Verlorene Klassiker des Möbeldesigns: Büromöbel von Arne Jacobsen für die American Scandinavian Society

Zur gleichen Zeit als er Die Ameise entwickelte, entwarf Arne Jacobsen eine einmalige Reihe von Büromöbeln, die wohl den ersten konkreten Hinweis auf seine Abkehr von den natürlichen Materialien und dem traditionellem Handwerk seiner Vorkriegsmöbel hin zu den industriellen Produkten aus verschiedensten Materialien seiner späteren Entwürfe darstellen. Sie können deshalb in der Tat als große, verlorene Klassiker des Möbeldesigns bezeichnet werden. Und das nicht nur, weil sie wirklich verloren sind!

1951/52 – die Aufzeichnungen sind hier ein wenig unklar – wurde Arne Jacobsen vom Kopenhagener Schiffsbauunternehmen Burmeister & Wain damit beauftragt, ein Geschenk für die American Scandinavian Society zu entwerfen, woraufhin er einen Schreibtisch, einen Couchtisch und eine Stuhlgruppe designte.

Das Highlight der kleinen Kollektion ist ohne Frage der Schreibtisch. Neben seiner aufs Wesentliche reduzierten Schlichtheit hat er zwei Merkmale, durch die er sich für uns von den Massen an Schreibtischen abhebt, die bis dahin und seither auf dem Markt waren. Zunächst wäre da der Schreibmaschinenhalter. Die Vorrichtung kann um 90 Grad geschwenkt werden, sodass sie sich entweder in einer Linie mit der Tischplatte befindet und aus dem Weg ist oder man zieht sie zu sich heran, um daran zu arbeiten. Das ist absolut toll! Und obwohl der Halter eigentlich für eine Schreibmaschine entworfen wurde, kann er auch perfekt für Laptops oder Tablet-PCs benutzt werden, wodurch der Schreibtisch auch heute noch so funktional ist wie damals. Dann sind da noch die Schubfächer. Nicht nur aufgrund der Tatsache, dass sie da sind, sondern auch wegen der genialen Entscheidung sie mit verchromten Rohren am Rahmen zu befestigen, was der ganzen Struktur eine Leichtigkeit verleiht, die durch eine konventionellere Lösung nie erreicht werden könnte. Das ganze Stück ist eine wahre Augenweide!

Lost Furniture Design Classics Office Furniture by Arne Jacobsen for the American Scandinavian Society desk

Der von Arne Jacobsen für die American Scandinavian Society entworfene Schreibtisch (Foto: unbekannte Quelle)

Ein weiterer faszinierender Aspekt bei diesem Projekt ist die Rolle des jungen Verner Pantons. 1950-1952 arbeitete er in Jacobsens Studio. Zu seinen Aufgaben gehörte auch die Entwicklung früher Prototypen für Die Ameise. In ihrer monumentalen Jacobsen-Biografie schreiben Carsten Thau und Kjeld Vindum: „Panton, der über PH’s [Poul Henningsen] Bekanntschaft mit dem Chef ins Architekturbüro aufgenommen worden war, fing damit an, eine Reihe von Entwürfen aus Stahldraht zu wickeln, die bald in munterer Parade auf einer Kiste neben seinem Tisch standen“.1

Könnte einer dieser Protoypen vielleicht zum Stuhl für die American Scandinavian Society mutiert sein? Wir wissen mit Bestimmtheit, dass Jacobsen wollte, dass Die Ameise ein dreibeiniger Stuhl wird, folglich muss Panton die Anweisung erhalten haben, Prototypen mit drei Beinen zu entwickeln. Die unübersehbaren, unbestreitbaren Parallelen zu Verner Pantons Bachelor Chair von 1955 könnten darauf schließen lassen, dass Panton, auch wenn er nicht selbst hinter dem Stuhl für die American Scandinavian Society steckt, zumindest einen großen Einfluss darauf hatte – oder eben selbst stark von ihm beeinflusst wurde. Das ist die große Unbekannte. Wir jedenfalls glauben, ohne das beweisen zu können, dass Verner Panton zu einem großen Teil für den Stuhl verantwortlich ist.

Im Gegensatz dazu kann man den Schreibtisch und den Couchtisch eindeutig Arne Jacobsen in den frühen 1950er Jahren zuordnen. Die Gruppe entstand nach und nach durch die Kopenhagener Möbeltischlerei Rud. Rasmussen und war Teil einer ganzen Reihe von Geschenken von vielen Unternehmen für die American Scandinavian Society, um ihren Umzug in die neuen Büroräume in New York zu feiern.

Die Aufzeichnungen der American Scandinavian Society zeigen, dass Burmeister & Wain dem Amt für Veröffentlichungen die Möbel spendeten, ohne Näheres über die Stücke zu notieren. Oder, was noch viel wichtiger ist, was aus ihnen wurde.

Im Laufe der nachfolgenden 60 Jahre sind der Schreibtisch, der Stuhl und der Couchtisch spurlos verschwunden…

1. „Arne Jacobsen“ von Carsten Thau und Kjeld Vindum. Danish Architectural Press, Kopenhagen 2002

Lost Furniture Design Classics Office Furniture by Arne Jacobsen for American Scandinavian Society

Verlorene Klassiker des Möbeldesigns: Büromöbel von Arne Jacobsen für die American Scandinavian Society (Foto von "Arne Jacobsen" von Carsten Thau und Kjeld Vindum)

Lost Furniture Design Classics Office Furniture by Arne Jacobsen for American Scandinavian Society Chair

Und der Stuhl. Für uns mehr Verner Panton als Arne Jacobsen... (Foto von "Arne Jacobsen" von Carsten Thau und Kjeld Vindum)

 

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