„Full House: Design by Stefan Diez“ im Museum für Angewandte Kunst Köln

Mit der Ausstellung „Full House: Design by Stefan Diez“ präsentiert das Museum für Angewandte Kunst Köln, MAKK, den ersten musealen Überblick über das Gesamtwerk des deutschen Designers Stefan Diez.

Und eine Ausstellung, die in vielerlei Hinsicht einen Einblick ins Produktdesign gewährt, oder zumindest in die aktuellen Produktdesignprozesse.

Yard by Stefan Diez for emu, as seen at FULL HOUSE: Design by Stefan Diez, Museum für Angewandte Kunst Cologne

Yard von Stefan Diez für emu, gesehen bei  „FULL House: Design by Stefan Diez „, Museum für Angewandte Kunst Köln

„FULL House: Design by Stefan Diez“

Der 1971 in eine etablierte Tischlereidynastie in Freising nahe München hineingeborene Stefan Diez schloss anfänglich eine Tischlerlehre in Stuttgart ab, bevor er dann an der Staatlichen Akademie der Künste Stuttgart Industriedesign studierte. Hinzu kamen Assistenzen bei Richard Sapper und Konstantin Grcic. Nach seinem Abschluss im Jahr 2002 gründete Stefan Diez sein eigenes Studio, Diez Office, in München und zog umgehend internationale Aufmerksamkeit auf sich. Gemeinsam mit Christophe de la Fontaine gewann er den Design Report Award auf der Salon Satellite in Mailand. „Full House“ dokumentiert, was in den folgenden 15 Jahren passiert ist.*

Auch wenn die Ausstellung einen Überblick über Stefan Diez‘ Arbeiten der letzten 15 Jahre präsentiert, ist sie doch alles andere als eine klassische Retrospektive – und das ganz vorsätzlich. „Ich wollte nicht anderthalb Jahre damit verbringen zurückzuschauen“, erklärt Stefan Diez seinen Ansatz bei der Planung der Ausstellung. „Lieber wollte ich die anderthalb Jahre nutzen um nach vorne zu schauen.“ Das Resultat ist eine Ausstellung mit 26 ausgesuchten Projekten. Eine Ausstellung, die über bekannte Projekte wie Houdini für e15, Chassis für Wilkhahn oder die 404 Kollektion für Thonet hinausgeht und stattdessen auch Projekte präsentiert, die aus diesen oder jenen Gründen das Atelier nie verlassen haben, aber trotzdem deutlich machen, wie Stefan Diez arbeitet. Ähnlich ergeht es einem auch mit den drei neuen Projekt, die im Kontext der Ausstellung enthüllt werden: ein Bürostuhlprojekt für Wagner, eine Leuchtenserie für Vibia und (das wohl dominanteste oder besser gesagt das präsenteste Projekt der Ausstellung) die Weiterentwicklung des New Order Regalsystems für Hay.

Eine Weiterentwicklung, die den Maßstab und die Variabilität des Systems steigert, um raumgreifende Strukturen mit integrierter Beleuchtung zu konstruieren. Und eine Weiterentwicklung, mit der sich New Order nicht mehr nur noch für den Büro- und Wohnbereich eignet, sondern auch für Ausstellungssituationen, sei das im Museums- oder Einzelhandelskontext. Diese Weiterentwicklung ist so logisch wie naheliegend und patent. Schon auf der Orgatec 2014 haben wir bemerkt: „New Order hat uns schon immer gefallen, aber je größer das System wird, desto besser gefällt es uns.“ Wieder ist das Regalsystem gewachsen und wieder hat es für uns dazugewonnen. Man könnte fast sagen: Ähnlich wie Fritz Haller von den Gebäuden auf die Regale überging, ist Stefan Diez auf dem besten Weg es genau umgekehrt zu machen.

„Full House“ präsentiert die 26 Projekte eher als individuelle Momente als in einer chronologischen Reihenfolge und im Kontext ihrer jeweiligen bzw. ihrer markantesten Eigenschaften. Zudem liefert das Ausstellungsdesign zu den Objekten, Prototypen, Skizzen und Herstellungswerkzeugen ergänzende Informationen in Form von zweisprachigen Texten, ohne zu überfordern. Dank des Konzeptes werden der Hintergrund zu Stefan Diez‘ Ansatz und der Fokus seiner Arbeit deutlich: Fest verwurzelt in Handwerk und Materialien, ist Stefan Diez vor allem interessiert an Entwicklungs- und Optimierungsprozessen, daran zu erforschen wie Produkte gemacht werden und wie sich das verbessern lässt. Das Produkt per se spielt da erstmal eine untergeordnete Rolle. Da stellt sich natürlich die Frage, wo bei alledem formale Überlegungen ihren Platz haben?

„Grundsätzlich interessiert mich die Form erstmal nicht, sie interessiert mich nur als Manifestation einer Idee“, antwortet Stefan Diez, „für mich ist eine Form nur attraktiv, wenn sie einen logischen Schluss auf die Gründe, aus denen heraus sie kreiert wurde, zulässt.“

Eine klassisch rationale Position, die man gefährlich finden könnte in unserer aktuellen visuell dominierten Welt der schnellen Befriedigung und des Diktats von Style über Inhalt. Und doch – die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der 26 ausgestellten Projekte genauso schön wie praktisch und funktional ausfällt, liefert den offensichtlichen Beweis für die Gültigkeit dieser Position. Der in ästhetischer Hinsicht weniger ansprechende Charakter des einen oder anderen Projektes, das es nicht aus dem Atelier geschafft hat, bekräftigt das nur nochmal.

Prototypes of the 404 collection by Stefan Diez for Thonet, as seen at FULL HOUSE: Design by Stefan Diez, Museum für Angewandte Kunst Cologne

Prototypen der 404 Kollektion von Stefan Diez für Thonet, gesehen bei „FULL House: Design by Stefan Diez“, Museum für Angewandte Kunst Köln

„Was mir an unserer momentanen Situation besonders gefällt, ist, dass wir uns dem, was wir noch immer lernen können, sehr viel bewusster sind“

Eine zwangsläufige Folge einer solchen Ausstellungvorbereitung ist, dass man sehr genau über seine Arbeit nachdenkt: Man kann nach vorne schauen, muss aber auch zurückschauen und wird sich klar darüber, wie sich alles entwickelt hat. Was bedeutet das für Stefan Diez?

„Die Projekte sind heute nicht nur sehr viel komplexer, ich bin auch sehr viel selbstbewusster geworden, was meine eigenen Fähigkeiten angeht.“

Hat dein Selbstbewusstsein zugenommen, weil du gemerkt hast, dass Sachen funktionieren, dass du erfolgreiche Projekte realisieren kannst?“

„Ich würde eher sagen, dass ich in der Anfangszeit regelmäßig zu weit gegangen bin, Grenzen überschritten habe, die ich nicht hätte überschreiten sollen und so ins Straucheln geraten bin“, reflektiert Stefan Diez. „Allerdings habe ich mit der Zeit gelernt, auf der richtigen Seite der Grenze zu bleiben. Ein Projekt ist dann gut, wenn es so weit wie möglich geht, aber eben nicht so weit, dass es unmöglich wird. Die Herausforderung für einen Designer ist es, so nah wie möglich an diese Grenze zu kommen, aber bei dem zu bleiben, was gerade möglich ist.“

Dank der Erfahrungen der letzten 15 Jahre hast du also ein besseres Gespür dafür entwickelt, wo diese Grenze verläuft?

„Genau, und was mir an unserer momentanen Situation besonders gefällt, ist, dass wir uns dem, was wir noch immer lernen können, sehr viel bewusster sind, wir können unser Wissen besser einsetzen, um bei der Arbeit präziser zu werden, um weiter zu kommen und besser zu werden.“

Bent by Stefan Diez for Moroso, as seen at FULL HOUSE: Design by Stefan Diez, Museum für Angewandte Kunst Cologne

Bent von Stefan Diez für Moroso, gesehen bei „FULL House: Design by Stefan Diez“, Museum für Angewandte Kunst Köln

„Full House“: Reflexionen über die Zukunft

Der Vorschlag zu der Ausstellung wurde Stefan Diez im Sommer 2015 gemacht und abgesehen von der relativ kurzen Vorbereitungszeit, ging es Stefan Diez bei der Frage, ob er zusagt, vor allem auch um den Ort der Ausstellung. „Eine Ausstellung in Köln zu machen ist, als würde man sich in der Öffentlichkeit nackt ausziehen“, lacht Stefan Diez. „Das ist nicht wie in jeder anderen Stadt, wo man einfach ein Publikum hat, das sich für Design interessiert. Eine Ausstellung in Köln ist gewissermaßen eine Familienangelegenheit, das ist wie für die Familie ein Weihnachtsessen zu kochen.“

Was uns Stefan Diez auftischt, ist keine Enttäuschung.**

Die Ausstellung ist sehr zugänglich, gut durchdacht und ordentlich realisiert und funktioniert auf unterschiedlichen Ebenen. Für alle, die mehr über Produktdesign wissen wollen, die wissen wollen, wie Produktdesignprozesse ablaufen und was Designer eigentlich den ganzen Tag über so machen, liefert „Full House“ die Antworten. Aber auch für diejenigen, die sich damit besser auskennen und vor allem daran interessiert sind, wie Stefan Diez seine Arbeit angeht, worin er seine Aufgaben sieht und was Stefan Diez so den Tag über macht, wird genug geboten.

Und für Stefan Diez? Was hat ihm die Ausstellung gebracht?

„Wir haben sehr vom Blick zurück profitiert, wir haben reflektiert und aufgeräumt“, erklärt er. „Jetzt ist alles sehr viel klarer. Sachen, die ich meinte verstanden zu haben, habe ich gar nicht verstanden und irgendwie habe ich einen ehrlicheren – einen gefestigteren Blick auf die Dinge entwickelt. Das ist ein exzellenter Ausgangspunkt, um etwas neues anzufangen.“

Eine Position als logische Konsequenz von Prozess und Material – genau, was man erwarten würde von Stefan Diez.

„FULL House: Design by Stefan Diez“ läuft bis Sonntag, den 11. Juni im Museum für Angewandte Kunst Köln, An der Rechtsschule, 50667 Köln.

Alle Details gibt es auf www.makk.de.

Der Ehrlichkeit und Vollständigkeit halber: Als wir die Ausstellung besucht haben, war das Team noch mitten beim Aufbau – die endgültige, fertige Ausstellung haben wir also nicht gesehen. Zum Effekt der letztendlichen Ausstellung können wir also nichts sagen. Dieser Post basiert nur auf dem, was wir gesehen haben. Was wir gesehen haben, hat uns allerdings beeindruckt und wir wüssten nicht, warum das nach der Eröffnung anders aussehen sollte.

** Und nochmal, wir haben nicht alles gesehen und lehnen uns deshalb weit aus dem Fenster!

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