5 neue Architektur- & Designausstellungen im Januar 2018

Mit seinen beiden Gesichtern blickt der römische Gott Janus gleichzeitig nach vorne und zurück und steht so in ständiger Wachsamkeit über Übergänge, den Lauf der Zeit, den Beginn, das Ende. Die Verbindung zum Monat Januar ist leicht hergestellt, zu jenem Monat des Jahres, in dem wir immer gleichermaßen reflektieren und hoffen. Komplexer ist es, eine Verbindung zu einer gut ausgearbeiteten Architektur- und Designausstellung herzustellen, die mühelos die Reflexionen der Vergangenheit mit Vorschlägen, Visionen und Aufregung in Hinblick auf die Zukunft verbindet. Nichts ist so existent, wie es isoliert ist. Und alles erfordert einen Übergang.

Unsere fünf Ausstellungstipps für den Januar 2018 finden Sie in San Francisco, Brüssel, Basel, Mailand und Köln.

 

5 New Architecture & Design Exhibitions for January 2018

„Designed in California“ im San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco, Kalifornien, USA

Eines der großen Paradoxa über die führenden globalen Designmarken/-initiativen, die in Kalifornien entwickelt wurden, ist die Tatsache, dass ein Großteil davon aus altruistischen, wenn auch nicht einfachen, typischen Hippie-Motiven entstanden ist und sich dann zu etwas entwickelt hat, das ganz und gar nicht seinem ursprünglichen Geist entsprach. Und das gelegentlich auf ziemlich unheimliche Art und Weise. Als die Dead Kennedys 1979 „California Über Alles“ aufnahmen, hätten sie sich nie träumen lassen, wie aktuell und relevant der Titel noch werden würde. Mit etablierten kalifornischen Marken wie Whole Earth, North Face oder Apple und aufstrebenden kalifornischen Kreativen wie NewDealDesign oder D-REV verspricht das San Francisco Museum of Modern Art eine Ausstellung, die in vielerlei Hinsicht nicht nur solche Übergänge demonstriert, sondern auch einen Anstoß gibt, wenn nicht gar die Dringlichkeit demonstriert, unsere Beziehung zu kalifornischem Design und Design im Allgemeinen neu zu bewerten.

Wir glauben nicht, dass dies die Absicht der Ausstellung ist. Vielmehr glauben wir, dass die Absicht darin besteht, die Geschichte des Designs im Nachkriegskalifornien zu erzählen. Aber das ist es, was uns an der Ausstellung interessiert hat. Und, wo Charles und Ray Eames aus den 1960er- und 1970er-Jahren in die Erzählung passen.

„Designed in California“ wird am Samstag, den 27. Januar im San Francisco Museum of Modern Art, 151 Third Street, San Francisco, CA 94103 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 27. Mai.

Wishbone Chair by Arthur Espenet Carpenter, 1970 (Photo Katherine Du Tiel, © & courtesy San Francisco Museum of Modern Art)

„Wishbone Chair“ von Arthur Espenet Carpenter, 1970 (Foto Katherine Du Tiel, © & mit freundlicher Genehmigung des San Francisco Museum of Modern Art)

„SOVIET DESIGN. RED WEALTH. Soviet lifestyle from post war USSR until the Olympic Games of 1980“ im ADAM – Design Museum, Brüssel, Belgien

Obwohl wir in der Regel keine Wiederholungsausstellungen von Wanderausstellungen in diese Listen aufnehmen, ist die Aufnahme von „SOVIET DESIGN. RED WEALTH“ weniger eine Ausnahme als ein Versöhnungsversuch: Wir haben sie im Kunsthal Rotterdam 2015 irgendwie verpasst, und so machen wir unsere Schlamperei eben hier wieder gut. Kuratiert von der Kunsthal Rotterdam in Zusammenarbeit mit dem Moscow Design Museum, tut „SOVIET DESIGN. RED WEALTH“ so ziemlich das, was der Untertitel andeutet: Die Ausstellung erforscht die sowjetische Herrschaft von 1950 bis 1980 und das mit Schwerpunkten zu Themen wie u. a. Kindheit und Freizeit, Möbel und Haushaltswaren oder Feinmechanik und Industrieproduktion. Damit ermöglicht sie nicht nur einen kompakten Überblick über das sowjetische Nachkriegsdesign, sondern auch einen komfortablen und übersichtlichen Vergleich mit dem „westlichen“ Design jener Zeit.

„SOVIET DESIGN. RED WEALTH. Soviet lifestyle from post war USSR until the Olympic Games of 1980“ wird am Mittwoch, den 24. Januar im ADAM – Design Museum Brüssel, Belgiëplein/Place de Belgique, 1020 Brüssel eröffnet und läuft bis Montag, den 21. Mai.

Technical Aesthetics magazines 1960s - 1980s (Photo © Moscow Design Museum & courtesy ADAM – Brussels Design Museum)

Technische Ästhetik – Magazine 1960er – 1980er (Foto © Moscow Design Museum & mit freundlicher Genehmigung des ADAM – Design Museum Brüssel)

„Future Love. Begehren und Verbundenheit im Zeitalter geformter Natur“ im Haus der elektronischen Künste Basel, Schweiz

Die Frage „Was ist Liebe?“, oder besser gesagt, Überlegungen zu dem Phänomen, das gemeinhin als „Liebe“ bezeichnet wird, ist einer der ältesten philosophischen Diskurse. Und das nicht nur im Kontext der romantischen Liebe, sondern auch der platonischen Liebe oder der spirituellen Liebe. Ein solcher Diskurs muss zwangsläufig im Kontext der jeweiligen Zeit stattfinden und in unserem Zeitalter verändern digitale Technologien, biologische Technologien und Materialtechnologien die Natur unseres Alltagslebens immer schneller. Die so genannte „Hypernature“ bringt intensivere Welten hervor, als die Natur selbst es kann. Was bedeutet das für die Liebe und unsere Beziehungen im Allgemeinen? Das ist die Fragestellung der Ausstellung „Future Love. Begehren und Verbundenheit im Zeitalter geformter Natur“ im Haus der elektronischen Künste Basel. „Future Love“ ist eine Kunstausstellung, die durch ihre Reflexionen über zeitgenössische Beziehungen, Sexualität und Technologie das Potenzial hat, zu Debatten über zeitgenössisches Design und dessen zukünftige Ausrichtung beizutragen.

„Future Love. Begehren und Verbundenheit im Zeitalter geformter Natur“ wird am Donnerstag, den 18. Januar im Haus der elektronischen Künste Basel, Freilager-Platz 9, 4142 Münchenstein/Basel eröffnet und läuft bis Sonntag, den 15. April.

Kassandra TCGACTTGATGAACTCTCTACCACACT by Pinar Yoldas (Photo courtesy Haus der elektronischen Künste Basel)

„Kassandra TCGACTTGATGAACTCTCTACCACACT“ von Pinar Yoldas (Foto mit freundlicher Genehmigung des Hauses der elektronischen Künste Basel)

„999. A collection of questions about contemporary living“ im Triennale Design Museum, Mailand, Italien

Wir haben keine Ahnung, was wir zu erwarten haben.

Nessuna.

Es könnte 999 Fragen geben. Möglicherweise aber auch nicht – der Ausstellungstext ist ebenso unklar wie poetisch.

Es sollte jedoch ein Musterhaus geben, in dem sich der Besucher von Raum zu Raum bewegt und nicht nur mit Vorschlägen über zukünftige Realitäten konfrontiert wird, sondern auch mit der Notwendigkeit, seine Position zu diesen Realitäten zu überdenken und damit eine breit angelegte Diskussion über die Zukunft von Wohnräumen, Häusern, häuslichem Leben und vor allem das Zuhause zu führen. Abgesehen von dem unbestreitbaren Sinn einer solchen Installation interessiert uns vor allem, dass das Triennale Design Museum kurz nach der Schließung von „999“ während der Mailänder Design Week höchstwahrscheinlich eine Reihe an Ausstellern beherbergen wird, die einheimische Produkte und Dienstleistungen anbieten, die niemandem etwas bedeuten, welche aber ordentlich verpackt und begleitet von hochglänzenden PR- und Social-Media-Kampagnen das Publikum davon zu überzeugen suchen, dass sie wirklich gebraucht werden! Eine Reflexion, die potentiell so interessant ist wie „999“ selbst.

„999. A collection of questions about contemporary living“ wird am Freitag, den 12. Januar im Triennale Design Museum, Palazzo della Triennale, Viale Alemagna 6, 20121 Mailand eröffnet und läuft bis Montag, den 2. April.

999. A collection of questions about contemporary living at the Triennale Design Museum, Milan

„999. A collection of questions about contemporary living“ im Triennale Design Museum, Mailand

„Der Stuhl des Architekten – Sitzmöbel von Egon Eiermann“ im Ungers Archiv für Architekturwissenschaft, Köln

Unter den vielen Charakteren, über die auf diesen Seiten oft zu lesen ist, die wir aber nie kennengelernt haben, war der deutsche Architekt Egon Eiermann immer unter den Top 5. Weil wir glauben, dass er der merkwürdigste aller Charaktere wäre. Und weil nur wenige Architekten und Designer eine solch offensichtliche Leidenschaft für Stuhldesign hatten, wie er sie hatte. Dies wird u. a. durch die Exaktheit, mit der er Sitz- und Rückenelemente auf das Nötigste reduzierte, seine Detailgenauigkeit bei den Strukturelementen und seine Konzentration auf die geforderte Funktionalität bestätigt. Wunderbar erkennbar ist dies an seinem Orchesterstuhl, einem Stuhl, den er, wie Wilde+Spieth-Geschäftsführer Thomas Gerber uns erzählte, kreierte, weil es auf dem Markt nichts gab, was seinem Verständnis von Problemlösung entsprach.

Die Ausstellung „Der Stuhl des Architekten“, realisiert in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), verspricht Eiermanns zahlreiche Stuhldesigns zu begutachten und damit die geradezu obsessive Leidenschaft zu unterstreichen, durch die sie entstanden sind, und warum sie auch heute noch so beliebt sind. Da die Ausstellung im Ungers Archiv stattfindet, wird sie räumlich begrenzt sein, aber wir erwarten einen großen Umfang und Ehrgeiz.

„Der Stuhl des Architekten – Sitzmöbel von Egon Eiermann“ eröffnet am Montag, den 15. Januar, im Ungers Archiv für Architekturwissenschaft, Belvederestraße 60, 50933 Köln und läuft bis Freitag, den 9. Februar.

 

Orchestra Chair by Egon Eiermann for Wilde+Spieth

Orchesterstuhl von Egon Eiermann für Wilde+Spieth

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