Meilensteine der smow Blog Office Tour – Der Modern Efficiency Desk

In seinem Roman “The Job” aus dem Jahr 1917 beschreibt Sinclair Lewis eine Gruppe von ehrgeizigen, jungen Angestellten, die in den Büros von Pemberton – „der größten Manufaktur für Drogerie- und Toilettenartikel der Welt“ – arbeiten und an „glänzenden, flachen Schreibtischen in Reihen“ sitzen.1

Hier denken Sie jetzt alle wahrscheinlich, ja… und… ???

Heute wird diese Schilderung niemanden mehr beeindrucken, aber 1917 waren ehrgeizige junge Büroangestellte, die an Reihen „glänzender, flacher Schreibtische“ sitzen, vielleicht nicht revolutionär, aber mit Sicherheit eine ziemliche Neuheit. Aus heutiger Sicht sind sie bezeichnend für eine Periode, in der es zu grundlegenden Entwicklungen in den Bereichen Büro, Büroarbeit, Büroangestellte und Bürotischdesign kam. Diese Entwicklungen prägen das Büro und das Design von Bürotischen im 21. Jahrhundert weiterhin.

#officetour Milestones – The Modern Efficiency Desk (Image from Lee Galloway, Office Management. Its Principles and Practice, The Ronald Press Company, 1922)

#officetour Meilensteine – Der moderne Effizienz-Schreibtisch (Bild aus Lee Galloway, Office Management. Its Principles and Practice, The Ronald Press Company, 1922)

Die Tatsache, dass es bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine kommerziellen Büros im heutigen Sinne gab, bedeutet auch, dass es bis dahin zwar Tische aber keine kommerziellen Büroschreibtische gab. Personen, die, wie wir es heute nennen würden, „Schreibtischarbeit“ verrichteten, benutzten im Allgemeinen ein erhöhtes, stehendes Objekt mit einer geneigten Oberfläche. Die Arbeit in und mit den großen Folianten vergangener Jahrhunderte wäre auf einer waagerechten Oberfläche nahezu unmöglich gewesen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand das Handelsbüro als Institution und zwar zuerst und am schnellsten in Nordamerika. Philip Carlino stellt fest, dass „die Zahl der Büroangestellten in den Vereinigten Staaten von 81.619 im Jahr 1880 auf 740.486 im Jahr 1900 und auf mehr als drei Millionen im Jahr 1920 anstieg“2. Diese Expansion wurde durch die zunehmende Industrialisierung und Globalisierung angetrieben und führte zu verstärkter Arbeitsteilung innerhalb des Büros. Aufgaben, die früher ein einziger Angestellter ausführte wurden aktiv getrennt und von separaten Angestellten erledigt. Der Foliant wurde durch das Geschäftsbuch und die Karteikarte ersetzt, Praktiken und Rituale, wie auch Rolle und Funktion des Büros veränderten sich. So wurden schließlich auch neue Büromöbel erforderlich. Nicht nur neue Möbel für die zunehmend spezialisierten Büroangestellten, für die neuen Praktiken, Werkzeuge und Materialien, sondern auch neue Büromöbel zur Festlegung von Bürohierarchien. Während in den kleinen Büros des frühen 19. Jahrhunderts mit ihren zwei oder drei Mitarbeitern die Hierarchie durch die jeweilige Position klar definiert und nur von marginaler Bedeutung war, weil sie so explizit erkennbar war, wurden in den wachsenden Büros des späten 19. Jahrhunderts mit ihren zwei- oder dreihundert Mitgliedern und aufgrund der zunehmenden Schicht des mittleren Managements, Möbel gesucht, die es ermöglichten, Rang- und Statusunterschiede sowohl zu identifizieren als auch zu affirmieren. Schließlich waren im Amerika des späten 19. Jahrhunderts Rang und Status hochgeschätzte und streng gehütete Güter.

Eine der weltweit verbreiteten Manifestationen eines solchen Büromöbeltypus war die Einführung des Rollschreibtisches in kommerziellen Büros. In vielerlei Hinsicht basierten diese Roll-Top-Schreibtische auf Schreibmöbeln für den häuslichen Gebrauch aus früheren Jahrhunderten. Als charakterisches Merkmal wiesen diese Tische, wie der Name schon sagt,3 eine Rollplatte auf, das heißt eine Konstruktion aus Holzlatten, die es dem Benutzer ermöglichte, den Schreibtisch zu schließen und zu verriegeln, wenn er das Büro verließ. Die Rollplatte war jedoch nur eines und auch nicht das wichtigste der charakteristischen Merkmale des Rolltops. Ebenso wichtig war, dass es sich bei Rollschreibtischen im Allgemeinen um große, imposante Objekte handelte, die gelegentlich kunstvoll verziert und oft aus hochwertigem Holz gefertigt waren. Sie verfügten somit über eine selbstbewusste Präsenz im Raum, die, wie Adrian Forty anmerkt, „die Verantwortung, das Vertrauen und den Status, der einigen Angestellten verliehen wurde, verdeutlicht[e]“4. Darüber hinaus, und das ist ebenso wichtig, zeichneten sich Rollschreibtische durch eine hohe Rückseite aus, die über den Sitzenden hinausragte und in Kombination mit den für die Rollplatte erforderlichen erhöhten Seitenwänden dem Benutzer ein gewisses Maß an Privatsphäre ermöglichte. So blieb die Oberfläche des Schreibtisches vor den zufälligen Blicken anderer verborgen und man gewährte dem Benutzer, wie Christine Schnaithmann meint, „das Privileg des privaten Raums“5 – das heißt eines Raumes innerhalb des Großraumbüros. Damit wurde die Unterscheidung zwischen leitenden Angestellten und Angestellten mit niedrigerem Rang weiter unterstrichen. Angestellte mit niedrigerem Rang arbeiteten oft in Stehhöhe an Objekten mit geneigter Oberfläche, oder sie saßen an Schreibtischen mit waagerechter Tischplatte, die mit ihren schweren Sockeln den Rolltop-Schreibtischen ähnelten, nur eben nicht über die hohe Rückenlehne oder die abschließbare Rollplatte verfügten. Die Privatsphäre blieb so ihren Vorgesetzten vorbehalten..6

Carlino vertritt die Ansicht, dass Rollschreibtische und ihre nicht rollenden Pendants aber nicht nur Status und Rang untermauerten, sondern auch zur Aufbewahrung von Informationen dienten7. Das kaufmännische Büro entwickelte sich zum einen analog zur zunehmenden Menge an Papierkram, die beispielsweise durch die Einführung der Schreibmaschine entstand, und zum anderen noch vor der Entwicklung zentralisierter Ablage- und Dokumentationssysteme. Die Verantwortung für die Verwaltung aller Dokumente und damit für den Betrieb des Unternehmens lag so bei den einzelnen Angestellten. Aufgrund seiner Fülle an Schubladen und Fächern, war der Rolltop Schreibtisch also genau darauf ausgerichtet, dass der jeweilige Sachbearbeiter diese Verantwortung auch tragen konnte.

Dementsprechend handelte es sich bei diesen Schreibtischen um multifunktionale Arbeitsplätze.

Die Fülle an Schubladen und Fächern wurde jedoch im Verlauf des 20. Jahrhundert und dann im 21. Jahrhundert zunehmend zum Anachronismus.

An 1870s advert for Stephan Smith & Co, Boston, an early producer of commercial office roll-top desks (Image from The Boston Directory)

Eine Anzeige aus den 1870er Jahren für Stephan Smith & Co, Boston, einem frühen Hersteller von Rollschreibtischen für den gewerblichen Einsatz (Bild aus The Boston Directory)

Bei den Entwicklungen des späten 19. Jahrhunderts ging es weitgehend um die Maximierung der Effizienz in der neuen Bürowelt, das heißt um die Einführung von Verfahren und Prozessen, die es den kleinen Büros der Vergangenheit ermöglichen sollten, sich in die großen Büros der Zukunft zu verwandeln. Diese frühen Versuche der Effizienzsteigerung wurden am Übergang des neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert unter dem Begriff Scientific Management versammelt. Das Scientific Management hatte seinen Ursprung in Fabriken und ging davon aus, dass jede Aufgabe optimiert werden könne und dass durch die Optimierung Effizienz, Produktivität und Rentabilität einer Fabrik gesteigert werden können. Scientific Managment verstand das Büro analog zur Fabrik, Büroangestellte analog zu den Fabrikarbeitern und den Bürotisch analog zur Werkbank in der Fabrik.

Diese Analogie wurde durch die zunehmende Verbreitung zentralisierter Dokumentationssysteme im frühen 20. Jahrhundert verstärkt, die, wenn man so will, das Zeitalter des Aktenschranks einleiteten. Diese Entwicklung wurde durch die immer größer werdenden Büros und die immer komplexeren Arbeitsabläufe im Büro notwendig und wirkte sich in hohem Maße auf die Funktionalität und die Konzeption des kommerziellen Bürotisches aus. Damit wurde die Fülle an Schubladen und Fächern der Rollschreibtische nicht nur unnötig, sie stellte fortan auch eine echte Gefahr für den effizienten Bürobetrieb dar.

Diese Analogie wirkte sich darüber hinaus grundlegend auf den Status des Büroangestellten aus: Während der Büroangestellte des frühen 19. Jahrhunderts, wie der Handwerker der vorindustriellen Werkstätten, mit einer Vielzahl von Aufgaben betraut war, die oft den gesamten Arbeitsprozess umfassten, war der Büroangestellte des frühen 20.Jahrhunderts für die Erfüllung einer einzigen Aufgabe zuständig, und dies oft ohne sich der Rolle und Bedeutung dieser Aufgabe im weiteren Kontext des Fabrikbüros bewusst zu sein.

 

An dieser Stelle macht Dale A. Bradley „einen Übergangsmoment in der klinischen Betrachtung des Büros” aus, an “dem sich die Kontrolle über die Arbeit vom Individuum auf das System verlagerte, d. h. vom Arbeiter auf den Arbeitsablauf „8. Wenn man so will, handelt es sich hier um eine Verlagerung hin zu einer Industrialisierung der Büroarbeit, in der der Büroangestellte nur noch als Rädchen in einer Maschine verstanden wird, verantwortlich für nichts anderes als den reibungslosen Transfer von Papierkram.

Ein Wandel, der sich für Bradley „in der Entwicklung einer neuen Arbeiter-Schreibtisch-Konstellation“ manifestiert: dem sogenannten “Modern Efficiency Desk”.

A standardised desk management system from (image from P.W. Lennen, with the collaboration of the editorial staff of System, How to Double the Day's Work, The System Company, Chicago, 1910)

Ein standardisiertes Schreibtischmanagementsystem (Abbildung von P.W. Lennen, unter Mitarbeit der Redaktion von System, How to Double the Day’s Work, The System Company, Chicago, 1910)

Die Einführung des so genannten „Modern Efficiency Desk“ wird im Allgemeinen auf das Jahr 1915 datiert. Diese Jahresangabe bezieht sich auf einen Schreibtisch, der für das neue Bürogebäude der “Equitable Insurance Company” in Manhattan entwickelt wurde9. Dabei handelt es sich um ein Werk, das 1918 von Lee Galloway poetisch als „wenig mehr als ein Tisch mit drei flachen Schubladen“10 beschrieben wurde. Die geringe Tiefe der Schubladen war dabei für Galloway von besonderer Bedeutung: sie bedeutete, dass „die Angestellten keine Papiere darin verstauen können, die später übersehen werden“, und dass „da es keinen Platz gibt, um aktuelle Arbeiten in den Schubladen unterzubringen, jede Tendenz, das, was heute erledigt werden kann, auf morgen zu verschieben, im Keim erstickt wird“. Adrian Forty brachte das Übel dieser Schreibtischschubladen mit seiner Feststellung auf den Punkt, dass „das Scientific Management eine allgemeine, zuweilen pathologische Abneigung gegen […] Stauraum auf dem Schreibtisch hatte“.11

Diese Abneigung, die sich bei den Vertretern des Scientific Management mit einer fast pathologischen Leidenschaft für Effizienz verband, führte dazu, dass der Schreibtisch des frühen 20. Jahrhunderts im Gegensatz zum Schreibtisch des späten 19. Jahrhunderts „nicht mehr als Ablagefläche – und nicht einmal als Zierde – diente, sondern als Werkzeug für die schnellstmögliche Bearbeitung von Geschäftsunterlagen“.12

Von diesem Werkzeug wurden in den 1910er und 1920er Jahren zahlreiche Modelle entworfen und produziert, die alle die „schnellstmögliche Bearbeitung von Geschäftspapieren“ nicht nur durch ihren Mangel an Stauraum, sondern auch durch das andere große Credo des frühen 20. Jahrhunderts, durch Standardisierung, ermöglichen sollten – insbesondre durch die Standardisierung der Konstruktion und des Gebrauchs.

Im gesamten Universum “der irdischen Gegenstände gibt es kein besseres Beispiel für eine wirklich gute Sache, die schief gelaufen ist, als die viel missbrauchte Schreibtischschublade“, verkündeten im Jahr 1910 die Autoren von “How to Double the Day’s Work”13. Das träfe auch auf die große Aktenschublade, die oft am unteren Ende des Sockelbeins zu finden ist zu, die ihrer Meinung nach „von jeher“ missbraucht und nicht gewürdigt worden sei. … die “großzügigen Ausmaße” würden “schamlos als praktische Ergänzung zum Abfalleimer oder als eine Art zweiter Schrotthaufen genutzt, der leichter zugänglich ist als der im Hinterhof“. Damit wird deutlich, dass für das Scientific Management nicht die Anzahl der Schubladen und Fächer, sondern die Angestellten das Problem waren.

So entwickelten die Befürworter der Effizienz im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert strenge, standardisierte Systeme für die Nutzung von Schubladen. Standardisierte Systeme, die strikt definierten, was in welche Schublade gehört und die von allen Angestellten strikt angewendet werden sollten, um so die unzähligen Probleme, die durch individuelle Entscheidungen verursacht wurden, im Keim zu ersticken. Aus diesen standardisierten Systeme für die Verwendung von Schubladen wurden mit der Verringerung der Anzahl und des Umfangs der Schubladen strikte, standardisierte Systemen für die Verwendung von Schreibtischplatten. Es wurde festgelegt, was wo auf einer Schreibtischplatte zu platzieren war, denn, wie John William Schulze meint, führt die Organisation von Schreibtischen „zu einem enormen Effizienzverlust, wenn sie den Mitarbeitern überlassen wird“.14

Diese Standardisierung von Schreibtischplatten, wurde wiederum durch die Verwendung standardisierter Modelle gefördert und vorangetrieben. Auch wenn Schubladen zweifellos als gefährlich galten, waren sie im Büro des frühen 20. Jahrhunderts notwendig, denn unterschiedliche Aufgaben erforderten unterschiedliche Schubladen. Viele Hersteller dieser Zeit produzierten deshalb Schreibtischserien mit unterschiedlichen Schubladenkombinationen und -konfigurationen, die jedoch alle die gleiche Größe, das gleiche Material und die gleiche Konstruktion aufwiesen15. Dieses Vorgehen erleichterte nicht nur die strenge Durchsetzung der standardisierten Verwendung von Schreibtischplatten. Schulze meint, dass standardisierte Schreibtische desselben Grundmodells darüberhinaus „eine gute allgemeine psychologische Wirkung. [haben] Das Erscheinungsbild einer einheitlichen Schreibtischausstattung im gesamten Büro suggeriert das Vorhandensein geordneter Abläufe. Dem Mitarbeiter wird signalisiert, dass von ihm die gleiche Sorgfalt und Ordnungsliebe verlangt wird. Unterschiedliche Arten und Formen und eine unregelmäßige Anordnung der Schreibtische suggerieren dagegen, dass es kein allgemeines, mit wohlbegründeten Grundsätzen in Einklang stehendes Aufsichtssystem gibt“.16

Eine „unregelmäßige Anordnung“ von „verschiedenen Arten und Formen“ von Schreibtischen konnte sich nur negativ auf die Effizienz der Büromaschine auswirken. So war das Büro des frühen 20. Jahrhunderts im Idealfall eine Umgebung, die von entrechteten, wenn auch oft ehrgeizigen Angestellten bevölkert war, die an Reihen von „glänzenden, flachen Schreibtischen“ saßen.

A 1916 Yawman & Erbe Mfg. Co. advert for Efficiency Desks in with a variety of drawer combinations for differing jobs (Image fom System. the Magazine for Business, June 1916)

Anzeige der Yawman & Erbe Mfg. Co. von 1916 für Efficiency Desks mit einer Vielzahl von Schubladenkombinationen für unterschiedliche Aufgaben (Bild aus System. the Magazine for Business, Juni 1916)

Wir können nicht zu 100 % sicher sein, wie die „glänzenden, flachen Schreibtische“ genau aussahen, die von Pembertons ehrgeizigen jungen Angestellten benutzt wurden, aber die vielfältigen Verweise auf Schreibtische, sowohl flache als auch Rolltische, auf Büroausstattung und Büroeffizienz in Lewis Buch “The Job”, deuten darauf hin, dass er das optimierte Büro des Scientific Management sehr wohl im Sinn hatte. Er wird damit von dem fast schubladenlosen Modern Efficiency Desk gewusst haben, und das im Jahr 1917, als dieser noch sehr neu war.

Or new old, for the Modern Efficiency Desk is in many regards just a table, an early form of flat writing surface that had to be re-invented in the early 20th century for the contemporary office.

Or perhaps more accurately, the commercial office had to develop to a position where the Modern Efficiency Desk, the table, became a meaningful, practical, desirable solution.

Die Entwicklung des kommerziellen Büros im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert steht nicht nur im Zusammenhang mit den sich ständig weiterentwickelnden Arbeitsabläufen, Büropraktiken, Büroausstattungen usw., die den Schreibtisch von einem aktiven, multifunktionalen Arbeitsplatz zu einer passiven, stummen Arbeitsfläche reduzierten, sie hängt auch mit einem anderen großen Stichwort des frühen 20. Jahrhunderts zusammen: mit der Hygiene. Flache Schreibtische verbessern im Vergleich zu ihren Rolltop-Vorgängern mit den hohen Rückseiten nicht nur die Licht- und Luftverteilung im Büro, und tragen damit zu einer gesünderen Büroumgebung bei, sie ermöglichen auch eine bessere Reinigung des Büros, sowohl auf den standardisierten Schreibtischplatten als auch unter ihren standardisierten Gestellen. Die Reduktion der Funktion ermöglichte eine Reduktion der Form, die aus den schweren, mit Schubladen beladenen Sockeln von einst vier dünne Beine werden ließ. Schulze bezeichnet die Modern Efficiency Desks insofern bezeichnenderweise als „sanitäre“ Schreibtische im Gegensatz zu den älteren, unhygienischen Typen.17

Auch wenn einem die Modern Efficiency Desks als Rückgriff auf Tische vergangener Jahrhunderte erscheinen mögen, sie sind und waren Objekte ihrer Zeit: Objekte, die nur zu dieser Zeit entstehen konnten, die sich in Verbindung mit den Praktiken und Umständen der damaligen Zeit18 entwickelt haben, und das damalige Verständnis des Büros, der Büroarbeit, der Büroangestellten widerspiegeln.19 Es handelt sich also um Objekte, die uns eine Menge über die Beziehung zu unseren Gebrauchsgegenständen und zur Realität in der wir leben, lehren können.

Vor allem aber stellt der Modern Efficiency Desk einen echten Meilenstein in der Geschichte des Büromöbeldesigns dar. Ein Meilenstein deshalb, weil das dem Modern Efficiency Desk zugrunde liegende Konzept von Form und Funktion eines kommerziellen Bürotisches bis in unsere heutige Zeit fortgeführt wird.

1. Sinclair Lewis , The Job, Jonathan Cape, London, 1926

2. Philip Carlino, Docile by design: commercial furniture and the education of American bodies 1840-1920, PhD Thesis, Boston University Graduate School of Arts and Sciences, 2020

3. Wir sprechen vom Rollschreibtisch in der Vergangenheitsform, aber es gibt sie natürlich auch heute noch. Die Vergangenheitsform wird lediglich aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet.

4. Adrian Forty, Objects of Desire. Design and society since 1750, Thames and Hudson, London, 1995

5. Christine Schnaithmann, Das Schreibtischproblem. Amerikanishe Büroorganisation um 1920 in Lars Bluma and Karsten Uhl [Eds.] Kontrollierte Arbeit – disziplinierte Körper? Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Industriearbeit im 19. und 20. Jahrhundert, transcript Verlag, Bielefeld, 2012

6. Es ist wichtig zu beachten, dass im späten 19. Jahrhundert flachere, formal reduzierte Schreibtische häufig von weiblichen Schreibkräften verwendet wurden. Das späte 19. Jahrhundert steht auf breiter Front für den Beginn der Anstellung von Frauen im Büro.

7. see, Philip Carlino, Docile by design: commercial furniture and the education of American bodies 1840-1920, PhD Thesis, Boston University Graduate School of Arts and Sciences, 2020

8. Dale A. Bradley, From Wooton to Workstation: Mechanisms of the Visible in Office Spaces, Journal for Cultural Research, Vol. 11, Nr. 4 , October 2007

9. Man liest oft, dass die Schreibtische der Equitable Insurance Company von Steelcase geliefert wurden. Wir können keine Quelle ausfindig machen, die diese Behauptung bestätigt. Abgesehen von der Tatsache, dass Steelcase 1915 noch Metal Office Furniture Company hieß, wiederholt Steelcase selbst diese Behauptung nicht: Das Online-Archiv von Steelcase zeigt einen Schreibtisch aus dem Jahr 1915, der zwar ein reduzierter Modern Efficiency Desk ist, aber nicht das Modell, das laut Galloway von der Equitable Insurance Company verwendet wurde. Dazu muss man nicht nur wie in unserer Fußnote 6 anmerken, dass weibliche Schreibkräfte oft an Schreibtischen mit flacher Oberseite saßen, sondern auch, dass beispielsweise Frank Lloyd Wright ein Jahrzehnt vor den Schreibtischen der Equitable Insurance Company Modern Efficiency-ähnliche Schreibtische für sein Larkin-Verwaltungsgebäude entwickelte, was alles darauf hindeutet, dass die Entwicklung des Modern Efficiency Desk eher als ein Prozess denn als ein bestimmter Zeitpunkt betrachtet werden muss. Außerdem ist anzumerken, dass die Einführung des Modern Efficiency Desk eng mit der Einführung des Scientific Managements in den Büros zusammenhing, so dass der Modern Efficiency Desk wohl erst mit der Einführung des Scientific Managements sichtbar und erkennbar wurde.

10. Lee Galloway, Office Management. Its Principles and Practice, The Ronald Press Company, 5th edition, 1922

11. Adrian Forty, Objects of Desire. Design and society since 1750, Thames and Hudson, London, 1995

12. Lee Galloway, Office Management. Its Principles and Practice, The Ronald Press Company, 5th edition, 1922

13. P.W. Lennen, with the collaboration of the editorial staff of System, How to Double the Day’s Work, The System Company, Chicago, 1910. The System Company were a guise of the Shaw-Walker Co. a company who started with the production of index card filing systems and went on to be important early protagonists in the development of „efficient“ office furniture. As part of their strategy they produced the magazine System. The Magazine of Business

14. John William Schulze, The American Office. Its organization, management and records. The Ronald Press Company,, New York, 2nd edition 1914

15. see, Philip Carlino, Docile by design: commercial furniture and the education of American bodies 1840-1920, PhD Thesis, Boston University Graduate School of Arts and Sciences, 2020

16. John William Schulze, The American Office. Its organization, management and records. The Ronald Press Company,, New York, 1914

17. ibid

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