlehnstuhl (womöglich Connecticut, 1780-1800) ( Bild © und mit freundlicher Genehmigung des Rhode Island School of Design Museum)

Der Versuch, etwas Konkretes aus dem Meer der Vermutungen zu ziehen, ist eine höchst unterhaltsame und belebende Übung, mit der Wochen und Stunden vergehen, in denen man versucht, die verschiedenen Stränge zu vereinen. Damit wir uns aber nicht mit Überlegungen zur Restauration, zum englischen Gartendesign, zum Londoner Möbelmarkt des 18. Jahrhunderts, zum Kolonialismus, zur kulturellen Aneignung und dergleichen verzetteln, begnügen wir uns mit der Beobachtung, dass der Windsor-Stuhl um 1720 in England erstmals deutlich sichtbar wurde.

Genau zur selben Zeit trat der Windsor-Stuhl erstmals in Amerika deutlich in Erscheinung, was im Grunde keinen Sinn ergibt. Die Tatsache, dass Amerika im frühen 18. Jahrhundert noch britische Kolonie war, spricht natürlich für eine Übertragung aus England in die USA, man müsste hier aber von einem Zeitraum ausgehen, den der Windsor-Stuhl benötigte, um zuerst in England und dann in den USA populär zu werden. Stattdessen aber etabliert sich der Windsor-Stuhl zur gleichen Zeit um 1720 auf beiden Seiten des Atlantiks.6

Das deutet unserer Meinung nach darauf hin, dass die Windsor-Stühle im England des späten 17. Jahrhunderts weiter verbreitet waren, als es historisch erfasst ist. Sicher können wir uns allerdings nicht sein. Wir wissen nur, dass der Windsor-Stuhl unabhängig davon, wie er in Amerika ankam, schnell angenommen und verbreitet wurde und dass sich Philadelphia bereits Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem wichtigen Zentrum der amerikanischen Windsor-Stuhlproduktion entwickelt hatte. Von dort aus wurden Windsor-Stühle regelmäßig nach Süden in Städte wie Charleston, Savannah und weiter in die Karibik verschifft7. Von dort aus gelangten sie aber auch nach Norden in Städte wie New York oder Boston, wo man Anfang des 19. Jahrhunderts auf die Idee kam, die Stuhlbeine mit Wippen zu versehen, und so den berühmten Schaukelstuhl „Boston Rocker“ erfand.

Das Ausmaß, mit dem sich der Windsor-Stuhl in Amerika durchgesetzt hat, lässt sich vielleicht am besten anhand jenes Modells nachvollziehen, das in Thomas Jeffersons Arbeitszimmer in Monticello, Virginia, stand. Dabei handelte es sich einerseits um einen drehbaren Windsor-Stuhl – der wohl erste drehbare Bürostuhl überhaupt – und darüber hinaus um ein Objekt, das Jefferson in Philadelphia gekauft hatte und in dem er angeblich die Unabhängigkeitserklärung verfasst haben soll. Sollte die Geschichte stimmen, würde sie der „Amerikanischen Revolution“ eine ganz neue Bedeutung verleihen.

Während auf Robert Edge Pines Gemälde Congress Voting Independence aus den 1780er Jahren, das die Beratungen des Zweiten Kontinentalkongresses über die Unabhängigkeitserklärung darstellt, Benjamin Franklin und Charles Carroll in Windsor-Stühlen vorne in der Mitte sitzen, ist in Jean Leon Gerome Ferris‘ Bild Writing the Declaration of Independence Franklin diesmal auf einem konventionelleren Holzstuhl und Jeffersons Hut auf einem Windsor abgebildet. Auch wenn die Innenräume sowohl von Jeffersons Wohnung in Philadelphia als auch die des Pennsylvania State House nicht mehr so intakt sind wie im späten 18. Jahrhundert, wird im Zusammenhang mit der späteren Geschichte festgehalten, dass der Staat Pennsylvania am 18. Oktober 1775 „eineinhalb Dutzend Windsor-Stühle … für die Nutzung des Hauses“ bestellt hat8. All das illustriert sehr anschaulich, wie eng der Windsor-Stuhl nur wenige Jahrzehnte nach seiner Ankunft aus England mit Amerika verbunden und zu einem festen Bestandteil des amerikanischen Lebens geworden war. Der Windsor-Stuhl war zu einem so geläufigen Bestandteil in der Geschichte der Unabhängigkeit Amerikas und der Selbstdarstellung des Landes geworden, dass man annehmen konnte, er habe einen amerikanischen Ursprung.

Er sollte bald auch so eng mit Skandinavien assoziiert werden, dass man wiederum annehmen konnte, er sei in Nordeuropa entstanden.

Congress Voting Independence print by Edward Savage after Robert Edge Pine. Benjamin Franklin and Charles Carroll can be seen in Windsor chairs....

„Congress Voting Independence“ Druckgrafik von Edward Savage nach Robert Edge Pine. Benjamin Franklin und Charles Carroll sind in Windsor-Stühlen zu sehen.

Man ist sich weitestgehend einig, dass es Henriette Killander, die Lady of Hook House bei Jönköping in Südschweden, war, die um 1850 die ersten Windsor-Stühle in Schweden produzieren ließ. Diese Stühle basierten auf ihren Skizzen eines Windsor-Stuhls, den sie womöglich in Amerika oder in England gesehen hatte.9 In jedem Fall wurden sie vom örtlichen Schreiner namens Daniel Ljungquist für sie angefertigt. Offensichtlich zogen diese Arbeiten die Aufmerksamkeit der Gäste von Hook House auf sich, denn Ljungquist war bald damit beschäftigt, solche Stühle für Killanders Bekannte und Nachbar*innen herzustellen. Nicht nur Ljungquist, sondern auch andere örtliche Tischler begannen mit der Produktion von Windsor-Stühlen nach Killanders Skizze. Eine Entwicklung, die 1863 schließlich zur Gründung von Schwedens erster industrieller Möbelfabrik, der Hagafors Stolfabrik in der Nähe von Jönköping in Südschweden, führte. Von dort aus verbreiteten sich die Windsor-Stühle in ganz Skandinavien.

Oder anders gesagt.

So unsicher die Geschichte der Verbreitung und Etablierung des Windsor-Stuhls in England und Amerika ist, so unsicher ist seine Geschichte auch in Skandinavien. Eine Geschichte, die insbesondere durch die Existenz des sogenannten Budalsstolen verkompliziert wird. Dabei handelt es sich um einen in der Gegend um Budal in der Nähe von Trondheim (Norwegen) hergestellten Stuhl, dessen ältestes Exemplar aus dem Jahr 1807 stammt, und um einen Stuhl, der dem Windsor-Stuhl derart ähnlich sieht, dass man annehmen muss, dass der Entwurf auf einem Windsor-Stuhl basiert. Aber auf welchen Wegen gelangte das Konzept des Windsor-Stuhls Ende des 17. / Anfang des 18. Jahrhunderts an einen so abgelegenen Ort wie Budal? Und wie verschlug es den Windsor-Stuhl nach Dänemark? Und gelangte er vor den 1940er Jahren dorthin?10

Ganz gleich wie der Windsor-Stuhl letztendlich nach Skandinavien kam und dort verbreitet wurde, er war dort zweifellos genauso zu Hause wie in England und Amerika. Ab den 1940er Jahren wurde der Windsor-Stuhl so durch Werke von Künstler*innen wie Børge Mogensen, Carl Malmsten oder Ilmari Tapiovaara nicht nur zum Synonym für Möbeldesign in Skandinavien, der skandinavische Windsor-Stuhl entwickelte sich fast zum eigentlichen Windsor-Stuhl. Wenn auch nicht immer in der Form, die die englischen Stellmacher des 17. Jahrhunderts im Sinn gehabt haben mögen.

Die formalen und funktionalen Entdeckungsreisen des Windsor-Stuhls, man vergleiche beispielsweise Jeffersons Windsor-Bürostuhl mit dem Boston Rocker, sind in vielerlei Hinsicht in einem Objekt gebündelt, das kontextfrei entstanden ist. Anders als ein Sitzobjekt, das von lokalen Handwerkern aus lokalen Materialien für lokale Bedürfnisse hergestellt werden konnte, definiert den Windsor-Stuhl, dass er aufgrund seiner Knappheit sehr streng gehalten ist, dabei aber offen bleibt für freie Interpretationen. Man könnte sagen, dass die ersten Stellmacher des Themse-Tals weniger einen Stuhl designten und vielmehr einen spezifischen Rahmen für Stuhldesign erfunden haben.

Diese freie inhärente Anpassungsfähigkeit und Variabilität, die Möglichkeit den Windsor-Stuhl als Objekt immer wieder neu zu betrachten, ohne das Wesen des Objekts zu beeinträchtigen und das Original aus den Augen zu verlieren, ist wohl einer der Gründe für die anhaltende Popularität des Windsor-Stuhls und dafür, dass er sich zunächst in England und dann weltweit derart etabliert hat.11 Aber nur zum Teil. Andere Gründe finden sich in diesen beiden wesentlichen Bestandteilen eines jeden Möbelstücks: Form und Funktion.

Lilla Åland by Carl Malmsten for Stolab, from 1942, and very much informed by Henriette Killander's ca 1850 sketch

Lilla Åland von Carl Malmsten für Stolab, 1942, deutlich inspiriert durch Henriette Killanders Skizze von ca.1850

Es ist relativ einfach, ästhetische Argumente für den Windsor-Stuhl vorzubringen. Wir würden allerdings behaupten, dass es sich dabei um Argumente handelt, die auf der zeitgenössischen Wertschätzung reduzierter, formal leichter Objekte beruhen. 1720 dachte niemand darüber nach. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte der Windsor-Stuhl in England allerdings eine Wiederbelebung, und das nicht zuletzt dank der Assoziationen mit dem einfachen Landhausleben, die er hervorrief und die der sich entwickelnden Industrialisierung absolut entgegengesetzt waren. Mitte des 20. Jahrhunderts passte der Windsor-Stuhl in seiner formalen und materiellen Reduktion wiederum sehr gut zum Formalismus der Zwischenkriegsmoderne. Jener Moderne, die weiter auf Holz setzte, statt auf Metall umzusteigen: Man denke etwa an Werke wie die Wiener Windsor-Stühle von Josef Frank und Oskar Wlach aus den 1930er Jahren oder an die rationale, formale Reduktion der Nachkriegszeit in Skandinavien.

Es kann kein Zufall sein, dass das einzige existierende Design, das in das britische Programm für Gebrauchsmöbel des Zweiten Weltkriegs aufgenommen wurde, ein Windsor-Stuhl aus dem Jahr 1877 war. Und es ist gewiss auch kein Zufall, dass derselbe Stuhl heute als einziges Exemplar dieser Gebrauchsmöbel noch produziert wird. So verkörpert der Windsor-Stuhl seit anderthalb Jahrhunderten auf die eine oder andere Weise ein Möbel-, ein Design-Ideal, und steht als allgegenwärtiges Möbelobjekt für „guten Geschmack“.

A 19th century English Windsor Chair featuring a splat in the backrest and cow horn stretchers (Image © and courtesy Victoria and Albert Museum, London)

Ein englischer Windsor Stuhl aus dem 19. Jahrhundert (Bild © und mit freundlicher Genehmigung des Victoria and Albert Museum London)

Ein Aspekt in der Geschichte des Windsor-Stuhls, über den wir vorhin nicht sprechen wollten, ist die verbreitete Annahme, dass er möglicherweise zuerst in den Gärten englischer Landgüter im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert weite Verbreitung fand. Diese stark landschaftlich geprägten Gärten zeichneten sich durch eine idealisierte Natürlichkeit aus. In diese künstlich natürlichen Räume passte ein Windsor-Stuhl nicht nur formal, sondern auch metaphorisch: Durch sein Material, seine Einfachheit und Bescheidenheit unterstrich er die Natürlichkeit der Umgebung und bescheinigte ihr Authentizität. Ca. ein Jahrhundert später sollte der Windsor-Stuhl zum Stellvertreter für diese idealisierte, bescheidene Einfachheit des Landhauses geworden sein. Auf der ganz praktischen Ebene waren die Windsor-Stühle zudem dank des Materials und ihrer Konstruktion wetterfest, leicht zu transportieren und (relativ) günstig. Sie konnten also in großer Zahl gekauft werden, ohne das Haushaltsbudget übermäßig zu belasten.

Ein relativ niedriger Preis, kombiniert mit einer relativ einfachen Produktion, das waren Eigenschaften, die dem Windsor-Stuhl zweifellos auch den Übergang von den Gärten des Adels in die Häuser des Mittelstandes erleichterten, nicht zuletzt jener Mitglieder der Mittelschicht, die mit der zeitgenössischen Mode der oberen Schichten Schritt halten wollten. Ein relativ niedriger Preis und eine einfache Herstellung werden beispielsweise auch im Kontext des Großen Brands von 1666 entscheidende Argumente gewesen sein, als London neu ausgestattet werden musste. Auch für die vielen armen britischen Siedler des frühen 18. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten, die dringend erschwingliche Möbel benötigten, wäre der Windsor-Stuhl, der in großer Zahl schnell geliefert werden konnte, eine praktische Wahl gewesen.

Dann ist da noch die Tatsache, dass der Windsor-Stuhl bei aller Einfachheit eine geformte, sattelähnliche Sitzfläche aufweist. Eine Facette des Windsor-Stuhls, die für uns viel zu wenig erforscht ist, denn geformte Holzsitze waren im England des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts eher unüblich, haben aber den Vorteil, dass sie bequemer sind als flache, hölzerne Sitze und billiger als gepolsterte Sitze oder Sitze aus Geflecht, die im England des 17. Jahrhunderts populär wurden. So ist die große Verbreitung der Windsor-Stühle wohl auch auf ihren Sitzkomfort zurückzuführen.13

Der Sitz des Windsor-Stuhls wurde von einem unglücklicherweise als „Bottomer“ bezeichneten Handwerker geformt. Dieses Handwerk bildet eine weitere wichtige Facette des Windsor-Stuhls, die wohl zu seiner anhaltenden Beliebtheit beigetragen hat: Die Stühle wurden durch die Montage vorgefertigter Komponenten hergestellt, die von einer Reihe von Handwerkern geliefert wurden.14 Die „Bottomers“ stellten die Sitze her, die sogenannten „Bodgers“ drehten die Spindeln und Beine, die „Banker“ stellten die zentralen Splats, die vertikalen Mittelelemente der Rückenlehne, die in englischen Modellen zu finden sind, her, die Bieger bildeten die Bugholzkomponenten und die Einrahmer fügten das Ganze zusammen, bevor die Endbearbeiter und Lackierer alles glätteten und wenn nötig lackierten.15

Und so war der Windsor-Stuhl perfekt geeignet für die industrielle Produktion, bzw. prädestiniert dafür, die Entwicklung von der handwerklichen Möbelproduktion zur industriellen Möbelproduktion mitzumachen. Und das etwa anderthalb Jahrhunderte bevor Michael Thonets Bugholzverfahren die Massen- und Serienproduktion von Möbeln ermöglichte. In der Tat könnte man argumentieren, dass Michael Thonet mit seinem Bugholzverfahren das Monopol der Tischler und Möbeltischler auf die Möbelproduktion auflöste und damit eine Demokratisierung und Neupositionierung der Möbelproduktion ebenso elegant in Gang setzte wie einst die Stellmacher im England des 17. Jahrhunderts.16

Angenommen, sie waren es, denen wir die Erfindung des Windsor-Stuhls zu verdanken haben…

Aber egal, wer den Stuhl letztendlich entworfen hat, Reflexionen über den Windsor-Stuhl, über seine Geschichten, über das Was, Warum und Wozu, Reflexionen, die unweigerlich zu weiteren Fragen führen, ermöglichen die Entwicklung differenzierter Vorstellungen darüber, was Möbel im Sinne eines Kulturguts sind. Sie können so helfen, unser Verständnis für die Verflechtung von Möbelgeschichte und Gesellschaft zu vertiefen und auszudifferenzieren.

Windsor chairs by Josef Frank and Oskar Wlach for Villa Beer, 1930, (r.) and the Thonet B936 and B 945 F both ca 1928 , as seen at Bentwood and Beyond. Thonet and Modern Furniture Design, MAK - Museum für angewandte Kunst Vienna

Windsor-Stühle von Josef Frank und Oskar Wlach für Villa Beer, 1930 (r.) und der Thonet B 936 und B 945 F, beide ca. 1928, gesehen bei „Bugholz. Vielschichtig. Thonet und das moderne Möbeldesign“, MAK Museum für angewandte Kunst Wien

1. Wallace Nutting, A Windsor Handbook, Wallace Nutting Incoporated, saugus, Massachusetts, 1917

2. While there is no official definition of a Windsor chair, we as with in most things, will go with John Gloag: „chairs and seats of stick construction with turned spindles socketed into solid wooden seats to form back and legs“ [ John Gloag, A complete dictionary of furniture (Revised and expanded by Clive Edwards), Overlook Press, Woodstock, New York, 1991]

3. Not least the question of arms, i.e. did the very first have arms or not? Armchairs were still relatively rare in the late 17th century but most all early 18th century Windsor chairs have arms…..

4. A key feature of any Windsor chair, and to expand on the definition, is the use of bentwood, which isn’t a normal component of „joiners‘ chairs“. The combination of turned and bentwood not only giving the Windsor its characteristic appearance, but tending to confirm a genesis outwith conventional furniture practice.

5. It is important to note that the term „Windsor“ has been used since the early 18th century, that, as Robert Parrot notes, the “Windsor chair is probably unique in being the only item of English period furniture named after a place, with the name known to have been in use for nearly 300 years and not a later term invented by the antiques trade.” [Robert Parrott, Observations on the Earliest Known Windsor Chairs, Regional Furniture. The Journal of the Regional Furniture Society, Volume 19, 2005, page 1ff] The „Windsor“ in Windsor chair is almost certainly a reference to the English town, Windsor, but in which context, and why, is a subject of continuing debate.

6. The earliest recorded reference to a Windsor chair is in 1708, in the will of a certain John Jones of….. Philadelphia. [see, eg., Esther Singleton, The furniture of our forefathers, Doubleday, Page & Company, Garden City, New York, 1913] Everyone assumes that Jones was English and had brought the chair with him from England. But no one knows. One of the first mentions in England is in the March 1723 inventory of the contents of Chevening House, Kent, which noted the possession of „60 Windsor Chairs painted Green….“ Painting green was popular in the 18th century, and alongside „Windsor“ such chairs were, often referred to as „Forrest chairs“.  Which may also give clues about their origin. Or may just have been a fashion thing. [Robert F. Parrott, Forrest chairs, the first portable garden seats, and the probable origin of the Windsor chair, Regional Furniture. The Journal of the Regional Furniture Society, Volume 24 2010, pp. 1ff

7. The first recorded Windsor chair in Jamaica is from 1735, and thus, more or less parallel to its appearance in England and America. And thereby tending to underscore the important role British colonialism played in the early dissemination of the Windsor chair, see, John Cross, The Transference of Skills and Styles from the American to Jamaican Furniture Trade During the Eighteenth Century, The Journal of Early Southern Decorative Arts, Winter 2004 Volume 30, Nr. 2, page 49ff And for more information on the distribution of Windsor chair from Philadelphia see Harold E. Gillingham, The Philadelphia Windsor Chair and its journeyings, Pennsylvania Magazine of History and Biography, vol. 55, Nr. 4, 1931 page 301ff

8. see Nancy A. Goyne, Francis Trumble of Philadelphia: Windsor Chair and Cabinetmaker, Winterthur Portfolio, Vol. 1 ,1964, page 236, 237 & FN 58

9. Henriette Killander’s model is interesting in that it is of a fan back type with no armrests, which although not unknown, arguably wasn’t the most common type. Has however become a popular Scandinavian understanding. see Josefina Hägg, Livet på en pinne – ett designarbete med pinnstolen som utgångspunkt, Examensarbete i Möbeldesign, Carl Malmsten Furniture Studies, Stockholm, page 12. Accessible via media.hagaforsstolfabrik.se/2019/08/tqde10_josefinah%C3%A4gg_Examensrapport.pdf (accessed 15.07.2020)

10. We may have missed something here, and certainly the current limited access to libraries doesn’t aid and abet such research, but tracing the path of the Windsor to Denmark is all but impossible. Certainly before 1940. Unless we are just missing something very obvious, which is possible. But if we’re not, there seems to be a lot of research needed on the history of the Windsor in Denmark. And Finland.

11. The variability of the Windsor can also be found and appreciated in the myriad regional expressions of the Windsor that arose in England, local adaptations and variations that allow those initiated in the ways to pinpoint the location of any given Windsor’s production with an accuracy that would make GPS blush…..

12. Or at least, always once the Windsor became established. We imagine the very, very first models didn’t have formed seats. Also the 1807 Budalsstolen has a unformed flat seat, see https://www.adressa.no/nyheter/okonomi/2015/10/23/Budalen-f%C3%A5r-ikke-retten-til-Budalstolen-11711171.ece (accessed 15.07.2020) Whereby it’s interesting to note that whereas the Windsor chair Henriette Killander had made for her by Daniel Ljungquist had a ridged, saddle-esque, seat, today one encounters more regularly Scandinavian Windsor chairs with more concave seats, a development which may or may not be attributable to Carl Malmsten……

13. Not that we believe that in 18th century people would sit down and say „my, what a comfortable chair“, furniture as something that can and should be comfortable is relatively new; however then as now people would prefer to sit on something that doesn’t hurt….

14. The Windsor wasn’t unique in being realised through such a process, such process were common at that time and were largely predetermined and unavoidable on account of the very strict separation of the jobs different crafts and trades could perform.

15. Which doesn’t stand in contradiction of the theory that the first were made by wheelwrights, but rather is indicative of how as production increased the process evolved and became more organised, formalised. And eventually industrialised…..

16. It’s worth noting here that Michael Thonet’s wood bending technique was also a wheelwright’s technique, something he acknowledged in his 1856 Privilege application, claiming the „newness“ was its use for furniture. [see Jiří Uhlíř, Vom Wiener Stuhl zum Architektenmöbel: Jacob & Josef Kohn, Thonet und Mundus; Bugholzmöbel vom Secessionismus bis zur Zwischenkriegsmoderne, Böhlau Verlag, Vienna, 2009] If Michael Thonet knew that the Windsor chair makers had been there a century and a bit earlier is unknown….

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