Endstation Ubierring 40 im Kölnischen Stadtmuseum, Köln

Wann ist eine Endhaltestelle keine Endstation?

Wenn es sich um die Ausstellung Endstation Ubierring 40 im Kölnischen Stadtmuseum handelt.

Endstation Ubierring 40 at the Kölnisches Stadtmuseum, Cologne

Endstation Ubierring 40 im Kölnischen Stadtmuseum, Kölm

Am 31. März 1993 wurde der Kunstbereich der Kölner Fachhochschule – der Universität für angewandte Kunst und Wissenschaften – geschlossen. Das war der Schlusspunkt eines Prozesses, der im Grunde 1971 mit der Verschmelzung der Kölner Werkschulen (Hochschule für Bildende Kunst und Formgebung) mit der Fachhochschule begann. In ihrer bis ins Jahr 1879 zurückgehenden Geschichte entwickelten sich die Kölner Werkschulen schnell von einer Institution für angewandte Kunst zu einer Hochschule für angewandte und rein bildende Kunst, die auch auf Bereiche wie Architektur und Design überging. Ursprünglich in einem ehemaligen Schulgebäude in der Nähe der St. Kolumba Kirche untergebracht, zogen die Kölner Werkschulen 1924 in speziell gebaute Räume am Ubierring 40, und konnten über die Jahre Persönlichkeiten wie Martin Elsaesser, Richard Riemerschmid und Stefan Wewerka zu ihrem Lehrpersonal zählen. Im Jahr 1986 beschloss die Landesregierung Nordrhein-Westfalen eine neue Kunsthochschule in Münster zu gründen. Sehr zum Ärger der Behörden und des Personals, sowie der Studenten der Werkschulen in Köln, die nie die Hoffnung aufgegeben hatten, der Kunstbereich würde aus den Fachhochschulen herausgelöst, und eine Kunsthochschule in Köln gegründet. Als Ausgleich gab die Landesregierung ihr Vorhaben bekannt, die Designausbildung in Köln zu stärken und zu fördern, wozu auch die Wiedereinführung des Produktdesignbereichs an der Fachhochschule zählte. Im Jahr 1987 – als unausweichliche Konsequenz der Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts – wurde die Entscheidung gefällt, den Kunstbereich in Köln zu schließen. Neue Studenten wurden nicht zugelassen und so fand die Kunstausbildung nach 114 Jahren ein Ende.

Da Künstler involviert waren, verlief die Schließung natürlich nicht gerade ruhig, aber dennoch unwiderruflich.

Auch wenn Endstation Ubierring 40 angeblich der Feier der Kölner Werkschulen gewidmet ist, ist die Ausstellung doch auch der Beginn einer akademischen Untersuchung zur Institution, ihren Traditionen, ihrer Auswirkung und Resonanz, und soll letztlich eine Antwort auf die Frage liefern, was mit der Schließung der Kölner Werkschulen verloren ging.

Eine Endstation also, an der die Reise genauso beginnt, wie sie auch endet.

Endstation Ubierring 40 at the Kölnisches Stadtmuseum, Cologne

Endstation Ubierring 40 im Kölnischen Stadtmuseum, Köln

Zentraler Bestandteil der Ausstellung Endstation Ubierring 40 ist die 46,5 Meter lange Wand der Endstation Ubierring 40 von Hans Rolf Maria Koller. Die Wandmalereien zeigen Studenten und Professoren der Kölner Werkschulen anno 1991/1992 und fungiert so gewissermaßen als Testament der Kölner Werkschulen. Ein zentraler Bestandteil, der allerdings auch zur größten Schwäche der Ausstellung wird.

Auch wenn, wie wir annehmen, dass die Arbeit ursprünglich nicht für ein spezialisiertes Kölner Publikum gedacht war, benötigt man bei der Betrachtung der Ubierring 40 Endstation doch eine exzellente Kenntnis der Kölner Kunstszene des späten 20. Jahrhunderts. Eine begleitende Broschüre erklärt zwar, wer auf dem Wandgemälde zu sehen ist, allerdings gibt es keine biografischen Informationen. Wem also die Namen nichts sagen, für den könnte es sich genauso um die Darstellung der peruanischen Fußballweltmeisterschaft von 1978 handeln.

Natürlich ist die Qualität der Arbeit zu schätzen. Der offensichtliche Witz und die Komik sind nachvollziehbar, und die Leidenschaft, die das Wandgemälde ausstrahlt – die Leidenschaft mit der es angefertigt wurde, sagt auch viel über das Verhältnis des Künstlers zu den Kölner Werkschulen aus. Es soll aber bei der Ausstellung eigentlich nicht um Hans Rolf Maria Kollers künstlerisches Talent gehen, sondern um die Kunsthochschule und die Frage, was verloren ging, als sie geschlossen wurde.

Alle mit guter Kenntnis der Kölner Kunstszene und diejenigen, die zu den Kölner Werkschulen gehörten, werden die meisten Gesichter kennen und so wissen, wer welche Rolle gespielt hat, wer wie wichtig war. Ihnen wird deshalb klar sein, was mit der Schließung verloren ging.

Für den Rest von uns, bleibt die Antwort hinter den unbekannten Gesichtern verborgen. Der Mangel an Informationen macht die Ausstellung unzugänglich und so auch sehr nicht sonderlich empfehlenswert.

Endstation Ubierring 40 at the Kölnisches Stadtmuseum, Cologne

Ein Gang durch die Geschichte der Kölner Werkschulen…

Neben Hans Rolf Kollers Wandgemälde umfasst Endstation Ubierring 40 auch aus den Werkschulen geborgene Objekte, eine multimediale  Präsentation der ebenso multimedialen Reaktionen auf die Schließung und einen kleinen Bereich zu Arbeiten von Absolventen der Kölner Werkschulen, die im öffentlichen Raum in und um Köln zu finden sind. Dazu gehören beispielsweise die Buntglasfenster von Johan Thorn Prikker, die Ikarusfigur an der Wand des Friedrich Wilhelm Gymnasiums von Kurt-Wolf von Borries und der Rheingarten Springbrunnen von Eduardo Paolozzi. Dieser Bereich war für uns auch der relevanteste Teil der Ausstellung, nicht zuletzt weil wir uns beim Gang durch Endstation Ubierring 40 fortwährend fragten, ob es für eine Stadt überhaupt eine Rolle spielt, wenn eine Kunsthochschule schließt.

Handelt es sich dabei wirklich um ein so ausschlaggebendes Ereignis?

Einerseits kratzt solch eine Schließung natürlich am bürgerlichen Stolz, zudem können Kunststudenten, die ja nicht nur ein ökonomischer Faktor sind, potentiell die Entwicklung anderer kreativer Bereiche beeinflussen und einen entscheidenden Beitrag leisten; sei das im Bereich Musik, Theater, Architektur oder Design. Köln hat jedoch, wie wir es vom Kölner DESIGN Preis wissen, inzwischen 7 „kreative“ Hochschulen, von denen einige aus den einzelnen Studiengängen der Kölner Werkschulen hervorgegangen sind. Interessanter ist für uns die Frage, welche Bedeutung die Stadtverwaltung der Kunst beimisst. Ist Köln eine Stadt, die Kunst fördert? Ist Köln eine Stadt, die ihre Künstler ernähren kann? Können Künstler in Köln leben und arbeiten? Erteilt Köln Aufträge im Kunstbereich? Wenn dem so ist, spielt es sicherlich keine Rolle, ob eine Stadt eine Kunsthochschule unterhält oder nicht – da ein Diskurs so ohnehin stattfindet. Wenn Kunst für die Regierung einer Stadt keine Rolle spielt, welche Bedeutung hat dann eine Kunsthochschule, abgesehen von der Bedeutung für den bürgerlichen Stolz?

Zudem ist dem Niedergang der Kölner Werkschulen und der anschließenden Neuordnung der Prioritäten auch zu verdanken, dass sich die Köln International School of Design, KISD, so entwickelt hat, wie es der Fall ist. Ist das nicht auch ein Anlass zu feiern, anstatt nur den Werkschulen nachzutrauern?

Die Endstation also eher als ein Anschlusspunkt, von dem aus die Reise in eine neue Richtung und mit einem anderen Gefährt weitergehen kann?

Als ein früherer Kölner Werkstudent, der jetzt die KISD leitet, wäre Wolfgang Laubersheimers Sicht der Dinge mit Sicherheit interessant und wichtig. Leider wussten wir nichts von der Ausstellung, als wir Wolfgang Laubersheimer interviewt haben, sonst hätten wir ihn nach seiner Meinung gefragt. Wir hoffen es wird ihn noch jemand fragen – nicht nur die Sichtweise von Wolfgang Laubersheimer wäre hier wichtig und interessant.

Endstation Ubierring endet mit dem Wunsch ein Beginn sein zu wollen für einen breiteren Dialog und für eine akademische Forschung zu den Kölner Werkschulen, deren Studenten und ihres Erbes.

Ein Dialog und Forschungen, die hoffentlich in eine fulminantere Ausstellung münden werden. In eine Ausstellung, die nicht nur Insidern erlaubt, die Kölner Werkschulen zu feiern, sondern es allen ermöglicht zu verstehen, welche Rolle die Schule in der kulturellen Entwicklung Kölns gespielt hat, inwiefern die Kölner Werkschulen auch außerhalb der Stadtgrenzen relevant waren und welche Auswirkungen ihre Schließung hatte.

Endstation Ubierring 40 ist bis Sonntag, den 24. April im Kölnischen Stadtmuseum, Zeughausstraße 1-3, 50667 Köln, zu sehen.

Alle Details und Informationen zum Begleitprogramm sind unter www.museenkoeln.de zu finden.

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