Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb 2016 – Gewinner und Ausstellung

Die Gewinner und die nominierten Projekte des diesjährigen Marianne Brandt Wettbewerbs sind in einer Ausstellung in Chemnitz zu sehen.

International Marianne Brandt Contest 2016 Exhibition, Chemnitz Museum of Industry

Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb 2016 Ausstellung, Industriemuseum Chemnitz

Es gab eine Zeit, da konnte wir keinen Satz über Chemnitz schreiben ohne einen zynischen Kommentar oder einen bösen Witz fallen zu lassen.

Diese Zeiten sind lang vorbei.

Heute fahren wir nicht nur freiwillig und regelmäßig nach Chemnitz, wir haben auch begonnen, verschiedene Aspekte dieser Stadt zu verstehen – Aspekte, die uns früher immer aufgrund unserer falschen Einstellung verborgen geblieben waren. Heute haben wir sogar unseren Lieblings-Falafelimbiss in Chemnitz – und den haben wir nicht überall.

Eine wichtige Rolle beim Wandel unserer Einstellung zu Chemnitz spielt der alle drei Jahre stattfindende Internationale Marianne Brandt Wettbewerb. Im Jahr 2016 präsentierte der Wettbewerb am 01. Oktober mit einer Preisverleihung und einer Ausstellungseröffnung in Chemnitz seine Ergebnisse.

International Marianne Brandt Contest 2016 Exhibition, Chemnitz Museum of Industry

International Marianne Brandt Wettbewerb 2016 Ausstellung, Industriemuseum Chemnitz

International Marianne Brandt Wettbewerb 2016

Der im Jahr 2001 erstmals ausgelobte Marianne Brandt Wettbewerb ist offen für Kreative aller Genres unter 40 Jahren, und auch wenn die Organisatoren ausdrücklich nicht von einem Designwettbewerb sprechen, kann er doch im weitesten Sinne als solcher bezeichnet werden – wenn auch als ein Wettbewerb, der Design eher als einen Prozess und als ein Zusammenspiel von Kunst und Design denn als Produkt versteht. Man vertritt eine eher freie Auffassung des Designprozesses und der Designforschung. Design wird hier nicht nur im (ursprünglichen) Sinne des Bauhaus‘ verstanden, sondern als ein Weg, dauerhafte und sinnvolle Lösungen zu finden. Ansichten, die den Marianne Brandt Wettbewerb zu einem der unterhaltsameren und interessanteren internationalen „Design“-Wettbewerbe machen.

Die 6. Ausgabe des Internationalen Marianne Brandt Wettbewerbs fand unter dem Motto Material-Effekte statt. Gesucht wurden Projekte, die sich mit Materialien befassen – mit ihren Ursprüngen, Eigenschaften und Anwendungsbereichen. Projekte, die aber vor allem auch unser Verhältnis zu Materialien untersuchen und fragen, wie dieses Verhältnis weiterentwickelt und verbessert werden kann. Im Vordergrund stand also auch die Frage, wie man Materialien intelligenter nutzen kann und wie kreative Forschung dabei helfen kann, unsere Gesellschaft in sozialer sowie in die Umwelt betreffender Hinsicht verantwortungsvoller zu gestalten.

Das Thema knüpft also nicht nur wunderbar an das Thema Cradle-to-Cradle des Wettbewerbs von 2013 an, sondern führt vor allem auch die Erforschung zentraler Themen der internationalen Moderne in zeitgenössischen, kreativen Kontexten fort.

Rund 423 Projekte wurden letztendlich aus 27 Ländern eingereicht. Daraus hervorgegangen sind 60 Nominierungen in den drei Kategorien des Wettbewerbs: Produktgestaltung, Fotografie und Versuchsanordnung.

Die 60 nominierten Projekte sind wiederum in einer Ausstellung im Industriemuseum Chemnitz zu sehen.

Amorph by Nikolai Frerichs, as seen at the International Marianne Brandt Contest 2016 Exhibition

Amorph von Nikolai Frerichs, gesehen bei Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb 2016 Ausstellung

Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb 2016 Ausstellung

Die Ausstellung des Marianne Brandt Wettbewerbs 2016 ist in fünf Bereiche unterteilt: untersucht werden Materialien im Kontext von „Memory & Meaning“, „Tactility“, „Developing relationships“, „Formulate/Compose“ und „Circulate/Transfer“. Mit dieser Gliederung unterstreicht die Ausstellung wunderbar, dass Materialien viel mehr sind als nur Bausteine und Grundeinheiten von Produkten – nämlich, dass sie im Designprozess eine ebenso entscheidende Rolle spielen wie Form und Funktion. Trotz unserer augenscheinlichen Vertrautheit mit den unterschiedlichsten Materialien eröffnen sie doch immer neue Perspektiven und Möglichkeiten und können Objekte über ihre physische Realität hinaus in etwas Immaterielles verwandeln.

Eine kompakte aber keineswegs unterfordernde Ausstellung mit einem Ausstellungsdesignkonzept, das einem Raum und Ruhe lässt die Eingänge ebenso als individuelle Arbeiten wie als Teil einer integrierten Komposition zu untersuchen.

Für uns bedeutete das einerseits ein willkommenes Wiedersehen mit Projekten wie Birgit Severins Vasen Ashes, oder der Fotoserie Snow & Ice von Ilka Raupach, aber auch die Entdeckung einiger wirklich gelungener neuer Projekte. Projekte von denen wir sicher sind, dass sie uns noch eine Weile beschäftigen werden.

Ashes by Birgit Severin, as seen at the International Marianne Brandt Contest 2016 Exhibition

Ashes von Birgit Severin, gesehen bei Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb 2016 Ausstellung

Verbinder von Leon Rinne, Tabea Lankhuijzen, Michael Schoeninger und Andreas Hutter

Ganz besonders fasziniert waren wir vom Verbindungssystem Verbinder der Studenten Leon Rinne, Tabea Lankhuijzen, Michael Schoeninger und Andreas Hutter von der HfG Schwäbisch Gmünd.

Ein Projekt also, das wir im Nachhinein auf der HfG Schwäbisch Gmünd Semesterausstellung schmerzlich vermisst haben.

Das Konzept Verbinder recycelt Plastik und macht daraus in einem verblüffenden, analogen Prozess ein ganz einfaches Verbindungsstück für ein simples Holzregalsystem mit Steckverbindungen. Vor ein paar Jahren ließ unser Interesse an einfachen Holzregalsystemen zum zusammenstecken rapide nach… Verbinder hat dieses Interesse jedoch wieder von neuem entfacht. Das liegt vor allem daran, dass es bei Verbinder weniger um das Regalsystem als vielmehr um den analogen, simplen Produktionsprozess und somit um die universelle Anwendbarkeit geht. Ja, man könnte die Verbindungsstücke auch mit einem 3D-Drucker herstellen. Aber so nützlich 3D-Drucker auch sein mögen, sie erfordern immer noch Hardwarekenntnisse und ein gewisses technisches Vermögen. Gießen dagegen ist einfacher und in diesem Fall auch besser.

Man muss auch nicht bei den einfachen Verbindungsstücken aufhören. Das Konzept kann mühelos weiterentwickelt und erweitert werden und würde so auch die Konstruktion von Objekten erlauben, die weit über simple Holzregale zum zusammenstecken hinaus gehen.

Verbinder by Leon Rinne, Tabea Lankhuijzen, Michael Schoeninger and Andreas Hutter, as seen at the International Marianne Brandt Contest 2016 Exhibition

Verbinder von Leon Rinne, Tabea Lankhuijzen, Michael Schoeninger and Andreas Hutter, gesehen bei Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb 2016 Ausstellung

Interlude Wandleuchte von Elena Tezak

Außerdem sehr gut gefallen hat uns die Wandleuchte Interlude der Kunsthochschule Berlin Weißensee Absolventin Elena Tezak. Inspiriert von traditionellen, gusseisernen Glocken, wird die Interlude Wandleuchte mittels einer Schaukelbewegung erleuchtet: zieht man am Glockenzug setzt sich der Kopf in Bewegung. das Licht geht an wenn der Klöppel gegen die Glockenwand schlägt. Lichtintensität und Dauer steigen je nach Bewegung an.

Insofern also eine Beleuchtungslösung mit nur limitiertem Potential – es sei denn natürlich, man hat einen Diener, der fortwährend den Glockenzug betätigt.

Wir haben so jemanden nicht.

Für uns allerdings geht es bei dem Projekt genauso um Mechanik wie um Funktionalität – um die Verwandlung von kinetischer Energie in Licht, die Visualisierung von Aktion und Reaktion und darum, wie diese unser Verhältnis zum Objekt verändert. Leuchten sind vergleichsweise simpel, Elektrizität hingegen ist eine komplizierte Sache.

Interlude Wall Light by Elena Tezak, as seen at the International Marianne Brandt Contest 2016 Exhibition

Interlude Wall Light von Elena Tezak, gesehen bei Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb 2016 Ausstellung

International Marianne Brandt Wettbewerb 2016 Gewinner

Bleibt also nur die Frage wer was gewonnen hat. Der Marianne Brandt Wettbewerb 2016 – Herzlichen Glückwunsch an alle!

 

Versuchanordnung / Experiment

1. Preis: Studio Umschichten – Precycling

2. Preis:

  • Kristin Dolz – Die Konform
  • Malte Sänger – Partition
  • Anke Binnewerg – Material Board

Fotografie

1. Preis: Almut Hilf – Denken im Bestand

2. Preis: Kalinka Gieseler – Junkspace #We don´t own anything

3. Preis:

  • Nikolai Frerichs – Amorph
  • Marta Kryszkiewicz – Der Schwanz ist ganz leicht gegabelt und die Federn sind quergebändert
  • Falk Messerschmidt – non-performance

Produktgestaltung

1. Preis:

  • Marcel Pasternak – bionicTOYS
  • Wassilij Grod – CONBOU Lightweight Construction

2. Preis:

  • Leon Rinne, Tabea Lanhuijzen, Michael Schoenigner & Andreas Hutter – verbinder
  • Birgit Severin – Ashes
  • Maria Braun – Food Time, Tableware for children
  • Anastasiya Koscheeva – From Siberia / Birkenrinde neu entdecken

Sonderpreis Neue Schule für Fotografie: Sandra Stark & Carmina Blank – Die Ästhetik des Unheimlichen

Sonderpreis Industrieverein Sachsen 1828 e.V.: Paula van Brummelen – Responsive Surfaces

Sonderpreis Vitra: Verena Kuck – Nachtfalter, ein Einmannzelt

Sonderpreis USM: Adrianus Kundert – Ripening Rugs

Sonderpreis LUMALENSCAPE: Chuana Mahlendorf – FOLIFLORA – a new way to handle clay.

Material-Effekte die Ausstellung zum Internationalen Marianne Brandt Wettbewerb läuft im Industriemuseum Chemnitz, Zwickauer Str. 119, 09112 Chemnitz bis Sonntag, den 8.Januar. Alle Details sind unter www.saechsisches-industriemuseum.com zu finden – alle Details zum Marianne Brandt Wettbewerb unter http://marianne-brandt-wettbewerb.de.

Wie immer, im Interesse der Transparenz: smow Chemnitz ist seit langem Partner und Unterstützer des Marianne Brandt Wettbewerbs.

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