Von der Idee zur Form – Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk @ Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld

Das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld wurde 1897 als Anlaufstelle für (angewandte) Kunst gegründet und spielte vor allem wegen des Gründers Friedrich Deneken eine wichtige Rolle im Diskurs über die Beziehung zwischen Kunst, Handwerk und Industrie um die Jahrhundertwende. Im Rahmen der Ausstellung „Von der Idee zur Form – Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk“ wird der Diskurs weitergeführt.

From Idea to Form. Domeau & Pérès Design and Craftsmanship in Dialogue at the Kaiser Wilhelm Museum Krefeld

„Von der Idee zur Form – Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk“ im Kaiser Wilhelm Museum Krefeld

Eine stark gekürzte und ungenaue Abhandlung der Entwicklung des französischen Möbeldesigns vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den 1990er-Jahren würde Mathieu Matégot, Pierre Paulin, Roger Tallon und Philippe Starck erwähnen. Wie gesagt, sehr ungenau. Ende der 1990er-Jahre entdeckte eine jüngere – wohl post-post-moderne – Generation französischer Designer neue Wege in den Bereichen Design, Produktion, Kreation und Formung. Ronan Bouroullec sagt in unserem Interview zum Paris der 90er-Jahre: „Es war eine sehr freie Zeit, vor allem weil es nicht um Industriedesign ging; es ging nur um Objekte und es gibt unendliche Möglichkeiten, Objekte zu realisieren. Zu dieser Zeit war Design noch kein Adjektiv, sondern befand sich noch im Prozess eines zu werden. Alles war sehr frei.“ Domeau & Pérès, bestehend aus Sattlermeister Bruno Domeau und Polsterermeister Philippe Pérès, war einer der wenigen französischen Hersteller, die Ende des 20. Jahrhunderts in diese Freiheit mit einstimmten und die Generation junger, aufstrebender französischer Designer unterstützten. Ihre favorisierte Methode war hierfür die zeitgenössische Einbindung traditioneller Handwerkskunst.

Works by Matali Crasset, as seen at From Idea to Form. Domeau & Pérès Design and Craftsmanship in Dialogue, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld

Arbeiten von Matali Crasset, gesehen in der Ausstellung „Von der Idee zur Form – Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk“, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld

Die Geschichte von Domeau und Pérès begann im Jahr 1994, als Christophe Pillet, ein Absolvent der Domus Academy und damaliger Mitarbeiter von Michele de Lucchi und später von Philippe Starck, die damals noch allein arbeitenden Kunsthandwerker damit beauftragte, Stühle zu polstern, die er für die Pariser Bar „What’s Up“ entworfen hatte. Es folgten weitere Aufträge und im Jahr 1996 wurde dann im Rahmen eines Sofa-Projekts Domeau & Pérès gegründet. 1997 wurde Christophe Pillet zum künstlerischen Leiter der Pariser Messe „Salon du Meuble“ ernannt und überzeugte Domeau & Pérès von einer Ausstellungsfläche, auf der in den folgenden drei Jahren Arbeiten, darunter häufig die ersten Auftragsarbeiten, von Designern wie Jean-Marie Massaud, Michael Young, Matali Crasset und Ronan & Erwan Bouroullec präsentiert wurden. In den darauffolgenden Jahrzehnten erweiterten Domeau & Pérès ihr Portfolio durch die Zusammenarbeit mit größtenteils, wenn auch nicht ausschließlich, aufstrebenden und bereits etablierten französischen Designern und Architekten, die Re-Edition von Arbeiten von Sophie Taeuber-Arp sowie eine Reihe von Stühlen, die auf Objekten basierten, die für die Filme von Jacques Tati entworfen wurden.

Die Ausstellung „Von der Idee zur Form“ verdeutlicht diese Diversität, indem sie Arbeiten von 12 Designern aus den letzten 20 Jahren zeigt und erklärt, wie diese Diversität und der Diskurs zwischen dem hochprofessionellen Handswerksverständnis Domeaus & Pérès‘ und den individuellen Befindlichkeiten der 12 Designer zum Thema Serienproduktion das Unternehmen prägten.

Tatami by Jérome Gauthier, as seen at From Idea to Form. Domeau & Pérès Design and Craftsmanship in Dialogue, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld

Tatami von Jérôme Gauthier, gesehen in der Ausstellung „Von der Idee zur Form – Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk“, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld

Die Ausstellung „Von der Idee zur Form“ ist sehr gut kuratiert, denn sie zeigt eine oder mehrere Arbeiten jedes Designers inklusive Skizzen, Fotografien und anderem Hintergrund-, Vorbereitungs- und Archivmaterial und beleuchtet so die Entwicklung des Produkts und die Herausforderungen, die es zu meistern galt. Und obgleich nicht jedes Objekt für Begeisterung sorgen mag, gehört doch alles zur Gesamtkomposition. Somit muss der Besucher seine Beurteilung des Objekts von dessen Kontext und Relevanz lösen – eine wichtige Fähigkeit und ein Prozess, der von intelligent geschriebenen Texten unterstützt wird.

Besonders erfreulich ist, dass Kunstwerke aus der Sammlung des Museums in der Ausstellung verteilt wurden, die die ausgestellten Designs ergänzen und häufig auch erweitern: Über der Kollektion Au Mètre von Éric Chevallier hingen zum Beispiel einige Drucke von Günter Fruhtrunk, das Objekt Bureau von Sophie Taeuber-Arp aus dem Jahr 1928 wurde Arbeiten von Piet Mondrian gegenübergestellt und neben dem Schreibtisch Bureau von Ronan und Erwan Bouroullec hängen zwei Gemälde von Le Corbusier. Das ist nicht zuletzt wegen der an Prouvé erinnernden Silhouette des Schreibtischs eine hochinteressante Gegenüberstellung.

Doch am zufriedenstellendsten erscheint uns die Tatsache, dass es Sitzobjekte gibt, auf denen man sitzen kann. Wie wir bereits im Rahmen der Ausstellung „INSIDE architecture by Åke Axelsson, Jonas Bohlin, Mats Theselius“ in der Konstakademien, Stockholm bemerkt haben, sollte dies in Ausstellungen mit Stühlen normal sein, nicht zuletzt, weil die Sitzerfahrung grundlegend und maßgeblich zu jedem Stuhldesign beitragen muss. Man kann einen Stuhl nicht beurteilen, indem man ihn anschaut. Das Kaiser Wilhelm Museum Krefeld hat dies glücklicherweise verstanden. Ja, man kann nicht immer auf allen Objekten sitzen, auf denen man sitzen möchte. Das Leben ist hart, man kann nicht immer machen, was man will, sorry.

Bureau by Sophie Taeuber-Arp and works by Piet Mondrian, as seen at From Idea to Form. Domeau & Pérès Design and Craftsmanship in Dialogue, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld

Bureau von Sophie Taeuber-Arp und Arbeiten von Piet Mondrian, gesehen in der Ausstellung „Von der Idee zur Form – Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk“, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld

Obwohl der Fokus auf den Designern und ihren Arbeiten zu liegen scheint, sind sie doch nur so etwas wie Kanäle zu dem wahren Kern der Ausstellung, nämlich dem kreativen Prozess, dem Verhältnis zwischen Designer, Handwerker und Hersteller, wie ein konstruktives, kreatives Zusammenspiel zum Vorteil aller funktionieren kann und in welchem Kontext all das eine Begleitung zu „Wagner, Hoffmann, Loos and Viennese Modernist Furniture Design. Artists, Patrons, Producers“ im Hofmobiliendepot Wien sein kann. Der notwendige Jugendstil ist anderswo im Kaiser Wilhelm Museum Krefeld zu finden, aber dazu später mehr. Wie immer bei Ausstellungen, die einem einzigen Hersteller gewidmet sind, ist der „Thonet Test“, den wir 2014 im Rahmen der Ausstellung „Sitzen – Liegen – Schaukeln. Möbel von Thonet“ im Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig entwickelt haben für uns ein wichtiger Faktor, ob es sich nur um Werbung für den Hersteller handelt. Natürlich ist das Ganze Werbung für Domeau & Pérès und uns ist bewusst, dass auch wir mit diesem Post dazu beitragen, obwohl wir ihn nicht hätten schreiben müssen und einfach alles hätten ignorieren können.

Die in der Ausstellung berücksichtigten Skizzen und das Archivmaterial helfen dabei, die verschiedenen Wege zu verdeutlichen, auf denen sich Möbelprojekte entwickeln können und zeigen, wie Materialien und Prozesse den Designprozess beeinflussen können sowie die Herausforderungen, die beim Aufeinandertreffen von Handwerk und Design entstehen können. Zudem beleuchten sie die Beziehung zwischen Designer und Hersteller und funktionieren eine Ebene oberhalb der Objekte. Auf diese Weise erreicht die Ausstellung auf der einen Seite, was jedes Museum erreichen sollte, nämlich zu informieren und weiterzubilden und gibt auf der anderen Seite eine sehr zugängliche, offene und unterhaltsame Einführung in den Prozess, die Entwicklung von einer Idee zu einem Objekt.

„Von der Idee zur Form – Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk“ läuft bis Sonntag, den 14. Oktober im Kaiser Wilhelm Museum, Joseph Beuys-Platz 1, (ehemals Karlsplatz 35), 47798 Krefeld.

Alle Infos zu Öffnungszeiten und dem Rahmenprogramm gibt es auf http://kunstmuseenkrefeld.de

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