Zur Feier des 50. Geburtstages des modularen Möbelbausystems von Fritz Haller und Paul Schärer initiierte USM eine Reihe von Meisterklassen, in denen Studenten an sieben internationalen Designschulen gemeinsam mit einem Mentor der Aufgabe „Rethink the Modular“ (Modularität neu denken) nachgehen sollten. Vor allem waren sie angehalten, „über die Bedeutung von Modularität in Architektur und Design nachzudenken“ und so „die Idee der Modularität im zeitgenössischen Design zu untersuchen“. Die Resultate dieser akademischen Aufgabe wurden in einer Ausstellung während der Mailänder Möbelmesse 2015 präsentiert.
„Rethink the Modular“ untersucht Modularität in den Bereichen Rhythmus, Überlagerung, Struktur und Beziehung. Die ersten drei Abschnitte umfassen neben den Resultaten der sieben Meisterklassen, individuelle Arbeiten von Architekten, Künstlern und Designern, die sich auf die ein oder andere Art auf das jeweilige Thema beziehen.
Inmitten der faszinierenden Mischung aus Projekten und Ansätzen waren zumindest für uns die Resultate der Meisterklasse mit Studenten der Pariser École nationale supérieure de création industrielle (ENSCI) unter Leitung des in Brüssel ansässigen Designers Thomas Lommée ein besonderer Höhepunkt. Das Projekt konzentrierte sich auf die Grundideen des OpenStructures Projektes. Dabei handelt es sich um eine belgische Bewegung, die unter anderem von Thomas Lommée ins Leben gerufen wurde und bei der es um ein System geht, bei dem Hardware- und strukturelle Komponenten getauscht werden können (ganz ähnlich der vielen Softwaresysteme, die es zurzeit gibt). Die Studenten der Meisterklasse sollten ein Objekt designen, das mindestens eine Komponente eines Kollegen integriert. So hat das Projekt nicht nur den Begriff „modular“ überdacht, sondern ihn auch für eine postindustrielle Gesellschaft neu definiert.
Als Projekt beeindruckte OpenStructures (OS) Relatives nicht nur mit einer schönen Reihe von Objekten, sondern umso mehr weil es den Begriff „modulares System“ vom Zwang befreit, dass es sich dabei immer um sich wiederholende oder untereinander austauschbare Einheiten handeln müsse.
An anderer Stelle waren wir sehr beeindruckt von TreeD, einem sehr schönen temporären internen Architektursystem, das auf natürlichen Formen basiert und in der Meisterklasse des Architekten Lorenzo Bini an der Politecnico di Milano entwickelt wurde. Hinzu kommt das Book/Store Projekt, das in Alan Wexlers Meisterklasse in Parsons The New School for Design, New York City entwickelt wurde. Das Projekt gibt der Idee von Sprache und Schrift als modulares System eine physische Form und liefert einige schöne Ideen für aktuelles Innendesign. Das Workout Keyboard von Ines Kaag und Desiree Heiss a.k.a Bless präsentierte eine Reihe von Boxsäcken, mit denen man schreiben kann – jeder Boxsack steht dabei für einen Buchstaben oder eine Aktion. Und auch wenn wir zugegebenermaßen immer noch nicht ganz verstanden haben, wie sich das Projekt in das Ausstellungskonzept fügen soll – als Installation war Workout Keyboard sehr unterhaltsam und besaß diesen einnehmenden Charme, den auch jeder erfolgreiche Showmaster haben muss.
So unterhaltsam und informativ die Studentenprojekte und die dazugehörigen Arbeiten ohne Frage für uns waren, der eigentliche Höhepunkt von „Rethink the Modular“ war der vierte Bereich „Beziehung“, der den Begriff „modular“ in einen größeren kulturellen und sozialen Kontext rücken sollte. Neben der Präsentation einiger wirklich beeindruckender Arbeiten von Leuten wie Volker Albus, Ettore Sottsass oder Hans Hollein umfasste dieser Bereich auch eine detailliertere Untersuchung von Fritz Hallers Oeuvre. Eine Präsentation, die man wohl kaum außerhalb einer speziell Haller gewidmeten Ausstellung finden wird und die wunderbar deutlich macht, dass zu Fritz Haller sehr viel mehr als nur sein modulares Möbelsystem gehört. Das unterstreicht so wiederum auch warum „Rethink the Modular“ ebenso ein Hommage an Fritz Haller, wie auch eine Ehrung des USM Haller Möbelbausystems ist: modular bezeichnet eher eine Art zu denken und weniger ein physisches Produkt oder System. Und weil Fritz Haller modular über seine Arbeit nachdachte, konnte er ein so einnehmendes, dauerhaftes und praktisches, modulares Produkt entwickeln. Das heißt auch, dass es bei der Entwicklung des USM Haller Systems eher um die theoretische Überlegung ging, wie man den verfügbaren Platz in einer sich ständig wandelnden Umgebung am besten organisieren und nutzen kann, und weniger um den Versuch kommerzielle Büromöbel zu entwerfen. So beginnt man den kulturellen Kontext und die Bedeutung des USM Haller Systems 50 Jahre nach seiner Entstehung langsam besser zu verstehen und überwindet so gewissermaßen auch seine physische Form.
Die Ausstellung in Mailand markiert nur den Anfang einer neun Monate andauernden Reihe von „Rethink the Modular“ – Veranstaltungen und Ausstellungen, die in USM Flagship Stores und auf ausgesuchten Designfestivals weltweit stattfinden und die gegen Ende des Jahres mit der Publikation eines Buches abgeschlossen werden soll, das die Projekte dokumentieren wird.
Alle Details sind unter http://project50.usm.com zu finden.
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