Depot Basel Nr. 5: Sitzgelegenheiten

So wie niemand eine Reunion der Stone Roses für möglich gehalten hat, glauben wahrscheinlich auch die wenigsten daran, dass wir es je auf eine Show von Depot Basel schaffen. Bis jetzt haben die Shows auch immer unvermeidlich zu Zeiten stattgefunden, wo wir schon anderweitig beschäftigt waren. Und auch dieses Jahr war es zur Eröffnung von Depot Basel Nr. 5 am 23. März nicht anders. Doch wir sind zuversichtlich, dass wir es noch schaffen werden, denn die Show läuft noch bis zum 5. Mai, also länger als gewöhnlich, aber es wird ja auch mehr gezeigt als sonst.

Die Hauptausstellung befasst sich mit Sitzgelegenheiten, insbesondere mit Enzo Maris D.I.Y. Stuhl, der durch sein 1974 erschienenes Buch Autoprogettazione bekannt geworden ist. Für Depot Basel Nr. 5 haben die Schweizer Designer Christian Horisberger und Sibylle Stoeckli nun zeitgenössische Interpretationen des Autoprogettazione-Klassikers kreiert. Dabei wurden aber trotzdem die Vorgaben Enzo Maris von 1974 befolgt. Die Besucher können die Ergebnisse ihrer Experimente nicht nur anschauen, sondern auch Kopien der Pläne der Designer mitnehmen und die Arbeiten zuhause selbst nachbauen.

Letzten Sommer haben wir Enzo Mari in Berlin getroffen und die Gelegenheit gleich dazu genutzt, ihn zu fragen, ob er in Anbetracht von Projekten wie Autoprogettazione ein Befürworter des Open Designs ist. Lustigerweise ist er das nicht. Vielleicht kann ihn das Depot Basel Projekt ja noch überzeugen. Wir hoffen jedenfalls, dass er mal vorbei kommt.

Enzo Mari Autoprogettazione Chair

Enzo Maris Autoprogettazione Stuhl von 1974

Abgesehen von Sitzgelegenheiten zeigt Depot Basel Nr. 5 auch die Ergebnisse der letzten drei Jahre des Take a Seat-Projekts vom Züricher Designstudio Aekae. Mit der Umgestaltung des Cafés Z am Park beauftragt, initiierte Aekae auch eine Art Design-Wettbewerb-Verkaufs-Galerie-Ding: Ungefähr alle sechs Monate werden fünf Designern vier Kopien beispielsweise des originalen Schweizer Bistrostuhls 1-380 von Horgenglarus, zugeschickt, damit sie ihn auf ihre ganz eigene Weise neu interpretieren und umgestalten können. Die überarbeiteten Stühle werden dann drei Monate lang im Café verwendet bevor sie versteigert werden.

Eine wunderbare Idee, die nicht nur ein völlig neues Subgenre der Galerie schafft, sondern auch eine interessante und innovative Art darstellt, zwischen dem Café und seinen Gästen einen Diskurs herzustellen.

take a seta studio zmik Sandra Kennel

Studio ZMIKs Beitrag zu Take a Seat. Eine "ausgewachsene" Barversion des Horgenglarus 1-380 (Foto: Sandra Kennel)

Für uns ist das Faszinierende an Depot Basel Nr. 5, dass es dem Besucher die Möglichkeit gibt, den Stuhl zu hinterfragen. Bei der Eröffnung von „Stühle ohne Beine“ Bauhaus Archive Berlin sprach Annemarie Jaeggi leidenschaftlich über die soziale und kulturelle Bedeutung des Stuhls und darüber, dass kein Konsumartikel unsere heutige Gesellschaft besser reflektiert als der Stuhl. Ist das noch immer der Fall? Oder war das nur früher so?

Stühle bieten für Designer auf jeden Fall die perfekte Plattform zum Experimentieren, da – zumindest in unserer westlichen Welt – ja jeder Stühle benutzt. Stühle sind als solche also ein kulturelles Medium, das wir alle verstehen können, und die wahrscheinlich der einzige Konsumartikel sind, der in jedem von uns irgendeine Reaktion hervorruft. Nicht jeder von uns versteht das neueste Smartphone, das neueste Auto oder die neueste Digitalkamera, aber wir alle verstehen den Stuhl. Doch kaufen wir Stühle deshalb, weil das Material oder die Formensprache bestimmte Aspekte unseres Lebens anspricht? Oder konsumieren wir nur wegen der Werbung?

Jedes Jahr fragt irgendjemand in einem prä-Mailand-Bericht, ob man wirklich so viele neue Stühle braucht. Vielleicht ist es ja an der Zeit, mehr Verbraucher zu fragen, was sie eigentlich von ihren Stühlen erwarten. Was natürlich genau das ist, was Enzo Mari schon in den frühen 1970er Jahren vorhatte: Er benutzte den Stuhl als Symbol für seine persönliche Unzufriedenheit mit dem Zustand der Möbelbranche und forderte uns alle über den Stuhl dazu heraus, mehr Initiative zu ergreifen und Verantwortung für unser Konsumverhalten zu übernehmen. Allerdings hat er diesen guten Ansatz irgendwie zerstört als er die Lizenz an Artek verkauft hat. Aber auch ein Enzo Mari muss ja essen und Rechnungen bezahlen…

Wie gesagt haben wir es leider noch nicht zu Depot Basel Nr. 5 geschafft, aber wir werden uns das auf jeden Fall noch ansehen und jede Menge Bilder und Eindrücke mitbringen. Doch auch wenn wir es selbst noch nicht gesehen haben, glauben wir, dass sich ein Abstecher zu Depot Basel Nr. 5 für diejenigen, die in den nächsten paar Wochen in Basel sind, auf jeden Fall lohnt.

Depot Basel Nr. 5 läuf noch bis zum 6. Mai 2012 in der Schwarzwaldallee 305 in Basel.

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