Vitra Design Museum Gallery: Ronan & Erwan Bouroullec „Album“

Wir sind mitten in der Nacht aufgestanden und durch den dieser Tage so harten europäischen Winter gestapft, nur um pünktlich bei der Eröffnung von Album in Weil am Rhein zu sein. Vielleicht könnt ihr euch vorstellen, dass wir uns gefreut haben, als wir gehört haben, dass auch Erwan Bouroullec bis auf die Knochen durchgefroren war, als er bei diesen frostigen Temperaturen auf den 6:15-Zug nach Basel gewartet hat. Nicht etwa, weil wir grausam, herzlos oder schadenfroh wären – zumindest nicht in diesem Fall -, sondern weil uns das zeigt, wie „normal“ die Designwelt und die Designer eigentlich sind. Das hat so etwas beruhigendes. Und die Aktion gewährt uns einen kleinen, aber persönlichen Einblick in den – wenn auch zuweilen banalen – Alltag eines Designers.

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Ronan & Erwan Bouroullec im Gespräch mit dem Direktor des Vitra Design Museums Mateo Kries

Mit mehr als 300 Entwürfen, Modellen, Fotos und Produkten, die beim Designprozess entstanden sind, ist Album weder eine Retrospektive der Arbeit der Bouroullec-Brüder noch ihre Verortung in der Designgeschichte Europas. Es wird viel mehr gezeigt, wo Design herkommt und welche Prozesse hinter einem Produktdesign stecken – und das nicht nur aus der kühlen, nüchtern-geschäftlichen „Gare de Lyon, 6 Uhr“ Perspektive, aus der die Arbeit der Bouroullecs für gewöhnlich bewertet wird, sondern aus einer emotionalen, ungewissen und allzu menschlichen „viel zu früh aufgestanden, Familie verlassen, wieso haben wir keinen Pelzmantel??!!“ Perspektive, die wir bisher noch nicht kannten. Eben ein kleiner persönlicher Einblick in den zuweilen banalen Alltag eines Designers.

Album zeigt neben Bildern und Verweisen auf viele ihrer berühmten Arbeiten auch naive, abstrakte Formen, Projekte, die nie über das Skizzenbuch hinaus gekommen sind, und kindliche Zeichnungen, die den Eindruck erzeugen, eine Stuhl wäre nicht mehr als vier Beine, mit Sitz und Lehne darauf. Außerdem sind da noch einige putzige, aber nachdenklich wirkende Fantasiegestalten, die darauf hindeuten, dass die Brüder, wenn sie mal keine Designverträge mehr bekommen sollten, eine strahlende Zukunft als Kinderbuchillustratoren erwartet.

Wenn die Ausstellung auch unmissverständlich das Werk von Ronan & Erwan Bouroullec zum Thema hat, ist Album genauso ein Beleg für die im Wesentlichen analoge Natur des Designprozesses. Computer und digitale Technik können zwar hilfreich sein, Dinge beschleunigen und die industrielle Seite des Designs fördern, doch wenn man das, was man möchte, nicht visualisieren und mit einigen wenigen Strichen ausdrücken kann, stehen die Chancen, je ein Projekt durchzuführen, ziemlich schlecht.

In den vergangenen Wochen haben wir uns ziemlich viel mit „Möbelarchitekten“ beschäftigt. Man könnte behaupten, dass Architekten besonders für das Möbeldesign geschaffen sind, da sie sich besonders gut mit Statik und Maßen auskennen und Dinge zum Funktionieren bringen können. Der Background der Bourroullec-Brüder ist dagegen klassische Kunst. Durch Album erkennt man, dass sie ihre mangelnde technische Ausbildung durch die emotionale Verbindung zu ihrer Arbeit und ihr Verständnis für visuelle Kompositionen mehr als wettmachen können.

Das bringt uns wiederum zurück zu Patricia Urquiola, die ebenfalls der Ansicht ist, dass Architekten nicht zwangsweise die besten Möbel herstellen…

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Vitra Design Museum Gallery: Ronan & Erwan Bouroullec "Album"

Da wir die Arbeit der Bourroullecs erst kürzlich in 700 und 1000 m² großen Räumen gesehen haben, wirken die paar Quadratmeter, die sie in der Vitra Design Museum Gallery zur Verfügung haben, in etwa so, als würde U2 in eurer Küche spielen. Doch was an Platz fehlt, wird durch Intensität mehr als wettgemacht. Man kann den Arbeiten einfach nicht entfliehen. Man entkommt weder den Verbindungen noch der Zufälligkeit der Anordnung. Man wird förmlich hineingezogen…

Für Album selbst lohnt sich ein Trip nach Weil am Rhein nicht wirklich, doch sind auch weder die Ausstellung noch die Vitra Design Museum Gallery an sich als große Publikumsmagnete geplant gewesen – vielmehr sollen sie als Erweiterung und Vertiefung des bestehenden Vitra Campus dienen. Als zusätzliche Attraktion beim Besuch des VitraHauses und/oder Design Museums lohnt sich ein Abstecher zu Album aber auf jeden Fall.

Ronan & Erwan Bouroullec Album kann noch bis zum 6. Juni in der Vitra Design Museum Gallery besucht werden.

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Vitra Design Museum Gallery: Ronan & Erwan Bouroullec "Album"

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Vitra Design Museum Gallery: Ronan & Erwan Bouroullec "Album"

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Vitra Design Museum Gallery: Ronan & Erwan Bouroullec "Album"

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