Verlorene Klassiker des Möbeldesigns: Rondella Lampe von Christian Dell

In seinem Empfehlungsschreiben für Christian Dell, anlässlich dessen Weggangs von der Kunsthochschule Frankfurt, schrieb der Direktor der Schule, Fritz Wichert: „… in steigendem Maß ausgezeichnet als Fachhochschulpädagoge, als ältester Handwerkskünstler (Silberschmied), sowie als Erfinder und Konstrukteur auf dem Gebiet der Beleuchtungsindustrie. Sein technisches Können, sein Gefühl für Struktur und Schönheit des Materials und sein Stil für edle, klare Formen machen ihn meines Erachtens zu einem der Meister auf diesem Gebiet in Deutschland.“1

All das, was Fritz Wichert konkret damit gemeint haben könnte, lässt sich an Christian Dells Rondella Leuchte von 1926 nachvollziehen. Eines der frühesten Designs, und ein Design, von dem zeitgenössische Leuchtendesigner auch nach 90 Jahren noch eine Menge lernen können, oder könnten …

Rondella Lamp by Christian Dell (right), 1930s Advert (*Owing to the nature of the object we don't have any photos we can use... Google it, you won't be disappointed. Honest)

Rondella Lampe von Christian Dell (rechts), Anzeige von 1930 (*Aufgrund der Natur des Objektes haben wir keine Bilder, die wir verwenden dürfen. Googelt sie einfach und ihr werdet nicht enttäuscht sein.)

Der 1893 in Offenbach am Main als Sohn eines Schlossers geborene Christian Dell wurde ursprünglich als Silberschmied ausgebildet, bevor er an der Königlichen Zeichenakademie Hanau und anschließend an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule in Weimar eingeschrieben war, wo er bei Henry van de Velde studierte. Nach dem Ersten Weltkrieg und seinem Kriegsdienst unterhielt Christian Dell für kurze Zeit eine eigene Silberschmiede und war dann ab 1922 am Bauhaus in Weimar immatrikuliert. Dort beschäftigte sich Dell anfänglich mit klassischen Silberschmiedeobjekten und war ab 1923 zunehmend mit Leuchtendesignprojekten beschäftigt. Vor allem half er bei der Entwicklung der zahlreichen Leuchtendesigns für das Projekt Haus am Horn 1923 in Zusammenarbeit mit Georg Muche, László Moholy-Nagy und Carl Jacob Junker. Nach Schließung des Bauhauses kehrte Christian Dell an den Main nach Frankfurt zurück, wo er am 1. Februar 1926 eine Stelle als Leiter der Metallwerkstatt der Kunsthochschule Frankfurt antrat. Eine Stelle, die grundsätzlich auf Leuchtendesign und vor allem auf die Entwicklung von Leuchten für die Serienproduktion ausgerichtet war.

Beate Alice Hofmann zufolge muss Christian Dells Fokus auf das Leuchtendesign in Frankfurt vor dem Hintergrund der Kulturpolitik des späteren Frankfurter Bürgermeisters Ludwig Landmann und den eng mit ihm verbundenen Stadtplanungsprojekten des Neuen Frankfurts gesehen werden, die von dem Architekten Ernst May geleitet wurden.2 1924 in sein Amt gewählt, strebte Ludwig Landmann, Nicholas Bullock zufolge, danach, „die großartige Tradition der Stadt der Jahre vor 1866 wiederzubeleben – einer Zeit als Frankfurt eine „freie Stadt war“. Frankfurt sollte „zu einem Beispiel für all das werden, was die moderne Stadt dem 20. Jahrhundert bieten könne; Es sollte alles für die Entwicklung einer Stadtkultur getan werden, die „Menschen aus Kunst und Wissenschaft“ bei ihrer Suche nach dem Geist eines neuen Zeitalters unterstützen würde.“3

Eine zentrale Rolle sollten bei diesen Bestrebungen Ernst May und das Neue Frankfurt spielen. Hinzukommen sollte eine Umstrukturierung der Lehre an der Frankfurter Kunsthochschule, die es ermöglichen würde, sich zunehmend auf eine Verbindung von Handwerk und Industrie zu konzentrieren. Das hört sich alles sehr nach „Bauhaus“ an und tatsächlich – nach der Entscheidung in Weimar, dem Bauhaus die Gelder zu streichen, kam es zu Verhandlungen zwischen Walther Gropius und dem Direktor der Kunsthochschule Fritz Wichert, in denen es darum ging, das Bauhaus nach Frankfurt zu bringen.4 Da man keine Einigung erreichen konnte, machte sich Wichert daran die Frankfurter Kunsthochschule umzugestalten. Dazu gehörte, dass er diverse frühere Bauhäusler für wichtige Positionen anwarb, und so etwas vom Bauhaus Ethos und der Erfahrung nach Frankfurt brachte. Adolf Meyer wurde beispielsweise als Leiter des Architekturbereichs eingesetzt und Christian Dell als Leiter der Metallwerkstatt.

Dass die Metallwerkstatt in Frankfurt grundsätzlich auf Beleuchtung ausgerichtet war, liegt wahrscheinlich im Kontext der Zeit begründet. Der immer größer werdende Zugang zu Netz-Elektrizität und die sich rapide weiterentwickelnde Glühbirnentechnologie eröffneten völlig neue Möglichkeiten für das Leuchtendesign im Wohn-, Industrie- und Bürobereich. Möglichkeiten, die wiederum nahtlos auf die Auffassungen von Architektur und Innendesign übergingen, und die so führenden Protagonisten bei der Entwicklung bezahlbarer, langlebiger und gesunder Arbeits- und Lebensräume beeinflusste. Der Däne Poul Henningsen beispielsweise hatte europaweit Erfolg mit seinen PH Lampen, während auch die Metallwerkstatt am Bauhaus Dessau sehr aktiv im Bereich Leuchtendesign war. Vor allem durch die Zusammenarbeit mit dem Leipziger Hersteller Kandem. Eine Kooperation, in deren Kontext zum Teil auch Marianne Brandt, Hin Bredendieck und Heinrich Siegfried Bormann aktiv waren. Insofern ist es also kein Wunder, dass auch eine Institution wie die Kunsthochschule im Frankfurt der späten 1920er Jahre einen Schwerpunkt auf Leuchtendesign hatte.

Christian Dells erstes Frankfurter Leuchtenprojekt war die sogenannte Bürgermeisterlampe, eine Schreibtischlampe, die er 1926 für Oberbürgermeister Landmann entwickelte. Glücklicherweise nur ein Einzelstück, handelt es sich bei der Bürgermeisterlampe doch um ein gefährliches Art-Deco-Experiment, dass aus Metall, Silber, Glas und Emaille hergestellt wurde; das wiederum aber den Ton für die Rondella Leuchte vorgab, die im selben Jahr entstehen sollte.

In ihrer der Epoche angemessenen, reduzierten, linearen Gestalt war die Rondella Leuchte im Steh- und Tischleuchtenformat erhältlich. Die Tischleuchte gab es zudem in einer „einfachen“ bzw. „besseren“ Ausführung: der ursprünglich aus Aluminium hergestellte Reflektor und die Stahlbasis wurden in dieser „besseren“ Ausführung beide aus Kupfer hergestellt.5

Das entscheidende Teil der Rondella Lampe ist die Klemmmuffe, die es erlaubt den Reflektor problemlos zu verstellen und danach in seiner Position zu fixieren, oder wie es das Gewerbemagazin „Licht und Lampe“ formulierte: „Ein leichter Druck nach oben, unten oder seitwärts genügt, um den Lampenarm mit dem scheinwerferartigen Reflektor dahin zu bringen, wo das Licht benötigt wird. Das lästige Festschrauben fällt hierbei vollkommen fort, da sich die Klemmmuffe infolge ihrer eigenartigen Konstruktion automatisch festklemmt.“6 Zwar funktioniert sie nicht wirklich hundertprozentig automatisch, es bedarf allerdings wirklich nur eines minimalen, mühelosen Aufwands – den Kollegen von „Licht und Lampe“ sei also  verziehen, dass sie da etwas übertrieben haben. Die Klemmmuffe ist ohne Frage die Erfindung eines Silberschmieds für ein technisches Problem und so unauffällig und funktional, wie selbstverständlich und elegant. Zudem ist sie ein Paradebeispiel für die Verbindung von Handwerk und Industrie, die für die Philosophie der Moderne und die der Kunsthochschule Frankfurt eine so entscheidende Bedeutung hatte.

Eine besondere Freude ist für uns allerdings der Reflektor, der um die zentrale Achse rotiert – eine beeindruckende, simple Funktion, die sich schwer umsetzen lässt. Und wieder erkennen wir den Silberschmied in dieser Lösung – in der Art mit den Materialien umzugehen ohne irgendein unnötiges Teil hinzuzufügen. Oder anders gesagt: während andere auch heute noch Leuchten mit technisch ausgefeilten Armmechanismen entwickeln, nahm Silberschmied Dell was ihm zur Verfügung stand und kreierte daraus ein funktionales Teil.

Wir sind um ehrlich zu sein nicht so sicher, was die muschelförmige, parabolische Form des Reflektors angeht, aber Christian Dell hat sie offenbar so überzeugt, dass er sie, wenn auch manchmal in leicht adaptierter Form, in den meisten seiner folgenden Leuchtendesigns wiederholte.

Nach der Rondella Tisch- und Stehleuchte kreierte Christian Dell eine ganze Familie von Rondellas, darunter die Rondella Polo, die mit einem Kugelgelenk zwischen Leuchtenarm und – fuß versehen war. So war es möglich die Leuchte nicht nur zu kippen, sondern auch zu drehen – ein Plus an Mobilität also gegenüber der ursprünglichen Rondella. Mit der späteren Dell Lampe Typ K, produziert von der Frankfurter Zimmermann GmbH, kombinierte Christian Dell verschiedene Elemente der Rondella in einer Leuchtenkollektion, die zwar ohne Frage absolut funktional genannt werden kann, der unserer Meinung nach aber die Grazie und die Perfektion der Rondella fehlt.

Im Jahre 1933 wurden Christian Dell und seine fortschrittlichen Kollegen von der sehr viel weniger fortschrittlichen NSDAP von ihrer Lehrtätigkeit befreit. Daraufhin wurde Christian Dell freischaffender Designer und entwickelte, neben anderen Aufträgen, Leuchten für den Hersteller Gebr. Kaiser & Co. in Neheim-Hüsten. Die Kaiser idell Kollektion erwies sich als besonders beliebt und es sind die einzigen Christian Dell Leuchten, die heute noch produziert werden. Der Begriff „idell“ in „Kaiser idell“ steht für „Idee Dell“ und es scheint, als hätte er davon einige gehabt: Nach eigenen Angaben entwickelte Christian Dell im Laufe seiner Karriere 500 Leuchtendesigns.Unserer Ansicht nach hat jedoch keine, oder keine, die wir bisher gesehen haben, die Grazie, den Charakter oder den Charme der Rondella.

Ursprünglich von Vogel & Co in Niederursel produziert, wurde die Herstellung der Rondella Lampen 1928 von der neu gegründeten Rondella GmbH übernommen – Christian Dell war einer der Teilhaber. Interne Differenzen führten allerdings zur Schließung der Rondella GmbH und so wurde die Verantwortung für die Produktion 1931 an den Frankfurter Lampenhersteller Bünte & Remmler übergeben. Als offensichtlich sehr populäre – auf jeden Fall sehr gut vertretene Leuchte – war die Rondella nicht nur in den Schauwohnungen des Neuen Frankfurt vertreten, sondern fand sich auch in der gesamten Stadtverwaltung, in Fabriken und Büros in der Region; Christian Dell kreierte sogar ein Bürobeleuchtungssystem für die Büros der AOK Frankfurt, das auf der Rondella basierte.8

Und dann, wie es unweigerlich der Fall ist, wenn es um europäische Architektur und europäisches Design der 1920er Jahre geht, kamen die Nazis… und so ist die Rondella Leuchte heute ein Objekt, das zwar regelmäßig in Auktionskatalogen zu finden, für den Rest von uns aber leider verloren ist.

Dell-Lamp Type K by Christian Dell through Zimmermann GmbH (Advert in context of the 1930 Leipzig Frühjahrsmesse)

Dell-Lampe Type K von Christian Dell über Zimmermann GmbH (Anzeige im Rahmen der Leipziger Frühjahrsmesse 1930)

1. Beate Alice Hofmann, Christian Dell: Silberschmied und Leuchtengestalter im 20. Jahrhundert, Kulturamt der Stadt Hanau, Hanau, 1996

2. ebd.

3. Nicholas Bullock, Modern Design and Municipal Patronage: Frankfurt 1924-1930, Oxford Art Journal, Vol 2, Art and Society, April 1979

4. Klaus Klemp, Design in Frankfurt 1920 – 1990, av Edition, Stuttgart, 2014

5. Rondella Anzeige von 1928 reproduziert in Charlotte Fiell, 1000 Lights, Vol 1: 1878 to 1959, Taschen, Köln, 2005

6. Licht und Lampe. Rundschau für die Beleuchtungs-Industrie und Installation, Nr 2, 23. Januar 1930

7. Beate Alice Hofmann, Christian Dell: Silberschmied und Leuchtengestalter im 20. Jahrhundert, Kulturamt der Stadt Hanau, Hanau, 1996

8. ebd.

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