Orgatec 2016: Vitra – Work

Als wir mit Josef Kaiser dem Chef der Vertriebsabteilung bei Vitra auf der Neo Con Chicago gesprochen haben, erzählte er uns: „auf der Orgatec 2016 wollen wir versuchen, interessanter für Architekten zu sein, ohne dabei den Fokus auf die Hersteller zu verlieren. Das wird eine Herausforderung, aber eine, auf die wir uns freuen, nicht zuletzt weil wir in diesem Jahr unsere eigene Ausstellungshalle haben.“

Was das in der Praxis bedeutet, konnte man sich in der Halle 5.2 auf der Kölner Messe anschauen. Wir würden ja fast schon sagen auf der Vitra Messe, denn uns kam die Vitra Messebeteiligung wie eine Messe auf der Messe vor.

Vitra - Work @ Orgatec 2016


Vitra – Work @ Orgatec 2016

Orgatec 2016: Vitra „Work“

Die Vitra Messe 2016, in Szene gesetzt von Pernilla Ohrstedt und Jonathan Olivares, präsentierte unter dem Titel „Work“ neben neuen und etablierten Vitra-Produkten ausgesuchte Vitra-Partner wie unter anderem Ruckstuhl, Wästberg und Bulthaup.

Um ehrlich zu sein hatten wir uns vorher etwas in der Art von „Citizen Office 4.0“ vorgestellt – das heißt, dass der gesamte Ausstellungsraum in eine große Bürolandschaft verwandelt werden würde, die dann diverse Szenarien einer möglichen, zukünftigen Büroumgebung präsentiert.

Das Resultat fiel allerdings irgendwie anders, wenn auch nicht unerfreulich aus. Tatsächlich gehörte eine Hälfte der Halle Vitra und die andere Hälfte Vitras Partnern. Allerdings besiedelten Vitra Möbel und Accessoires die Stände der Partner, während die vertraute Vitra-Ausstellung wiederum durch Objekte aus den Kollektionen der Partner erweitert wurde.

Die Präsentation wurde ergänzt durch ein großes Café und die Installation The Garden von Ronan und Erwan Bouroullec aus ihrer Ausstellung Reveries Urbaines. Dazu kamen drei große Ringe, die als öffentliche Sitzgelegenheit dienten.

Mit „exzellent aber erschreckend“ hat ein anderer deutscher Hersteller vielleicht die besten Worte für diese ganzheitliche Erfahrung der „Vitra Messe“ gefunden.

Vitra - Work @ Orgatec 2016

Vitra – Work @ Orgatec 2016

Hatte man sich einmal mit der Umgebung und vor allem mit dem Maßstab akklimatisiert, fiel als erstes auf, wie entspannt und relaxed, ja fast schon ruhig alles erschien. Natürlich war viel los, schließlich waren wir bei Vitra auf der Orgatec, aber man fühlte sich nicht, wie sonst immer am Orgatec Vitra Stand, in all dem Gedränge wie eine Ölsardine. Stattdessen hatte man diesmal wirklich Platz. Die Vitra-Produkte rückten folglich viel mehr in den Vordergrund – alles erschien uns weniger gehetzt, weniger abgeschlossen als in der alten Halle. Man konnte sich besser konzentrieren.

Was das Interesse der Architekten angeht: wir haben mit keinem Architekten gesprochen und können so auch nicht sagen, wie diese es fanden. Bei den Partnern waren einige dabei, die normalerweise nicht auf der Orgatec ausstellen, jedoch Produkte, Lösungen, Services und Materialien anbieten, die zu den wichtigen Komponenten jedes Büro-Projektes gehören. Hersteller also, die theoretisch für Architekten, Planer und Innenarchitekten von Interesse sein könnten. Gewissermaßen hatte man es mit einer Art Planungssupermarkt zu tun. Wie gut ausgestattet dieser war, muss jeder für sich selbst beurteilen.

The Garden by Ronan & Erwan Bouroullec, it took the public a while to get the idea.....

The Garden von Ronan & Erwan Bouroullec, es hat etwas gebraucht bis die Besucher es begriffen haben…

Wenn etwas gefehlt hat, dann waren das für uns die Experimente. Von den späten 1980er Jahren bis in die frühen 2000er Jahre gab es bei Vitra die sogenannten Vitra Editions, Projekte, bei denen verschiedene Designer, Architekten und Künstler eingeladen wurden, experimentelle und konzeptuelle Projekte zu entwickeln. Diese haben neben zahlreichen abstrakten, künstlerischen Statements auch zu dem ein oder anderen Produkt geführt.  Wir würden grundsätzlich empfehlen, dorthin zurückzukehren. Aber natürlich gibt es zahllose Studios, die interessante und wirklich realistische Forschungen in Bereichen wie Materialien, Produktionsprozesse, Textilien, Zukunftsszenarios, Work Flow etc. betreiben. Mit geringem Aufwand ließen sich diese für eine Ausstellung zusammenbringen, um dann markttaugliche Lösungen zu präsentieren. Abgesehen davon, dass es uns aufmuntern würde, würde eine solche Präsentation auch dazu führen, dass es neben dem Fokus der Händler auf Preise, Lieferzeiten und Bestellkonditionen neuer Produkte für Architekten, Planer und Designer die Möglichkeit gäbe, diese Forschungen in Augenschein zu nehmen und neue Visionen zu entwickeln. Möglicherweise könnte Vitra eine externe Design- beziehungsweise Architekturagentur beauftragen, rund um ein bestimmtes Thema eine Präsentation zu kuratieren. Mit Sicherheit stehen im Telefonbuch des Vitra Design Museums genug Leute, die man hierfür anrufen könnte.

...... but they got there

…… aber sie sind dahinter gekommen

Jeder, mit dem wir über die Vitra Messe gesprochen haben, war positiv gestimmt. Natürlich hatten alle den einen oder anderen Einwand oder einen kritischen Aspekt anzumerken. Meist aber waren das aber ganz unterschiedliche Punkte, und die meisten sahen in der Vitra Aktion einen mutigen, gut realisierten und logischen Schritt.

Da kommt natürlich die Frage auf, wohin es als nächstes gehen könnte.

Die einzige Antwort für Vitra wäre da wohl in mehrfacher Hinsicht, eine eigene Messe zu organisieren.

Und das fast schon sicher im Bereich Büromöblierung.

Braucht Vitra die Orgatec also? Und braucht die Orgatec Vitra?

Auf beides müsste man wohl mit ja antworten; aber wie dieses Jahr wunderbar deutlich gemacht hat, würden beide auch gut ohne den jeweils anderen überleben.

Was den Büromarkt und das Vertragsgeschäft angeht, ist Vitra auf Architekten, Designer und Planer angewiesen. Im Kontext der aktuellen, europäischen Möbelindustrie ist allerdings fraglich, ob eine konventionelle Handelsmesse der beste Ort ist, um diese zu treffen. Uns ist schon klar, dass sich das nach Heuchelei anhören mag – aber Vitra verkauft Bürosysteme und Bürolandschaften. Die individuellen Elemente sind weniger wichtig als die Art und Weise in der sie interagieren, kontrastieren und kommunizieren, um logische Einheiten zu bilden. Das müsste an Ort und Stelle erklärt werden, nicht anhand einzelner Objekte an einem Messestand.

Und ein eigenes Event?

Der offensichtlichste Einwand für uns wäre, dass bei dieser Veranstaltung – würde man sie nach dem Motto Vitra Messe organisieren – die Partnerfirmen vollständig abhängig wären von Vitras Patronage und Präsenz. Man würde sich unter Umständen in einer hermetischen Vitra-Blase wiederfinden, mit all den Problemen und dem Mangel an kreativer Spannung, die so etwas mit sich bringt.

Einmalige Angelegenheiten sind ok – regelmäßige Wiederholungen machen die Sache langweilig.

Aber wenn es die Möglichkeit gäbe, eine dynamische und anspruchsvolle Mischung verschiedener Partner garantieren zu können …

Es bleibt am Ende die Frage, wo so etwas stattfinden könnte.

Wir würden uns für Weil am Rhein aussprechen, nicht zuletzt, weil Rolf Fehlbaum so das perfekte Argument hätte, den Vitra Campus zu erweitern. Eine Vitra Ausstellungshalle von …?

So ungefähr unsere Vision der Vitra-Zukunft.

Sehr viel konkreter war da Vitras Vision unserer Zukunft.

Insbesondere drei Projekte haben unsere Aufmerksamkeit erregt.

Pacific Chair von Barber Osgerby

Der Bürostuhl spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung Vitras: mit dem Bürostuhl machte Vitra den ersten Schritt weg von Möbeln für den Wohnbereich, und mit dem Bürodrehstuhl begann Vitra seine eigenen Produkte zu entwickeln, anstatt nur auf die Lizenzen der Herman Miller Produkte zu bauen. Letztendlich hat sich Vitra als Marke für Bürostühle selbst etabliert. Hinzufügen muss man auch, dass der Verkauf von Bürostühlen auch den Verkauf von Tischen, Regalen und den Verkauf aller anderen Möbel, die ein Büro benötigt, nach sich zieht.

Neben Weiterentwicklungen der ID Chair Kollektion von Antonio Citterio und der Lancierung eines neuen AM Chair von Alberto Meda war für uns ein Höhepunkt unter den neuen Bürostühlen auf der Orgatec 2016 ohne Frage der Pacific Chair der Londoner Designer Edward Barber und Jay Osgerby a. k. a. Barber Osgerby.

Der Auftrag von Vitra kam kurz nach der Veröffentlichung von Barber Osgerbys Tip-Ton Chair, und ist das erste Bürostuhlprojekt der beiden Designer. Wie uns Jay Osgerby sagte, war das „eine furchteinflößende Sache. Man nimmt so einen Auftrag an, und wenn man dann beginnt, die Komplexität eines solchen Projektes zu verstehen, ist es ziemlich beängstigend.“

Wir haben eingewendet: „Vermutlich nimmt einem die Zusammenarbeit mit einer so erfahrenen Firma wie Vitra aber eine Menge technischen Stress …“

„Bei so einem Stuhl geht’s weniger um die Physik. Damit haben wir kein Problem. Es geht vielmehr um die Beschränkungen, die einem der Markt auferlegt“, antwortet Jay, „Gesundheit und Sicherheit, wie groß die Menschen sind, wie viel sie wiegen, wie viel Unterstützung an welcher Stelle benötigt wird. Es gibt ein enzyklopädisches Wissen darüber, an was sich ein solches Produkt halten muss, und was es zu erfüllen hat. Vitra kennt sich da aus, und das hat uns immens geholfen.“

„Das größte Problem mit einem Bürostuhl ist für uns, dass er so viele Optionen haben muss“, fügt Edward Barber hinzu, „er muss viele verschiedene Dinge können, damit die Leute ihn anpassen können und damit er die Vorgaben erfüllt. Daraus entsteht ein ziemlich verrücktes Gerät, ein echtes Monster weil all diese Dinge in einem Objekt vereint werden müssen. Unser Konzept war also, die Funktionen beizubehalten – weil wir es müssen -, das Objekt aber visuell zu reduzieren, sodass man am Ende ein Produkt haben würde, auf dem es sich gut sitzen lässt, welches man aber auch gerne anschaut“.

„Wir haben uns dem Projekt also gewissermaßen in ambitionierter Naivität genähert. Haben versucht zu reduzieren, was normalerweise eine Maschine für sich ist. Daraus entstanden ist etwas ruhigeres, dass eher nach einem Möbel aussieht“, fasst Jay Osgerby zusammen.

„Ambitionierte Naivität“ ist jetzt offizieller Teil unserer Top 5 Redewendungen. Ihr könnt euch also darauf einstellen, dass die Formulierung in den nächsten Monaten hier immer mal wieder auftauchen wird.

Das Resultat dieser ambitionierten Naivität ist ein Stuhl, der zwar unmissverständlich ein Bürostuhl, jedoch mit mehr als nur einem Hauch Häuslichkeit ausgestattet ist und ganz und gar nicht an eine monströse Maschine erinnert.

Indem Barber Osgerby die Armlehnen von ihrer normalerweise sehr zentralen Position auf die Hinterseite des Sitzes versetzt haben, haben sie es nicht nur geschafft, die funktionalen Elemente an einem Ort miteinander zu verbinden und so einen Vorteil der Konstruktion geschaffen, der es erlaubt, die notwendigen Elemente zu reduzieren, sie haben es auch geschafft, den Sitz zu öffnen. So ist der Stuhl zu einem sehr klar definiertem und absolut notwendigem Objekt geworden. Fast schon ein Loungemöbel, bietet er doch genau die richtige Spannung zwischen Komfort und Funktionalität, um noch zu den Bürostühlen zu zählen.

Ein zentraler Bestandteil des Pacific Chair ist die höhenverstellbare Rückenlehne, sie kann im Ganzen nach oben und unten verstellt werden. Ein Mechanismus, an den man sich erstmal gewöhnen muss. Hat man das sehr simple Prinzip allerdings einmal verstanden, macht es wirklich Sinn. „Man muss irgendeine Form von Lumbalstütze haben. Anstatt also ein Extrateil einzubauen, dass nach oben und unten verschoben werden kann – warum nicht gleich die gesamte Rückenlehne nach oben und unten verstellen?“ erklärt Edward.

Ganz offensichtlich scheint das die eleganteste Lösung zu sein.

Und ein weiterer Beweis, dass Design kein Beruf, sondern eine Art zu denken ist.

Mit der Rückenlehne in der untersten Position hat man eine Art Unterhang, als ob der Stuhl ein tailliertes Jacket tragen würde. Der Pacific Chair erinnert so auch an den Pilot Chair der beiden Designer für Knoll. Der Stuhl im Frack – ein neues Markenzeichen für den Stil von Barber Osgerby?

„Der Pacific Chair hat eine lange Rückseite, weil wir den Mechanismus verstecken wollten. Wir wollten den Stuhl visuell sehr klar halten“, antwortet Jay, „beim Pilot Chair hingegen mussten wir die Rückenlehne an der y-förmigen Klammer befestigen, die unter dem Sitz ist. Da aber beide Stühle überwiegend von hinten wahrgenommen werden, bringt die lange Rückenlehne eine gewisse optische Ruhe mit sich.“

Für uns ist der Pacific Chair nicht nur ein sehr gut realisiertes Bürostuhldesign, sondern auch eine wunderbare Ergänzung zum Vitra Bürostuhl-Programm. Das angenehm grafische Design, seine Zugänglichkeit und universelle Einsetzbarkeit – all das fügt dem Büromöbelsegment eine weitere Dimension und Atmosphäre hinzu.

Haben Barber Osgerby nach ihrem ersten Bürostuhl Lust auf mehr bekommen?

„Definitiv“ sagt Jay Osgerby, „es war eine harte Aufgabe, hat aber trotzdem Spaß gemacht“

„Und die Arbeit ist noch nicht beendet“, fügt Edward Barber hinzu „wir arbeiten beispielsweise noch an einer Rückenlehne mit Netzbespannung und allerlei anderen Besonderheiten. Auch wenn es bereits veröffentlicht wurde, geht es mit dem Stuhlprogramm und der Arbeit daran noch weiter.“

Pacific Chair by Barber Osgerby, as seen at Vitra - Work, Orgatec 2016

Pacific Chair von Barber Osgerby, gesehen bei Vitra – Work, Orgatec 2016

Cyl von Ronan und Erwan Bouroullec

„Mich hat die Entwicklung von Büromöbeln, beziehungsweise die Richtung in die sich Büros entwickeln, gelangweilt“, sagt Ronan Bouroullec. „Ich mag diese Richtung nicht. Es wird immer komplizierter. Auch wenn es offensichtlich unterschiedliche Bedürfnisse im Bürobereich gibt, dachte ich, dass es interessant wäre, etwas zu entwickeln, das eher zurückgeht zu einem gewissen Primitivismus …“

Das Resultat ist Cyl. Ein Projekt, das Ronan zuerst als potentielles Artek Projekt erwogen hat, welches letztendlich allerdings ein Vitra Projekt wurde. Präsentiert auf der Orgatec 2016 wurde es als fortgeschrittener, weiter entwickelter Prototyp eines Bürosystems in sehr reduzierter, rustikaler Optik – hölzerne Zylinder verbunden mit Vertikalen, Horizontalen und Diagonalen, die Holzpaneele halten. Die Sofaelemente sind gepolstert, die unsichtbaren Verbindungsstücke wiederum aus Metall. Ansonsten besteht Cyl aus Holz.

Ronan Bouroullec meint, Cyl ähnele einer Werkstatt. Diese Beschreibung ist zutreffend: Sowohl hinsichtlich der visuellen Erscheinung, als auch im Punkto Funktion: das auf Arbeitsflächen basierende System bietet verschiedenste Bereiche, in denen man arbeiten kann – und zwar wie und was man will. Es gibt also kaum Vorgaben. In ähnlicher Weise hat uns sehr gefallen, dass Cyl so kompromisslos, fast schon hardcore und analog ist. Büromöbel sind ja eigentlich von Natur aus sehr technisch und werden es zunehmend noch mehr. Cyl leistet Widerstand, und das gefällt uns. Du willst einen Tisch zum sitzen und stehen? Dann musst du ihn dir selber bauen. Hier gibt es keine elektrischen Motoren.

„Moderne Technologie bedeutet, wir brauchen weniger Objekte, um miteinander verbunden zu sein, um arbeiten zu können. Wir können also zu den einfacheren Aspekten der Dinge zurückkehren und uns auf diese konzentrieren“ fügt Ronan hinzu, „wir brauchen keine Lösung für alles. Ich denke, vielmehr geht es darum, die Anzahl der Dinge, die uns umgeben, zu reduzieren, abzuwägen was wirklich wichtig ist und ein bisschen aufzuräumen“.

Und noch etwas ist für Ronan Bouroullec wichtig: „Ich persönlich brauche Ruhe“.

Mit Cyl hat man diese Ruhe. Man ist nicht durch High-Tech abgelenkt. Einige werden natürlich argumentieren, dass Cyl ein Rückschritt sei, dass die getönte, hölzerne Optik des Systems sich auf die frühen 80er Jahre beziehe und die Starrheit der Tischarrangements den in Verruf geratenen Zellen aus den Dilbert-Cartoons gefährlich nahe komme.

Da es sich um ein Bouroullec Projekt handelt, geht es bei Cyl vor allem um die Konnektoren. Ronan bezeichnet diese als Knoten. Sie sind in der Konstruktion versteckt, erlauben es der Konstruktion allerdings, zu wachsen und in diverse Richtungen weiterentwickelt zu werden – das heißt, alle möglichen Möbeltypologien zu bilden. Manche sind dabei ganz typisch für die Bouroullecs, wie beispielsweise das hölzerne Alcove Sofa, andere sind allgemeiner, und wieder andere sind noch gar nicht entwickelt. Dazu gehören auch häuslichere Entwürfe. Die Formensprache des Systems erlaubt einen einfachen Übergang vom Büro- in den Wohnbereich. Oder aber auch vom Geschäft zum Hotel, vom Krankenhaus in den Bildungsbereich etc..

Als System kann Cyl nach Bedarf problemlos erweitert, reduziert und neu konfiguriert werden – und zwar so oft man will.

Wie gesagt, auf der Vitra Messe 2016 wurde Cyl als ausgereifter Prototyp präsentiert. Ob er in Produktion geht, wird zum Teil vom Feedback auf diese Präsentation abhängen. Als Studie, als Vorschlag und als Position im Bereich aktueller Büromöbelsysteme ist Cyl allerdings ein gut abgewogener und wertvoller Beitrag.

Cyl by Ronan & Erwan Bouroullec, as seen at Vitra - Work, Orgatec 2016

Cyl von Ronan & Erwan Bouroullec, gesehen bei Vitra – Work, Orgatec 2016

Stool-Tool und Chair Table con Konstantin Grcic

In einer Reihe von Büroszenarien, die Konstantin Grcic kreiert hat, haben insbesondere zwei Objekte unsere Aufmerksamkeit erregt: Stool-Tool und Chair Table. Bei beiden handelt es sich um fast schon freche Objekte, die mit unseren Vorstellungen einzelner Büromöbelgenres spielen und die für uns in erster Linie einen gewissen Grad an Spontanität und Flexibilität in den Verlauf unseres Arbeitstages bringen könnten. Sieht man diese Objekte im Zusammenhang mit Konstantin Grcics Hack Table von 2014, könnte man vermuten, dass sich Konstantin Grcic das Büro der Zukunft abseits der großen, rigiden, Bürosysteme vorstellt.

„Für mich ist das Büro der Zukunft sehr heterogen“, antwortet Konstantin Grcic, „neben festen Strukturen gibt es auch freiere, veränderbare Bereiche. Es gibt insofern eine zunehmende Dynamik, dass sich Layout und Arrangements von Büros konstant verändern. Während man also die großen Systeme immer noch braucht, benötigt man auch kleine, flexible, individuelle Objekte, die spezifische Bereiche betreffen und bestimmte Bedürfnisse befriedigen.“

Kann man also Stool-Tool und Chair Table als Resultate der Forschungen begreifen, die auch zum Hack System geführt haben?

„Hack resultierte aus einer Reise an die amerikanische Westküste. Dort haben wir Zeit bei Technolgie-Start-Ups im Silicon Valley verbracht“, antwortet Konstantin, „die Idee zu Hack war sehr einfach. Als Projekt aber wurde es ziemlich schwierig, kompliziert und zeitaufwändig. Die neuen Objekte sind auch eine Reaktion darauf, und letztlich das Resultat einer Betrachtung und Untersuchung davon, wie wir als Büro arbeiten und wie ich für Vitra arbeite. Vitra ist eine großartige Firma mit sehr hohen Anforderungen und Erwartungen an seine Projekte, und ein Unternehmen, das mit hochqualifizierter Technologie arbeitet. Das bedeutet aber auch, dass Projekte langsam, kompliziert und mühselig werden können. Zu den Erkenntnissen, die mir dieser Trip an die Westküste und die Leute, die ich getroffen habe, eingebracht haben, gehört die, dass sie dort sehr viel schneller und weniger kompliziert arbeiten. Risiko existiert nicht. Man versucht etwas und entweder funktioniert es oder nicht. Bei einem großen Projekt kann man so nicht arbeiten, weil das Risiko real und ziemlich groß ist, aber bei kleineren Projekten kann man etwas ausprobieren, es einfach mal machen und dann sehen, was passiert  – eher so, als würde man Ideen zur Diskussion stellen.“

Beiden „Diskussionsbeiträgen“ von Konstantin Grcic liegen – zumindest unserer Meinung nach – historische Modelle zugrunde. Und zumindest beim Chair Table liegen wir mit unserer Vermutung richtig. Der Chair Table – wie der Name verrät Tisch und Stuhl in einem – ist ein Objekt, das wie vieles aus Konstantin Grcics Oeuvre aus einer Neuinterpretation und Neupositionierung historischer Möbeltypologien entstanden ist.

„Es handelt sich um einen Möbeltypen, den ich seit langer Zeit kenne, vor allem im amerikanischen Kontext, und der mich immer fasziniert hat. Den ich aber nie für mich klassifizieren konnte. Ich konnte nie ausmachen, wo man so etwas benutzen würde“, erklärt Konstantin, „hier aber habe ich ihn in die neuen Bürowelten transportiert. Den Tisch kann man ausklappen, um an einer gemeinsamen Meetinginsel hoch zu stehen. Der Stuhl wiederum ist eine beidseitig hohe Box, in der man etwas versteckt ist. Das war für mich eine sehr logische, kohärente Lösung.“

So logisch und kohärent Arbeit und Konzept auch sein mögen, sind wir noch nicht überzeugt, dass die Menschen ein solches Objekt auch tatsächlich benutzen würden. Auch im Büro der Zukunft nicht. Genauso wie wir nicht denken, dass Menschen anfangen QR-Codes zu benutzen, glauben wir auch einfach nicht, dass Leute regelmäßig von einer Form auf die andere umsteigen werden. Wir denken eher, dass ein solches Objekt entweder Stuhl oder Tisch bleiben wird – abgesehen vielleicht von der Büroweihnachtsfeier. Wir mögen damit falsch liegen, aber unserem Bauchgefühl können wir in solchen Fragen meist vertrauen. Mit Sicherheit wird Vitra mehr fundierte Forschung betreiben, bevor man sich am Ende entscheidet, wie man mit diesem Projekt weiter verfahren wird.

Und entscheiden müssen sie sich. Das Objekt auf der Orgatec 2016 verstand sich als Prototyp. Das heißt, nicht nur Materialien und technische Umsetzung stehen noch nicht fest, sondern, wie Konstantin Grcic erklärt, auch das letztendliche Konzept ist noch nicht ausgereift. „Vielleicht hilft uns die Präsentation des Objektes dabei, grundsätzlicher darüber zu diskutieren, was genau wir erreichen wollen, und das mag uns dann woanders hinführen.“

Sehr viel definitiver ist hingegen, dass Stool-Tool bald als Produkt veröffentlicht wird. Mit den beiden Abschnitten auf zwei unterschiedlichen Höhen und somit zahllosen Oberflächen zum Sitzen, Lehnen, Schreiben, Abstellen, etc. hat Stool-Tool für uns seinen Ursprung bei den sogenannten  „Lesestühlen“ des 18. Jahrhunderts. Bei diesem Stuhltyp handelt es sich im Grunde um einen Loungestuhl mit einem faltbaren Regal an der Rückenlehne, den man sitzend oder stehend benutzen konnte. Schon klar, andere haben Freunde, Familien, Hobbies, ein Leben – wir hingegen haben nur unsere Favoriten unter den Möbeltypen des 18.Jahrhunderts…

Der eigentliche Hintergrund des Stool-Tools ist allerdings ein ganz anderer und liegt außerhalb der Möbelwelt: „die Grundidee war ganz einfach: wir wollten ein Objekt, das zwei Höhen sowie eine kleine Grundfläche hat und stapelbar ist. Die Form ergab sich gewissermaßen aus dieser Erwägung. Im Grunde funktioniert Stool-Tool ähnlich einer Stufe an einer Wand oder einem Platz an dem man sitzt, der zwei Höhen hat und an dem man sich spontan niederlässt. Ganz frei und je nach Situation. Für mich ist Stool-Tool ein architektonisches Objekt,“ erklärt Grcic „es ist eher pragmatisch als designt.“

Ein Statement, das man leicht auch auf den Pacific Chair, das Cyl System und die gesamte Vitra-Messe 2016 übertragen könnte.

Um ehrlich zu sein freuen wir uns schon aufs nächste Mal – wann und wo auch immer!

Chair Table by Konstantin Grcic, as seen at Vitra - Work, Orgatec 2016

Chair Table von Konstantin Grcic, gesehen bei Vitra – Work, Orgatec 2016

Stool-Tool by Konstantin Grcic, as seen at Vitra - Work, Orgatec 2016

Stool-Tool von Konstantin Grcic, gesehen bei Vitra – Work, Orgatec 2016

Pacific Chair by Barber Osgerby, as seen at Vitra - Work, Orgatec 2016

Pacific Chair von Barber Osgerby, gesehen bei Vitra – Work, Orgatec 2016

Cyl by Ronan & Erwan Bouroullec, as seen at Vitra - Work, Orgatec 2016

Cyl von Ronan & Erwan Bouroullec, gesehen bei Vitra – Work, Orgatec 2016

Vitra - Work @ Orgatec 2016

Vitra – Work @ Orgatec 2016

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